FINDORFF GLEICH NEBENAN Nr. 16
FINDORFF GLEICH NEBENAN ist das Stadtteilmagazin für Findorff und Bremen für Handel, Dienstleistung, Kultur & Politik
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PROFILE<br />
q STEFAN SCHRÖDER BETREIBT »L‘ORANGERIE« AM BUNKER AUF DEM <strong>FINDORFF</strong>MARKT<br />
» Ich polarisiere sehr stark als Person.«<br />
<strong>FINDORFF</strong> <strong>GLEICH</strong> <strong>NEBENAN</strong> | 20<br />
STEFAN SCHRÖDER<br />
EDELGASTRONOM<br />
D<br />
ie Corona-Pandemie hat auch in Bremen<br />
die Gastronomie schwer getroffen. Vielen<br />
Betrieben droht die Insolvenz. Du hast in<br />
der Krise das Restaurant »L‘Orangerie« am<br />
Bunker auf dem Findorffmarkt eröffnet.<br />
Wie verrückt muss man sein ?<br />
Verrückt ??? Oder einfach nur selbstbewusst<br />
? Ich finde, man sollte auch während<br />
einer Pandemie nicht den Kopf in den Sand<br />
stecken. Man sollte stattdessen versuchen, wie der Lachs gegen<br />
den Strom zu schwimmen – und zeigen, dass es auch anders<br />
geht. Man kann auch in schwierigen Zeiten eine vernünftige<br />
Gastronomie aufbauen, sich an die Regeln halten und zeigen,<br />
das es auch anders geht.<br />
Warum hat es mit dem Anbau am Bunker am Findorffmarkt<br />
bis zur Eröffnung im August so lange gedauert ?<br />
Erstens hat mich niemand gehetzt. Zweitens gab es ein paar<br />
bauliche Prozesse, die komplexer waren. Drittens sollte man<br />
eine Sache nur machen, wenn man sie zu 100 % gut macht.<br />
Bist Du ein Perfektionist ?<br />
Privat bin ich eher der Typ, der in der Erziehung seiner Kinder<br />
sehr viel durchgehen lässt. Beruflich bin ich in der Tat absoluter<br />
Perfektionist. Ich werde von MitarbeiterInnen oft als streng beschrieben,<br />
weil ich alles so haben will, wie ich es will. Ich gebe<br />
Dir ein Beispiel: Wenn ich die Wand schwarz gemalt haben will,<br />
dann will ich die Wand schwarz gemalt haben. Wie Du die Wand<br />
schwarz anmalst, ist mir egal. Du sollst Dich dabei nicht verbiegen,<br />
aber male die Wand bitte nicht grün, gelb oder blau an.<br />
Ich habe mir seit der Eröffnung der »L‘Orangerie« im August<br />
einige Bewertungen im Internet auf »Google« angeschaut:<br />
Zwei Drittel sind erstklassige Bewertungen mit vier oder fünf<br />
Sternen. Ansonsten gibt es nur zwei Sterne oder als schlechteste<br />
Bewertung einen Stern. Rezensionen im »Mittelfeld«<br />
mit drei Sternen gibt es keine einzige, dafür Aussagen zum<br />
angeblich wenig erfreulichen Service. Der »Kellner« mit dem<br />
grauen Bart sei super unfreundlich. Das kann ich jetzt nicht<br />
bestätigen, aber dennoch die Frage: Polarisierst Du als Person ?<br />
Ich polarisiere sehr stark als Person. Aber ich sage auch: Wir<br />
haben seit März »Corona«. Gäste haben sich in Corona-Zeiten<br />
an Regeln zu halten – und es gibt es auch bei uns Öffnungszeiten,<br />
die gelten. Zudem sind wir ein Speiserestaurant. Gern<br />
kann man in der »L‘Orangerie« nur einen Cappuccino oder<br />
einen guten Kaffee trinken, aber wir sind kein Café, sondern<br />
eben ein Speiserestaurant. In den momentanen Corona-Zeiten<br />
hat man weniger Sitzplätze zur Verfügung. Trotzdem müssen<br />
wir betriebswirtschaftlich auf unsere Kosten kommen. Dafür<br />
erwarte ich Verständnis. Wenn man zum Beispiel auf unserer<br />
Terrasse nur etwas trinken möchte, geht das. Wenn ich nach 20<br />
Minuten Verweildauer den Tisch brauche, sage ich das meinen<br />
Gästen vorher. Das finde ich völlig normal. Auch wenn jemand<br />
außerhalb der Öffnungszeiten hereinkommt und mit seiner<br />
EC-Karte wedelt, weil er und seine Mama sofort bedient werden<br />
wollen, während eigentlich geschlossen ist und unser Team<br />
wohlverdient Pause macht und am Mittagessen ist, kann ich ein<br />
solches Verhalten nicht verstehen. Also polarisieren: Ja, positiv<br />
wie negativ. Ich habe ein klares Credo für guten Service. Guter<br />
Service heißt für mich nicht, dass man gegenüber den Gästen<br />
devot ist und jedes Verhalten akzeptieren muss. Auch Gäste haben<br />
keine Narrenfreiheit. Es gibt Regeln für den gegenseitigen,<br />
respektvollen Umgang miteinander. Wenn bei uns am Eingang<br />
ein großes Schild mit dem Satz »Sie werden platziert.« steht,<br />
kann man eben nicht einfach auf die Tische zulaufen, ohne<br />
angewiesen zu werden. Zumal wir momentan die Tische auch<br />
völlig zurecht zwischendurch zu desinfizieren haben. Derartige<br />
Zusammenhänge vermittele ich ab und zu auch gegenüber<br />
Gästen sehr eindringlich. JedeR kann sich dann immer noch<br />
überlegen, ob man mit den Regeln umgehen möchte oder nicht.<br />
In einem weiteren Google-Eintrag ist zu lesen von »Stammgästen«,<br />
die kommen, weil sie sich anscheinend »hip« fühlen,<br />
da sie bei Herrn Schröder sitzen dürfen. Ist das einfach nur<br />
bösartig oder offensichtlicher Sozialneid – und wie gehst Du<br />
mit solchen Bewertungen von Menschen emotional um, die<br />
Dich persönlich gar nicht weiter kennen ?<br />
Wo steht das ? (Stefan Schröder sucht auf seinem Smartphone<br />
im Internet die neue Bewertung. Die Antwort kommt dann<br />
mit kurzer Bedenkzeit.) Ich finde, wenn die Leute mir etwas zu<br />
sagen haben, sollen sie mir das gern persönlich sagen, aber sich<br />
nicht hinter anonymen Bewertungen verstecken.<br />
Ein weiterer Eintrag zur Begrüßung der »L‘Orangerie« im<br />
Stadtteil lautet: »Passt nicht wirklich nach Findorff.« Der<br />
Rezensent erträgt in seiner Vorstellung einer »Dorffgemeinschaft«<br />
offensichtlich kein hochwertiges Restaurant, das sich<br />
im Anspruch und auch preislich nach oben abhebt. Was sagst<br />
Du als offensichtlicher Individualist dazu ? Warum passt aus<br />
Deiner Sicht die »L‘Orangerie« sehr gut nach Findorff ?<br />
Wir passen sehr gut nach Findorff und Bremen, weil dieses<br />
Restaurant einfach ein besondere Location ist, es Spaß macht<br />
bei uns Gast zu sein, der Service gut ist und unsere Gerichte<br />
geschmacklich sehr lecker sind. Der erwähnte Hobbykritiker<br />
hat auf »Google« auch geschrieben, dass ein Nachtisch bei uns<br />
12,90 Euro kostet. Mit seiner Kritik deklariert er Findorff als<br />
»Billig-Stadtteil«, was die FindorfferInnen vermutlich nicht so<br />
sehen. Es wurde online auch moniert, dass wir keine vegetarischen<br />
Gerichte anbieten, was nicht stimmt. Wir haben an<br />
manchen Tagen über zwanzig Gäste, die VegetarierInnen sind –<br />
und denen wir sehr leckere, vegetarische Gerichte anbieten.<br />
Kurz definiert: Was macht einen guten Gastronom aus ?<br />
Visionen, Durchhaltevermögen, Erfolg und ein dickes Fell. u<br />
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