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ULF DER KUPPLER

Reisebericht von Asta Scheib aus dem Jahr 1983

In der Maschine nach Budapest saß ich neben Ulf Miehe. Ungarn. Ulf. PUMA. Ziemlich viel U, dachte ich

und fragte Ulf, wie es denn so liefe mit seinem neuen Roman. Der trug nämlich den Titel PUMA. Ulf hustete

höflich und setzte seine dunkle Brille auf. Also wollte er nicht reden. Auch gut. Ich hatte den Roman nicht

gelesen, wusste aber so ungefähr, worum es ging. Um einen, der Puma heißt, nach neun Jahren aus dem Knast

kommt und nur eines weiß – er muss den ultimativen Coup landen. Mit zwei Komplizen entführt er eine Millionärstochter,

Billie, die sich dann in Puma verliebt. Ihr Vater will nicht zahlen, er fühlt sich von der eigenen

Tochter verraten. Wie das alles weitergeht, wusste ich noch nicht. Aber Ulf wird aus PUMA lesen, soviel ist

sicher. Vor dem PUMA hat er einen Roman vorgelegt, der eine hohe Auflage erzielt hat: ICH HAB NOCH EI-

NEN TOTEN IN BERLIN hieß der und ich glaube, davon wurden dreihunderttausend Stück verkauft. Auch

Übersetzungen gab es. Ulf hätte allen Grund gehabt, stolz auf sich zu sein oder zufrieden oder so was in der

Art. Er wirkte aber eher verschlossen, grüblerisch. Dazu hätte ich mehr Grund gehabt, denn ich hatte nur wenig

aufzuweisen. Oder gar nichts. Ich hatte nur Lyrik geschrieben, noch nichts veröffentlicht, und ich war von

der Ost-Europa-Gesellschaft auch nur eingeladen worden, weil man offenbar beim Ticketsortieren festgestellt

hatte, dass nur Männer für die Ungarn-Tournee eingeladen worden waren und da wurde ich noch rasch als Alibifrau

dazu gebeten. Hans Herbst flog noch mit,

Albert Sander und Mathis Schröder. Sie saßen weiter hinten in der Maschine und so hatte ich Ulf für mich alleine.

Als ich ihn fragte, ob PUMA wohl auch so ein grandioser Erfolg werde wie der vorige Roman, nahm Ulf

die Brille ab und sah mich an. „Das ist mir egal“, sagte er grimmig, „ich will nur, dass meine Leser es schwer haben,

das Buch wieder wegzulegen, bevor sie es nicht zu Ende gelesen haben.“ Dann setzte er seine Brille wieder

auf, rückte sich in Schlafstellung, aber plötzlich sah er mich wieder an und meinte sarkastisch, dass sie ihn beim

„Toten in Berlin“ so über den Schellenkönig gelobt hätten, dass er jetzt nur noch mit Verrissen rechne. Er fände

den „Toten“ heute an vielen Stellen langweilig. „Daraus habe ich für den Puma gelernt. Der ist besser lesbar. Das

ist anrüchig an ihm. Manchmal frag ich mich, was Literaturkritiker für Leser sind. Keiner von denen hat bisher

den Zusammenhang in den Sachen gesehen, die ich gemacht habe. Sie stecken einen in die Schublade – fertig!“

Unser Budapester Hotel hieß Szàbabsàg und einer meinte, es werde nach unserem Aufenthalt abgerissen. Ulf

bat mich, an seine Zimmertür zu klopfen, wenn es früher losginge mit der Abrissbirne. Wie er das sagte, stand

er in der Tür zu seinem Zimmer, eingewickelt in ein Handtuch, sehr ernst, blass und schmal, und ich glaubte

ihm fast seine Sorge wegen der Abrissbirne.

Später saßen wir alle in einem ungarischen Vorzeige-Restaurant, eine Zigeunerkapelle spielte, wir redeten und

ich kriegte zu viel von der Gänseleberpastete, die sie hier in aller Unschuld großzügig servierten. Am nächsten

Tag beim Frühstück war mein Gesicht grün und Ulf sagte, du brauchst einen Kamillentee. Nein, eine Ambu-

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