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Thema Feuer: Heisse Variationen - Credit Suisse eMagazine ...

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CREDIT SUISSE<br />

Bulletin_4.05<br />

18<br />

Text: Rebecca Schraner Foto: Thomas Eugster<br />

Verbrannt und zugenäht<br />

Im Anfang war das Wort. Und nicht das <strong>Feuer</strong>. Zumindest bei Barbara Baumann. Über persönliche Erlebnisse<br />

und die Sprache gelangte die Textilkünstlerin zu ihrem heutigen Schaffen.<br />

Das Ende war ein Anfang – aus Not wurde Kunst. Nach ihrer Ausbildung<br />

an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Luzern fand<br />

Barbara Baumann eine erste Anstellung bei einer Firma im Textilbereich.<br />

Ein Glücksfall, wie sie zuerst dachte. Doch es kam anders. Die<br />

junge Künstlerin konnte ihre Kreativität nicht ausleben und das<br />

schlechte Arbeitsklima machte ihr zu schaffen. Der tägliche Kampf<br />

endete schliesslich in der Kündigung: Sie wurde gefeuert.<br />

Nach dem Verlust des Jobs begann der Verarbeitungsprozess.<br />

Zuerst mental, später praktisch. Barbara Baumann studierte, grübelte,<br />

sinnierte: Geschasst, gekündigt, gefeuert ... und begann mit den Worten<br />

zu spielen: feuern, verheizen, Burnout. Es fiel ihr auf, dass feuern<br />

im Urnerdialekt «fiire» ausgesprochen wird. «Fiire» bedeutet im Luzernerischen<br />

aber wiederum «feiern». Diese Ambivalenz des Wortes, welche<br />

durchaus auf <strong>Feuer</strong> an sich übertragbar ist, liess sie von nun an<br />

nicht mehr los.<br />

Der <strong>Feuer</strong>lauf beginnt<br />

<strong>Feuer</strong> ist faszinierend und beängstigend, es wärmt und zerstört, <strong>Feuer</strong><br />

ist schaurig schön.<br />

Schon immer hatte die Künstlerin einen Bezug zu <strong>Feuer</strong>. Ein prägendes<br />

Kindheitserlebnis war das japanische Fest Obon. Die Familie<br />

lebte bis zu Barbaras neuntem Lebensjahr in Kyoto, wo der Vater, ein<br />

Theologe und Sozialarbeiter, als Dozent tätig war. Obon ist ein jährlich<br />

stattfindendes buddhistisches Fest zu Ehren der Verstorbenen. Es<br />

dauert mehrere Tage und ist eine der grössten Feiern Japans. Auf den<br />

Hügeln rund um Kyoto werden <strong>Feuer</strong> in Form japanischer Schriftzeichen<br />

angezündet. Sie sollen den Toten den Weg zu ihren Verwandten<br />

und später wieder zurück ins Jenseits weisen.<br />

Nebst diesen buddhistischen Feierlichkeiten lernte Baumann auch<br />

die christliche Tradition kennen. Die Familie feierte fern der Heimat die<br />

kirchlichen Feste, sie hatten an Weihnachten einen Christbaum und an<br />

Ostern Kerzen. Die Künstlerin ist sich der starken Präsenz von <strong>Feuer</strong><br />

in der Religion bewusst. « Meine Grossmutter hat bis zu ihrem Tod ans<br />

Fegefeuer geglaubt und hat zeitlebens versucht, diesem durch ein<br />

gottgefälliges Leben zu entkommen. Sie hat uns Grosskindern viel<br />

davon erzählt und bei mir sicherlich einiges ausgelöst.» Trotzdem, der<br />

religiöse Aspekt interessiert die Künstlerin in ihrem Schaffen weniger.<br />

Die Geburtsstunde des <strong>Feuer</strong>experiments<br />

Barbara Baumann hatte sich für die Ambivalenz des Elementes erwärmt.<br />

Nun startete sie mit praktischen Experimenten. Als Basisprodukt wählte<br />

sie Seide. Sie bearbeitet den Stoff mit einer Kerzenflamme, brennt<br />

Löcher. Aus solchen Stoffen näht sie Kissen, Raumteiler oder Vorhänge.<br />

Die fragilen, halbtransparenten Erzeugnisse leben vom Licht. Vor<br />

ein Fenster gehängt, wird aus dem Lochmuster ein Spiel aus Licht und<br />

Schatten. Die Asche der herausgebrannten Löcher sammelt Baumann<br />

und verarbeitet sie zu einer Paste, welche sie wiederum als Malfarbe<br />

benutzt.<br />

« Bei solchen Experimenten geht es mir immer auch darum, Grenzen<br />

auszuloten. Ein Zuviel hat die Zerstörung des Materials zur Folge.»<br />

Und nicht nur <strong>Feuer</strong>, sondern auch Wärme hinterlässt Spuren auf<br />

Seide. Darum braucht die Textilkünstlerin auch gerne den Ofen. Sie<br />

faltet den Stoff und bäckt ihn zwischen zehn und elf Sekunden. Danach<br />

weist der Stoff Schattierungen in den verschiedensten Brauntönen<br />

auf, die Gitterstäbe zeichnen sich hell ab. Wenn sie ihn aus dem Ofen<br />

zieht, muss er sofort ausgebreitet werden, da er sich sonst selbst<br />

entzünden könnte. « Bis ich all dies raushatte, habe ich mir manche<br />

Brandblase geholt.» Zudem entstehen bei solchen Experimenten Gase,<br />

die Wohnung muss immer wieder gelüftet werden. Ihre Arbeit ist<br />

tatsächlich brandgefährlich, darum arbeitet Baumann in der Küche ihrer<br />

Luzerner Wohnung. «Im Atelier wäre es verantwortungslos.» Dieses<br />

befindet sich im Dachstock eines über 100-jährigen Hauses.<br />

Einmal hängte die Experimentierfreudige einen Stoff in die Räucherkammer<br />

eines Metzgers. Der Stoff wurde klebrig und noch heute,<br />

rund zwei Jahre später, haftet ihm der Geruch von geräuchertem Fleisch<br />

an. Das Resultat ist nicht mehr nur sichtbar, sondern lässt sich auch<br />

riechen und fühlen. «Es gefällt mir, wenn verschiedene Sinne angesprochen<br />

werden.» Deshalb mag die Gewinnerin eines Werkbeitrages<br />

des Kantons Uri wohl auch die Kunst ihres ehemaligen Lehrers Roman<br />

Signer, wie beispielsweise dessen Aktionen mit Explosivstoffen.

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