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Leo September / Oktober 2020

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MUSIK<br />

INTERVIEW<br />

Erasure:<br />

„Wir sind altmodische Typen“<br />

FOTO: P. SHARP<br />

Vince Clarke und Andy Bell<br />

hauen noch mal einen raus und<br />

polieren auf ihrem neuen Album<br />

„The Neon“ die alten Stärken zu<br />

neuem Glanz.<br />

Im letzten, zehnten, Song von „The<br />

Neon“, diesem nun auch schon sage und<br />

schreibe achtzehnten Studioalbum, das<br />

Vince Clarke und Andy Bell zusammen als<br />

Erasure veröffentlichen, richtet Sänger<br />

Andy das Wort an sich selbst, genauer<br />

genommen an sein deutlich jüngeres<br />

Ich. „‚Kid You’re Not Alone‘ ist ein Lied für<br />

mich, doch geht es auch raus an all die<br />

anderen kleinen Andys, die dort draußen<br />

in der Welt herumirren und versuchen,<br />

ihren Weg zu finden. Für mich ist jeder<br />

junge Mensch ein kleines Wunder, und<br />

ich halte jeder und jedem von ihnen die<br />

Daumen.“ Bell ist Jahrgang 1964. Sein<br />

homosexuelles Erwachen als junger Mann<br />

in London fällt ziemlich genau in jene Zeit,<br />

in der Aids anfing zu grassieren. Er selbst<br />

ist HIV-positiv, es geht ihm aber gut. „Als<br />

Jugendlicher war ich ziemlich gehemmt“,<br />

so Andy Bell, den wir in London am Telefon<br />

erreichen:<br />

„Ich bin froh, dass ich mich damals nicht<br />

auch noch mit dem Internet und mit den<br />

sozialen Medien herumschlagen musste,<br />

denn diese Dinge rufen so viele Ängste<br />

und zusätzliche Unsicherheiten in jungen<br />

Menschen hervor. Aber die Botschaft des<br />

Songs ist eine dezidiert optimistische:<br />

Leute, macht euch nicht zu viele Sorgen.<br />

Es wird sich schon alles regeln und ihr<br />

werdet euren Weg machen. Guckt mich an!<br />

In der Schule war ich ein fröhlicher Vogel.<br />

Ich nahm wohl an, dass ich schwul sei,<br />

doch ich versuchte anfangs, meine<br />

Sexualität zu verdrängen. Ich hatte den<br />

üblichen Jungs-Spaß, mochte Alkohol<br />

und Partys und freundete mich sogar<br />

mit einigen meiner Lehrer an. Die späten<br />

Siebziger, frühen Achtziger waren ganz<br />

cool. Härter wurde es danach. Aids kam<br />

auf, Schwule starben daran, und mir war<br />

inzwischen klar, dass ich auf Männer<br />

stehe. Um das alles zu ertragen, versuchte<br />

ich mir vorzustellen, ich sei ein Alien von<br />

einem anderen Planeten. Immer, wenn<br />

meine Gedanken zu dunkel wurden, hat<br />

mich meine Fantasie an einen schöneren<br />

Ort getragen.“<br />

Dann machte er die Bekanntschaft von<br />

Vince Clarke. Vince war ein paar Jahre älter,<br />

hetero, nicht einfach nur ein Keyboarder,<br />

sondern ein Soundgenie, und schon ein<br />

Star mit den frühen Depeche Mode und<br />

Yazoo, einer Kollaboration mit Alison

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