"bruno." (2020)
Das Jahresmagazin der Giordano-Bruno-Stiftung (Ausgabe 2020)
Das Jahresmagazin der Giordano-Bruno-Stiftung (Ausgabe 2020)
- Keine Tags gefunden...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
bruno.: Die Evokids-
Wochen im Oktober/
November 2019 standen
unter dem Motto
„Nichts ergibt Sinn
außer im Licht der
Evolution“. Damit
habt ihr euch auf eine
berühmte Formulierung
des Evolutionsbiologen
Theodosius
Dobzhansky bezogen, der die Bedeutung der Evolution
jedoch ursprünglich auf das Gebiet der Biologie
begrenzt hatte. Der Titel seines 1973 in der Zeitschrift
„The American Biology Teacher“ veröffentlichten
Aufsatzes lautete „Nothing in Biology
Makes Sense Except in the Light of Evolution“ ...
Die Evolution verdeutlicht,
dass uns die Erde keineswegs „untertan“ ist,
sondern wir hier bloß auf Stippvisite sind.
Ein junger Besucher des
Düsseldorfer Evolutionsweges
Dittmar Graf: Das ist richtig. Theodosius Dobzhansky,
einer der bedeutendsten Biologen des 20. Jahrhunderts,
hat in seinem vielzitierten Aufsatz dargelegt,
dass die Biologie ohne evolutionäre Betrachtung nur
ein strukturloser Haufen unverbundener Fakten wäre.
Ohne Evolution verlöre die Biologie ihr Rückgrat.
Wir haben das Original-Zitat für die Evokids-Wochen
bewusst gekürzt und dadurch den Bedeutungshorizont
der Aussage erweitert. Tatsächlich bin ich der Überzeugung,
dass die Bedeutung der Evolution weit über das
Feld der Biologie im engeren Sinn hinausgeht. Evolutionäre
Betrachtungen sind nämlich konstitutiv,
wenn es darum geht, ein angemessenes Menschenund
Weltbild zu entwickeln. Nur wer evolutionär denkt,
wird bereit sein, den Menschen nicht als gottähnliches
Sonderwesen, sondern als eine Organismenart unter
Millionen anderen zu betrachten. Jedenfalls ist die alte
Dichotomie „der Mensch – und die Tiere“ aus evolutionärer
Sicht nicht mehr aufrechtzuerhalten.
Michael Schmidt-Salomon: In diesem Zusammenhang
sollte man vielleicht noch ergänzen, dass Dobzhansky
die eigentümliche Formulierung „in the Light
of Evolution“ von Julian Huxley, dem Begründer des
evolutionären Humanismus, übernommen hat. Die beiden
kannten sich gut, da sie zusammen mit Ernst Mayr
und einigen anderen zu den Architekten der modernen
„synthetischen Evolutionstheorie“ gehörten. Schon 20
Jahre vor der Veröffentlichung von Dobzhanskys Aufsatz
hatte Julian Huxley angeregt, das menschliche Leben
nicht mehr „im Lichte der Ewigkeit“ zu betrachten,
sondern „im Lichte der Evolution“. Dabei begriff Huxley
Bekennende „Evoluzzer“: Ricarda Hinz, Dittmar Graf und Michael Schmidt-Salomon
„Evolution“ als einen Prozess, der überall im Universum
stattfindet. Auf diese Weise entwickelte er bereits in
den 1950er Jahren die ersten Ansätze zu einer universellen
Evolutionstheorie, die sowohl die Wandlungsprozesse
beleuchtet, die der Welt des Lebendigen vorausgegangen
sind, etwa die kosmische oder chemische Evolution,
als auch jene, die später erst auf Basis der biologischen
Evolution erfolgten, etwa die Evolution des
Bewusstseins, der Sprache, der Technik, der Medizin,
der Wissenschaften oder der Künste.
Ricarda Hinz: Exakt diese „große Erzählung der
Evolution“ wollten wir mit den Evokids-Wochen verdeutlichen.
Dies erklärt die große thematische Bandbreite
der Vorträge während unserer Veranstaltungsreihe
im Düsseldorfer Ballhaus. So sprach der Physiker
Georg Henneges über die „Evolution der Elemente“,
die beiden Wissenschafts-Journalistinnen Martina
Preiner und Franziska Konitzer über den rätselhaften
Prozess der „Abiogenese“, also den Übergang von
Nicht-Leben zu Leben, Volker Sommer referierte über
das Thema „Der kultivierte Schimpanse“ und Bärbel
Auffermann, die Direktorin des Neanderthal Museums,
über „Zwei Millionen Jahre Migration“. Darüber hinaus
beschäftigte sich Christoph Antweiler mit der Evolution
der Kulturen und den vielen Gemeinsamkeiten, die uns
mit einander verbinden, während Eckart Voland unter
dem Stichwort „Darwin trifft Gott“ über die „Evolution
der Religiosität“ aufklärte. Man sieht: Es ist kaum möglich,
ein Thema zu finden, das sich nicht „im Lichte der
Evolution“ besser verstehen ließe. Evolution ist tatsächlich
überall …
gbs-Beirat Gerhard Vollmer hat bereits 2017 ein
über 600 Seiten starkes Buch mit dem Titel
„Im Lichte der Evolution“ vorgelegt, das aufzeigt,
wie stark die evolutionäre Perspektive bereits in
unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen
vorgedrungen ist. Das Spektrum reicht von der
Evolutionären Archäologie, der Evolutionären
Chemie, Geologie und Institutionentheorie über
die Evolutionäre Kosmologie, Kunsttheorie,
Linguistik und Medizin bis hin zur Evolutionären
Rechts-, Wirtschafts- und Wissenschaftstheorie.
Aber meint „Evolution“ auf diesen unterschiedlichen
Gebieten wirklich dasselbe?
34