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Schilfkranz, lege dir an
die Krone; Rohrkolben das
Zepter, erklär dich der
schlafenden Rohrdommel.
Gut herrschen wirst du,
dein Freund ist der Faun,
sein struppig roter Bart
zittert im Wind, wenn er
sich neigt.
Sanft sprichst du zu den
Vögeln im Ried, gerecht mit
den Seetieren; bist den Tieren
des Waldes bekannt. Niemand
wird stören dein heimliches Reich.
Bei Vollmond ruft die Nacht
den Prinzen aus.
Im überschwänglichen, bedeutungsvollen Pathos schwingen in diesen Gedichten Anklänge mit,
die auf den Einfluss berühmter zeitgenössischer Lyriker wie Ingeborg Bachmann oder Paul Celan
schließen lassen.
Hier und in weiteren Gedichten mystifiziert Miehe sehnsuchtsvoll Naturphänomene und -elemente
und komponiert bildhafte Fabelwelten. Die Natur und die Weite des Himmels wirken hier als magisch
konnotierte Sehnsuchtsorte und Perspektiven einer (un-)möglichen Flucht. Ein mystisches
Raunen der Landschaft schimmert durch in diesen Texten. Es steht im Kontrast zur häuslichen
Enge des märkischen Dorfes, wie das Gedicht Bei Priegnitz veranschaulicht.
Wusterhausen|Dosse, Klempowsee, Postkarte
Bei Priegnitz
„Wir haben Wurzeln geschlagen über Nacht.“
Philip Roth
Wir haben Wurzeln geschlagen
über Nacht im stickigen Zimmer
im Haus mit dem Wappen der Pferde.
Nacht trug uns empor zu den Kiefern
und Föhren, übern Giebel empor des
Hauses mit dem Wappen der Pferde,
sah uns der Schäfer bei Priegnitz,
stand gehüllt im zerrissenen Schafspelz;
flogen wir, gingen wir, Sand stäubte,
Gras schnitt die Beine;
frag uns nicht, Schäfer.
Schweig, Kiefer und Föhre.
Keilschrift des Bussards
am Nachthimmel
wies uns den Weg.
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