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Thema Feuer: Heisse Variationen - Credit Suisse eMagazine ...

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Text: Markus Balogh Fotos: Thomas Eugster<br />

«Ich mache Geschäfte auf Augenhöhe»<br />

Rosmarie Michel liesse sich als die grosse Dame des Kleinstkredits bezeichnen. Im Interview erklärt<br />

die schlag fertige Zürcherin, warum ökonomische und soziale Rendite gut zusammenpassen.<br />

Bulletin: Holen wir ein bisschen aus:<br />

Wo liegen die Wurzeln Ihres Engagements?<br />

Rosmarie Michel: Ich komme aus dem Gewerbe.<br />

Ich habe vom ersten Tag an gewusst,<br />

woher das Geld kommt, mit dem meine Eltern<br />

das Essen auf dem Tisch bezahlen. Und mir<br />

wurde früh bewus st gemacht, dass es unterschiedliche<br />

Einkommen gibt und unterschiedliche<br />

soziale Schichten mit jeweils unterschiedlichen<br />

sozialen Problemen.<br />

Das Gewerbe liefert doch aber einen<br />

eher konservativen Hintergrund, den man<br />

spontan weniger mit sozialem Engagement<br />

assoziiert.<br />

Damit bin ich nicht einverstanden. Die Umgebung,<br />

in der ich aufgewachsen bin, mag wertkonservativ<br />

gewesen sein, trotzdem war sie<br />

auch sehr liberal. Und zu diesem liberalen<br />

Geist gehört die Vorstellung, dass Erfolg<br />

auch Verpflichtungen mit sich bringt. Wer ins<br />

Leben geht und es recht macht, der hat dafür<br />

zu sorgen, dass es seiner Umgebung auch<br />

recht geht.<br />

Hat dieser liberale Geist zu Ihrer damals<br />

für eine Frau alles andere als selbstverständlichen<br />

Karriere geführt?<br />

In meiner Familie haben Frauen seit Generationen<br />

wichtige Positionen. Meine Vorbilder<br />

waren erfolgreiche Unternehmerinnen. Und<br />

ich habe es als selbstverständlich angeschaut,<br />

dass ich die gleichen Rechte und<br />

Pflichten, aber auch Chancen und Möglichkeiten<br />

habe wie ein Mann. Erst als ich aus<br />

dem Umfeld meiner Familie herausgetreten<br />

bin, habe ich realisiert: Auf freier Wildbahn<br />

funktioniert das nicht so.<br />

Hatten Sie damals, in den Fünfzigerjahren,<br />

viele Widerstände zu überwinden?<br />

Weder in der Politik noch in der Wirtschaft<br />

waren Frauen angemessen vertreten. Das<br />

hat mir nicht gepasst – auf der anderen Seite<br />

gehöre ich nicht zu denen, die mit einer Fackel<br />

in der Hand protestierend durch die Strassen<br />

laufen. Ich war neugierig, wollte wissen: Wieso<br />

ist das so? Und ich habe mich nicht gescheut,<br />

diesen Umstand in Frage zu stellen.<br />

Daraus haben sich die nächsten Schritte<br />

dann wie von alleine ergeben.<br />

Welche Schritte waren das?<br />

Ich hatte eine gute Ausbildung und war voller<br />

Tatendrang. Im Alter von 25 Jahren habe ich<br />

die Präsidentschaft einer kleinen Organisation<br />

mit etwa 3000 Mitgliedern übernommen.<br />

Keine grosse Sache, aber ich hatte ein gewisses<br />

Mass an Verantwortung. Ich war dann<br />

aus eigener Anstrengung erfolgreich, hatte<br />

dazu ein bisschen Glück und bin immer wieder<br />

auf Menschen gestossen, die mich aktiv<br />

gefördert haben. Das alles hat sich zu einem<br />

glücklichen Kreislauf zusammengefügt.<br />

Ein Kreislauf, der Sie zur Organisation<br />

Women’s World Banking geführt hat?<br />

Stimmt. WWB wurde 1975 von Bankerinnen<br />

in New York gegründet. Diese Frauen wollten<br />

ihre sozialen Verpflichtungen durch mehr als<br />

Spenden an Hilfsorganisationen wahrnehmen.<br />

Sie hatten erkannt, dass Entwicklungshilfe<br />

am nachhaltigsten wirkt, wenn sie die Autonomie<br />

der Empfänger unterstützt, wenn sie<br />

die Fähigkeit fördert, selber zu handeln und<br />

dadurch Verantwortung wahrzunehmen. Der<br />

Begriff ist in der Zwischenzeit etwas abgenutzt,<br />

aber es ging auch damals schon um<br />

Hilfe zur Selbsthilfe.<br />

Wie sieht diese Hilfe konkret aus?<br />

Women’s World Banking hat Instrumente entwickelt,<br />

die den Bedürfnissen der Kunden in<br />

den Entwicklungsländern entsprechen. Zum<br />

Beispiel Kleinstkredite, Unterstützung in Sachen<br />

Marketing und Kurse in Entrepreneurship.<br />

Das Ziel war, lokale Zellen zu bilden, die<br />

die Kleinstkreditnehmer unterstützen. Um das<br />

CREDIT SUISSE<br />

Bulletin_4.05<br />

Rosmarie Michel Leader 55<br />

zu erreichen, hat man begonnen, gemeinsam<br />

mit grossen Organisationen Netzwerke aufzuziehen.<br />

Haben Sie dazu Zahlen?<br />

Schätzungen gehen von weltweit etwa 500<br />

Millionen Mikrounternehmen aus – die meisten<br />

von ihnen sind Frauen. Nur rund zehn<br />

Prozent von ihnen haben Zugang zu Finanzdienstleistungen.<br />

Der grösste Teil der Mikrokredite wird<br />

an Frauen ausbezahlt. Warum?<br />

In vielen Entwicklungsländern wird das Basishandwerk<br />

von Frauen ausgeführt. Fischen,<br />

kleine Reparaturen ausführen, Lebens mit telverarbeitung<br />

und anderes mehr. Die meisten<br />

von ihnen haben aber keine eigenen Mittel<br />

und auch keinen Zugang zu Kapital. Sie sind<br />

die Ärmsten der Armen.<br />

Aber Männer sind in diesen Ländern<br />

doch auch arm?<br />

Aber meistens sind die Frauen noch ärmer.<br />

Der Mann hat meistens schon ein Einkommen<br />

– wenn es auch klein sein mag. Und er<br />

hat einfacher Zugang zu Finanzinstitutionen.<br />

So ist es halt einfach.<br />

Es geht also nicht darum, politische<br />

Strukturen umzukrempeln?<br />

Nein, es stehen ganz pragmatische Überlegungen<br />

dahinter. Zum Beispiel, dass wir<br />

aus unseren Statistiken ablesen können,<br />

dass Frauen die zuverlässigeren Geschäftspartner<br />

sind, termingerechter ihre Kredite<br />

zurück zahlen, dass sie ihre Investitionen sozial<br />

wirk samer tätigen und stärker an ihre<br />

Kultur und an ihren Standort gebunden sind<br />

als Männer.<br />

Wie viele Kunden hat WWB?<br />

Es sind ungefähr 18 Millionen. Allein das<br />

African Microfinance Network AFMIN hat in<br />

20 afrikanischen Ländern fast 6 Millionen<br />

Kleinstkreditnehmer. >

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