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CRESCENDO 2/18 März-Mai 2018

CRESCENDO - Das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit Christa Ludwig, Philippe Entremont und Daniel Barenboim.

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H Ö R E N & S E H E N<br />

Empfehlungen von Attila Csampai<br />

MAGIER, POETEN<br />

UND CHARISMATIKER<br />

… bestimmen Attila Csampais April-Auswahl<br />

JOSEPH HAYDN: „AN IMAGINARY ORCHESTRAL<br />

JOURNEY“<br />

London Symphony Orchestra, Sir Simon Rattle<br />

(LSO live)<br />

Nach 16 Jahren an der Spitze der Berliner Philharmoniker<br />

kehrt Simon Rattle auf die Insel<br />

zurück und übernimmt das LSO, Londons<br />

bestes Orchester. Und was setzt er bei einem seiner ersten Konzerte<br />

aufs Programm – nicht Elgar oder Vaughan-Williams, sondern<br />

Haydn, den größten Meister des Understatements und den<br />

britischsten aller Klassiker. Er dirigiert auch kein „normales“ Programm,<br />

sondern eine ganz persönliche Auswahl von Favoritstücken,<br />

die er zu einem elfteiligen „Imaginary Orchestral Journey“<br />

bündelt: Dieses „Best of“ enthält die wunderbaren Introduktionen<br />

zur Schöpfung oder zum Winter aus den Jahreszeiten, eine<br />

selten gespielte Opernouvertüre, sowie ein halbes Dutzend extravaganter<br />

Symphoniesätze, die allesamt den musikalischen Revolutionär<br />

Haydn aufleuchten lassen und die noch heute durch ihre<br />

Modernität verblüffen oder ihre schlichte Schönheit bezaubern.<br />

Das mit nur acht ersten Geigen schlank besetzte Londoner Toporchester<br />

folgt seinem neuen Chef mit großer Hingabe und unterstreicht<br />

sehr eindringlich seine stilistische Flexibilität: Sie klingen<br />

wie eine hochsensible „historisch orientierte“ Originalklang-<br />

Truppe. Auf weitere Haydn-Abenteuer der neuen Liaison darf<br />

man gespannt sein.<br />

W. A. MOZART: „KLAVIERKONZERTE C-DUR<br />

KV 503 UND B-DUR KV 595“<br />

Pjotr Anderszewski,<br />

Chamber Orchestra of Europe (Warner)<br />

Der polnische Pianist Piotr Anderszewski ist<br />

ein hochsensibler Lyriker, der gerne eigene<br />

Wege und den Dingen auf den Grund geht: In<br />

seiner mittlerweile ansehnlichen Diskografie hat der 48-Jährige<br />

schon zwei Alben mit Mozart-Konzerten veröffentlicht, und da,<br />

vom Flügel aus dirigierend, der feinsinnigen kammermusikalischen<br />

Interaktion den Vorzug gegeben. So jetzt auch auf seinem<br />

neuen, den späten Konzerten in C-Dur (KV 503) und B-Dur<br />

(KV 595) gewidmeten Album, bei dem er das exzellente Chamber<br />

Orchestra of Europe zu lebendig pulsierenden, atmenden, feinfühligen<br />

Dialogen mit dem Klaviersolisten animiert. Für seine poetisch-zärtliche,<br />

stets glasklare, natürlich fließende Klangrede<br />

scheint der deutlich zurückgenommene, ständig zwischen hell<br />

und dunkel pendelnde Tonfall des späten Mozart geradezu ein ideales<br />

Terrain zu sein. Es gelingt ihm vor allem in den beiden langsamen<br />

Sätzen, die sich stetig ausbreitende Melancholie Mozarts in<br />

seinen letzten Lebensjahren, diese tief beseelte „heitere Trauer“,<br />

mit berückender Sensibilität und Schlichtheit in Klang zu setzen<br />

und dabei die ständigen Licht- und Stimmungswechsel als inneres<br />

Drama einer hochsensiblen Seele auszuweisen: Mozarts Wahrheit,<br />

das wird hier deutlich, ist von einer anderen, höheren Welt.<br />

CHOPIN: „ETÜDEN OP. 10 & 25“<br />

Tatiana Chernichka (Ars Produktion)<br />

Die in München lebende russische Pianistin<br />

Tatiana Chernichka hat eine besondere Beziehung<br />

zu den Etüden von Chopin: Ihre Mutter,<br />

ebenfalls eine Pianistin, die kurz nach ihrer<br />

Geburt starb, führte beide Etüdenzyklen zum<br />

ersten Mal überhaupt zusammenhängend auf – und zwar in ihrer<br />

Heimatstadt Novosibirsk. 2014 spielte Chernichka dann an gleicher<br />

Stelle beide Zyklen zu ihrem Andenken und produzierte 2016<br />

in Brüssel eine Studioversion, die jetzt auf CD erschienen ist. Es ist<br />

eine ganze besondere, aus dem Ozean des nur Demonstrativen<br />

herausragende Interpretation des Doppelzyklus, die fast jedem<br />

einzelnen Stück existenzielle Bedeutung abtrotzt. In beiden Zyklen<br />

bevorzugt Chernichka drängende, flüssige Tempi, und doch<br />

gelingt es ihr, durch hochdifferenzierte Pedal-Sensibilität alles<br />

Effektvolle, alle technische Bravour von ihrer warm timbrierten,<br />

lyrisch-sanglichen Deutung abfallen zu lassen: Sie erzählt uns da<br />

eine zusammenhängende Geschichte in 24 tief empfundenen,<br />

innerlich glühenden Charakterbildern, wobei sie die massiven<br />

technischen Herausforderungen mühelos einbindet in einen Reigen<br />

flüchtiger Momente des Schönen, der Trauer, der Leidenschaft<br />

ZEICHNUNG: STEFAN STEITZ<br />

26 w w w . c r e s c e n d o . d e — April – <strong>Mai</strong> 20<strong>18</strong>

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