Stahlmarkt 11/2019
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
10<br />
SEITENBLICK<br />
Wer folgt auf die Babyboomer?<br />
Unternehmer aus der Generation der Babyboomer ziehen sich allmählich aus Altersgründen zurück.<br />
Wer soll ihnen folgen? Die Demografie wird zum Problem für Nachfolgeregelungen.<br />
Von unserem Autor Stefan Weber<br />
Mit Mitte vierzig hatte sich Jens Rößler<br />
gefragt, ob er auch die nächsten 20 Jahre als<br />
Angestellter arbeiten möchte. Oder ob er lieber<br />
eine neue Herausforderung annehmen<br />
will. Der studierte Elektrotechniker stammte<br />
aus einer Unternehmerfamilie; da lag es nahe,<br />
sich auch selbstständig zu machen. Ein Unternehmen<br />
gründen wollte Rößler jedoch nicht,<br />
er favorisierte die Übernahme eines bereits<br />
existierenden Betriebs, bevorzugt aus den<br />
Bereichen Maschinenbau, Zerspanung oder<br />
Automation. Vor fünf Jahren hat er die WIR<br />
electronic GmbH, einen Spezialisten für<br />
Kabelkonfektion mit Sitz in Chemnitz, übernommen.<br />
Der Kontakt kam zustande über<br />
nexxt-change, eine Internetplattform des<br />
Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie,<br />
der KfW Bankengruppe, der deutschen<br />
Industrie- und Handelskammern sowie weiterer<br />
Partner aus Handwerk und Kreditwirtschaft.<br />
»Vor dem ersten Besuch bei WIR electronic<br />
hatte ich mir bereits 20 andere Unternehmen<br />
angeschaut«, berichtet Rößler. Auch<br />
Alteigentümer Wilfried Ramakers, der damals<br />
bereits auf die 70 zuging, hatte zuvor schon<br />
einige Interessenten empfangen. Rößler war<br />
der 38., der bei ihm anklopfte.<br />
So wie Rößler geht es vielen potenziellen<br />
Jungunternehmern, die lieber eine etablierte<br />
Firma kaufen wollen als eine Neugründung in<br />
Angriff zu nehmen: Sie können aus einem<br />
übergroßen Angebot wählen. Denn der<br />
Markt für zur Übergabe anstehende Unternehmen<br />
befindet sich in einer Schieflage. Es<br />
»»<br />
Der Markt für zur Übergabe anstehende Unternehmen befindet sich<br />
in einer Schieflage. Es gibt deutlich mehr Seniorunternehmer, die einen<br />
Nachfolger suchen als ernsthafte Interessenten.<br />
Im Mittelstand tritt die Generation der Babyboomer aus Altersgründen allmählich ab.<br />
gibt deutlich mehr Seniorunternehmer, die<br />
einen Nachfolger suchen als ernsthafte Interessenten.<br />
Die Plattform nexxt-change beispielsweise<br />
verzeichnet aktuell lediglich 1 732<br />
Kaufgesuche. Dem stehen 6 304 zum Verkauf<br />
angebotene Unternehmen gegenüber.<br />
Dieses Ungleichgewicht wird sich in den<br />
nächsten Jahren voraussichtlich noch verstärken.<br />
Denn im Mittelstand tritt die Generation<br />
der Babyboomer aus Altersgründen allmählich<br />
ab. »Der Bedarf an Lösungen für Unternehmensnachfolgen<br />
wird weiter deutlich steigen,<br />
denn mehr als ein Viertel der aktuell tätigen<br />
Unternehmer ist bereits 60 Jahre und älter«,<br />
erläutert Holger Wassermann, Professor an der<br />
FOM Hochschule für Ökonomie & Management.<br />
In einer vom Verband Deutscher Bürgschaftsbanken<br />
(VDB), Creditreform Rating und<br />
FOM gemeinsam erstellten Untersuchung zum<br />
Nachfolgegeschehen in Deutschland (»Nachfolgemonitor<br />
<strong>2019</strong>«) kommen die Autoren zu<br />
dem Schluss, dass aktuell für 322 000 Unternehmen<br />
»dringender Bedarf« für eine Übergabe<br />
besteht. Bis 2023 stünden sogar etwa<br />
500 000 Unternehmen vor einem altersbedingten<br />
Eigentümerwechsel. »Aufgrund des<br />
hohen Stellenwerts kleiner und mittelgroßer<br />
Unternehmen hängt ein großer Teil der<br />
Arbeitsplätze in Deutschland vom Erfolg der<br />
Übergabe eines Betriebs an die nächste Generation<br />
ab«, betont Michael Munsch, Vorstand<br />
der Creditreform Rating AG.<br />
Doch die Chancen für eine gelingenden<br />
Stabwechsel stehen nicht gut. Das ist zum<br />
einen eine Folge der Demografie: Die auf die<br />
Babyboomer folgende Generation ist deutlich<br />
kleiner als ihr Vorgänger. Somit gibt es vergleichsweise<br />
wenig potenzielle Kandidaten<br />
für eine Nachfolge. Hinzu kommt, dass die<br />
Altersgruppe der 30- bis 40-Jährigen (also<br />
diejenigen, die der Statistik zufolge besonders<br />
Foto: Shutterstock<br />
stahlmarkt <strong>11</strong>.<strong>2019</strong>