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Im Text setzt sich Miehe mit der Väter-Generation auseinander und nutzt knappe,
treffende Zuschreibungen, um den Typus des NS-Mitläufers zugespitzt zu
charakterisieren und bloßzustellen, der in der Bundesrepublik der 1960er Jahre
weiterhin funktionstüchtig ihm zugeteilte Aufgaben erledigt. Auf Sekundärtugenden
geeicht, ist dieser unmündige Schreibtischtäter und Erfüllungsgehilfe
ebenso gut für Sonnabendeinkäufe wie für Menschentransporte geeignet. Die
Gräueltaten der Vergangenheit lauern hinter harmlosen Fassaden, die Arglosigkeit
suggerieren. Verbrecherische Handlungen und Kriegsleid werden negiert.
Es sind Stammtisch-Helden und Opportunisten in der Tradition von Diederich
Heßling in Heinrich Manns Der Untertan (1914|1918). Die Typisierung schließt
die Mitglieder der Regierung mit ein, deren Lebensläufe generationsbedingt
ebenfalls in die NS-Zeit fielen. Ihre Vergangenheit können sie nicht wirklich abstreifen
wie einen stinkenden, alten Umhang. Diese ist ein mit ihnen verwachsener
Teil ihrer Biografie und holt sie im Gedicht wieder ein.
Mit klarer, prägnanter Bildsprache bringt Ulf Miehe in diesem Gedicht zugleich
das Unbehagen vieler Gleichaltriger zum Ausdruck, die mit dem Schweigen ihrer
Väter hadern. Sie können die gelebte Normalität ihres Familienalltags nicht mit
den Schrecken des Nationalsozialismus in Einklang bringen. In den Personen der
Väter aber manifestiert sich beides – meist ohne, dass die NS-Zeit thematisiert
wird. In diesem Sinne hat Ulf Miehe mit Eine Sorte von Vätern ein wichtiges
Gedicht vorgelegt, das ihn als politischen Autor und Lyriker sowie als eine ausdrucksstarke
literarische Stimme seiner Generation ausweist – im Kontext jener
Jahre, aber auch darüber hinausweisend in die Vergangenheit und in die Zukunft.
Sein politisches Bewusstsein für Sprache in Bezug auf gesellschaftliche Verhältnisse
zeigt sich auch im verschachtelten Politpornografie-Gedicht Springer
ist nicht Springer (S. 52; geschrieben 1962). Darin thematisiert er eindringlich
und unversöhnlich die Erbschuld der Väter aus NS-Zeiten sowie Freund- und
Feindbilder deutsch-deutscher Beziehungen im Kalten Krieg der 1950er und
60er Jahre.
Doppelseite aus:
Ab sofort liefern wir folgende Artikel auf Teilzahlung – Eine Politpornografie, Klaus Bär, Berlin 1969
Gestaltung Ulf Miehe
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