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Taxi Times Berlin - 3. Quartal 2020

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CORONA-KRISE<br />

Stephan Berndt hat den Mut nicht verloren, obwohl Mehrwagenbetriebe es besonders schwer haben.<br />

WAS UNS NICHT UMBRINGT ...<br />

Vom steinigen Weg seines Mehrwagenbetriebes durch die<br />

Corona-Krise mit Stundungen, Staatshilfen und Stilllegungen<br />

berichtet uns <strong>Taxi</strong>-<strong>Times</strong>-Redakteur Stephan Berndt.<br />

FOTO: Axel Rühle / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />

Der unvorhersehbare Umsatzeinbruch<br />

hat das gesamte Gewerbe<br />

brutal erwischt. Da unsere<br />

Fusion gerade mal etwas mehr als ein<br />

Jahr zurück lag und wir kräftig in den<br />

Fuhrpark investiert hatten, traf uns die<br />

Krise besonders hart.<br />

Aber von Anfang: Nach meinem Studium,<br />

ich war 29, gründete ich 1991 den <strong>Taxi</strong>betrieb<br />

Space Cab. Ende 2018 übernahm ich<br />

dazu die noch zehn Jahre ältere Luisenstadt<br />

<strong>Taxi</strong> GmbH, besser bekannt als TiK (<strong>Taxi</strong>schule<br />

in Kreuzberg). Seitdem<br />

habe ich 30 Taxen und bin für 70<br />

Beschäftigte verantwortlich.<br />

Mit dem Austausch alter Limousinen<br />

gegen moderne Großraumtaxis<br />

hatten wir gerade den<br />

Umbruch eingeläutet. Ab Herbst<br />

2019 investierten wir in acht neue<br />

Taxen. <strong>2020</strong> sollten unsere Großraumtaxis<br />

alle rollstuhlgerecht werden, der<br />

Umbau zu einer inklusiven <strong>Taxi</strong>flotte sollte<br />

konsequent fortgesetzt werden. Dann kam<br />

Corona, und die bis dahin rundum gute<br />

Entwicklung kam zum Stillstand – und das<br />

mit acht neuen Fahrzeug-Finanzierungen.<br />

Zunächst suchten wir daraufhin nach<br />

Möglichkeiten, den Betrieb aufrecht zu<br />

erhalten. Intensive Bemühungen, Taxen mit<br />

Trennscheiben auszurüsten und damit vom<br />

Land <strong>Berlin</strong> im Rahmen von Hilfsmaßnahmen<br />

eingesetzt werden zu können, mussten<br />

wir schnell begraben. Wir wurden nicht<br />

als „systemrelevant“ gesehen, obwohl wir<br />

als ÖPNV Teil der Daseinsvorsorge sind.<br />

Medizinisches Personal beispielsweise<br />

fuhren andere.<br />

Ohne das trugen die Umsätze bei Weitem<br />

nicht alle Kosten für die Flotte oder den<br />

gesetzlichen Mindestlohn für das Personal.<br />

Die Fixkosten zwangen uns, den Betrieb<br />

«Wer sich die Förderung für das<br />

Inklusionstaxi entgehen lässt,<br />

braucht auch nicht zu jammern.»<br />

Stephan Berndt<br />

Ende März herunterzufahren. Wir legten<br />

29 von 30 Taxen still und schickten unsere<br />

knapp 70 Leute nach Hause, die etwa 60<br />

pflichtversichert Beschäftigten mit Kurzarbeitergeld<br />

(Kug). Das Kug und zusätzliche<br />

Hilfen durch die Arbeitsagentur sicherten<br />

unsere Mitarbeitenden ab. Die letzten<br />

beiden Märzwochen erhielten alle bereits<br />

zusätzlich zu ihrem Lohn anteilig Kug, am<br />

1. April gingen alle außer dem Geschäftsführer<br />

in Kurzarbeit null. Wir mussten niemanden<br />

entlassen. Nur ein einziges „Test-<br />

<strong>Taxi</strong>“ ließen wir auf der Straße, besetzt mit<br />

Rentnern, denen kein Kug zusteht.<br />

Um zu überleben, mieteten wir einen<br />

Stellplatz für die Taxen, versetzten die Kfz-<br />

Versicherung in eine beitragsfreie Ruheversicherung<br />

und beantragten die Stundung<br />

der Finanzierungen, der Sozialversicherungen,<br />

der Umsatz- und Gewerbesteuer und<br />

der betrieblichen Altersversorgungen. Wir<br />

beantragten die Entbindung<br />

von der Betriebspflicht und<br />

meldeten unsere Taxen bei<br />

der Funkvermittlung ab. Die<br />

BG Verkehr setzte auf Antrag<br />

die Vorauszahlungen für die<br />

Unfallversicherung deutlich<br />

herab. Das alles geht natürlich<br />

nur für eine begrenzte Zeit, da<br />

die Stundungen nur für ein paar Monate<br />

gewährt werden. Bis dahin musste eine<br />

Lösung her, wie es weiter gehen kann.<br />

Bund und Land hatten ja vorgesorgt und<br />

Hilfsprogramme angeboten. Unkompliziert<br />

und schnell zu bekommen war nur<br />

die Soforthilfe I für Solo-Selbstständige<br />

und Kleinstunternehmen. Da wurde so<br />

viel Geld verballert, dass offenbar für grö-<br />

TAXI <strong>3.</strong> QUARTAL <strong>2020</strong><br />

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