DER BIEBRICHER, Nr. 340, März 2020
Stadtteilmagazin für Wiesbaden-Biebrich
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FRANK HENNIG<br />
Einblick in das mittelalterliche Gerichtswesen<br />
von Mosbach und Biebrich<br />
Im Jahr 2018, rund 450 Jahre<br />
nach seiner Entstehung, gelangte<br />
das Mosbach-Biebricher<br />
Gerichtsbuch auf verschlungenen<br />
Wegen in die Bestände<br />
des Stadtarchivs Wiesbaden.<br />
Diverse Besitzwechsel und eine<br />
wenig sachkundige Restaurierung<br />
hatten das Werk allerdings<br />
erheblich in Mitleidenschaft gezogen,<br />
ein großer Teil der insgesamt<br />
428 Seiten erlitt einen<br />
Moderschaden. Daher musste<br />
das bedeutsame Dokument,<br />
das allen Interessierten einen<br />
Einblick in das mittelalterliche<br />
Gerichtswesen kleinerer Orte<br />
wie Mosbach oder Biebrich<br />
möglich macht, aufwendig restauriert<br />
werden.<br />
Das Mosbach-Biebricher Gerichtsbuch<br />
erzählt von einer<br />
weit zurückliegenden Epoche:<br />
Die Eintragungen des Gerichts<br />
reichen von 1418 bis 1578 und<br />
handeln von Familienstreitigkeiten,<br />
erbrechtlichen Fällen,<br />
Verkäufen, Kreditaufnahmen,<br />
Gemeindeangelegenheiten und<br />
landesherrlichen Angelegenheiten.<br />
Neben dem sogenannten<br />
Wiesbadener Merkerbuch von<br />
1393 und dem Frauensteiner<br />
Gerichtsbuch, das ab 1413 geführt<br />
wurde, stellt das Biebrich-<br />
Mosbacher Gerichtsbuch nun<br />
eine der drei ältesten Quellen<br />
des Stadtarchivs Wiesbaden<br />
dar. Eine dichte Überlieferung<br />
derartiger Rechtsquellen gibt es<br />
hier sonst erst ab Mitte des 16.<br />
Jahrhunderts. Daran zeigt sich<br />
seine Bedeutung für die ältere<br />
Wiesbadener Stadtgeschichte.<br />
Neben der Restaurierung des<br />
Gerichtsbuchs im Zentrum für<br />
Im Wiesbadener Stadtarchiv hat das Mosbach-Biebricher Gerichtsbuch nach seiner aufwendigen<br />
Restaurierung nun ein dauerhaftes Domizil gefunden.<br />
„Leben in Mosbach-Biebrich<br />
vor 500 Jahren – Das<br />
wiederentdeckte Gerichtsbuch“,<br />
herausgegeben von<br />
Regina Schäfer, Brigitte<br />
Streich, Rudolf Steffens und<br />
dem Magistrat der Landeshauptstadt<br />
Wiesbaden<br />
– Stadtarchiv. ISBN: 978-3-<br />
940456-92-2.<br />
Bucherhaltung Leipzig – gefördert<br />
vom Hessischen Ministerium<br />
für Wissenschaft und<br />
Kunst – wurde der Inhalt des<br />
Gerichtsbuchs zugleich wissenschaftlich<br />
aufgearbeitet. Denn<br />
auf den ersten Blick sind die auf<br />
Pergament geschriebenen Texte<br />
insbesondere für den Laien eine<br />
Art „Buch mit sieben Siegeln“.<br />
Nicht nur die Schrift des 15.<br />
und 16. Jahrhunderts ist nicht<br />
ohne weiteres zu entziffern,<br />
auch die Rechtsgeschäfte, die<br />
hier niedergelegt und zusammengefasst<br />
wurden, bedürfen<br />
der Erläuterung. Das Stadtarchiv<br />
Wiesbaden, rund 30 Studierende<br />
des Germanistisch-<br />
Historischen Arbeitskreises der<br />
Universität Mainz sowie ihre<br />
Dozenten haben deshalb in einem<br />
gemeinsamen Forschungsprojekt<br />
eine Auswahl der eingetragenen<br />
Gerichtsfälle editiert<br />
sowie damit leichter lesbar und<br />
verständlich gemacht. Ergänzt<br />
um historische und sprachgeschichtliche<br />
Einführungen wurden<br />
ausgewählte Gerichtsfälle<br />
in einen geschichtlichen Kontext<br />
gesetzt und daraus ein<br />
Buch für die Schriftenreihe des<br />
Stadtarchivs verfasst.<br />
Frohe Ostern!<br />
Tel.: 0611 61114<br />
Mainstraße 15<br />
65203 Wiesbaden<br />
8 <strong>DER</strong> <strong>BIEBRICHER</strong> / MÄRZ <strong>2020</strong>