Flensburg Journal 213 - Juni 2020
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Beim „Mühlendienst“. Von links:
Uwe Martensen, Harald Hansen, Rainer Schößler und Horst Petersen
Tag und Nacht: Der Generator läuft seit 25 Jahren
Die Schafflunder
Wassermühle
Ein Schild an der Bundesstraße 199
zeigt den Weg zur Wassermühle. Nach
ein paar Schritten geht der Besucher
auf einem Privatweg, der von Laubbäumen
gesäumt wird und direkt auf
das Schafflunder Kleinod zuläuft. Die
Schaufeln des Rades heben im gleichbleibenden
Rhythmus das Wasser in
die Höhe. Die Betriebsgeräusche vermischen
sich mit dem Rauschen des
Schafflunder Mühlenstroms, der an
dieser Stelle die Stufen hinabfließt.
Vier Männer stehen am Geländer und
betrachten ihren Stolz, die Schafflunder
Wassermühle. Mit Freude verraten
sie, dass die traditionelle Technik jährlich
immerhin 27.000 Kilowattstunden
Strom produziert. Harald Hansen, der
Vorsitzende des Bürgervereins, die
langjährigen Mitstreiter Uwe Martensen
und Horst Petersen sowie Neubürger
Rainer Schößler gelten als die
guten Seelen der Wassermühle. Sie
wechseln sich ab beim „Mühlendienst“,
wie sie ihr ehrenamtliches Engagement
nennen. „Einmal am Tag schauen wir
nach, ob das Sieb auch wirklich frei
ist, im Herbst und Winter – wenn viele
Zweige und Blätter unterwegs sind
– auch zwei Mal“, erklärt das Quartett
unisono. Wenn das Wasserrad sich störungsfrei
dreht, dann erreicht es die
bestmögliche Energiebilanz.
Im kargen Inneren des sich anschließenden
Gebäudes dominieren die
Spinnennetze. Ein Papier hängt im
Zugangsbereich: „Steile Treppe! Rückwärts
geht sich`s leichter!“ Hat man
die Stufen gemeistert, blickt man auf
den Generator, der seit 25 Jahren die
Maschinerie seit Tag und Nacht antreibt.
Laut Leistungsbeschreibung
mit bis zu 17 Pferdestärken. Der Normalfall
dürfte sich aber eher bei zehn
einpendeln. Das langt für eine monatliche
Wertschöpfung von 350 Euro.
Der Wohnbereich im selben Komplex
wird schon länger mit Strom versorgt,
seit Kurzem auch die Nutzer der Mühlenscheune.
Rein rechnerisch findet so
die Hälfte der „Jahresernte“ einen Abnehmer.
Allerdings scheuten die Mühlenfreunde
bislang noch den Schritt,
einen Speicher ins System zu integrieren.
So bleibt die Energie, die nachts
gewonnen wird, weitgehend ungenutzt,
während der Bedarf in Spitzenzeiten
nicht gedeckt werden kann und
durch externe Quellen sichergestellt
werden muss.
Die Motivation der vier Männer speist
sich aber eher weniger aus dieser
Energieerzeugung. „Die Mühle ist ein
historisch-wertvolles Denkmal“, findet
Rainer Schößler. „Sie ist ein Vorzeigeobjekt
für die Gemeinde.“ Das
Schafflunder Wahrzeichen hat seinen
besonderen Reiz, da es Ortsbild, Tradition
und Technik miteinander verbindet.
Uwe Martensen berichtet vom Mühlentag,
der vor zwei Jahren auch
Besucher aus anderen Ecken Norddeutschlands
anlockte. „Sie vermissten
in ihren Orten die ursprüngliche
Wassermühle, oft sind dort nur Stallungen
und Wohnungen geblieben.“
Einst war ein solches Wasserrad, wie
hier kurz hinter dem Zusammenfluss
von Wallsbek und Meynau, typisch für
Dörfer an den Ufern eines Fließgewässers.
Heute ist die Schafflunder Wassermühle
ein eher seltenes Relikt im
hohen Norden der Republik.
Die Historie ist faszinierend: Die ersten
Zeugnisse der Wassermühle gehen
bis auf die Zeit um 1300 zurück. Aus
der ganzen Umgebung traf das Korn
ein und wurde über mehrere Jahrhunderte
nur mit der Kraft des Wassers
gemahlen. Der extra angelegte drei
Hektar große Mühlenteich sorgte für
den dauerhaften Energievorrat. Das
Geschäft florierte auch aufgrund des
Mühlenzwangs. Die Landwirte waren
angehalten, das Getreide anzuliefern.
„Der Pastor und der Müller waren die
anerkanntesten Leute in einer Gemeinde“,
weiß Harald Hansen.
In der Nachkriegszeit rückte immer
mehr die industrielle Produktion von
Mehl in den Vordergrund. Eine Wassermühle
war nicht mehr rentabel.
In Schafflund wurde der Betrieb 1961
eingestellt. Das Wasserrad, das damals
aufgrund von Mauern und einem
Holzdach umhüllt war und so – im
Gegensatz zu heute – im Verborgenen
wirkte, wurde abmontiert. Die Achse
landete in einem Museum, das marode
Holzgerüst wurde entsorgt.
Der Deckmantel der Geschichte drohte
sich über die altbewährte Infrastruktur
zu legen. Das verhinderte eine
Initiative, die sich am 20. August
1986 gründete. Horst Petersen und
Uwe Martensen zählten zu den sieben
Gründungsmitgliedern des „Schafflunder
Wassermühlenvereins“, der heute
als Abteilung des Bürgervereins weiterhin
existiert. Die neue Organisation
hatte es sich auf die Fahnen geschrieben,
das Wahrzeichen wieder
herzustellen und als wichtiges Kulturgut
zu konservieren. Die Restauration
lag vielen am Herzen. Schon nach wenigen
Monaten zählte der Wassermühlenverein
50 Mitglieder.
38 FLENSBURG JOURNAL • 06/2020