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ERGSTE . . . UND WIR! Das Bürgermagazin für die Bürger des Ruhrtals November 2010 Der Vitzmüller schlug mit dem dicken Knüppel auf sie ein, wo er gerade hintraf: auf Rücken, Lende, Beine und Hacken. Die Frau schrie, dass es weit durch das Elsetal hallte. In ihrer Not jagte sie davon wie ein wildes Tier. Der Vitzmüller war aber zu schwer und nicht behende genug, die Frau zu packen. Sie war geschmeidig wie eine Katze, kam so noch glimpflich davon ab und entwich ihm. Der Sägemüller gab - bebend an allen Knochen - die Jagd auf und wandte sich wieder seinem Hof zu. Kein Knecht war mehr zu sehen und die Haushälterin war auch verschwunden. Als die Knechte sahen, dass die Zigeunerin noch einmal davon abgekommen war, machten sie sich wieder an ihre Arbeit - sie hatten zu viel Angst vor ihrem Herrn. Doch der sagte nichts, sattelte sich seinen feurigen Braunen und ritt davon, aber in eine andere Richtung als die, in die das schwarze Weib verschwunden war. - Drei Tage blieb er weg und niemand wusste wo er geblieben war. Er nahm seinen Tageslauf wieder auf und verlor kein Wort mehr über das Geschehen mit dem schwarzbraunen Weib. Doch in der ganzen Gegend sprach sich die Untat des Vitzmüllers gegenüber der schwarzen Frau herum. Und auch der Fluch der Zigeunerin kam von Mund zu Mund ins Gespräch. In den Spinnstuben auf dem Bürenbruch in Villigst und Ergste flüsterte man sich zu, dass der Vitzmüller die beiden ersten Frauen ersäuft haben soll wie junge Katzen. Tauchte der Vitzmüller irgendwo auf, schwiegen die Leute sofort, die Frauen stießen sich mit den Ellbogen in die Seite und wurden blass. Dieses Gerücht kam auch dem Gerichtsherrn, dem Grafen von Limburg, zu Gehör. Aber der sagte, dass niemand gegen den Vitzmüller Klage führe - und somit habe er keine Veranlassung, auf das „Altweibergetratsche“ zu hören. Wieder war ein Jahr ins Land gegangen und der Sägemüller war immer stiller geworden. Die Haushälterin war gestorben und einer der Knechte war auf und davon gelaufen; einen neuen fand Brinkholt nicht. Niemand wollte in die Einsamkeit der anrüchigen Mühle. Die beiden anderen Sägemühlenknechte waren schon alt, und deshalb blieben sie; sie hätten andernorts auch keine Arbeit mehr gefunden. Unheimlich war es ihnen ja oft genug da unten im Elsetal in der stillen alten Vitzmühle. Gerade in diesem Herbst war alles anders als sonst: Überall saßen die schwarzen Elstern in dicken Haufen zusammen und zwitscherten ganz anders als sonst, so heiser und hohl. „Totenvögel“, sagte der eine Knecht zu dem anderen - und dabei machte er ein ganz banges Gesicht und färbte sich weiß um die Nase. Kurze Zeit danach in einer sausenden Herbstnacht war auf einmal der Himmel rot überm Elsetal. Bis Schwerte, Syburg und Grürmannsheide konnte man den Feuerschein sehen. Von Ergste aus sah man sogar über das „Böckenstück“ rüber von der „Else“ die Flammen hochschlagen. Die Leute aus den Nachbarsdörfern rückten an zur Hilfe und führten 6 Persönliche Recherchen vor Ort von Walter Höher: Jürgen Hidding (verstorben 2005) hat während seiner Jagdzeit vieles erfahren über die alten Bürenbrucher „Paohlbürger“ und manche Ereignisse, Jagderlebnisse und Streiche der Bauern zu Papier gebracht. Hierbei werden auch Namen wie Fitzmüëlle, Pielenkamp und Änneckskamp erwähnt. Ich durfte seine Aufzeichnungen kopieren und erfuhr persönlich von Heinrich Brune manchen Streich der Brüder Halstenberg. Frau Adam, Tochter des Bauern Hermann Finkhaus (Höfen), erwähnte mir gegenüber (anlässlich ihres hundertsten Geburtstags (2007) mehrfach die Begriffe Pielenkamp, Änneckskamp und Fitzmüëlle. - Auch Landwirt und Bauer Adolf Linneweber wusste etliches darüber zu berichten. Nachsatz Deutungsversuch des Begriffs „Vitz“ im Zusammenhang mit „Mühle“ 1. Veit, männl. Name aus ahd. Wido (lat. Vitus), einer Kurzform zu Namen die mit witu „Holz“ (Sägemühle) zusammengesetzt sind. Der große Brockhaus Bd. 12 ( S.67) - 2. viet – a) fließendes Gewässer (auch Bach) - b) fließende Gewässer, die in Gräben zusammenfließen - c) Hauptwasserzug, in den alle Wetteringen, Gräben etc. zusammenfließen und der mit einem Silo durch den Deich führt (aus Lübben: mittel- und mittelniederdt. Hand-WB. 1965) die uralten hölzernen Handfeuerspritzen mit sich, Als sie aber an der Vitzmühle endlich um Mitternacht ankamen, gab es nichts mehr zu helfen. Die Vitzmühle war auf die Grundmauern herunter abgebrannt. – Als man die Gegend nach den Leuten von der Vitzmühle absuchte, fand man schließlich den ältesten der beiden Mühlenknechte am Elsebach sitzen. Er hatte eine Hand voller Steinchen und schmiss sie einzeln in den Bach, dahin, wo dieser einen „Kump“ (Vertiefung) gebildet hatte. Dabei grimmassierte er immer vor sich hin. Die Leute merkten bald, dass er den Verstand verloren hatte. Der „Herr vom Halstenberg“ aber nahm den Knecht mit auf seinen Hof, wo dieser nach einem Jahr verstarb. Aber in diesem Jahr hat der Herr vom Halstenberg nach allerhand aus dem Alten herausgequetscht: Der Knecht stotterte von schwarzen Völkern, bei denen auch das schwarze Weib gewesen wäre. Die wären gegen neun Uhr auf die Fitzmühle gekommen und hätten den Fitzmüller und den anderen Knecht in der Sägekammer eingesperrt und die Türen mit dem schweren Holzriegel zugesperrt. Er (der Knecht) wär hinterm Teich gewesen und hätte nach ’ner Fischreuse gesehen und sei bloß deshalb den schwarzen „Völkern“ entkommen. Die Schwarzen hätten Feuer gelegt an allen vier Ecken der Mühle und binnen kurzer Zeit wär das Feuer bereits aus dem Dach geschlagen. Der Sägemüller und der Knecht seien in der Mühle mitverbrannt. Ein Gerücht ging weit ins Land und man vermutete, dass Brinkholt seine beiden ersten Weiber im Sägemühlenteich ersäuft hätte. Auch glaubte man, dass wohl die schwarzen „Völker“ davon gewusst hätten; und man hielt es für ganz sicher, dass einer von den Korbflickern aus Rache die Mühle angesteckt hätte. Der Knecht habe es ja auch so erzählt. Der Bauer von der Rheinermark, der Onkel der zweiten Frau, die ja auch spurlos verschwunden war, habe mit seinem Knecht daraufhin den Damm durchstochen und das Wasser ablaufen lassen. Er habe aber keine Leiche oder Menschenknochen gefunden. In tagelanger Arbeit habe er dann den Schlamm des Teiches umgegraben, aber gefunden habe man auch nichts. Wieder kam ein neues Gerücht auf, nämlich: die Leute nähmen nun Partei für den toten Fitzmüller und verfluchten die schwarzen Zigeuner. Jahrelang durften sich keine Zigeuner mehr im Lande sehen lassen. Die Bauern trieben sie mit Dreschflegeln davon. So blieb es immer unklar, ob der Fitzmüller seine Frauen umgebracht hat. - Der Fluch aber von dem schwarzen Weib mit den grünen Augen und dem blauschwarzen Haar, der ist in Erfüllung gegangen: Kein Stein von der Vitzmühle ist auf dem anderen geblieben. Bloß ein alter Damm und die Sägemühlenwiese da unten, wie sie die Leute heute noch nennen, sind das letzte Zeichen dafür wo die alte Sägemühle gestanden hat. Und der Wind weht über die Stelle hinweg. - Das El- sebachtal ist freundlich wie zu allen Zeiten und die Talwiesen sind saftig und voller Blumen. Blumenübersät ist auch die Stelle der Vitzmühle. Blumen überdecken nun den unheimlichen Ort und überdecken auch immer mehr die Geschichte von der alten Sägemühle. Und kaum einer noch kann davon erzählen.“ Änneckskamp hatte auserzählt und den nächsten Klaren runtergekippt. Auch die Pfeife war wieder in Brand.– „Ja, so ist es gewesen“, sagte Pielenkamp, „so hab ich es auch mal gehört.“ Schulte Fortauwer sagte bloß: „Er war ein praktischer Kerl. Schade, dass die Vitzmühle nicht mehr steht; wir brauchten heute nicht mehr so weit zu fahren, wenn wir Balken und Bretter geschnitten haben wollten.“ – „Ja, und den Kerl, diesen Sägemüller Brinkholt, den hätte ich auch gerne gekannt, der war sicher auch so lang wie ich.“ Und dabei lachte er, dass der Hund unter dem Stuhl seinen Schwanz einzog; und der zwei Meter hohe Kerl schüttelte sich vor Lachen, dass die Schultern bebten, die so breit waren wie ein Kleiderschrank.
ERGSTE . . . UND WIR! Das Bürgermagazin für die Bürger des Ruhrtals November 2010 Buchbesprechung Gosse G. Mol: „Ordnung muss sein“ – Zwangsarbeit in Deutschland 1945, 31 Abbildungen, 92 Seiten, Herausgeber: Heimatverein Schwerte e. V. 2010, 8,- Euro Unter dem Lektorat von Alfred Hintz werden die Tagebuchaufzeichnungen des jungen Holländers Gosse Gosses Mol – übersetzt von Dagmar Henke – über die Zeit von Januar bis Juni 1945 vorgelegt. Er berichtet über seine Zwangsarbeitstätigkeit (mit seinem Bruder) im Reichsbahn-Ausbesserungswerk in Schwerte und danach bis zur beginnenden Nachkriegszeit in Westfalen. Vorher oft nur mündlich überlieferte Geschichte wird hier verschriftlicht und durch Bilder lebendig, nicht nur bei manchem Schwerter Bürger werden Erinnerungen anschaulich wachgerufen; die Zeitungsberichte wurden von Uwe Fuhrmann – Vorsitzender des Heimatvereins – zusammengestellt. Die im Folgenden aus Platzgründen nur wenigen Zitate sollen einen Eindruck von der einfachen, lebendigen Darstellungsweise des Autors vermitteln und auch einen (sehr) kleinen Einblick in inhaltliche Aussagen vermitteln. Ein interessantes, lesenswertes, aber auch kritisch zu hinterfragendes Tagebuch, das im Schwerter Buchhandel sowie im Ruhrtalmuseum Schwerte für 8,- Euro erhältlich ist. Dass die Nummerierung der Seiten bis 54 in der Kopfzeile unüblich nicht am Seitenrand außen erfolgt (wie danach) und der Beginn von Kapitel 2 nicht erkennbar ist, beeinträchtigt die Lektüre nicht. Von Wasserwundern, Märchen - Mythen und Legenden Fantasievolle Führungen für jung und alt mit der Fee Morgana und dem Zauberer Merlin. Info & Anmeldung: Tel.: 0 23 04 - 88 92 Wir finden den Weg! Beratung - Service - Coaching Monika Kranefeld Immenweg 20 58239 Schwerte Tel.: 0 23 04 - 7 30 28 info@viavitam.de www.viavitam.de 7
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