Themenheft Selbsthilfe
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Mehr als ein Stuhlkreis<br />
Was der Austausch in der <strong>Selbsthilfe</strong> bewirkt<br />
Gemeinsam sind wir stark!<br />
Wer kennt das nicht? In dem Moment wo ich<br />
echten Kontakt habe zu mir nahestehenden<br />
Menschen, zu Vertrauten, zu Gleichgesinnten,<br />
immer wenn ich in guter Gesellschaft bin: dann<br />
haben trübselige, melancholische und schwere<br />
Gedanken Pause.<br />
Teil eines WIR sein, Gemeinschaft fühlen.<br />
<strong>Selbsthilfe</strong>aktive beschreiben oft das befreiende<br />
Erleben, dass sie sich von den anderen in der<br />
Gruppe schnell verstanden fühlen.<br />
„Geteiltes Leid ist halbes Leid!“ sagt der Volksmund<br />
und „Geteilte Freude ist doppelte Freude!“<br />
Das geschieht auch oft bei den Treffen:<br />
eine Begegnung mit dem prallen Leben, mit<br />
Allem, was dazu gehört. Menschen in der<br />
<strong>Selbsthilfe</strong> schätzen die Offenheit des Austausches<br />
ganz besonders und Viele haben schon<br />
beim ersten Treffen das Gefühl: Hier bin ich<br />
richtig! Hier kann ich sein wie ich bin und muss<br />
mich nicht verstellen.<br />
Zusammen sind wir mehr –<br />
zusammen sind wir viele<br />
In der <strong>Selbsthilfe</strong>gruppe treffen sich Menschen,<br />
weil sie es gerne tun, weil sie wissen, dass<br />
Zusammensein mit anderen hilft. Zusätzlich zu<br />
den gewohnten Bahnen entstehen neue Wege:<br />
erproben, was sich bei anderen bewährt hat,<br />
neue Ideen entwickeln und entdecken, wie<br />
man Dinge anders angehen könnte. Die Möglichkeiten,<br />
Lösungen zu finden, werden definitiv<br />
mehr.<br />
„Nimm Dir was Du brauchst – den Rest lass<br />
hier!“ ist ein Slogan aus der <strong>Selbsthilfe</strong>, der gut<br />
beschreibt, was wesentlich ist. Jedes Gruppenmitglied<br />
darf sein eigenes Ding machen,<br />
jede*r ist Expert*in nur für sich. Und gerade<br />
deswegen entstehen fast paradoxerweise<br />
zusammen eine Vielfalt und ein gemeinsames<br />
Mehr. „Nur Du allein schaffst es, aber Du<br />
schaffst es nicht allein!“<br />
Schon einmal an <strong>Selbsthilfe</strong>gruppen<br />
gedacht?<br />
Gedacht ja. Mehr als 70 Prozent der Bevölkerung<br />
findet, <strong>Selbsthilfe</strong> ist eine gute Sache.<br />
Aber nur etwa jede zehnte Person ist über<br />
einen längeren Zeitraum in der <strong>Selbsthilfe</strong> aktiv<br />
gewesen oder beteiligt sich aktuell daran.<br />
„Der erste Schritt ist der schwierigste!“, sagen<br />
Viele. Zugeben, dass man Hilfe sucht und<br />
etwas ändern will. Das Zögern, einfach zu<br />
einem Treffen zu gehen, liegt auch daran, dass<br />
es viele Vorurteile über die <strong>Selbsthilfe</strong> gibt. Ist<br />
der Kontakt geknüpft, dann ist es oft ganz einfach<br />
wieder zu kommen. Die anderen in der<br />
Gruppe hören zu, machen Mut, bekräftigen<br />
und stärken einem den Rücken, statt auf die<br />
Fehler und Defizite zu schauen.<br />
Mehr als ein Stuhlkreis<br />
Immer wieder sieht man in Filmen, wie die<br />
Menschen klischeehaft in der <strong>Selbsthilfe</strong> im<br />
Stuhlkreis sitzen und sich vorstellen mit: „Hallo,<br />
mein Name ist …“. Es gibt natürlich Gruppen,<br />
die ihre Treffen im Kreis verbringen, weil sich<br />
dann auch alle sehen und sich das positiv auf<br />
die Kommunikation untereinander auswirkt.<br />
Die meisten Gruppen machen aber noch viel<br />
mehr: Sie organisieren Vorträge, gestalten Infotische<br />
oder Mitmachaktionen, besuchen Neu-<br />
Erkrankte in der Klinik, beraten am Telefon oder<br />
arbeiten eng mit Profis im Sozial- und Gesundheitswesen<br />
zusammen. Sie machen Ausflüge<br />
und Gruppenunternehmungen, gehen zusammen<br />
ins Café oder organisieren Feste.<br />
Einige gestalten ihre Treffen auch ganz anders.<br />
Die Beteiligten gehen zusammen spazieren,<br />
meditieren gemeinsam, spielen Theater oder<br />
probieren neue Verhaltensweisen für den Alltag<br />
aus.<br />
Die Gemeinschaft<br />
und das Erleben<br />
von Solidarität in der<br />
<strong>Selbsthilfe</strong> sind das, was der<br />
beste Arzt nicht verordnen kann.<br />
Eine Empfehlung für die <strong>Selbsthilfe</strong><br />
sollte deshalb im Gesundheitswesen<br />
genauso selbstverständlich<br />
sein wie<br />
Händedesinfizieren.<br />
Lisbeth Wagner, <strong>Selbsthilfe</strong>unterstützerin bei<br />
KISS Regensburg, Mentorin des Netzwerkes<br />
<strong>Selbsthilfe</strong>freundlichkeit für Bayern<br />
Foto: KISS Regensburg<br />
<strong>Selbsthilfe</strong> = gegenseitige Hilfe<br />
Aktive in der <strong>Selbsthilfe</strong> sind die besser informierten<br />
Patient*innen und können selbstbewusster<br />
mit den Mediziner*innen auch über<br />
neue oder alternative Behandlungsmethoden<br />
sprechen.<br />
<strong>Selbsthilfe</strong> erhöht das Selbstbewusstsein, fördert<br />
Eigenaktivität und erweitert die eigene<br />
<strong>Selbsthilfe</strong> erhöht das Selbstbewusstsein,<br />
fördert Eigenaktivität und erweitert die<br />
eigene Autonomie und Unabhängigkeit.<br />
Autonomie und Unabhängigkeit. Das ist vielfach<br />
erforscht und mittlerweile unumstritten.<br />
Bei aller Unterschiedlichkeit verbindet die<br />
Menschen in der <strong>Selbsthilfe</strong> das gemeinsame<br />
Thema und der Wunsch nach einem zufriedenen<br />
und glücklichen Leben trotz Krankheit,<br />
Krise oder einschränkender Lebensumstände.<br />
Das Weitergeben von Wissen und Informationen,<br />
das Teilen der persönlichen Fortschritte<br />
aber auch mancher Rückschläge fördern den<br />
Zusammenhalt. In den gemeinsamen Aktivitäten<br />
und Unternehmungen wächst die Gemeinschaft<br />
zusammen.<br />
Lisbeth Wagner<br />
Der Paritätische in Bayern 7