Themenheft Selbsthilfe
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Wirtschaftsunternehmen akzeptieren, die nicht<br />
mit ihren satzungsmäßigen Zielen und Aufgaben<br />
in Einklang stehen oder ihre Gemeinnützigkeit<br />
gefährden. Vor allem müssen die <strong>Selbsthilfe</strong>organisationen<br />
darauf achten, dass sie in<br />
allen Bereichen der Zusammenarbeit die volle<br />
Kontrolle über die Inhalte der Arbeit behalten<br />
und dabei unabhängig bleiben, sowohl bei ideeller<br />
als auch bei finanzieller Kooperation. Ferner<br />
ist jede Kooperation mit Wirtschaftsunternehmen<br />
transparent zu gestalten.<br />
Pflicht zur neutralen Information<br />
Die Leitsätze beinhalten außerdem Regelungen,<br />
in welcher Weise <strong>Selbsthilfe</strong>organisationen<br />
ihre Mitglieder informieren können, ohne<br />
gleichzeitig die Pflicht zur Neutralität bei der<br />
Information zu verletzen. So sind <strong>Selbsthilfe</strong>organisationen<br />
angehalten, sich nicht an Werbung<br />
zu beteiligen. Wenn Wirtschaftsunternehmen<br />
werben, z. B. in Mitgliederzeitschriften<br />
über Anzeigen, dann ist diese Werbung als solche<br />
eindeutig zu kennzeichnen. <strong>Selbsthilfe</strong>organisationen<br />
dürfen auch grundsätzlich weder<br />
Empfehlungen für einzelne Medikamente,<br />
Medikamentengruppen, Medizinprodukte,<br />
Hilfsmittel, Heilmittel noch für bestimmte Therapien<br />
bzw. diagnostische Verfahren abgeben,<br />
es sei denn, die Empfehlung kann sich auf eine<br />
Bewertung einer anerkannten und neutralen<br />
Expertengruppe stützen. Dementsprechend<br />
soll die <strong>Selbsthilfe</strong>organisation sowohl über<br />
die Vielfalt von Angeboten als auch über die<br />
Erfahrungen von Betroffenen und über neue<br />
medizinische Entwicklungen in den sie betreffenden<br />
Indikationsbereichen informieren.<br />
In den Leitsätzen findet man auch detaillierte<br />
Regelungen zur Gewährung von Kommunikationsrechten<br />
an Wirtschaftsunternehmen, z. B.<br />
zum Recht auf Verwendung des Vereins namens<br />
oder des Logos, zur Verlinkung oder zur<br />
Gestaltung von Veranstaltungen. Die <strong>Selbsthilfe</strong><br />
organisation kann so sicherstellen, dass<br />
im Rahmen der Zusammenarbeit stets ihre<br />
Neu tralität und ihre Unabhängigkeit bewahrt<br />
bleiben.<br />
Wenn sich <strong>Selbsthilfe</strong>organisationen an der<br />
Forschung beteiligen, haben sie dafür Sorge zu<br />
tragen, dass Informationen über das Forschungs-<br />
und Studiendesign sowie über laufende<br />
Ergebnisse der Forschungsprogramme<br />
gegenüber der <strong>Selbsthilfe</strong>organisation vollständig<br />
offengelegt werden.<br />
Finanzielle Unabhängigkeit<br />
von Wirtschaftsunternehmen<br />
Tritt ein Unternehmen als Sponsor der <strong>Selbsthilfe</strong><br />
auf, so muss darüber eine schriftliche<br />
Sponsoring-Vereinbarung mit der <strong>Selbsthilfe</strong>organisation<br />
geschlossen werden.<br />
Bei der Entgegennahme von Zuwendungen,<br />
egal ob als Sponsoring oder als Spenden,<br />
haben die <strong>Selbsthilfe</strong>organisationen nach den<br />
Regeln der Leitsätze darauf zu achten, nicht in<br />
finanzielle Abhängigkeit von Wirtschaftsunternehmen<br />
oder einer Gruppe von Wirtschaftsunternehmen<br />
zu geraten. Eine Kernforderung der<br />
Leitsätze ist daher, dass der Anteil der Pharmazuwendungen<br />
längerfristig 15 Prozent der<br />
Gesamteinnahmen nicht übersteigen soll und<br />
auch kurzfristig nicht mehr als 40 Prozent der<br />
Gesamteinnahmen beträgt.<br />
Monitoring zur Einhaltung<br />
der Leitsätze<br />
Zur Absicherung der Leitsätze wurde ein<br />
Gemeinsamer Monitoring-Ausschuss ins Leben<br />
gerufen. Der Ausschuss setzt sich aus gewählten<br />
Vertreter*innen der Mitgliedsverbände von<br />
FORUM und BAG-SH zusammen. Er trifft sich in<br />
regelmäßigen Abständen, um Mitglieder beider<br />
Organisationen im Zusammenhang mit<br />
den Leitsätzen zu beraten und zu überprüfen,<br />
ob die Mitgliedsverbände gemäß den Leitsätzen<br />
handeln. Hinweise auf leit satzwidriges Verhalten<br />
von <strong>Selbsthilfe</strong>organisationen können<br />
von jedermann an den Moni toring-Ausschuss<br />
herangetragen werden. Erfreulicherweise sind<br />
die meisten Anfragen an den Ausschuss Prüfbitten<br />
der Mitgliedsverbände, die um Rat in<br />
Bezug auf die Ausgestaltung und die Grenzen<br />
der Zusammenarbeit mit Wirtschaftsunternehmen<br />
bitten.<br />
Pflicht zur Transparenz<br />
Seit 2017 verpflichten sich die Mitgliedsverbände<br />
von FORUM 2 und BAG-<strong>Selbsthilfe</strong> 3<br />
entsprechend einem in den Leitsätzen vorgegebenen<br />
Muster, auf ihrer Internetseite<br />
Weitere Informationen zum Thema<br />
Unabhängigkeit und<br />
Transparenz finden sich auf der<br />
Internetseite vom FORUM chronisch<br />
kranker und behinderter Menschen im<br />
Paritätischen unter: https://www.<br />
der-paritaetische.de/schwerpunkt/<br />
selbsthilfeforum/unabhaengigkeit/<br />
Transparenz über ihre Zusammenarbeit, insbesondere<br />
mit Wirtschaftsunternehmen des<br />
Gesundheitswesens, herzustellen.<br />
Will man abschätzen, wie hoch die Gefahr der<br />
Einflussnahme von Pharma- und anderen<br />
Unternehmen der Gesundheitswirtschaft auf<br />
die Arbeit der Organisationen ist, muss nach<br />
Überzeugung der meisten Verantwortlichen in<br />
<strong>Selbsthilfe</strong>organisationen der relative Anteil<br />
von Unternehmenszuwendungen an den<br />
Gesamteinnahmen einer Organisation betrachtet<br />
werden. Die Einnahmen von Wirtschaftsunternehmen<br />
aus dem Gesundheitsbereich und<br />
deren relativer Anteil an den Gesamteinnahmen<br />
des <strong>Selbsthilfe</strong>verbandes sind daher die<br />
wichtigste Information bezüglich der Unabhängigkeit<br />
eines Verbandes.<br />
Diese und weitere Informationen werden<br />
daher in der Transparenzerklärung des Verbandes<br />
zur Zusammenarbeit mit Wirtschaftsunternehmen<br />
auf der Internetseite der <strong>Selbsthilfe</strong>organisation<br />
veröffentlicht. Alle Organisa-<br />
tionen, die gemäß den Leitsätzen Transparenz<br />
herstellen, werden in einer Liste und auf der<br />
Homepage des FORUM und der BAG-SH<br />
zu sammengefasst. Die Listen und die Transparenzerklärungen<br />
auf den Internetseiten der<br />
Verbände werden regelmäßig von Geschäftsstellen<br />
des FORUM und der BAG <strong>Selbsthilfe</strong><br />
kontrolliert. Kommt eine Organisation ihrer<br />
Transparenzverpflichtung nicht nach, so entscheidet<br />
der Monitoring-Ausschuss über die<br />
Löschung aus der Transparenzliste der Dachverbände.<br />
Transparenzverfahren<br />
hat sich bewährt<br />
Das in den Leitsätzen festgelegte Transparenzverfahren<br />
hat sich seit seiner Einführung<br />
in 2017 bewährt, denn <strong>Selbsthilfe</strong>organisationen<br />
stellen nun im Internet echte Transparenz<br />
zur Zusammenarbeit mit Wirtschaftsunternehmen<br />
her. Damit entfällt auch die<br />
Grund lage für pauschale Verdächtigungen<br />
der <strong>Selbsthilfe</strong> hinsichtlich der Einflussnahme<br />
von Wirtschaftsunternehmen, insbesondere<br />
Pharmaunternehmen.<br />
Dr. Wolfgang Busse<br />
1<br />
https://www.der-paritaetische.de/schwerpunkt/<br />
selbsthilfeforum/unabhaengigkeit/leitsaetze/<br />
2<br />
https://www.der-paritaetische.de/schwerpunkt/<br />
selbsthilfeforum/unabhaengigkeit/transparenz/<br />
3<br />
https://www.bag-selbsthilfe.de/informationsportalselbsthilfe-aktive/unabhaengigkeit-der-selbsthilfe/<br />
zuwendungen-von-wirtschaftsunternehmen-transparenzliste/<br />
Der Paritätische in Bayern 15