11.05.2020 Aufrufe

FINE 01/2017 Madeira

  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Zwischen Kunst und Handwerk:<br />

Paula Cabaço ist die Präsidentin<br />

des staatlichen <strong>Madeira</strong>-Instituts,<br />

das auch für die traditionellen<br />

Stickereien zuständig ist. Seit 1979<br />

überwacht es die Ernten ebenso<br />

streng wie die Weinbereitung.<br />

Jedes Fass wird vom IVBAM mit<br />

einem Prüfsiegel versehen, jede<br />

Abfüllung sorgfältig dokumentiert.<br />

Zwischen Himmel<br />

und Erde: Unterm<br />

Dach von Blandy’s<br />

Wine Lodge ist Weinmacher<br />

Francisco<br />

Albuquerque ebenso<br />

zuhause wie zwischen<br />

modernen<br />

Stahl tanks. Er weiß:<br />

Der <strong>Madeira</strong> mag<br />

es warm.<br />

und Ostindien und zurück. »Wieso dieser Wein, der in ständig<br />

unruhiger Bewegung und brütender Hitze lag, die Fässer oft<br />

in fauligem Brackwasser untergetaucht, nicht völlig ungenießbar<br />

wurde, bleibt ein Rätsel«, wundert sich der Weinhistoriker<br />

Hugh Johnson. »Doch ganz im Gegenteil entfaltete er Milde<br />

und Geschmackstiefe, verlor aber nie jene pikante Lebendigkeit,<br />

die seinen Liebhabern oft das Gefühl einer etwas exzentrischen,<br />

aber doch hochgeschätzten Vertrautheit vermittelte.«<br />

Es war die Zeit des Vinho da Roda, des Weltumsegelungsweins,<br />

der von manchen Händlern noch bis ins ver gangene<br />

Jahrhundert angeboten worden ist. Doch die meisten<br />

<strong>Madeira</strong>­Erzeuger begannen bald, sich die teuren Schifs reisen<br />

zu sparen und die tropische Sonne an Land zu imitieren. Einige<br />

Weine wurden zusätzlich mit unvergorenem Most gesüßt. Um<br />

den Wein teurer verkaufen zu können, ließ man die Fässer im<br />

Freien liegen oder packte sie unter die Dächer der Lager häuser –<br />

die noch heute übliche Canteiro­Methode, benannt nach den<br />

Holzgestellen, auf die man die Fässer bettet. Manche Fässer vergrub<br />

man kurioserweise für mehrere Monate unter Pferdemist.<br />

Dann ging man dazu über, den Maderia zusätzlich zu<br />

erhitzen, direkt oder mit erwärmter Luft. 1794 entstand in<br />

Funchal die erste Estufa, ein Lagerhaus mit einem mächtigen<br />

Heizofen, der heißes Wasser erzeugte und für tropische<br />

Tempera turen sorgte. »Ein einziger Wein verdankt seinen Platz<br />

in der Geschichte der Brutalität, mit der er behandelt wurde«,<br />

schreibt Hugh Johnson: »<strong>Madeira</strong> ist ein Masochist.« Bei der<br />

Estufagem­Methode muss der <strong>Madeira</strong> heute aber weit weniger<br />

leiden als früher. Die Erwärmung findet schonend in Stahltanks<br />

statt, in denen heißes Wasser von maximal fünfzig Grad<br />

durch Rohre oder eine doppelte Umwandung zirkuliert.<br />

Krisen wie die Reblausplage und Absatzprobleme durch<br />

die amerikanische Prohibition und die russische Revolution<br />

ließen die Produktion später stark zurückgehen. Heute hat<br />

<strong>Madeira</strong> wieder knapp fünfhundert Hektar Weinberge. Sie<br />

werden von dreimal so vielen Winzern bewirtschaftet, meist<br />

im Neben erwerb. Die Weingärten auf den Steilterrassen um<br />

Câmara de Lobos im Süden und um São Vicente im Norden<br />

sind im Schnitt nur ein Drittel Hektar groß, oft ganz winzige<br />

Parzellen neben Wohnhäusern.<br />

Heute hat sich die <strong>Madeira</strong>­Produktion auf wenige renommierte<br />

Handelshäuser konzentriert. »<strong>Madeira</strong> ist so berühmt wie<br />

unbekannt«, sagt der Weinmacher Juan Teixeira von Justino’s,<br />

dem größten Erzeuger. Um das Paradox des ebenso unbekannten<br />

wie berühmten Weins zu verstehen, besuche ich neben<br />

ihm auch D’Oliveras, die <strong>Madeira</strong> Wine Company der Familie<br />

Blandy sowie den progressiven Neuerer Ricardo Diogo Freitas<br />

im Haus Barbeito. Es ist Hochsommer, Ende August. Auf der<br />

Insel steht das jährliche Weinfest zum Beginn der Ernte am<br />

5. September bevor.<br />

In Funchal zeigt Chris Blandy, in siebter Generation Chef des<br />

heute ältesten <strong>Madeira</strong>hauses, die Fassreifung im hölzernen<br />

Dachgeschoss des Firmensitzes, einem ehemaligen Klostergebäude,<br />

das jetzt Blandy’s Wine Lodge heißt. Das Gebäude ist<br />

der für Touristen geöfnete Schmuckkasten der Firma, denn der<br />

weitaus größte Teil der Produktion findet in einem Kellerei­ und<br />

Lagerkomplex im Nordosten der Insel statt. In Funchal lagern bei<br />

Temperaturen bis zu 38 Grad Celsius Weine in Sechshundert­<br />

Liter­Fässern aus amerikanischer Eiche. »In diesem Jahr stieg<br />

die Außentemperatur bis auf 40 Grad«, sagt Blandy. Unter<br />

dem Dachfirst hängen Blechkanister, aus denen früher Alkohol<br />

in die Gärbottiche gegossen wurde. Am Boden stehen alte<br />

Korbgestelle mit Ballongläsern, in denen gereifter Wein zwischengelagert<br />

wird, damit er nicht weiter konzentriert und an<br />

Volumen verliert. »Im ersten Jahr verdunsten bis zu fünf Prozent<br />

des Weins, später noch jährlich um die zwei Prozent und<br />

weniger«, sagt Chris Blandy.<br />

In den unteren Etagen stehen Flaschen mit jahrzehntealten<br />

Weinen in den Regalen. Auch geöfnete <strong>Madeira</strong>­ Flaschen<br />

können stehend aufbewahrt werden. Da die Weine voll oxidiert<br />

sind, verändern sie sich nicht mehr, wenn sie mit Sauerstof<br />

in Kontakt kommen. So bleibt auch ein vor Jahrzehnten<br />

abgefüllter <strong>Madeira</strong> frisch, eine geöfnete Flasche kann man<br />

über Jahre verbrauchen, ohne dass der Wein verdirbt – wenn<br />

man es denn so lange aushält.<br />

In den Fluren liegen Metallrohre, denn nach den verheerenden<br />

Waldbränden im Juli wird eilig eine Sprinkler­Anlage<br />

eingebaut. Das Feuer hatte sich durch eine Schlucht bis in<br />

32 <strong>FINE</strong> 1 | 2<strong>01</strong>7 PORTUGAL PORTUGAL <strong>FINE</strong> 1 | 2<strong>01</strong>7 33

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!