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MUSIK<br />
INTERVIEW<br />
Erasure:<br />
„Wir sind altmodische Typen“<br />
FOTO: P. SHARP<br />
Vince Clarke und Andy Bell<br />
hauen noch mal einen raus und<br />
polieren auf ihrem neuen Album<br />
„The Neon“ die alten Stärken zu<br />
neuem Glanz.<br />
Im letzten, zehnten, Song von „The<br />
Neon“, diesem nun auch schon sage und<br />
schreibe achtzehnten Studioalbum, das<br />
Vince Clarke und Andy Bell zusammen als<br />
Erasure veröffentlichen, richtet Sänger<br />
Andy das Wort an sich selbst, genauer<br />
genommen an sein deutlich jüngeres<br />
Ich. „‚Kid You’re Not Alone‘ ist ein Lied für<br />
mich, doch geht es auch raus an all die<br />
anderen kleinen Andys, die dort draußen<br />
in der Welt herumirren und versuchen,<br />
ihren Weg zu finden. Für mich ist jeder<br />
junge Mensch ein kleines Wunder, und<br />
ich halte jeder und jedem von ihnen die<br />
Daumen.“ Bell ist Jahrgang 1964. Sein<br />
homosexuelles Erwachen als junger Mann<br />
in London fällt ziemlich genau in jene Zeit,<br />
in der Aids anfing zu grassieren. Er selbst<br />
ist HIV-positiv, es geht ihm aber gut. „Als<br />
Jugendlicher war ich ziemlich gehemmt“,<br />
so Andy Bell, den wir in London am Telefon<br />
erreichen:<br />
„Ich bin froh, dass ich mich damals nicht<br />
auch noch mit dem Internet und mit den<br />
sozialen Medien herumschlagen musste,<br />
denn diese Dinge rufen so viele Ängste<br />
und zusätzliche Unsicherheiten in jungen<br />
Menschen hervor. Aber die Botschaft des<br />
Songs ist eine dezidiert optimistische:<br />
Leute, macht euch nicht zu viele Sorgen.<br />
Es wird sich schon alles regeln und ihr<br />
werdet euren Weg machen. Guckt mich an!<br />
In der Schule war ich ein fröhlicher Vogel.<br />
Ich nahm wohl an, dass ich schwul sei,<br />
doch ich versuchte anfangs, meine<br />
Sexualität zu verdrängen. Ich hatte den<br />
üblichen Jungs-Spaß, mochte Alkohol<br />
und Partys und freundete mich sogar<br />
mit einigen meiner Lehrer an. Die späten<br />
Siebziger, frühen Achtziger waren ganz<br />
cool. Härter wurde es danach. Aids kam<br />
auf, Schwule starben daran, und mir war<br />
inzwischen klar, dass ich auf Männer<br />
stehe. Um das alles zu ertragen, versuchte<br />
ich mir vorzustellen, ich sei ein Alien von<br />
einem anderen Planeten. Immer, wenn<br />
meine Gedanken zu dunkel wurden, hat<br />
mich meine Fantasie an einen schöneren<br />
Ort getragen.“<br />
Dann machte er die Bekanntschaft von<br />
Vince Clarke. Vince war ein paar Jahre älter,<br />
hetero, nicht einfach nur ein Keyboarder,<br />
sondern ein Soundgenie, und schon ein<br />
Star mit den frühen Depeche Mode und<br />
Yazoo, einer Kollaboration mit Alison