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Thema Feuer: Heisse Variationen - Credit Suisse eMagazine ...

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CREDIT SUISSE<br />

Bulletin_4.05<br />

16<br />

Was hat <strong>Feuer</strong> da für eine Rolle gespielt?<br />

Wichtige Stichworte hierzu wären etwa Brandrodung oder die Spezialisierung<br />

im Umgang mit <strong>Feuer</strong> durch Töpfer, Schmiede oder Krieger.<br />

Die industrielle Revolution ist schliesslich der dritte Schritt. Hier hat<br />

die Menschheit begonnen, Öl, Kohle und Gas in grossem Stil als<br />

brennbaren Treibstoff einzusetzen. Die Transformation der menschlichen<br />

Zivilisation wäre ohne <strong>Feuer</strong> also undenkbar gewesen.<br />

Denken Sie, dass das auch in Zukunft so sein wird?<br />

Wir sind vollkommen abhängig von einem ausreichenden Nachschub<br />

an billiger Energie. Wenn wir unseren Lebensstil beibehalten wollen,<br />

müssen wir alternative Formen der Energiegewinnung finden.<br />

Woran denken Sie dabei?<br />

Eine Möglichkeit wäre der grossflächige Einsatz von Sonnenkollektoren.<br />

Dann würde die Sahara zum Nabel der Welt. Wenn es uns jedoch<br />

vorher gelingt, die Kernfusion in den Griff zu bekommen, bleiben wir<br />

wohl direkt vom <strong>Feuer</strong> abhängig – immerhin hätten wir zum ersten Mal<br />

keine Probleme mit dem Nachschub an Brennmaterial.<br />

Weshalb zum ersten Mal? Bis vor kurzem konnte man doch<br />

einfach einen Baum umhacken und das Brennmaterial war da.<br />

Es war trotzdem nicht wie im Paradies. Die Suche nach ausreichender<br />

Versorgung mit gutem Brennmaterial führte immer wieder zu kriegerischen<br />

Auseinandersetzungen. Ein Blick in den Nahen Osten zeigt,<br />

dass sich daran bis heute nicht viel geändert hat.<br />

Und Kernfusion wäre die Lösung unserer Probleme?<br />

Das Ausgangsmaterial – Wasserstoff – wäre auf jeden Fall in ausreichender<br />

Menge vorhanden. Allerdings bin ich kein Experte in Sachen<br />

Mythen, Riten, Religionen<br />

Zahllose universelle Mythen und religiöse Riten belegen, dass sich der Mensch schon immer mit<br />

seinem aussergewöhnlichen Verhältnis zu <strong>Feuer</strong> auseinander gesetzt hat.<br />

Gemäss dem Anthropologen Claude Lévi-<br />

Strauss macht in fast allen alten Mythen erst<br />

das Hüten und Hegen des <strong>Feuer</strong>s den Menschen<br />

wirklich «menschlich». Es ist daher nur<br />

logisch, dass <strong>Feuer</strong> auch in den meisten Religionen<br />

eine Rolle spielt.<br />

Besonders bemerkenswert ist in diesem<br />

Zusammenhang die Lehre der Anhänger Zarathustras.<br />

Es dürfte sich dabei nicht nur um<br />

die älteste monotheistische Religion handeln,<br />

in ihr nimmt <strong>Feuer</strong> auch einen besonderen<br />

Stellenwert ein.<br />

Zarathustra (die griechische Namensgebung<br />

lautet Zoroaster) war Priester und Prophet<br />

in Persien, dem heutigen Iran. Je nach<br />

ideologischem und historischem Standpunkt<br />

wird seine Wirkenszeit zwischen 1800 und<br />

600 vor Christus angesiedelt. Die Lehre ist geprägt<br />

vom Wettstreit zwischen Gut und Böse<br />

und betont stark die Eigenverantwortung der<br />

Gläubigen. Sie sollen «gut denken», «gut sagen»<br />

und «gut tun». Etliche Forscher gehen<br />

davon aus, dass sie grossen Einfluss auf die<br />

Entwicklung der jüdischen und christlichen<br />

Religion ausgeübt hat. Ganz sicher hat sie<br />

Friedrich Nietzsche zur Niederschrift seines<br />

Werkes «Also sprach Zarathustra» inspiriert –<br />

was wiederum Johann Strauss zur Komposition<br />

einer gleichnamigen Sinfonie verleitet hat.<br />

<strong>Feuer</strong> hat in der zoroastrischen Lehre insofern<br />

eine besondere Stellung, als es zwar<br />

nicht Abbild, jedoch Symbol Gottes ist. Der<br />

Kernfusion und kann sie deshalb auch nicht guten Gewissens empfehlen.<br />

Ehrlich gesagt gehe ich davon aus, dass uns auch die Kernfusion<br />

mit unvorhersehbaren Schwierigkeiten konfrontieren wird. Denke ich<br />

an eine Lösung der anstehenden Probleme, dann sind meine utopischen<br />

Fantasien eher soziologischer Natur und beinhalten eine Neuausrichtung<br />

des Zivilisationsprozesses. Das jedoch wäre wohl das<br />

<strong>Thema</strong> für ein anderes, weitaus längeres Interview. <<br />

Johan Goudsblom<br />

Der 73-jährige Soziologe begann seine akademische Karriere an<br />

der Wesleyan University in Connecticut (USA). Nach einem Doktorat<br />

an der Universität Amsterdam und weiteren Studien in den USA<br />

übernahm er im Alter von 36 Jahren eine Professur an der Universität<br />

Amsterdam. Sein Gesamtwerk umfasst unter anderem die<br />

Bücher «<strong>Feuer</strong> und Zivilisation» (1991), «Soziologie auf der Waagschale»<br />

(1979), «The Course of Human History: Economic Growth,<br />

Social Process, and Civilization» (mit Eric Jones und Stephen Mendell,<br />

2001) und (als Herausgeber) «Mappae Mundi: Humans and<br />

Their Habitats in a Long-Term Socio-Ecological Perspective: Myths,<br />

Maps and Models» (2002). Johan Goudsblom ist ausserdem ausgewiesener<br />

Experte für Fragen zum Werk von Norbert Elias.<br />

prominente Platz des <strong>Feuer</strong>s hat immer wieder<br />

dazu geführt, dass die Anhänger Zarathustras<br />

irrtümlich als <strong>Feuer</strong>anbeter bezeichnet<br />

werden.<br />

Die Lehre Zarathustras hat heute noch<br />

rund 200 000 Anhänger. Die meisten von ihnen<br />

sind Nachkommen persischer Zarathustra-<br />

Anhänger (so genannte Parsen). Die grössten<br />

Gemeinden befinden sich in Indien, vor allem<br />

in Bombay, in Grossbritannien (London) und<br />

in Nordamerika – wo die zoroastrischen Gemeinden<br />

sogar über Wachstum berichten.<br />

Berühmte Anhänger sollen der 1991 verstorbene<br />

Sänger der britischen Rockband Queen,<br />

Freddy Mercury, und der indische Stardirigent<br />

Zubin Mehta sein. ba

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