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Gruess Gott - Herbst 2020

Wenn die Welt Kopf steht - Das Magazin über Gott und die Welt

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[HERR]GOTT<br />

Entrückt. Bei<br />

buddhistischen<br />

Mönchen sinkt<br />

beim Meditieren<br />

die räumliche<br />

Orientierung, die<br />

Areale für Mitgefühl<br />

sind aktiv.<br />

FOTOS: GETTY IMAGES/ISTOCK, SUZY STÖCKL<br />

– Glauben, Beten, Beichten, das alles besänftige<br />

das Gehirn. Sie nennen das „brainsoothing“<br />

und halten es für eine geniale<br />

Entwicklung der Evolution. Auch wenn sie<br />

Religion kritisch betrachten, bestätigt ihre<br />

Forschung: Die Fähigkeit zu religiösen Empfindungen<br />

steckt tief in uns – ob wir nun<br />

glauben oder nicht.<br />

Unser Gehirn ist dabei die Voraussetzung,<br />

aber nicht die einzige Bedingung.<br />

Umwelteinflüsse prägen uns, Bildung und<br />

soziale Bindung geben den Bezugsrahmen,<br />

mit dem <strong>Gott</strong>eserfahrungen erst möglich<br />

werden. Und wie bei der Musik spielt auch<br />

Veranlagung eine Rolle: Nicht jedes Gehirn<br />

ist gleich empfänglich für Spiritualität.<br />

„Eine Aufgabe von Neurotheologie kann<br />

sein, einen guten Umgang mit diesen Unterschieden<br />

zu finden“, so der Religionswissenschaftler<br />

Michael Blume. „Sich nicht zu<br />

schämen, wenn man religiöse Erfahrungen<br />

hat. Aber auch nicht zu meinen, es fehlt<br />

einem etwas, wenn das nicht so ist. Das<br />

ist mein Anliegen: unsere Vielfalt hinzunehmen,<br />

anstatt uns gegenseitig runterzumachen.“<br />

Eine Akzeptanz zu entwickeln,<br />

die nicht wertet, und das Phänomen Glaube<br />

MICHAEL<br />

ROSENBERGER<br />

1962 in Würzburg<br />

geboren, seit 2002<br />

an der Katholischen<br />

Privat-Universität<br />

Linz tätig.<br />

Institutsvorstand<br />

und Lehrender im<br />

Fach Moraltheologie,<br />

in dem er sich<br />

auch habilitiert<br />

hat. Er wurde 1987<br />

in Rom zum Priester<br />

geweiht.<br />

möglichst neutral zu erforschen: Das ist<br />

die Devise der Neurotheologie im 21. Jahrhundert.<br />

Und es gibt noch viel zu entdecken:<br />

So geht es etwa darum, zu zeigen, wie religiöse<br />

Empfindungen mit anderen Lebenserfahrungen<br />

vernetzt sind. Bei einem<br />

Experiment mit Schwestern vom Orden der<br />

Karmelitinnen wurden im Gebet Hirnregionen<br />

aktiv, die wir mit sehr intensiven Emotionen<br />

verbinden. Und wenn buddhistische<br />

Mönche beim Meditieren das Gefühl haben,<br />

ihr Selbst zu verlieren, verringert sich tatsächlich<br />

die Aktivität im Hirnbereich, der<br />

für räumliche Orientierung zuständig ist.<br />

„In Studien mit Meditierenden sieht man<br />

außerdem, dass die Areale für Mitgefühl<br />

aktiviert sind. Wer meditiert, gewinnt also<br />

ein größeres Gespür für Mitmenschen. Da<br />

hat Religion unmittelbare Folgen für unser<br />

Leben“, so Rosenberger.<br />

Glaube hat also einen messbaren Effekt<br />

auf uns Menschen – auch wenn wir die<br />

Ursachen dafür wohl nie ganz ergründen<br />

werden können. Das erfüllte selbst einen genialen<br />

Geist wie Charles Darwin mit Demut:<br />

„Ich fühle aufs Allertiefste, dass der ganze<br />

Gegenstand zu tief ist für den menschlichen<br />

Intellekt“, schrieb er 1860 in einem Brief.<br />

„Lasst einen jeden Menschen hoffen und<br />

glauben, was er kann.“<br />

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