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Gruess Gott - Herbst 2020

Wenn die Welt Kopf steht - Das Magazin über Gott und die Welt

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[HERR]GOTT<br />

FOTOS: WIKIMEDIA, DIE ARGE LOLA / KAI LOGES + ANDREAS LANGEN, AKG-IMAGES/MISSION ARCHEOLOGIQUE DE QAFZEH<br />

Verfahren in der Medizin witterten sie ihre<br />

Chance: Endlich gab es Möglichkeiten, in<br />

den Kopf hineinzuschauen. Und sie wollten<br />

sie nutzen, um ein für alle Mal zu beweisen,<br />

dass <strong>Gott</strong> ein Hirngespinst ist. So entstand<br />

die Neurotheologie: die Erforschung des<br />

religiösen Empfindens mit Methoden der<br />

Neurobiologie.<br />

Der deutsche Religionswissenschaftler<br />

Michael Blume beschäftigt sich schon lange<br />

und intensiv mit dem Thema. Er weiß:<br />

„Zu dieser Zeit hat man alle Ergebnisse<br />

der Hirnforschung theologisch aufgeladen.<br />

Entweder als Widerlegung oder als Beweis<br />

<strong>Gott</strong>es. Heute haben wir verstanden, dass<br />

wir mit der Hirnforschung nicht <strong>Gott</strong>,<br />

sondern das menschliche Hirn erforschen.“<br />

Was aber nicht bedeutet, dass <strong>Gott</strong> kein<br />

Zuhause in unserem Kopf hat.<br />

Wenn wir Bilder des Kopfinneren mittels<br />

Magnetresonanztomographie (MRT)<br />

an fertigen, können wir sehen, welche Bereiche<br />

unseres Gehirns mit besonders viel<br />

Sauerstoff versorgt werden – diese Bereiche<br />

sind besonders aktiv. So regt religiöses Empfinden<br />

weite Bereiche unseres Großhirns<br />

an, vor allem aber den Schläfenlappen, der<br />

rechts und links im Schädel hinter Schläfen<br />

und Ohren liegt, sowie den Scheitellappen<br />

im hinteren, oberen Teil unseres Großhirns.<br />

Zahlreiche Studien haben das bestätigt.<br />

Auch in Österreich wurde dazu geforscht:<br />

Forscher der Med Uni Graz wollten wissen,<br />

ob unser Gehirn zwischen einem Gedicht<br />

und einem Gebet unterscheiden kann. Die<br />

Bewusst bestattet.<br />

Eines der etwa<br />

100.000 Jahre<br />

alten Gräber aus<br />

der Qafzeh-Höhle<br />

in Israel: eine junge<br />

Frau mit einem<br />

kleinen Kind – vermutlich<br />

Mutter<br />

und Tochter.<br />

»Alles, was wir Menschen erleben und<br />

worüber wir nachdenken, besetzt<br />

bestimmte Bereiche in unserem Gehirn.<br />

Das gilt auch für religiöse Gedanken.<br />

Das heißt aber nicht, dass <strong>Gott</strong> nur<br />

in unserem Gehirn vorhanden ist.«<br />

Michael Rosenberger, Moraltheologe<br />

Antwort: Ja. Beim Gebet wurde der Schläfenlappen<br />

aktiviert, beim Gedicht nicht.<br />

Diese Areale mussten sich über viele Jahrtausende<br />

entwickeln. Und ihr Vorhandensein<br />

lässt sich nicht nur bei den Menschen<br />

in der Qafzeh­Höhle nachweisen, sondern<br />

auch bei unseren nächsten Verwandten,<br />

den Neandertalern.<br />

Mehr als ein Hirngespinst<br />

Menschen scheinen also wirklich für den<br />

Glauben gebaut zu sein. Ist er vielleicht nur<br />

so etwas wie ein „Nervenkitzel“? Nein, sagt<br />

Michael Rosenberger, Professor für Moraltheologie<br />

und Institutsvorstand an der<br />

Katholischen Privat­Universität Linz. „Alles,<br />

was wir Menschen erleben und worüber wir<br />

nachdenken, besetzt bestimmte Bereiche in<br />

unserem Gehirn. Das gilt auch für religiö se<br />

Gedanken“, erklärt er. „Das heißt aber<br />

nicht, dass <strong>Gott</strong> nur in unserem Gehirn vorhanden<br />

ist. Wir würden ja auch nicht sagen,<br />

weil Musik in unserem Gehirn an einer bestimmten<br />

Stelle verarbeitet wird, existiert<br />

sie nur in unserem Kopf.“<br />

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