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"bruno." (2020)

Das Jahresmagazin der Giordano-Bruno-Stiftung (Ausgabe 2020)

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bruno.: Die Evokids-

Wochen im Oktober/

November 2019 standen

unter dem Motto

„Nichts ergibt Sinn

außer im Licht der

Evolution“. Damit

habt ihr euch auf eine

berühmte Formulierung

des Evolutionsbiologen

Theodosius

Dobzhansky bezogen, der die Bedeutung der Evolution

jedoch ursprünglich auf das Gebiet der Biologie

begrenzt hatte. Der Titel seines 1973 in der Zeitschrift

„The American Biology Teacher“ veröffentlichten

Aufsatzes lautete „Nothing in Biology

Makes Sense Except in the Light of Evolution“ ...

Die Evolution verdeutlicht,

dass uns die Erde keineswegs „untertan“ ist,

sondern wir hier bloß auf Stippvisite sind.

Ein junger Besucher des

Düsseldorfer Evolutionsweges

Dittmar Graf: Das ist richtig. Theodosius Dobzhansky,

einer der bedeutendsten Biologen des 20. Jahrhunderts,

hat in seinem vielzitierten Aufsatz dargelegt,

dass die Biologie ohne evolutionäre Betrachtung nur

ein strukturloser Haufen unverbundener Fakten wäre.

Ohne Evolution verlöre die Biologie ihr Rückgrat.

Wir haben das Original-Zitat für die Evokids-Wochen

bewusst gekürzt und dadurch den Bedeutungshorizont

der Aussage erweitert. Tatsächlich bin ich der Überzeugung,

dass die Bedeutung der Evolution weit über das

Feld der Biologie im engeren Sinn hinausgeht. Evolutionäre

Betrachtungen sind nämlich konstitutiv,

wenn es darum geht, ein angemessenes Menschenund

Weltbild zu entwickeln. Nur wer evolutionär denkt,

wird bereit sein, den Menschen nicht als gottähnliches

Sonderwesen, sondern als eine Organismenart unter

Millionen anderen zu betrachten. Jedenfalls ist die alte

Dichotomie „der Mensch – und die Tiere“ aus evolutionärer

Sicht nicht mehr aufrechtzuerhalten.

Michael Schmidt-Salomon: In diesem Zusammenhang

sollte man vielleicht noch ergänzen, dass Dobzhansky

die eigentümliche Formulierung „in the Light

of Evolution“ von Julian Huxley, dem Begründer des

evolutionären Humanismus, übernommen hat. Die beiden

kannten sich gut, da sie zusammen mit Ernst Mayr

und einigen anderen zu den Architekten der modernen

„synthetischen Evolutionstheorie“ gehörten. Schon 20

Jahre vor der Veröffentlichung von Dobzhanskys Aufsatz

hatte Julian Huxley angeregt, das menschliche Leben

nicht mehr „im Lichte der Ewigkeit“ zu betrachten,

sondern „im Lichte der Evolution“. Dabei begriff Huxley

Bekennende „Evoluzzer“: Ricarda Hinz, Dittmar Graf und Michael Schmidt-Salomon

„Evolution“ als einen Prozess, der überall im Universum

stattfindet. Auf diese Weise entwickelte er bereits in

den 1950er Jahren die ersten Ansätze zu einer universellen

Evolutionstheorie, die sowohl die Wandlungsprozesse

beleuchtet, die der Welt des Lebendigen vorausgegangen

sind, etwa die kosmische oder chemische Evolution,

als auch jene, die später erst auf Basis der biologischen

Evolution erfolgten, etwa die Evolution des

Bewusstseins, der Sprache, der Technik, der Medizin,

der Wissenschaften oder der Künste.

Ricarda Hinz: Exakt diese „große Erzählung der

Evolution“ wollten wir mit den Evokids-Wochen verdeutlichen.

Dies erklärt die große thematische Bandbreite

der Vorträge während unserer Veranstaltungsreihe

im Düsseldorfer Ballhaus. So sprach der Physiker

Georg Henneges über die „Evolution der Elemente“,

die beiden Wissenschafts-Journalistinnen Martina

Preiner und Franziska Konitzer über den rätselhaften

Prozess der „Abiogenese“, also den Übergang von

Nicht-Leben zu Leben, Volker Sommer referierte über

das Thema „Der kultivierte Schimpanse“ und Bärbel

Auffermann, die Direktorin des Neanderthal Museums,

über „Zwei Millionen Jahre Migration“. Darüber hinaus

beschäftigte sich Christoph Antweiler mit der Evolution

der Kulturen und den vielen Gemeinsamkeiten, die uns

mit einander verbinden, während Eckart Voland unter

dem Stichwort „Darwin trifft Gott“ über die „Evolution

der Religiosität“ aufklärte. Man sieht: Es ist kaum möglich,

ein Thema zu finden, das sich nicht „im Lichte der

Evolution“ besser verstehen ließe. Evolution ist tatsächlich

überall …

gbs-Beirat Gerhard Vollmer hat bereits 2017 ein

über 600 Seiten starkes Buch mit dem Titel

„Im Lichte der Evolution“ vorgelegt, das aufzeigt,

wie stark die evolutionäre Perspektive bereits in

unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen

vorgedrungen ist. Das Spektrum reicht von der

Evolutionären Archäologie, der Evolutionären

Chemie, Geologie und Institutionentheorie über

die Evolutionäre Kosmologie, Kunsttheorie,

Linguistik und Medizin bis hin zur Evolutionären

Rechts-, Wirtschafts- und Wissenschaftstheorie.

Aber meint „Evolution“ auf diesen unterschiedlichen

Gebieten wirklich dasselbe?

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