EYECOM 01|21

0 SCIENCE
RISIKO-ANALYSE
ICH SCHAU DIR IN
DIE AUGEN
„DIE AUGEN SIND DER SPIEGEL DER SEELE“ SAGT EIN ALTES SPRICHWORT.
SEIT LANGEM WEISS MAN ALLERDINGS, DASS SIE AUCH DER „SPIEGEL
DER GESUNDHEIT“ SIND. EINE AKTUELLE STUDIE BEFASST SICH MIT DER FRAGE,
OB DIE FUNKTION DER NETZHAUTGEFÄSSE BEI COVID-19-ERKRANKUNGEN
RÜCKSCHLÜSSE AUF DIE SCHWERE DES KRANKHEITSVERLAUFS ERLAUBT.
r. Daniel Vilser, leitender Oberarzt
in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
am Universitätsklinikum
Jena, hat in einer Studie gemeinsam mit
dem Jenaer Medizintechnikhersteller Imedos
Systems GmbH getestet, ob die Funktionsanalyse
der Netzhautgefäße Aussagen zum Verlauf
von COVID-19-Erkrankungen erlaubt. Denn inzwischen
ist bekannt, dass COVID-19 nicht nur
eine schwerwiegende Erkrankung der Atemogane
ist, sondern die Gefäßinnenwände im
gesamten Körper betrifft. In der Folge wird die
Blutgerinnung gestört, was das Risiko für eine
Lungenembolie oder einen Schlaganfall rapide
ansteigen lässt. Deshalb suchten die Forscher
nach Hinweisen, die einen schweren Verlauf
frühzeitig anzeigen können. Und sie stellten
fest: Die Funktionsanalyse der gut zugänglichen
Netzhautgefäße ist ein etabliertes Verfahren, das
ihnen wertvolle Informationen über einsetzende
Störungen der Gefäßfunktion geben könnte.
Der Kinderkardiologe leitet deshalb eine
klinische Studie mit stationär im UKJ betreuten
COVID-19-Patienten, bei der die Teilnehmer mit
einem speziellen Gefäßanalyseverfahren untersucht
werden. Die eingesetzte Technologie des
Jenaer Medizintechnikunternehmens Imedos
ermöglicht über einen kontaktlosen Blick ins
Auge und mit Hilfe von Flickerlicht eine detaillierte
Analyse der Funktion und Regulation der
Netzhautgefäße; insbesondere von deren Innenseiten,
des sogenannten Endothels. Diese innere
Zellschicht in den Gefäßen ist maßgeblich an
der Regulation der Durchblutung sowie an Gerinnungs-
und Entzündungsprozessen beteiligt.
„Wir gehen davon aus, dass sich die Messergebnisse
für das Endothel der Mikrogefäße
im Auge auf den gesamten Körper übertragen
lassen, wir also einen detaillierten Befund für
die Endothelfunktion der COVID-19-Patienten
erhalten“, erläutert Daniel Vilser. In der
Studie wollen die Wissenschaftler erfassen, ob
die retinale Endothelfunktion bei COVID-19
beeinträchtigt ist. Von besonderem Interesse
ist dabei, ob sich ein Zusammenhang der
Parameter der statischen und dynamischen
Netzhautgefäßanalyse mit der Schwere des
Krankheitsverlaufs erkennen lässt. Das würde
eine Möglichkeit bieten, Risikopatienten,
die intensivmedizinisch betreut werden müssen,
frühzeitig zu identifizieren und deren
Behandlung entsprechend anzupassen. Bisher
nahmen etwa 30 COVID-19-Patienten an der
Beobachtungsstudie teil. Bei der Mehrzahl von
ihnen stellten die Studienärzte eine Störung der
Endothelfunktion fest.
Die Firma Imedos, deren Systeme auch von
vielen Augenoptikern eingesetzt werden, ist
auf die retinale Mikrozirkulation spezialisiert
und entwickelt medizintechnische Gerätesysteme
für die mikrovaskuläre Forschung und
Funktions-Diagnostik. Die Netzhaut der Augen
ist ein einzigartiger Spiegel des gesamten
Körpers. Über die hier stattfindende retinale
Mikro zirkulation können Rückschlüsse auf den
individuellen Gefäßzustand, die Gefäßfunktionen
und vaskuläre Risikofaktoren getroffen
werden. Das frühzeitige Erkennen dieser Gefäßrisiken
ermöglicht es, kardio- und zerebrovaskuläre
Erkrankungen gezielt vorzubeugen. Das
eröffnet ein breites Anwendungsspektrum, weit
über die Augenheilkunde hinaus.
Dr. Daniel Vilser
www.imedos.de
www.uniklinikum-jena.de
18
EYECOM 01 | 2021