"bruno." (2020)
Das Jahresmagazin der Giordano-Bruno-Stiftung (Ausgabe 2020)
Das Jahresmagazin der Giordano-Bruno-Stiftung (Ausgabe 2020)
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PERSPEKTIVEN
zeitig jedoch erhielt das Jahresschwerpunktthema
„Rationalität“ im Zuge der Corona-Krise, die auch mit
einer Rationalitätskrise einherging, eine Aktualität, mit
der niemand zuvor gerechnet hatte. Die Stiftung reagierte
darauf, indem sie mit ihren Kooperationspartnern
verstärkt Online-Veranstaltungen anbot, die sich vorrangig
mit dieser Thematik beschäftigten.
So sprach Bernd
Harder (GWUP) im Rahmen der
Kortizes-Reihe über die „In fodemie
in der Pandemie“ und
Giulia Silberberger („Der goldene
Aluhut“) in der DA!-Reihe über
„Aufklärung im Verschwörungsdickicht“.
Ähnliche Fragen behandelten
Michael Schmidt-
Salomon („Fakten, Fakes und gefühlte
Wahr heiten: Warum es
uns so schwer fällt, rational zu
sein“), Holm Hümmler („Erklärt
Quantenphysik die Esoterik?“)
und Natalie Grams („Ist das Heilkunst
oder kann das weg?“) in
ihren Online-Vorträgen zum
„DA! Art Award“, die live über den
gbs- YouTube-Kanal ausgestrahlt
wur den (und dort weiterhin zu
finden sind).
Zur Corona-Krise bzw. zu
den Maßnahmen, die gegen
die Pandemie ergriffen
wurden, hätten sich
viele wohl eine eindeutigere
Positio nie rung der
gbs gewünscht – jenseits der erfolgten
kla ren Abgrenzung der
Stiftung gegenüber den grassierenden
Corona-Verschwö rungsmythen.
Eine solche Positionierung war jedoch kaum
möglich, da die Gefährlichkeit des Virus bzw. die Gefährlichkeit
der Gegenmaßnahmen von den einzelnen Stiftungsmitgliedern
höchst unterschiedlich eingeschätzt
wurde. Die gbs entschied deshalb, ein State ment dazu
abzugeben, weshalb sie unter den gegebenen Umständen
keine Statements zur Corona-Pandemie ab geben
kann. In der am 23. März veröffentlichten Erklä rung
heißt es dazu:
„Erforderlich ist jetzt eine seriöse transdisziplinäre
Erforschung des Virus, seiner Verbreitung und seiner
Folgen – kein weiteres Anheizen der Gerüchteküche. (…)
Solange wir nicht wissen, wie viele Menschen tatsächlich
mit SARS-CoV-2 infiziert sind, und solange unbekannt
ist, wie viele dieser tatsächlichen Infektions fälle
einen milden, einen schweren, einen sehr schweren oder
gar tödlichen Krankheitsverlauf aufweisen, stochern
Sophie Strobl und Florian Chefai gaben den Anstoß zur
Gründung des Hans-Albert-Instituts
wir allesamt im Nebel und all die bunten Kurven und
Grafiken vermitteln uns nur den Anschein einer Exaktheit,
die durch die Datenlage nicht gedeckt ist. “
Zwar konnte die gbs aufgrund der heterogenen
Interpretationen der (leider noch immer lücken haften)
Daten nicht eindeutig Stellung zur Corona-Politik beziehen,
wohl aber bezog sie eindeutig
Stellung zu den Bedingungen,
unter denen der für den
Erkenntnisfortschritt notwendige
„freundlich-feindliche Wettbewerb
der Ideen“ stattfinden
kann. gbs-Sprecher Michael
Schmidt- Salomon sagte hierzu
am 5. September 2020 auf dem
„Virtual Ra tionality Congress“
des Hans- Albert-Instituts: „Wer
rational argumentiert, ergreift
Partei für die Stimme der Vernunft
– und diese ist nicht notwendigerweise
bei einer bestimmten
gesellschaft lichen
Grup pierung beheimatet. Leider
ist man diesem Prinzip der Unparteilichkeit
in der Corona-
Debatte nur selten begegnet,
statt dessen waren parteiische
Ausgrenzungsstrategien groß in
Mode. Rationale Diskussionen
können so nicht funktionieren!
Denn sie setzen voraus, dass man
bereit ist, unterschiedliche Sichtweisen
unvoreingenommen gegeneinander
abzuwägen und etwaige
Gegenargumente ernst zu
nehmen.“
Um vernünftig über Corona
(wie über andere Themen) diskutieren
zu können, muss man
bereit sein, anzuerkennen, dass der andere recht haben
könnte und man sich selbst irrt. Denn in der Auf deckung
von Denkirrtümern liegt der Königsweg der Erkenntnis
– oder um es mit dem zentralen Motto des Hans-Albert-
Instituts zu umschreiben: „Wir irren uns empor!“
Eine ausführliche Darstellung des
HAI erfolgt in der nächsten Ausgabe
des bruno.-Jahresmagazins, in
der wir auch den 100. Geburtstag
von Hans Albert in ge bührender
Weise würdigen werden.
ZUM WEITERLESEN:
Hans Albert
Traktat über
kritische Vernunft
Mohr Siebeck 1968/1991
Tobias Wolfram / Felix
Urban / Michael Tezak /
Johannes Kurzbuch
Produktives
Streiten
Auswege aus einer defizitären
Debattenkultur
Alibri 2020
Website:
hans-albert-institut.de
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