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Gruess Gott - Herbst 2020

Wenn die Welt Kopf steht - Das Magazin über Gott und die Welt

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SAKRAMENT<br />

FOTOS: BPK/ABISAG TÜLLMANN, HABRINGER<br />

Was ist<br />

1. Ihnen heilig?<br />

Die spontane Antwort: nichts.<br />

Allerdings fällt mir beim<br />

Nachdenken über die vielen<br />

Bedeutungen des Wortes<br />

sanctus doch einiges ein. Zu<br />

diesen Bedeutungen ge hören<br />

neben anbeten auch unverletzlich,<br />

unantastbar und<br />

erhaben. Unantastbar ist für<br />

mich zum Beispiel das Recht,<br />

Autorität zu hinter fragen und<br />

Autorität, die sich dem verweigert,<br />

zu misstrauen.<br />

Wie definieren Sie<br />

2. ein gutes Leben?<br />

Den kommenden Tag nicht<br />

mit Sorge zu erwarten, sondern<br />

gelassen schlafen gehen<br />

zu können.<br />

Welche Eigen-<br />

3. schaft von Jesus<br />

erscheint Ihnen<br />

nachahmenswert?<br />

Vor vielen Jahren (im größten<br />

Zweifel) las ich Adolf Holls<br />

Buch „Der letzte Christ“<br />

über Franz von Assisi. Es gab<br />

mir die Sicherheit, mich auf<br />

die humanistischen Grundzüge<br />

zu verlassen, die (auch)<br />

in der Lehre Jesu überliefert<br />

sind. Die Zuwendung zum<br />

anderen über den Umweg –<br />

oder den Filter – der Zuwendung<br />

zu sich selbst, das ist<br />

eine gute Orientierung.<br />

Sich um andere zu kümmern<br />

ohne Aufhebens, ohne Erwartung<br />

des Ordens erster Klasse<br />

am roten Band.<br />

Wo und wann<br />

4. finden Sie Ruhe?<br />

Wenn ich mich mit einem Text<br />

beschäftige, mit dem neuen<br />

Roman, dann fokussiert sich<br />

meine Aufmerksamkeit – und<br />

das kann ein sehr schönes,<br />

ruhiges Gefühl sein. Außerdem<br />

im Alleinsein, im ziellosen<br />

Denken. Vor kurzem<br />

habe ich zum ersten Mal die<br />

Karl-Borromäus-Kirche auf<br />

dem Wiener Zentralfriedhof<br />

besichtigt. Ich habe dort eine<br />

Ruhe gefunden, die ich gar<br />

nicht gesucht hatte. Und mich<br />

gewundert und mir gedacht,<br />

davon bräuchte ich mehr.<br />

Wenn Sie für<br />

5. einen Tag<br />

allmächtig wären,<br />

was würden Sie tun?<br />

Mit meiner Macht hadern.<br />

Was war das<br />

6. größte Wunder<br />

in Ihrem Leben?<br />

Ist es nach wie vor: mein<br />

ganzes bisheriges Leben in<br />

diesem reichen Teil der Welt<br />

gelebt zu haben. Keine Errungenschaft,<br />

keine Selbstverständlichkeit,<br />

nichts, auf das<br />

ich stolz sein könnte. Es hätte<br />

auch anders kommen können.<br />

7. gelungenen<br />

Was macht<br />

für Sie einen<br />

Sonntag aus?<br />

Ich gehöre schon lang keiner<br />

religiösen Gemeinschaft mehr<br />

an, bin aber im katholisch geprägten<br />

Umfeld aufgewachsen<br />

und kenne den Kirchgang, als<br />

KARIN PESCHKA,<br />

53, lebt in Wien<br />

und Eferding. Die<br />

Autorin hat 2014<br />

ihren Debütroman<br />

„Der Watschenmann“<br />

veröffentlicht,<br />

der mit mehreren<br />

Literaturpreisen<br />

ausgezeichnet<br />

wurde.<br />

Ihr aktueller Roman<br />

„Putzt euch,<br />

tanzt, lacht“<br />

(Otto Müller Verlag,<br />

€ 23) ist für<br />

den Österreichischen<br />

Buchpreis<br />

<strong>2020</strong> nominiert.<br />

Darin lässt die Protagonistin<br />

Fanni<br />

mit 57 Jahren ihr<br />

altes Leben zurück<br />

und landet in einer<br />

ungewöhnlichen<br />

Wohngemeinschaft.<br />

Ein Buch<br />

über Solidarität,<br />

Zuwendung und<br />

Akzeptanz.<br />

kleines Kind an der Seite der<br />

Großeltern, als Jugendliche in<br />

der Samstagabend-Messe, wo<br />

ich aber eher Anschluss suchte<br />

als religiöse Erfüllung.<br />

Denn als Tochter von Wirtsleuten<br />

war der Sonntag für<br />

mich und meine Geschwister<br />

vor allem ein fixer Arbeitstag.<br />

Ein ruhiges Wochenende<br />

mit einem ebensolchen Sonntag<br />

gab es nicht. Es gab allerdings<br />

einen Sperrtag – ganz<br />

früher war es der Mittwoch,<br />

dann der Freitag. Da war das<br />

Haus still, Gastzimmer und<br />

Küche lagen in einer Art Dämmer,<br />

so war es auch an den<br />

Nachmittagen von Sonn- und<br />

Feiertagen. An diesen hatten<br />

wir zwei, drei Stunden geschlossen.<br />

Diese Stunden, dieser<br />

Dämmer, die Stille in den<br />

Räumen, die wir zuvor sauber<br />

gemacht hatten, Tische frisch<br />

gedeckt, Boden gekehrt, Geschirr<br />

und Gläser und Töpfe<br />

abgewaschen, Herd geputzt –<br />

diese Ruhe liebte ich. Ich saß<br />

oft allein beim Kachelofen<br />

und lauschte und dachte an<br />

nichts Besonderes. Manchmal<br />

sitze ich so in meiner winzigen<br />

Wiener Küche. Manchmal<br />

in unserem alten Haus in<br />

Oberösterreich, wo wir –<br />

meine Schwester und ich –<br />

nun zwar kein Wirtshaus<br />

mehr betreiben, aber dafür<br />

das „Eferdinger Gastzimmer“.<br />

Der Raum ist anders, aber<br />

der Kachelofen derselbe,<br />

die Fenster dieselben und die<br />

Ruhe ist es auch. Das gibt mir<br />

ein sonntägliches Gefühl.<br />

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