Ausgabe vom 31.01.2019

PORTRÄT
31. Januar 2019
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DIESE WOCHE: THULANI TOMOSE -KÄMPFERNATUR, HERZMENSCH UND AUTORIN
«Früher habe ich bloss
existiert, heute lebe ich.»
Das Schicksal meinte es nicht gut
mit ihr: Als Kind wurde Thulani
Tomose regelmässig geschlagen
und vergewaltigt. Als 13-jährige
kam sie dann von Südafrika in die
Schweiz. Seit einem Jahr wohnt
die heute 34-jährige in Bümpliz.
Nun hat Sie unter dem Titel «Befreiung
nach 20 Jahren Krieg in
meinem Kopf» ein Buch über ihr
bewegtes Leben geschrieben.
Walt Disney sagte einst «If you
can dream it, you can do it». Dieses
Zitat hat sich Thulani Tomose
zuhause an die Wand genagelt.
Verinnerlicht hat sie die Botschaft
aber wohl schon als kleines Mädchen
in Südafrika, wenn sie nachts
wieder einmal von ihrem Cousin
vergewaltigt wurde. Flucht in heile
Traumwelten war da überlebenssichernd.
«Ich habe mir
schon als Kind gesagt, dass ich
das nicht mehr erleben will, wenn
ich gross bin und eines Tages unabhängig
sein möchte», sagt die
Kämpfernatur. Einfach war es
auch als junge Erwachsene nicht,
aber Thulani Tomose kämpfte
sich immer wieder nach oben.
Heute verwirklicht sie mutig ihre
Träume. So hat sie Ende 2018 ihr
erstes Buch veröffentlicht: Es erzählt
ihre Lebensgeschichte.
Steckbrief
Name: Thulani Tomose
Geburtsdatum: 14.02.1984
Zivilstand /Kinder: ledig, ein
Sohn
Aufgewachsen in: Südafrika /
Bern
Aktueller Wohnort: Bümpliz
Erlernter Beruf: Coiffeuse, Pflegeassistentin
Hobbys: Schreiben, Lesen, Musikhören,
Tanzen
Lieblingsfilm: War Room
Lieblingsbuch: Biografie Nelson
Mandela
Lebensmotto: Alles ist möglich,
wenn man will.
Thulani Tomose mit Ihrer Autobiografie «Befreiung nach 20 Jahren Krieg
in meinem Kopf».
Bewegte Vergangenheit
Als die kleine Thuli gerade mal
fünf Jahre alt ist, verlässt ihre
Mutter Südafrika und wandert
mit ihrem damaligen Lebenspartner
in die Schweiz aus. Das Mädchen
wächst bis zu ihrem 13. Lebensjahr
zeitweise bei ihrer
Grossmutter, bei ihrer Tante und
bei ihrem Vater auf. Physische
Gewalt ist an der Tagesordnung.
Von verschiedenen Verwandten
wird sie mehrfach sexuell missbraucht.
Mit 13 Jahren holt die
leibliche Mutter sie in die Schweiz.
Nach der Schule macht Thulani
Tomose eine Lehre als Coiffeuse,
dann als Altenpflegerin. Der
nächste Schicksalsschlag lässt
aber nicht lange auf sich warten:
Ihre Schwester wird ermordet.
Um ihre Sorgen zu vergessen,
dröhnt sie sich mit Alkohol und
Cannabis zu. Sie ist arbeitslos und
weiss nichts mehr mit sich und ihrem
Leben anzufangen. Zu allem
Übel verstrickt sie sich immer
wieder in ungesunden Beziehungen
mit Männern. 2010 wird ihr
Sohn geboren, ein Lichtblick.
2014 beginnt Thulani Tomose eine
Ausbildung zur Pflegefachfrau.
Kurz darauf ereignet sich der
nächste Schicksalsschlag: Ein tragischer
Autounfall. Thulani Tomose
hat Glück im Unglück und
überlebt mit einer schweren
Kopfverletzung. Diagnose: Schädel-Hirn-Trauma.
Folgen: Wachkoma,
Erinnerungslücken, epileptische
Anfälle, emotionales Chaos,
Depression. Thulani Tomose erinnert
sich: «Aufgrund der Hirnverletzung
spielten meine Emotionen
verrückt. Immer wieder rutschte
ich gefühlsmässig in meine Vergangenheit.
Im nächsten Moment
war ich wieder in der Gegenwart.»
Im Leben angekommen
Das emotionale Auf und Ab ist
schliesslich der Auslöser, dass
Thulani Tomose sich in psychologische
Behandlung begibt. Schritt
für Schritt beginnt sie ihre Traumata
aufzurollen und all ihren Gefühlen
Raum zu geben. Die Therapie
zeigt Wirkung. Thulani
Tomose erzählt: «Früher habe ich
bloss existiert, heute lebe ich. Ich
wusste nicht, wer ich bin und was
ich will. Heute kann ich sagen,
dass ich mich selber im Griff
habe. Ich behaupte nicht, dass keine
negativen Gefühle mehr aufkommen
würden, aber ich habe
einen Umgang damit gefunden.»
Gemeinsam mit ihrem 8-jährigen
Sohn wohnt sie in einer gepflegten
3-Zimmerwohnung in Bümpliz. Es
ist schön zu sehen, welche Zufriedenheit
Thulani Tomose ausstrahlt,
denn ihre Lebensgeschichte
hätte sie auch verbittern
lassen können.
Andere Menschen inspirieren
Thulani Tomose hat ein Lebensziel.
Sie will Menschen inspirieren
und ermutigen, denen
ein ähnliches Schicksal widerfahren
ist. Eindrucksvoll zeigt
sie in ihrer Autobiografie auf,
dass ein besseres Leben trotz
widrigster Voraussetzungen
möglich ist. Sie sehe sich aber
nicht als Ratgeberin, betont sie:
«Viele Leute haben schreckliche
Dinge erlebt und können diese
nicht verarbeiten. Sei es, weil sie
sich nicht getrauen darüber zu
reden, weil sie sich schämen
oder nicht wissen, wie sie damit
umgehen sollen. Mir erging es
lange Zeit nicht anders. Vielleicht
inspiriert mein Lebensweg
den einen oder anderen, offener
mit seinem Schicksal umgehen
zu können.»
Der Autounfall hat bis heute seine
Spuren hinterlassen. Aus gesundheitlichen
Gründen kann
Thulani Tomose die Ausbildung
zur Pflegefachfrau nicht fortsetzen.
Davon lässt sie sich aber
nicht unterkriegen. Kraft geben
ihr im Alltag ihr Sohn, die Familie
und ihr Lebenspartner. Am
Valentinstag feiert Thulani Tomose
ihren 35. Geburtstag. Für
die nächsten 35 Jahre ihres Lebens
wünscht sie sich schlicht
Zufriedenheit und dass sie ihre
Träume weiter leben kann. Das
wird sie gewiss. Ein zweites
Buch hat sie bereitsgeschrieben.
nh
Befreiung nach 20 Jahren Krieg in meinem Kopf, Thulani Tomose
Das Buch ist in allen gängigen Buchhandlungen erhältlich.