Piper-Lektor Rainer Weiss 2014 über die Zusammenarbeit mit Ulf Mieheam Roman Lilli BerlinIch meine mich zu erinnern, dass der Titel schon feststand, ganz sicher jedoch weiß ich, dass Ulf, der mirerklärte, worum es ihm ging und welches Szenario ihm vorschwebte, in seine Hauptperson verliebt war– und immer schon verliebt war in die Stadt, in der sein neues Buch spielen musste. In Lilli also und inBerlin. Und indem er von diesem Buch sprach, das ihm, im wahrsten Sinne des Wortes, bevorstand, begriffich rasch, wie ernst er sein Vorhaben nahm und wie genau er wusste, dass Lilli seine ganze Kraft brauchte.Vermutlich war Ulf schon damals, obwohl noch jung, mal eben vierzig, nicht mehr bei bester Gesundheit,und das, obwohl er nicht rauchte, ausschließlich Wasser trank und mit Bedacht aß – und das in einer Zeit,in der man als Künstler noch hemmungslos zu sein hatte.Tatsächlich gab es noch nicht viel Text in diesen Frühjahrstagen. Erste Skizzen, eine Reihe von Dialogen,einzelne, auch längere Passagen existierten bereits, vor allem aber eine Art Skelett, ein sehr genauer Handlungsaufriss,eine Szenenfolge auf Papier. Und dazu gab es einen Autor, der Hilfe brauchte. Nicht, weiler nicht konnte, sondern weil ihn immer wieder Zweifel übermannten, weil er Angst hatte, nicht an seineersten Erfolge anknüpfen zu können, weil er besorgt war, seinen Figuren nicht gerecht zu werden.Lilli Berlin brauchte Zeit. Ulf Miehe legte jeden Satz auf die Goldwaage, um seine Sprache so einfach, soschmucklos wie möglich zu machen, dachte stunden- und tagelang über Handlungsstränge nach, über dieLogik kleinster Ereignisse – und nahm mich dabei in Anspruch: als Zuhörer, Kritiker, als unerbittlicher Frager,als jemanden, der Disziplin predigte und Aufgaben stellte, der, was Miehe verlangte, dem Autor jedeZufriedenheit mit dem Erreichten verbot. Ich hatte eine Art Sieb zu sein, durch das er presste, was ihmeingefallen war … zu diesem „Programm“ gehörten lange Spaziergänge in den Feldern um sein bayrischesDomizil, wo er mit Angelika und ihrer beider Katze (hieß sie nicht auch Lilli?) wohnte, ausgedehnte Abendemit dem Hören von Musik und dem Schauen von Kurosawa-Filmen, Reisen nach Berlin, wo er Menschenstudierte und wo wir beide in der Hasenheide wohnten, bei Hubert, der wie Ulf aus Wusterhausen an derDosse stammte und jede Ecke der Stadt kannte – Ecken, die Ulf sehen und ausgiebig beschnuppern wollte,auch wenn er sie für seinen Roman am Ende des Tages nicht brauchen konnte.Mit alledem vergingen Wochen und Monate, in denen Lilli Berlin Seite für Seite entstand, in denen RickJankowski, Lilli und die anderen Gestalt annahmen – und in denen ich dem Verleger, dem es irgendwieunheimlich war, dass sein junger Lektor so oft aushäusig und nicht zu sprechen war (es gab ja keineHandys, keine elektronischen Verständigungsmittel), von Fortschritten berichten konnte, an die im Verlagjedoch keiner so recht glaubte.Ich verzichte darauf, jetzt weiter ins Detail zu gehen, aber indem Ulf Miehe so beharrlich an diesem Romanarbeitete, der ihm – auch wegen seiner deutsch-deutschen Thematik und wegen des Irrsinns der deutschenTeilung, die damals ja von jedem als historisch gesetzt galt – so unendlich wichtig war, konnte er ihn vollenden.Dass er dabei nie den Humor verlor und dass wir, wann immer wir uns sahen, erst einmal einen odermehrere Songs von Bob Dylan hörten, sei am Rande erwähnt.64
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ULF MIEHEFACETTEN EINESAUTORS,Biogr
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ULF MIEHEFACETTEN EINESAUTORS,Biogr
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Zur Einführung 6Wer war Ulf Miehe?
- Seite 7 und 8:
‚Ulf Miehe: Mit nur drei Romanen
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Sein Ziel war es, Orte und Situatio
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SUPER GARDE-Fragebogen1969 gibt Vag
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- Seite 41 und 42: !41
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