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lanz, entschied Mathis, der außer Dichter auch noch Mediziner war. Und so gingen alle vier Männer mit

mir zur nächsten Klinik. Hinter einem Wandschirm untersuchte mich der ungarische Arzt. Drückte. Tastete.

Lauschte. Dann fragte er die stumm jenseits des Schirms wartenden deutschen Dichter: „Wär ist Ähemann?“

Sie sahen einander ratlos an, bis Ulf sich fasste und wenigstens „nee, also, keiner“ hervorbrachte. „Ist ägal“,

sagte der Doktor irritiert, „ist ägal, iste Galle.“

Am nächsten Tag saßen wir vor liebenswürdigen Ungarn und lasen unsere Texte vor. Ich beneidete Ulf um

seinen Roman PUMA. Um seine straffe, klare, sparsame Prosa, vital und genau, die ich bisher nur aus seinen

Kurzgeschichten kannte: DIE ZEIT IN W UND ANDERSWO. Für mich geschah ein kleines Wunder. Ein

Verleger interessierte sich für meine Lyrik. Ich wollte Ulf fragen, ob ich das ernst nehmen könne, doch er war

anderweitig beschäftigt. Flüsterte mir zu, dass einer der Zuhörer, ein ungarischer Dichter, die Augen nicht

mehr von mir lassen könne. Ulf beschwor mich, diese Gelegenheit zu nutzen, die sich vielleicht nie mehr bieten

werde.

„Sieh nur, was für schönes, volles Haar dieser Mann hat“. „Aber die Zähne“, mäkelte ich und Ulf meinte, ich

sei nicht sensibel für ungarische Dichter.

Später lief er wieder einträchtig mit mir durch die Budapester Kaufhäuser. Eine Puppe sollte es sein für meine

kleine Tochter. Wir fanden eine mit steif abstehenden Zöpfen, in rot bestickter Tracht. Ulf klemmte sich die

Puppe unter dem Arm und rannte los. Ich glaube, er fühlte sich für einen Moment seltsam glücklich, so wie

ich auch. Es war, als könnten wir mit der Puppe weglaufen, aber wohin und wovor? Wir rannten zur U-Bahn,

Ulf immer mit der Puppe unterm Arm. Dachte er an eine Sequenz für den Film, den er nach dem Roman

PUMA drehen würde? Selbst die amüsierten Blicke der Passanten schien er zu genießen. Sein sonst eher blasses

Gesicht war erhitzt. Er bot mir einen Zug aus seiner Zigarette an. Im Hotel fanden sich Blumen und ein

Brief vom ungarischen Dichter.

„Siehst du“, sagte Ulf.

Ulf Miehe auf Lanzarote (Foto Joachim von Vietinghoff)

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