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FINE 01/2017 Madeira

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man große Probleme mit dem Wein bekommen. Er ist einfach<br />

unzerstörbar.« Der Weinmacher begeistert sich: »<strong>Madeira</strong> ist<br />

der wandlungsfähigste Wein, den ich kenne. Sie machen alles,<br />

was Sie bei anderen Weinen vermeiden wollen, Oxi dation, Erhitzen.<br />

Was ihn etwa von Port unterscheidet, ist sein hoher Säuregrad.<br />

Dadurch bleibt er immer ausgewogen, selbst bei hohen<br />

Zuckerwerten von 125 Gramm.«<br />

Wichtig für die Verbesserung des <strong>Madeira</strong> seit den 1990er<br />

Jahren war die Verfeinerung der Erhitzungsmethode mit geringeren<br />

Temperaturen. »Früher wurden die Weine viel zu stark<br />

erhitzt, man bekam ein Aroma mit Brand­Noten«, sagt Juan<br />

Teixeira. Heute konzentriere man sich auf die Weinberge und<br />

die Kellerei. »Die Trauben aus dem Süden und aus dem Norden<br />

sind unterschiedlich, auch das Alter der Stöcke spielt eine<br />

Rolle.« Für ihn sei problematisch, dass die Winzer oft auch<br />

andere Pflanzen wie etwa Gemüse unter den Wein­Pergolen<br />

anbauen. Im Keller werde jetzt mehr Sorgfalt bei der Selektion,<br />

beim Entrappen und beim Pressen angewandt. Er schaut etwas<br />

versonnen, wenn er an die Langlebigkeit der Weine denkt: »Mit<br />

unseren heutigen Methoden wird der <strong>Madeira</strong> in den nächsten<br />

hundert Jahren – wenn wir längst nicht mehr hier sind – noch<br />

besser sein als heute.«<br />

Ein wenig bedauert Juan Teixeira, dass er nicht alle <strong>Madeira</strong>s<br />

ihr volles Potential entfalten lassen darf: »Es ist ein Ver brechen,<br />

einen Wein zu töten, der noch reifen kann.« Aber die meisten<br />

Handelshäuser machten ihren Umsatz nun einmal mit jüngeren<br />

Weinen, und Justino’s sei von der Strategie seines französischen<br />

Eigentümers La Martiniquaise abhängig, eines der großen<br />

Spirituosenkonzerne der Welt. Die langsame Verdunstung des<br />

Weins im Fass, der »Anteil der Engel«, verringere das Volumen<br />

und koste damit auch Geld. Am Anfang seien das in kleineren<br />

Fässern rund zwei Prozent Wein pro Jahr, im Lauf der Zeit oder<br />

in großen Fässern weniger. Ich rechne nach: Wenn ein Wein<br />

jährlich 1,5 Prozent seines Volumens verliert, so ist nach fünfzig<br />

Jahren nur noch knapp die Hälfte übrig. Jedes zweite Glas<br />

haben dann also die Engel genossen.<br />

Zwischen trocken und süß: Justino’s ist der größte Erzeuger. Die Fässer<br />

müssen ständig überprüft und gelegentlich auch repariert werden.<br />

<strong>Madeira</strong> aus Sercial ist trocken, Malvasia liefert den süßesten Wein.<br />

sein, ob die Traubensorte korrekt angegeben ist und ob er nicht<br />

auch mit der Estufagem­Methode erzeugt wurde.<br />

Francisco Albuquerque, der Weinmacher von Blandy‘s,<br />

zeigt in der neuen Produktionsstätte im Osten der Insel seine<br />

Schätze: Riesige Tanks, Lagerhallen mit Tausenden von Fässern.<br />

Da liegen jahrzehntealte Fässer mit verbeulten Böden, die<br />

ständig überprüft und in der eigenen Fass macherei repariert<br />

werden müssen, wenn sich ein Leck zeigt. Der Zweiundfünfzigjährige<br />

ist ein freundlicher Mann mit dichtem schwarzen Haar,<br />

trägt Jeans und ein dunkles blaues Hemd und eine dicke<br />

Silber kette um den Hals. Er war Experte für die Schweinezucht,<br />

bevor er im Selbststudium zu einem der herausragenden<br />

Wein macher der Insel wurde. Im Laborraum stehen viele<br />

kleine Probe flaschen, die älteste trägt die Jahreszahl 1840. In<br />

seinem Privatkeller hat Albuquerque sogar eine Flasche aus<br />

dem Kometenjahr 1811. Er erklärt, wie wichtig der besondere<br />

vulka nische Boden <strong>Madeira</strong>s für den Wein ist: »Es ist ein<br />

suppressiver Boden, der wenige Krankheiten entstehen lässt,<br />

reich an organischen Substanzen, viel Eisen und Phosphor,<br />

arm an Kalium.« All diese Elemente sorgen für die Säure des<br />

Weins. Hinzu kommt auch, dass keine zweite Gärung stattfindet,<br />

die Milchsäurebakterien also im Wein erhalten bleiben.<br />

Guten <strong>Madeira</strong> herzustellen, bedeutet, jährlich Tausende von<br />

Proben zu nehmen und sie geschickt zu ver schneiden. »Die<br />

Kunst des Alterns und Reifens besteht darin, das richtige Maß<br />

an Oxi dation und damit Konzen tration zu erreichen«, sagt<br />

Francesco Albuquerque.<br />

Er zeigt in seinem kleinen Labor, wie ein zehn Jahre alter<br />

<strong>Madeira</strong> aus acht verschiedenen Weinen zusammengestellt wird:<br />

zu neunzig Prozent aus Weinen der Jahrgänge 2<strong>01</strong>3 bis 2007,<br />

dazu zehn Prozent eines fünfzehn Jahre alten aus dem Jahr 20<strong>01</strong>.<br />

Er berechnet die Anteile mit Hilfe eines großen Tischrechners,<br />

füllt dann ein Reagenzglas – und freundlich aus den dunklen<br />

Augen lächelnd präsentiert er sein neues Produkt: »Es darf<br />

dann noch etwas lagern, bevor es vermarktet werden kann.«<br />

Jede Abfüllung muss seit dem Aufbau des <strong>Madeira</strong>­ Weininstituts<br />

im Jahr 1979 mit Mengen und Fassnummern angemeldet und<br />

dort verkostet werden.<br />

Beim Handelhaus Justino’s finden wir den Typ des jüngeren<br />

Weinmachers. Der fünfundvierzig Jahre alte Juan<br />

Teixeira hat Weinbau studiert und auf dem portugiesischen<br />

Festland Weiß­ und Rotweine gemacht, bevor er im<br />

Jahr 2000 nach <strong>Madeira</strong> kam. Er musste umlernen: »Ich habe<br />

gemerkt, dass der <strong>Madeira</strong> viel einfacher ist und weit weniger<br />

Probleme bereitet. Nur wenn man sehr grobe Fehler macht, kann<br />

Wir probieren Weine aus den Jahrgängen 1995 und<br />

1996. Der 95er ist eleganter, der 96er konzentrierter.<br />

»Der Auftakt eines guten <strong>Madeira</strong> bedeutet, dass<br />

man salzige Noten findet«, sagt Juan Teixeira. Dazu kommen<br />

die Aromen von Gewürzen wie Pfefer, von Karamell, Crème<br />

brûlée, Honig, Zuckermelasse, tropischen Früchten wie Mango<br />

und Datteln, etwas Zigarrenkistenholz, Tabak, leicht rauchige<br />

Noten. Der Wein entwickelt im Glas ständig neue Aromen,<br />

plötzlich auch Kokosnuss. Die trocknen Weine haben dagegen<br />

Zitrusnoten, auch Töne von Haselnuss. Ältere Weine duften<br />

wie polierte Möbel, Teixeira fühlt sich an Kirchengebäude<br />

oder alte Apotheken erinnert. Man spürt den Alkohol nicht,<br />

weil er gut integriert ist.<br />

»<strong>Madeira</strong> ist nicht teuer, er ist immer unterbewertet«,<br />

sagt Juan Teixeira. Hundertjährige <strong>Madeira</strong>s kosten meist<br />

mehrere hundert Euro. Ein 1850er von D’Oliveiras ist für<br />

sieben hundert bis eintausend Euro zu bekommen, Weine<br />

Zwischen Gaumen und Nase:<br />

Juan Teixeira, der studierte<br />

Wein macher von Justino’s,<br />

musste umlernen, als er im<br />

Jahr 2000 vom Festland<br />

auf die Insel kam. Doch zu<br />

seinem wichtigsten Rüstzeug<br />

gehören nach wie<br />

vor sein Geschmacks- und<br />

Geruchs sinn. Der Colheita-<br />

Jahrgang 1966 ist ein sehr<br />

konzentrierter <strong>Madeira</strong>.<br />

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