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30 STYLE<br />
NACHGEFRAGT<br />
GYPSY: Mut statt Schande<br />
In Bochum lebt und wirkt<br />
diese grandiose Dragqueen,<br />
die nicht nur auf Instagram eine<br />
stetig wachsende Fangemeinde vereint.<br />
Wir sprachen mit der queeren<br />
Influencerin.<br />
Fühlst du dich als Kurdin und Dragqueen<br />
in Deutschland diskriminiert?<br />
Auf jeden Fall. Ich bin doppelt stigmatisiert.<br />
Von welcher Seite kommen die<br />
Anfeindungen?<br />
Wenn man mit den öffentlichen Verkehrsmitteln<br />
unterwegs ist und „südländischer“<br />
aussieht, wird man mitunter von anderen<br />
„Südländern“ angesprochen, die fragen,<br />
welche Nationalität man hat. Ich habe die<br />
Erfahrung gemacht, dass die Kommentare<br />
und die Ablehnung größer sind, wenn ich<br />
kurdisch sage, als wenn ich sage, ich sei<br />
deutsch. Die sagen dann Dinge wie: „Du<br />
bist ja eine Schande!“ Oder: „Wie kannst<br />
du als Bruder von uns so etwas machen?“<br />
Da ich bei einer ehrlichen Antwort eher<br />
in gefährliche Situationen komme, so<br />
ist es mir in NRW schon oft passiert,<br />
verschweige ich es häufig. Viele mit<br />
Migrationshintergrund finden es eher okay,<br />
wenn ich sage, dass ich deutsch sei, denn<br />
dann gehöre ich ja zu „den Deutschen“.<br />
Wie gehst du mit Hass und Bodyshaming<br />
um?<br />
Ich versuche herauszufinden, woran das<br />
liegt, dass Leute andere beleidigen. Es kann<br />
eigentlich nur sein, dass diese Menschen<br />
sehr traurig und mit sich selbst unzufrieden<br />
sind. Ich versuche, dem Hass und den<br />
Beleidigungen keine Aufmerksamkeit<br />
zu schenken. Mit der Zeit wurde mir der<br />
Hass egal, aber ich zeige ihnen, dass ich<br />
trotzdem da bin, und das gibt mir Stärke.<br />
Ist Bochum ein schwieriger Ort für<br />
Dragqueens?<br />
Bochum ist sehr tolerant, ich habe da<br />
kaum gefährliche Situationen erlebt. Es<br />
gibt nur leider sehr wenige Möglichkeiten,<br />
sich zu entfalten, es gibt keine queeren<br />
Cafés oder Partys wie in Köln oder Berlin.<br />
Wie sieht es in deinem Umfeld aus,<br />
was sagt zum Beispiel deine Familie?<br />
Ich studiere Soziale Arbeit, daher ist mein<br />
Umfeld generell tolerant, und viele feiern<br />
mich ... In meiner Familie ist es etwas komplizierter<br />
... „Das geht gar nicht!“, war die<br />
Reaktion auf mein Fremd-Outing. Meine<br />
Familie kommt aus einem Dorf in der<br />
Türkei, die kennen das nicht. Nach vielen<br />
Gesprächen wird es jetzt toleriert, aber<br />
nicht als gut empfunden. Einige folgen mir<br />
sogar auf Social Media! Meine Schwester<br />
schaut meine Interviews an und versteht<br />
mich dadurch viel besser. Teile meiner<br />
Familie sorgen sich aber auch um mich,<br />
wenn sie den ganzen Hate sehen, der<br />
zuweilen unter meinen Beiträgen steht.<br />
Ist Social Media für dich Segen oder<br />
Fluch?<br />
Ein bisschen von beidem, aber vor allem<br />
ein Segen. Ich hatte als Kind keine Vorbilder,<br />
und jetzt bekomme ich mit, wie viele<br />
Menschen ich erreichen kann, wie vielen<br />
ich Mut machen kann.<br />
*Interview: Michael Rädel<br />
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