Leseprobe
Jakob Prandtauer 1660–1726 Baumeister des Barock
Jakob Prandtauer 1660–1726
Baumeister des Barock
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DAS AUGUSTINER-CHORHERRENSTIFT
ST. FLORIAN
Einleitung
1708 folgte Jakob Prandtauer Carlo Antonio Carlone im
Augustiner-Chorherrenstift St. Florian (Abb. 221) als Baumeister
nach. Obwohl der Bau bereits voll im Gang war,
veränderte Prandtauer die Planung. Seine Ideen stießen
sowohl bei Propst Franz Claudius Kröll (amt. 1700–1716)
als auch bei dessen Nachfolger, Propst Johann Baptist Födermayr
(amt. 1716–1732), auf Zustimmung (Abb. 222).
Bis zu seinem Tod im Jahr 1726 leitete Prandtauer den
Neubau des Klosters.
Das Stift St. Florian ist eine dreihöfige Anlage mit der
Kirche in Randlage (Abb. 223). Die beiden Höfe, die direkt
an die Stiftskirche angrenzen, werden durch den sog. Leopoldinischen
Trakt vom großen Prälatenhof getrennt. Der
Leopoldinische Trakt – benannt nach Propst Leopold Zehetner
(amt. 1612–1646) – ist der einzige Teil, der aus der
alten Anlage in den Neubau übernommen wurde. Während
die beiden direkt neben der Kirche liegenden Höfe
einen schlichten Charakter besitzen, ist der Prälatenhof
aufgrund seiner architektonischen Sprache eindeutig der
repräsentativen Sphäre zuzuordnen. Hier finden sich drei
als Risalit ausgebildete Pavillons (Abb. 224): das Treppenhaus
im Westen, der Saalpavillon im Süden und die Bibliothek
im Osten. Im Osten wird die Klosteranlage durch einen
Annex erweitert, das Sommerrefektorium (Abb. 220).
Im Gegensatz zu Melk, wo Prandtauer die Dimensionen
der alten Stiftsanlage im Zuge des Umbaus weitgehend bewahrte,
wurde der St. Florianer Komplex in den Jahren
1674 bis ca. 1748 deutlich vergrößert: Der bis dahin einhöfige
Bau – überliefert u. a. durch eine Ansicht von Georg
Matthäus Vischer aus dem Jahr 1674 (Abb. 225) – wurde
durch einen großen Hof erweitert. Voraussetzung hierfür
war zunächst die Errichtung des schräg zur Klosteranlage
stehenden vierflügeligen Meierhofes (Abb. 221) in den
Jahren 1674–1676/77, der die Aufgaben der im Süden des
Areals liegenden Gebäudegruppe übernahm. Um 1685
wurde der Meierhof um das südlich anschließende Vorgebäude
erweitert (der östliche Flügel des Vorgebäudes
wurde später – um 1750? – durch einen parallel zum Westtrakt
des Klosters stehenden Trakt ersetzt). 1686 begann
Carlo Antonio Carlone (Abb. 431) schließlich mit dem
Neubau der Stiftskirche und 1695 mit dem Neubau des
Klosters. Als Carlone 1708 starb, war der lange, mit Kolossalpilastern
besetzte Westtrakt (Abb. 234) fast vollendet.
Abgeschlossen war zudem der Rohbau des Treppenhauses,
das dem Westtrakt hofseitig vorgeblendet ist. Alle übrigen
Trakte waren noch nicht in Arbeit.
Jakob Prandtauer wurde unmittelbar nach dem Tod
Carlones zum leitenden Baumeister bestellt. Die Quellen
erlauben es, den baulichen Zustand des Stiftes im Jahr
1708 genau zu bestimmen, sie geben aber keinen eindeutigen
Hinweis, wie der Planungsstand zu jener Zeit aussah.
Prandtauer war bemüht, die Planung Carlones schrittweise
zu verändern bzw. zu modernisieren, jedoch – und hierin
liegt eine seiner Stärken – ohne einen harten stilistischen
Bruch herbeizuführen. Als Prandtauer 1726 starb,
führte zunächst dessen Polier Jakob Steinhuber das Projekt
fort. Vollendet wurde die Klosteranlage schließlich durch
den Baumeister Johann Gotthard Hayberger, der den Prälatenhof
mit der Errichtung der Bibliothek in den Jahren
1744 bis 1749 schloss.
Im Folgenden wird zunächst ein knapper Überblick
über die Literatur und die Quellen gegeben. Bei der Darstellung
des Forschungsstandes bleibt die kontrovers ge-
Abb. 220 Stift St. Florian, Sommerrefektorium
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