Prima Magazin - Ausgabe Februar 2021
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Foto © shutterstock_visualis world<br />
dass er sich in psychotherapeutische<br />
Behandlung begab und<br />
auch ein halbes Jahr Auszeit<br />
von der Schule nahm. Im Zuge<br />
eines Neustarts per Schulwechsel<br />
hat er dann seinen Eltern,<br />
seinen Lehrerinnen und Lehrern<br />
und seinem Freundeskreis<br />
anvertraut, dass er wohl „trans“<br />
sei. Die Reaktionen waren gemischt,<br />
aber nicht negativ. „Für<br />
viele meiner Freunde war es<br />
scheinbar keine Überraschung<br />
mehr, aber meist kam die Frage<br />
‚bist du dir sicher?‘, oder ‚okay,<br />
ja, schauen wir mal‘. Das war<br />
zwar keine Ablehnung, aber<br />
auch kein wirklicher Bezug zu<br />
diesem Thema“, sagt Tom über<br />
sein Outing.<br />
Odyssee durch<br />
Ärztezimmer<br />
Was dann folgte, war eine lange<br />
Zeit mit Therapie und Gesprächen,<br />
denn die Depression<br />
war nach wie vor Teil seines<br />
Lebens. Und stets die ach so<br />
abstrakte Lösung vor Augen:<br />
Dass er lieber ein Junge sein<br />
möchte. So führte die Odyssee<br />
zu verschiedenen Ärzten und<br />
Therapeuten auch nach Wien,<br />
denn es bedarf mehrerer unabhängiger<br />
Statements – psychotherapeutisch,<br />
klinisch-psy-<br />
TRANSGENDER<br />
IM FOKUS<br />
Transgender in Österreich<br />
Geschlechtsidentität beschreibt das erlebte und gefühlte Geschlecht einer Person als männlich, weiblich<br />
oder einem anderen Geschlecht zugehörig. Stimmt diese Geschlechtsidentität nicht mit dem zugewiesenen<br />
Geburtsgeschlecht überein, spricht man von „transgender“, „transsexuellen“ (veralteter Begriff) oder<br />
„geschlechtsinkongruenten“ Personen. Der diagnostische Prozess zur grundsätzlichen Feststellung des<br />
Vorliegens einer Geschlechtsdysphorie beziehungsweise Transidentität hat in 3 Teilen zu erfolgen:<br />
• Psychiatrische Diagnostik<br />
• Klinisch-psychologische Diagnostik<br />
• Psychotherapeutische Diagnostik<br />
Erst nach dieser unabhängigen Diagnose darf eine Hormontherapie erfolgen, die jedenfalls ärztlich begleitet<br />
werden muss. Dies gilt in Österreich als Heilbehandlung und wird daher von der Krankenkasse bezahlt.<br />
In Österreich gibt es laut Berichten etwa 400 – 500 transgender Personen, wobei mehr maskulinisierende<br />
(64,1%) als feminisierende Eingriffe (35,9%) durchgeführt werden.<br />
Quelle: „Geschlechtsinkongruenz in Österreich“ (www.sozialversicherung.at)<br />
Unabhängig von somatischen Maßnahmen kann in Österreich eine Personenstands- und Vornamensänderung<br />
beantragt werden. Geschlechtsanpassende Operationen in Form genitalchirurgischer Eingriffe<br />
sind nach etwa einem Jahr Hormontherapie möglich. Sie sind aber nicht mehr Voraussetzung für die<br />
Personenstandsänderung. (Quelle: https://www.oesterreich.gv.at)<br />
Kontakte:<br />
Beratung für Trans*Inter*Homosexuelle Personen in Österreich: http://transgender-team.at/team/<br />
Verein für Transgender Personen: https://www.transx.at/TransX.php<br />
chologisch sowie psychiatrisch<br />
– um die benötigte Diagnose zu<br />
bekommen: „Geschlechtsdysphorie“.<br />
Mit dieser Diagnose<br />
darf in Österreich dann mit<br />
einer Hormontherapie ab dem<br />
Alter von 18 Jahren begonnen<br />
werden (mit Einwilligung der<br />
Eltern schon früher). „Die<br />
Wartezeiten sind sehr schwer<br />
auszuhalten. Ich verstehe schon,<br />
dass nicht jeder sofort Hormone<br />
bekommt, aber allein schon<br />
auf den Ersttermin musste ich<br />
ein halbes Jahr warten. Das ist<br />
schon ein Problem“, schildert<br />
Tom diese Jahre des Stillstands.<br />
Meilenstein<br />
Hormonspritze<br />
Tom bewies diese Willensstärke<br />
und den langen Atem des<br />
Wartens: Knapp vor seinem 18.<br />
Geburtstag durfte er mit der<br />
Testosteron-Hormontherapie<br />
beginnen. Die bewirkt, dass sich<br />
seine Gesichtszüge verändern<br />
und die Stimme männlich tief<br />
wird, ganz wie bei der Pubertät,<br />
die junge Männer durchlaufen.<br />
„Ich habe an diesem Tag<br />
einfach nur gedacht, jetzt! Jetzt<br />
geht es los!“ Nun, eineinhalb<br />
Jahre und weitere Hormonspritzen<br />
später, sieht er jeden<br />
Tag als Meilenstein, als den<br />
Anfang vom Rest. „Ich bin<br />
inzwischen viel mehr da, wo<br />
ich hinmöchte.“ Er habe die<br />
staatliche Namensänderung im<br />
Reisepass bereits vollzogen und<br />
auch sein Körper hat bereits<br />
weitere Veränderungen bekommen.<br />
„Ich freue mich schon<br />
darauf, wenn der Bart wächst“,<br />
lacht der junge Mann gelöst.<br />
Neugierde und<br />
Sensationsgier<br />
Dass er mit durchwegs positiven<br />
Reaktionen aus seinem<br />
Umfeld gesegnet ist, weiß Tom<br />
zu schätzen. „Eine gewisse<br />
Neugierde kann ich ja verstehen.<br />
Aber unangebrachte Kommentare<br />
gibt es aber immer<br />
wieder. Ich wundere mich auch<br />
oft bei Untersuchungen von<br />
Ärzten, die mich ohne medizinischen<br />
Kontext Dinge fragen,<br />
die nur ihre Neugierde betreffen.<br />
Zum Beispiel ‚auf welches<br />
Geschlecht ich stehe’. Als hätte<br />
das irgendeine Relevanz. Oder<br />
Bekannte, die mich ohne mein<br />
Wissen oder meine Zustimmung<br />
outen, so quasi ‚Das ist<br />
der Tom, der ist trans‘. Diese<br />
Sensationsgier ist nicht notwendig.<br />
Da geht es um meine<br />
Sicherheit und meine Privatsphäre.<br />
Am schlimmsten sind<br />
natürlich jene, die dann schon<br />
sehr respektlos fragen, was ich<br />
denn nun ‚in der Hose‘ hätte!“<br />
Was er jemandem raten würde,<br />
der in der gleichen Situation ist<br />
wie er damals? „Ganz wichtig<br />
ist, seine Gefühle nicht zu ignorieren<br />
und zu verdrängen, das<br />
macht alles nur noch schlimmer.<br />
Man muss der Situation Zeit<br />
und Raum geben. Sich erkundigen,<br />
sich jemandem anvertrauen,<br />
das Gespräch und Unterstützung<br />
suchen. In Wien oder<br />
Graz gibt es Gruppentreffen<br />
oder mehr Möglichkeiten für<br />
eine Therapie. Es ist auch wichtig,<br />
dass man zuerst abcheckt,<br />
wie das Umfeld reagieren würde.<br />
Es bringt auch nichts, wenn<br />
man sich vorschnell outet und<br />
dann verstoßen wird. Aber letztendlich<br />
kann man nicht vor sich<br />
selber weglaufen.“<br />
FEBER <strong>2021</strong><br />
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