Leo Mai / Juni 2021
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MÜNCHEN<br />
04.<strong>2021</strong> І MAI • JUNI І HEFT 173<br />
VIP<br />
MARCELLA<br />
ROCKEFELLER<br />
im exklusiven Gespräch<br />
GESELLSCHAFT<br />
POLEN:<br />
Eine Community<br />
in Angst<br />
POLITIK<br />
GENDER BENDER:<br />
Diskriminierung<br />
im Cistem<br />
04<br />
4 193289 601900<br />
1,90€<br />
INTERVIEWS: TESSA GANSERER, MEAT GIRLS, JENDRIK, OWEN PALLETT, MARINA
Ihre Wohlfühl-Apotheke in München<br />
Schwerpunkt HIV<br />
• Seit über 10 Jahren geben wir unser Bestes für die Beratung und<br />
pharmazeutische Versorgung von HIV-Patienten. Wir haben Ihre<br />
HIV-Medikamente auf Lager!<br />
• Wir haben den „1. Preis für Gesundheitsvorsorge in der Apotheke<br />
bei Beratung von HIV-Patienten“ vom WIPIG (Wissenschaftliches Institut für<br />
Prävention im Gesundheitswesen der Bayerischen Landesapothekerkammer, www.wipig.de)<br />
im November 2011 verliehen bekommen.<br />
• Wir sind Mitglied der Deutschen Arbeitsgemeinschaft HIV- und<br />
Hepatitis-kompetenter Apotheken e.V. (DAHKA)<br />
Wittelsbacher Apotheke<br />
Lindwurmstr. 97, 80337 München, Tel. 089-53 78 44<br />
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INTRO 3<br />
Inhalt<br />
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Alle Magazine online!<br />
SZENE<br />
MÜNCHEN - MEAT GIRLS<br />
GESELLSCHAFT - POLEN<br />
4 München<br />
10 Kultur<br />
20 Style<br />
22 Stadtplan<br />
24 Politik<br />
LEBEN<br />
Design<br />
Gesellschaft<br />
Gesundheit<br />
Film<br />
Musik<br />
Kunst<br />
Buch<br />
Servus,<br />
Kostenlos<br />
der Sommer kann kommen! Der hoffentlich letzte<br />
Lockdown geht vorbei, die Impfkampagne nimmt<br />
Fahrt auf und Reisen werden wieder möglich. Auch<br />
die Community blickt nach vorne auf einen neuen<br />
Sommertraum. Es heißt, die Gewohnheit macht<br />
den Genuss schal und die Entbehrung unerträglich.<br />
Manches, was uns selbstverständlich erschien,<br />
können wir neu entdecken und genießen. Viele<br />
Locations brauchen nun unsere Unterstützung,<br />
indem wir sie fleißig besuchen.<br />
Aber auch Neues bringt bekanntlich jede Krise<br />
und so steuert die Bundesrepublik auf eine neue<br />
Ära zu: Der Wahlkampf begann schon mit dem<br />
Reizwort Identitätspolitk, plötzlich muss trans* und<br />
queer sich wieder gegen das vorgeblich Normale<br />
behaupten.<br />
Möglicherweise erübrigen sich aber auch Kämpfe<br />
der Vergangenheit und man stellt fest, dass wir alle<br />
in einem Boot sitzen und uns mehr verbindet als<br />
trennt.<br />
Deine LEO und männer* Redaktion<br />
Viel Spaß beim Lesen und Entdecken!<br />
POLITIK - GENDER BENDER<br />
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4 MÜNCHEN<br />
CSD-Shows auf den Bühnen der Kulturaktion<br />
„Sommer in der Stadt“. Außerdem will<br />
man mit einer Radl-Demo für Aufmerksamkeit<br />
im öffentlichen Raum sorgen. „Der<br />
CSD muss auch in Pandemiezeiten draußen<br />
auf der Straße stattfinden“, so dessen politischer<br />
Sprecher und Rosa-Liste-Stadtrat<br />
Thomas Niederbühl.<br />
AM BILDSCHIRM UND AUF DER STRASSE<br />
So wird der Münchner CSD<br />
Unter dem Motto „Proud. Human.<br />
Queer.“ findet vom 3. bis 11. Juli der<br />
Münchner CSD statt.<br />
Pandemiebedingt kann auch in diesem<br />
Jahr nicht so gefeiert werden, wie die<br />
Community das gewohnt ist, aber die<br />
Veranstalter wollen vieles möglich machen.<br />
Das Konzept sieht, wie schon 2020, eine<br />
Hybridveranstaltung vor, also eine Mischung<br />
aus virtuellen und realen Elementen. „Trotz<br />
Corona ist ein CSD möglich“, so Orga-Chef<br />
Alexander Kluge. „Unsere Aufgabe ist es, die<br />
passenden Formate zu finden.“ So soll es<br />
eine PrideWeek mit Podiumsdiskussionen,<br />
Workshops oder Ausstellungen ebenso<br />
geben wie die dezentrale Demo-Aktion<br />
in der Innenstadt und den Livestream<br />
im Internet, der im vergangenen Jahr<br />
mit seiner Mischung aus Musik, Talk und<br />
Dragshow den ganzen Tag durchgehend<br />
rund 1.200 Zuschauerinnen und Zuschauer<br />
verzeichnen konnte – ein enormer Erfolg.<br />
Doch das CSD-Team will heuer weitergehen<br />
als 2020: Es ist eine Kulturbühne mit<br />
Liveact im Gespräch sowie weitere verteilte<br />
FOTO: KORNELIJA RADE<br />
CROWDFUNDING-AKTION<br />
Weil der CSD auch im zweiten Corona-<br />
Jahr mit knappen Kassen rechnet (die<br />
wichtigsten Einnahmequellen Straßenfest<br />
und RathausClubbing entfallen), rufen<br />
die Macherinnen und Macher zu einer<br />
Crowdfunding-Aktion auf. Wer den CSD<br />
finanziell unterstützt, kann als Dankeschön<br />
beispielsweise Zugang zur Kulturbühne,<br />
limitierte T-Shirts oder Regenbogenflaggen<br />
erhalten. Ein Support-Shop mit<br />
Merchandising-Artikeln ist auf der Webseite<br />
des CSD online.<br />
ANMELDUNG ZUR PRIDEWEEK<br />
Anmeldungen für Veranstaltungen zur<br />
PrideWeek sind ab sofort möglich. Gruppen,<br />
Organisationen oder Vereine, die ein<br />
einminütiges Vorstellungsvideo für den<br />
Livestream beisteuern möchten, können<br />
dieses bereits uploaden, auch für die<br />
dezentrale Demo-Aktion kann man sich<br />
bereits anmelden.<br />
Alle Details zum Münchner CSD findet<br />
ihr im kommenden Heft, das Ende <strong>Juni</strong><br />
erscheint, Updates gibt’s jederzeit online<br />
auf www.leo-magazin.de und auf der Seite<br />
des CSD. *bm<br />
www.csdmuenchen.de<br />
CSD-NEWS<br />
diversity neuer Gesellschafter<br />
Jahrzehntelang haben vier Vereine die Geschicke<br />
des Münchner CSD bestimmt. Damit ist jetzt<br />
Schluss: Neben der Lesbenberatungsstelle LeTRa,<br />
dem Schwulen Kommunikations- und Kulturzentrum<br />
Sub, der Münchner Aids-Hilfe und der<br />
Wähler*inneninitiative Rosa Liste gehört künftig<br />
auch die queere Jugendorganisation diversity<br />
München zum Kreis der Gesellschafter. So wollen<br />
die bisherigen Veranstalter den Christopher<br />
Street Day für die Zukunft breiter aufstellen, ihn<br />
jünger, inklusiver und größer machen. Aber auch<br />
diversity möchte den CSD als Plattform nutzen:<br />
„Wir sind stolz und froh, dass wir, die das gesamte<br />
LGBTIAQ*-Spektrum der Münchner Jugend<br />
unter einem Dach vereinen, uns nun im größten<br />
gemeinsamen Zusammenschluss der Münchner<br />
Szenevereine einbringen können“, so Eva Huber,<br />
Vorständin von diversity. „Das war ein langer Weg<br />
und viel Koordination, zeigt aber auch, dass der<br />
CSD München bereit für neue Schritte ist.“ *bm<br />
FOTO: DIVERSITY MÜNCHEN
SELIGE MAIKÖNIGIN <strong>2021</strong><br />
KEIN KRÖNCHEN<br />
Nach 15 Jahren wird <strong>2021</strong> das erste Jahr sein, in dem keine <strong>Mai</strong>königin<br />
über die Geschicke des Glockenbachviertels wacht.<br />
2020 wurde die Weißwurstchristl trotz<br />
Corona mittels virtueller Abstimmung<br />
zur Pandemie-Königin gewählt, konnte<br />
ihr Amt aber kaum in der Praxis ausüben.<br />
Ein Schicksal, das die Organisatoren<br />
der Hoheit <strong>2021</strong> ersparen wollten: „Das<br />
wahre <strong>Mai</strong>königinnen-Feeling kommt<br />
nur auf der Straße, in den Kneipen,<br />
mit vielen Menschen und großem<br />
Getöse auf“, so Günter Kastner, der den<br />
Wettbewerb noch in seiner Funktion<br />
als Betreiber des Cafés Selig ins Leben<br />
gerufen hatte und ihn mit Sebastian<br />
Roos (Café Nil) veranstaltet. „Darauf<br />
wollen wir nicht noch mal verzichten<br />
– und wenn wir eben ein Jahr warten<br />
müssen!“ Nicht verzichten muss die<br />
Community allerdings auf Glanz und<br />
Glamour, Rausch und Rüschen – zumindest<br />
virtuell. Ab sofort ist eine Website<br />
freigeschaltet, auf der Titelaspirantinnen<br />
für 2022 ihre Bewerbungsvideos bereits<br />
hochgeladen haben. Ein Jahr lang<br />
präsentieren sie sich hier und machen<br />
den Fans Appetit auf das kommende<br />
Ereignis, das am 30. April 2022 wieder<br />
mit einem großen Straßenfest stattfinden<br />
soll. Nur ein schwacher Trost, aber<br />
vermutlich eine der schrägsten Websites<br />
der Münchner Szene! *bm<br />
www.cafenil.com/maikoenigin<br />
FOTO: IWAN VALENTIN<br />
NEUES ANGEBOT<br />
Chemsex-<br />
Sprechstunde<br />
MÜNCHEN 5<br />
Chemsex, also der Gebrauch von Drogen<br />
beim Sex, ist ein Phänomen, das gerade unter<br />
schwulen Männern beliebt ist. So spannend<br />
das für viele ist, so problematisch kann<br />
vor allem der dauernde Substanzkonsum<br />
sein: Abhängigkeiten, Überdosierungen,<br />
unsaubere Präparate, unerwünschte<br />
Nebenwirkungen. Über all das kann man jetzt<br />
auch telefonisch mit dem Psychologen und<br />
Chemsex-Experten Christopher Knoll (Foto)<br />
von der Münchner Aids-Hilfe sprechen. Er<br />
gibt außerdem Informationen<br />
zu gängigen Substanzen<br />
wie Chrystal Meth,<br />
GHB/GBL oder<br />
Mephedron, hat<br />
Tipps zum Umgang<br />
mit den Drogen<br />
oder dazu, wie man<br />
auch ohne sie ein<br />
erfülltes Sexleben<br />
haben kann. *bm<br />
FOTO: BERND MÜLLER<br />
Chemsex-Sprechstunde, jeden Donnerstag,<br />
16 – 18 Uhr, Tel. 089 54333-110<br />
www.muenchner-aidshilfe.de<br />
Mia hoidn zam!<br />
Dietmar Holzapfel<br />
und Josef Sattler,<br />
Deutsche Eiche.
6 MÜNCHEN<br />
KUNSTPROJEKT THERESIENWIESE<br />
Die größte Regenbogen-<br />
Flagge der Welt<br />
Die Fraktion Grüne/Rosa Liste des Bezirksausschuss<br />
Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt (BA 2) möchte die Flächen<br />
auf der Theresienwiese für ein riesiges Kunstprojekt nutzen.<br />
Auf bis zu 5000 Quadratmetern Asphalt soll dauerhaft eine<br />
überdimensionierte Regenbogenflagge markiert werden.<br />
GRAFIK: FRAKTION GRÜNE/ROSA LISTE<br />
„Die Sichtbarkeit von<br />
gesellschaftlicher Vielfalt<br />
hat während der Pandemie<br />
extrem gelitten", so erklärt<br />
Fraktionssprecherin Meike<br />
Thyssen. Aushängeschilder<br />
der LGBTIQ*-Community wie<br />
der CSD und das Hans-Sachs-<br />
Straßenfest seien bereits<br />
2020 ausgefallen und auch<br />
<strong>2021</strong> bedroht. „Für zivilgesellschaftliche<br />
Einrichtungen<br />
der Community war und ist<br />
das besonders schwierig.“<br />
Ihr Co-Sprecher Arne Brach,<br />
Initiator des Antrags, misst<br />
dem Projekt gar internationale<br />
Bedeutung bei: „In Europa gibt<br />
es queerfeindliche, politische<br />
Kräfte, die Lesben, Schwule,<br />
Bisexuelle, trans* und inter*<br />
Menschen in die Unsichtbarkeit<br />
drängen und entrechten.<br />
Gerade München, der<br />
Weltstadt mit Herz, stünde so<br />
ein Bekenntnis gut zu Gesicht,<br />
das weltweit Aufsehen erregen<br />
würde.“ Die Fraktion versteht<br />
die Aktion auch als Support für<br />
die Bewerbung Münchens um<br />
die Gay Games 2026. Andreas<br />
Klose, Queer-Beauftragter des<br />
Bezirksausschuss 2, würde<br />
sich über den Rückenwind<br />
freuen: „Viel klarer kann eine<br />
Stadt nicht zeigen, wie wichtig<br />
ihr Offenheit für buntes Leben<br />
ist.“ Und auch BA-Mitglied und<br />
Stadtrat Beppo Brem, der die<br />
Bewerbung Münchens um das<br />
Mega-Sport-Event mit initiiert<br />
hat, ist sich sicher, dass „eine<br />
Regenbogen- Flagge in diesem<br />
Ausmaß der Jury deutlich<br />
zeigt: München will die Gay<br />
Games 2026 unbedingt<br />
austragen!“ Zur Zeit steht die<br />
Genehmigung der Stadt noch<br />
aus, ebenso ist die Frage nach<br />
der Finanzierung des Projekts<br />
nicht geklärt. *bm<br />
STADT BEWILLIGT NEUE MITTEL<br />
Mehr Sichtbarkeit und Empowerment<br />
Die Landeshauptstadt wird der Münchner Regenbogen-Stiftung künftig 10.000<br />
Euro jährlich zur Verfügung stellen, um lesbische Sichtbarkeit zu stärken und mehr<br />
Empowerment von trans*, inter*, non-binären und queeren Menschen zu ermöglichen.<br />
Den Stein ins Rollen brachten zwei Anträge der Stadträte Thomas Lechner (Bild)<br />
und Marie Burneleit aus der Fraktion DIE LINKE/Die Partei. Sie hatten gefordert, alle<br />
zwei Jahre je einen städtischen Preis für diese Ziele auszuloben und ihn im Rahmen<br />
einer feierlichen Verleihung öffentlichkeitswirksam zu überreichen. „München<br />
würde mit der Vergabe dieses Preises leuchtendes und innovatives Vorbild für<br />
andere Städte sein“, so heißt es im Antrag. Der Münchner Stadtrat stimmte mit<br />
der Zielsetzung dieser Initiativen überein: „Bei beiden Gruppen ist die öffentliche<br />
Wahrnehmung und Akzeptanz nicht im wünschenswerten Maß vorhanden<br />
[…], das Ausmaß an Diskriminierung hoch“, heißt es in der<br />
fachlichen Einschätzung des Rathauses. Doch entschied<br />
man sich dort für eine alternative Umsetzung. Statt<br />
eines Preises soll die Münchner Regenbogen-Stiftung<br />
mit jährlich 10.000 Euro ausgestattet werden, um<br />
„nachhaltig wirkende Maßnahmen“ zu ergreifen,<br />
die diesen Anliegen gerecht werden. Als Verwalter<br />
der Stiftung ist es nun Aufgabe der städtischen<br />
Koordinierungsstelle zur Gleichstellung von<br />
LGBTI* den Betrag Initiativen aus der Community<br />
zur Verfügung zu stellen. Die Mittel<br />
können ab sofort dort beantragt werden. *bm<br />
FOTO: FLORIAN PELJAK
FOTO: MÜNCHENSTIFT GMBH<br />
WOHNEN UNTERM REGENBOGEN<br />
LGBTIQ*-Wohnprojekt rückt näher<br />
An der Radlkoferstraße in Sendling entsteht zurzeit ein Neubau, in dem vor<br />
allem ältere lesbische Frauen, schwule Männer sowie trans* und inter Menschen<br />
wohnen sollen – aktiv, diskriminierungsfrei und bedürfnisgerecht.<br />
Ende März unterzeichneten Dr. Tobias Oliveira Weismantel (Münchner Aids-Hilfe),<br />
Christian Amlong (Städtische Wohnungsgesellschaft mbH) und Siegfried Benker<br />
(MÜNCHENSTIFT GmbH) den Mietvertrag und machten somit einen entscheidenden<br />
Schritt zur Verwirklichung des Projekts „Wohnen unterm Regenbogen“. MÜNCHENSTIFT<br />
wird dafür sowohl das pflege- und betreuungsspezifische Angebot sicherstellen als auch<br />
die Verwaltung der Mietangelegenheiten übernehmen. Die Münchner Aids-Hilfe (MüAH)<br />
hat ein Vorschlagsrecht zur Belegung der Wohnungen und wird dort mit ihrer Beratungsstelle<br />
rosaAlter ein Büro beziehen. So kann garantiert werden, dass den Mieterinnen und<br />
Mietern für alle Angelegenheiten des alltäglichen Lebens Ansprechpartnerinnen und<br />
Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Dr. Tobias Oliveira Weismantel, neuer Geschäftsführer<br />
der Münchner Aids-Hilfe, sieht dem rundum positiv entgegen: „Wir eröffnen mit<br />
diesem Wohnprojekt eine großartige Perspektive für queere Seniorinnen und Senioren in<br />
München.“ Da Wohnen unterm Regenbogen durch die Landeshauptstadt bezuschusst<br />
wird, müssen alle zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner einen eindeutigen Bezug<br />
zu München vorweisen. Mit der Fertigstellung des Komplexes ist 2023 zu rechnen. *bm<br />
IDAHOBIT <strong>2021</strong><br />
Fokus<br />
Osteuropa<br />
Trotz Corona soll der Internationale<br />
Tag gegen Homo-,<br />
Bi-, Inter- und Transphobie<br />
(IDAHOBIT) auch in diesem<br />
Jahr am 17.5. stattfinden.<br />
Nachdem der Aktionstag 2020 ein<br />
rein virtueller Event bleiben musste,<br />
soll es heuer wieder eine Aktion auf<br />
der Straße und in der Öffentlichkeit<br />
geben. Die Veranstalter von der<br />
Safety-Aktionsgruppe (S‘AG) haben<br />
dazu als thematischen Schwerpunkt die<br />
Lage von LGBTIQ* in osteuropäischen<br />
Ländern gewählt. „Das gesellschaftliche<br />
Backsliding in Polen, Tschetschenien<br />
oder Ungarn oder die hohen Suizidraten<br />
unter dortigen LGBTIQ*-Jugendlichen<br />
machen uns betroffen“, so Nico Erhardt,<br />
Mitveranstalter seitens der Münchner<br />
Aids-Hilfe. „Als Community, aber auch<br />
als Europäer*innen wollen wir diese Entwicklung<br />
anprangern und fordern eine<br />
Intervention der Europäischen Union<br />
und den Schutz aller LGBTIQ* gerade in<br />
osteuropäischen Ländern“, ergänzt sein<br />
Kollege Lukas Gschnitzer vom schwulen<br />
Zentrum Sub. Für den IDAHOBIT haben<br />
sie einen Demozug vom oberen Ende der<br />
Müllerstraße mit abschließender Kundgebung<br />
am Gärtnerplatz angemeldet.<br />
Zum Redaktionsschluss hatte das KVR<br />
noch nicht entschieden, was am 17.5.<br />
möglich sein wird. Informationen erhaltet<br />
ihr kurzfristig auf dem Facebook-Kanal<br />
der S‘AG-Safety-Aktionsgruppe. *bm<br />
GRAFIK: FRANK ZUBER
8 MÜNCHEN<br />
KALENDERPROJEKT<br />
DER EVANGELISCHEN<br />
JUGEND MÜNCHEN<br />
FOTOS: EVANGELISCHE JUGEND MÜNCHEN<br />
„Keine Ehe<br />
zweiter Klasse!“<br />
Vielen gelten sie als lieb gewonnener<br />
Wandschmuck: Kalender mit<br />
„typisch queeren“ Motiven. Dazu gehören<br />
neben Blättern mit eher konservativer<br />
Schwarz-Weiß-Erotik auch Fotos, die dem<br />
Flammeninferno nur knapp entkommene<br />
Feuerwehrleute oder von des Tages Last<br />
schweißgebadete Bauernsöhne im Licht<br />
der untergehenden Abendsonne zeigen.<br />
Doch jetzt sollen ganz andere Motive die<br />
Wände queerer Haushalte erobern. Mit<br />
„Egal wen du liebst, Gott liebt dich“ ist<br />
ein Kalender erhältlich, der mehr ist als<br />
schöne Deko. Er will aufrütteln, aufklären<br />
und einen Beitrag zur Gleichberechtigung<br />
von LGBTIQ* leisten. Dass ein solches<br />
Projekt ausgerechnet aus den Reihen der<br />
evangelischen Kirche kommt, macht ihn<br />
umso bemerkenswerter.<br />
„Wir beschäftigen uns seit Langem mit<br />
dem Thema und sind der Meinung, dass<br />
auch homosexuelle Paare von der Kirche<br />
getraut und nicht nur gesegnet werden<br />
sollten“, so Maria Trausch (20), Vorsitzende<br />
des Leitungskreises der Evangelischen<br />
Jugend München. Dass diese Meinung<br />
jetzt auch in Form eines Kalenders<br />
öffentlich gemacht wird, kommt nicht von<br />
ungefähr, denn das Thema Homosexualität<br />
ist dort auf vielfältige Weise präsent: So ist<br />
die Evangelische Jugend seit vielen Jahren<br />
auf dem Münchner CSD vertreten, veranstaltet<br />
queere Projekte oder veröffentlicht<br />
eine thematische Videoreihe auf YouTube<br />
und Instagram. „Mit dem Kalender wollten<br />
wir klarmachen, dass gleichgeschlechtliche<br />
Paare nicht länger wie Menschen zweiter<br />
Klasse behandelt werden dürfen“, erklärt<br />
Maria Trausch. Die Kalenderblätter zeigen<br />
unter anderem ein schwer verliebtes Frauenpaar,<br />
dass sich zärtlich berührt – und<br />
dabei auf dem Altar vor einer aufgeschlagenen<br />
Bibel sitzt. Selbst für die evangelische<br />
Kirche, die sich Lesben und Schwulen<br />
gegenüber deutlich offener zeigt als die<br />
Kollegen der katholischen Fraktion, ist das<br />
starker Tobak. „Wir wollten mit dem Motiv<br />
niemanden beleidigen und nehmen auch<br />
Kritik ernst“, erklärt Maria Trausch. Doch<br />
im evangelischen Verständnis sei der Altar<br />
kein heiliger Tisch, sondern ein Ort, von<br />
dem aus Botschaften gesendet würden,<br />
wie zum Beispiel „Gott liebt dich so, wie<br />
du bist!“. Für Jugendliche solle die Kirche<br />
ein Raum von Akzeptanz und Schutz sein,<br />
und gerade bei diesem Foto gehe es nicht<br />
um Sexuelles, sondern um Glück und<br />
Harmonie. „Aus meiner Sicht ein rundum<br />
schönes Bild!“<br />
Eine Argumentation, die offenbar<br />
verfing. „Wir hatten viel<br />
positives Feedback“, berichtet<br />
Tabea Lilith Niethus (20),<br />
Studentin und Stellvertreterin<br />
im Leitungskreis. Die Botschaft<br />
„Keine Ehe zweiter Klasse!“<br />
wurde von der Leitung der<br />
Jugendkirche ebenso unterstützt<br />
wie beispielsweise vom<br />
Dekanatsjugendpfarrer, der ein<br />
Grußwort schrieb. „Wir wollten ja<br />
auch nicht primär provozieren, sondern ein<br />
sichtbares Zeichen unserer Überzeugung<br />
setzen und jungen Menschen eine neue<br />
Perspektive auf Kirche vermitteln.“ Die<br />
Models stammen alle aus den Reihen<br />
der Evangelischen Jugend, sind 18 bis<br />
25 Jahre alt und übrigens mehrheitlich<br />
heterosexuell. Doch alle hoffen, dass der<br />
Kalender seinen Teil dazu beiträgt, für<br />
mehr Gleichberechtigung zu sorgen. Denn<br />
Fakt ist: In den evangelischen Kirchen<br />
Bayerns ist noch immer keine Trauung,<br />
sondern (seit 2018) nur eine Segnung<br />
gleichgeschlechtlicher Paare vorgesehen.<br />
„Es braucht diese Unterschiede nicht“, so<br />
Maria Trausch, „denn wenn sich zwei Menschen<br />
lieben, sollen sie alle gleichermaßen<br />
von Gott gesegnet sein.“ *bm<br />
Der Kalender „Egal wen du liebst, Gott<br />
liebt dich“ ist kostenlos erhältlich unter:<br />
www.ej-muenchen.de/jukikalender
PETITION GESTARTET<br />
Queer und sichtbar in den Medien<br />
MÜNCHEN<br />
9<br />
Eine aktuelle Petition<br />
fordert Vertretungen für<br />
LGBTIQ* in den Aufsichtsgremien<br />
der bayerischen Rundfunk- und<br />
Medienanstalten.<br />
In vielen entsprechenden Gremien<br />
anderer Bundesländer haben queere<br />
Menschen bereits einen Sitz,<br />
doch Bayern hinkt (einmal mehr)<br />
hinterher. Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht<br />
bereits 2014<br />
entschieden, dass die Zusammensetzung<br />
der Aufsichtsgremien der<br />
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten<br />
die gesellschaftliche Vielfalt<br />
widerspiegeln solle. Dennoch<br />
blieben LGBTIQ* in Bayern, als<br />
relevante gesellschaftliche Gruppe, bis<br />
heute von der Mitarbeit ausgeschlossen.<br />
Daher haben der Lesben- und Schwulenverband<br />
(LSVD) Bayern und die Queer<br />
Media Society (QMS) die Petition „Queer<br />
und sichtbar in den Medien“ gestartet.<br />
Die Organisationen fordern jeweils eine<br />
Vertretung für LGBTIQ* im Rundfunkrat<br />
des Bayerischen Rundfunks und im Medienrat<br />
der Bayerischen Landeszentrale<br />
für neue Medien. „Das ist kein Gefallen,<br />
sondern eine demokratische Notwendigkeit“,<br />
so Markus Apel aus dem LSVD-<br />
Landesvorstand Bayern. „Wir wollen, dass<br />
sich unsere vielfältige Gesellschaft in den<br />
Medien widerspiegelt. Mehr Sichtbarkeit<br />
trägt schließlich zur Anerkennung bei.“ Kai<br />
S. Pieck, Initiator der Queer Media Society<br />
(QMS), ergänzt: „Es kommt nicht nur darauf<br />
an, DASS wir als LSBTIQ* gesehen,<br />
sondern auch WIE wir dargestellt<br />
werden und WER unsere Geschichten<br />
erzählt.“<br />
2022 enden die Amtszeiten<br />
des amtierenden bayerischen<br />
Rundfunkrats sowie des bayerischen<br />
Medienrats. Daher wird die Petition<br />
jetzt auf den Weg gebracht, um<br />
rechtzeitig eine fairere Verteilung<br />
der Plätze möglich zu machen.<br />
Einen ersten Rückschlag mussten<br />
die Macher*innen Mitte April<br />
hinnehmen: Medienstaatsminister Dr.<br />
Florian Herrmann (CSU) lehnte das<br />
Ansinnen im Namen er Bayerischen<br />
Staatsregierung ab. Dennoch bleibt<br />
man seitens der Orga kämpferisch: „Wir<br />
geben nicht auf. Über die notwendigen<br />
Gesetzesänderungen entscheidet<br />
schließlich der Bayerische Landtag, nicht<br />
die Staatsregierung!“ *bm<br />
Die Kampagnen-Seite erreicht ihr bei<br />
www.change.org unter dem Stichwort<br />
„Queer und sichtbar in den Medien“<br />
DHL hisst<br />
Regenbogen<br />
Bunt, groß und außergewöhnlich<br />
ist der Auftrag, der bei der<br />
Wuppertaler Firma Fahnen<br />
Herold hereingeflattert ist: 750<br />
Regenbogenfahnen sind in den Produktionshallen<br />
angefertigt worden. Auftraggeber<br />
war der Logistikkonzern Deutsche Post<br />
DHL, der damit ein starkes Zeichen rund um<br />
die Themen Diversität und Akzeptanz setzt.<br />
Die Regenbogenfahnen wurden am<br />
17. <strong>Mai</strong>, dem „Internationalen Tag gegen<br />
Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie“ an<br />
zahlreichen Betriebsstätten der Deutschen<br />
Post in der gesamten Bundesrepublik<br />
gehisst. „Wir setzen ein starkes Zeichen<br />
für Diversität. Mir ist kein Unternehmen in<br />
Deutschland bekannt, das je eine Diversity-<br />
Aktion in solch einer Größenordnung<br />
umgesetzt hat“, sagt Initiator Peter<br />
Steinhoff von der Deutschen Post.<br />
Das unternehmensinterne Netzwerk RainbowNet<br />
wurde 2008 für LGBTI-Beschäftigte<br />
gegründet. Es soll dazu beitragen, dass<br />
alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
ungeachtet ihrer sexuellen Orientierung und<br />
geschlechtlichen Identität unbelastet ihrer<br />
Arbeit nachgehen können, um einen Raum<br />
für Erfahrungsaustausch zu ermöglichen.<br />
Das Netzwerk, das nicht nur in Europa,<br />
sondern auch in Asien, Südamerika und den<br />
USA Mitglieder hat, unterstützt Beschäftigte<br />
und Führungskräfte in beratender<br />
Funktion. Der Konzern vereint Menschen<br />
aus einer Vielzahl von Kulturkreisen und<br />
kulturellen Hintergründen. Dies spiegelt sich<br />
auch im Motto des Diversity-Managements<br />
wider: „Alle verschieden - gemeinsam<br />
erfolgreich“. Der Konzern bekennt sich<br />
darüber hinaus ausdrücklich zu Chancengleichheit,<br />
was im Verhaltenskodex sowie<br />
in der konzerneigenen Erklärung zu Vielfalt<br />
und Inklusion hervorgehoben wird. Deutsche<br />
Post DHL Group feiert seit mehreren<br />
Jahren im Monat <strong>Mai</strong> eine gesamte Diversity<br />
Week.<br />
www.dpdhl.com
10 KULTUR<br />
MEAT GIRLS<br />
Münchens glamouröseste<br />
GIRLGROUP<br />
Schon jede für sich ist eine<br />
beeindruckende Erscheinung:<br />
Dean deVille, Janisha Jones<br />
und Pasta Parisa gehören zu den<br />
auffälligsten Typen der neuen<br />
Generation Münchner Drags. Im<br />
Dreierpack geben sie als „Meat<br />
Girls“ noch mal richtig Gas – auch<br />
in Coronazeiten.<br />
Wie kam es zu diesem flotten<br />
Dreier?<br />
Wir haben uns über den „Queen of<br />
the Night“-Contest im Harry Klein<br />
kennengelernt. Dean hat ihn von Anfang<br />
an moderiert, Pasta und Janisha haben<br />
den Wettbewerb 2016 beziehungsweise<br />
2017 gewonnen. Anfangs hätten wir<br />
nie gedacht, dass daraus eine Zusammenarbeit<br />
oder sogar eine Freundschaft<br />
entstehen könnte.<br />
Gibt’s da nicht Zickenkrieg zwischen<br />
euch?<br />
Nein, wir beleidigen uns zwar ständig<br />
gegenseitig, das tun wir aber mit Herz!<br />
Wir sind ja eigenständige Typen, haben<br />
auch keinen Boss im Team und sind<br />
alle gleichberechtigt – wie „Destiny’s<br />
Child“, aber mit drei Beyoncés. Eine<br />
solche Kooperation empfinden wir als<br />
künstlerisch wertvoll: Wir fordern uns<br />
gegenseitig heraus, und so verlässt<br />
jede die eigene Komfortzone und geht<br />
auch mal ein Risiko ein. Dieser liebevolle<br />
Konkurrenzkampf erzeugt Entwicklung.<br />
Was waren eure ersten Auftritte als<br />
„Meat Girls“?<br />
Gemeinsam traten wir erstmals 2019 im<br />
Rahmen der „Queer Breakfast“-Reihe<br />
im Café Regenbogen auf. Das ist ein<br />
Brunch-Event zugunsten der Münchner<br />
Aids-Hilfe, den wir mit unserer Show<br />
begleitet, besser: gekrönt haben. Dieser<br />
Brunch hat aber auch uns etabliert und<br />
als Team zusammengebracht. Dann<br />
kamen die Meat Girls als Podcast – dann<br />
wurden wir viel präsenter.<br />
Was bekommen die Hörerinnen und<br />
Hörer in eurem Podcast geboten?<br />
Viel Gegackere! Wir machen unseren<br />
Podcast jeden 2. Donnerstag als reines<br />
Unterhaltungsprogramm, erzählen viel<br />
Persönliches, sprechen auch gern mal
KULTUR<br />
11<br />
Tabuthemen an, sind dabei aber immer<br />
spontan und bereiten uns nicht tagelang<br />
vor. Hier geht’s um Entertainment.<br />
Außerdem hostet ihr das Onlineformat<br />
„Meat Girls – The Talk“. Das ist<br />
doch mehr als Gegackere …<br />
Definitiv! Wir betrachten den Talk, der<br />
noch bis Juli jeden zweiten Mittwoch live<br />
aus dem Harry Klein gesendet wird, als<br />
seriösere Version des Podcasts – und als<br />
eine Art schwule Ina-Müller-Show. Wir<br />
laden dazu Leute ein, die etwas Interessantes<br />
für die Community zu erzählen<br />
haben, und versuchen, deren Geschichten<br />
und deren Themen in cooler Baratmosphäre<br />
zu vermitteln. In der aktuellen<br />
Ausgabe haben wir beispielsweise ein<br />
trans* Special mit ganz unterschiedlichen,<br />
spannenden Menschen aus dieser Szene.<br />
Habt ihr Hate erlebt?<br />
Ja, aber jeder Künstler hat doch Hate<br />
erlebt, das geht an Drags natürlich<br />
nicht vorbei. Interessant ist, dass der<br />
Hass auch aus der eigenen Community<br />
kommt. Wenn dir jemand „Schwuchtel“<br />
auf der Straße hinterherruft, ist dir das<br />
vielleicht noch egal, wenn so etwas aber<br />
aus den eigenen Reihen kommt, dann<br />
tut es richtig weh. Jeder von uns stand<br />
vermutlich schon mal weinend in der<br />
Dusche und dachte, das war sein letzter<br />
Abend. Das Wichtigste ist, diesen Hass<br />
nicht mit Hass zu bekämpfen, sondern<br />
freundlich und souverän zu bleiben, statt<br />
zurückzuschießen.<br />
Wie seht ihr die Dragszene in<br />
München?<br />
Diese Szene ist zwar nur mittelgroß,<br />
aber in den letzten Jahren sehr lebendig<br />
geworden, das finden wir super. Da gibt<br />
es die Showgirls mit Drang zur Bühne<br />
und da gibt es die Ausgehmädchen, die<br />
sich einfach nur gern zeigen oder Gäste<br />
entertainen. Da soll jede ihr Ding machen,<br />
Dean, Janisha und Pasta (weitgehend) ungeschminkt<br />
Hauptsache sie macht es mit Herzblut.<br />
Wir freuen uns über alle Aktivitäten<br />
und machen überall mit, wo wir uns gut<br />
aufgehoben fühlen.<br />
Was wünscht ihr euch für eure<br />
Zukunft?<br />
Als Meat Girls hoffen wir, dass wir bald<br />
weitermachen können, gerne auch über<br />
München hinaus, zum Beispiel mit Aktionen<br />
in Österreich oder der Schweiz. Und<br />
wer weiß, was da noch kommt: Meat Girls<br />
TV, Meat Girls auf Kreuzfahrtschiffen? Wir<br />
sehen großes Potenzial in uns!<br />
*Interview: Bernd Müller<br />
FOTOS: MEAT GIRLS
12 KULTUR<br />
Münchner Tempel der<br />
MÄNNERKUNST<br />
Aus der Müllerstraße ist die<br />
„Kunstbehandlung“ nicht mehr<br />
wegzudenken. Hier wird seit<br />
1996 primär dem Mann als<br />
Kunstobjekt gehuldigt. Wir sprachen mit<br />
dem Galeristen, Mitbegründer und „Hausmeister“<br />
Martin Levec über eine bewegte<br />
Geschichte und die Zukunft einer der<br />
letzten schwulen Galerien in Deutschland.<br />
Wie ging’s denn los mit der<br />
Kunstbehandlung?<br />
Ganz bescheiden. 1996 war das Gebäude<br />
mehr ein Einstellort für Bilder von Flohund<br />
Kunstmärkten sowie für Bücher und<br />
allerhand gemischte Ware. Irgendwann<br />
kamen wir auf die Idee, hier eine Ausstellung<br />
mit Männerbildern zu zeigen. Das war<br />
wild, erfolgreich und der Startschuss zu<br />
der Kunstbehandlung, wie sie heute noch<br />
bekannt ist.<br />
Wie muss man sich diese „wilde Zeit“<br />
vorstellen?<br />
Ende der 1990er-Jahre sah die Müllerstraße<br />
ja noch ganz anders aus. Vor allem<br />
war sie viel schwuler und belebter. Wir<br />
waren ein Teil dieser großen Szene und<br />
haben zu der ersten Gruppenausstellung<br />
einen Bus mit Samba-Tänzern und die<br />
Aktion „Nackt-Kegeln im Sax“ organisiert.<br />
Dazu floss jede Menge Alkohol. Es war<br />
eben wild.<br />
Wann wurde aus den wilden Anfängen<br />
ein seriöses Geschäftsmodell?<br />
Als die Verkaufszahlen konstant blieben,<br />
war klar: Das läuft. So wurden wir zu<br />
Galeristen – auch wenn ich das Wort nicht<br />
mag, weil es immer nach rotem Schal und<br />
intellektuellem Brimborium klingt. Ich<br />
bezeichne mich ja lieber als „Hausmeister“.<br />
Wie habt ihr die Künstler gefunden?<br />
Gar nicht – die Künstler fanden (und<br />
finden) uns. Ein gutes Beispiel ist Robert<br />
C. Rore, der einfach hier reinkam und<br />
sagte: „Ich bin wichtig, ihr müsst mich<br />
ausstellen!“ Und er behielt recht: Für uns<br />
ist er so etwas wie ein Doyen und unser<br />
relevantester Künstler. Seit 1998 hat er<br />
bei uns jährlich eine Einzelausstellung,<br />
diese Zusammenarbeit war immer sehr<br />
erfolgreich.<br />
Wie muss Kunst sein, damit sie den<br />
Weg an eure Wände findet?<br />
Wir verfolgen keinen akademischen<br />
Kunstbegriff. Wir mögen Figürliches<br />
und Narratives, das gern humorvoll und<br />
originell, in jedem Fall aber gelungen und<br />
nicht zuletzt verkäuflich sein sollte.<br />
Muss eure Kunst „schwul“ sein?<br />
Nein, schwule Kunst ist ja ohnehin ein<br />
schwieriger Begriff. Wir haben zwar
die schwule Kundschaft im<br />
Hinterkopf, wenn wir eine neue<br />
Ausstellung planen, dennoch<br />
sprechen wir lieber von Männerkunst,<br />
die wir hier zu sechzig<br />
Prozent anbieten – natürlich<br />
mit einem gewissen Niveau und<br />
nicht allzu sexuell. Die anderen<br />
vierzig Prozent unseres Repertoires<br />
sind thematisch breit<br />
gefächert, von Landschaften<br />
über Comics bis zu Graffiti und<br />
Kunsthandwerk.<br />
Was hat sich im Laufe der<br />
Zeit verändert?<br />
Das Konzept ist eigentlich das Gleiche<br />
geblieben. Wir haben an anderen<br />
Stellschrauben gedreht, wie an der Anzahl<br />
der Ausstellungen: Zu Anfang waren wir<br />
geradezu manisch und hatten jeden<br />
Monat eine Vernissage im Haus. Heute<br />
sind es noch etwa die Hälfte. Wir sind<br />
auch nicht mehr so experimentierfreudig,<br />
nicht mehr so bedingungslos wie in den<br />
Anfangsjahren. Kein Wunder, denn auch<br />
wir als Ausstellungsmacher haben ein<br />
geschulteres, kritischeres Auge entwickelt<br />
und sortieren mehr aus.<br />
Gibt es eine Lieblingsgeschichte aus<br />
25 Jahren?<br />
Es gibt ganz viele kleinere Lieblingsgeschichten.<br />
Wenn ich an etwas Besonderes<br />
zurückdenke, dann an die Ausstellung<br />
mit Werken von Amanda Lear im Jahr<br />
2000. Das war ein enormer Auflauf und<br />
ihr Auftreten sowie ihr Auftritt waren sehr<br />
speziell. Aber wir sind sehr gut mit ihr<br />
klargekommen.<br />
Wie geht es euch in Zeiten der<br />
Pandemie?<br />
Uns geht es gut, auch wenn die letzte<br />
Vernissage 14 Monate her ist. Wir sind<br />
ja schon seit 2004 als virtuelle Galerie<br />
erfolgreich und haben früh auf das Internet<br />
gesetzt. Durch die Initiative „Neustart<br />
Kultur“ können wir jetzt weiter aufrüsten<br />
und unseren Kundinnen und Kunden mehr<br />
Features, Infos und Unterhaltung bieten –<br />
wir haben da jede Menge Ideen.<br />
Was macht eigentlich eure heimliche<br />
Leidenschaft, die „Sammlung<br />
Orange“?<br />
Was zunächst als Endlagerstätte für<br />
orangefarbenes Plastik begann, ist mittlerweile<br />
zu einer stattlichen Sammlung<br />
von über 2.000 Teilen liebenswerter Kulturgüter<br />
der 1970er-Jahre angewachsen<br />
– und das nur durch Schenkungen, denn<br />
wir kaufen (und verkaufen) davon nichts.<br />
Wir haben die Pandemie genutzt, diese<br />
Sammlung, die das positive Lebensgefühl<br />
dieser Zeit atmet, nach zwanzig Jahren<br />
FOTOS/COLLAGE: KUNSTBEHANDLUNG<br />
KULTUR 13<br />
aus dem Keller zu holen<br />
und ihr eine eigene Website<br />
geschenkt: www.sammlungorange.de.<br />
Was sind die nächsten<br />
Projekte?<br />
Zunächst einmal würden<br />
wir gern im August unseren<br />
Geburtstag als großes<br />
Hoffest mit einer Steelband,<br />
Livemusik und Grill feiern –<br />
wenn es corona-technisch<br />
geht. Im Herbst steht dann<br />
das Ausstellungsprojekt<br />
„Lebt und arbeitet in München“ an. Das<br />
wird schräg! Wir kehren damit ein wenig<br />
zurück zu unseren Anfängen und zeigen<br />
Unkonventionelles, Originelles und eine<br />
Menge Objekte, bei denen sich mancher<br />
fragen wird: „Ist das denn Kunst“? Außerdem<br />
planen wir noch in diesem Jahr eine<br />
Aktion mit Robert C. Rore und Männern<br />
auf dem Alten Südlichen Friedhof.<br />
Lasst uns zum Abschluss einen<br />
Blick in die Zukunft werfen …<br />
… in der wir am liebsten als Rentner und<br />
Berater tätig sein möchten. Dazu wäre es<br />
aber nötig, dass eine jüngere Generation<br />
nachkommt. Aber keine Sorge: In den<br />
nächsten Jahren planen wir keine<br />
Veränderungen. Wir haben hier einen<br />
tollen Ort, wir sind ein eingespieltes<br />
Team und eine Münchner Galerie – und<br />
dabei bleibt’s!<br />
*Interview: Bernd Müller<br />
www.kunstbehandlung.de<br />
THE MALE FIGURE X<br />
So ein Mann …<br />
Jubiläum für die erfolgreiche Ausstellungsreihe<br />
„The Male Figure“. Die<br />
Gruppenausstellung zählt zum Markenkern<br />
der Münchner Galerie Kunstbehandlung.<br />
In diesem Jahr ist die 10. Ausgabe dieses<br />
erfolgreichen Formates zu sehen. Wie<br />
in den neun Jahren zuvor laden die<br />
Ausstellungsmacher Künstler aus allen<br />
Teilen der Welt zu einem Stelldichein mit<br />
den Münchner Kunstschaffenden ein, um<br />
möglichst neue Blickwinkel auf den Mann in<br />
der bildenden Kunst zu zeigen. Dazu gehören<br />
Gemälde, Papierarbeiten, Grafiken und<br />
Skulpturen. Als optische Einladung dient<br />
eine Interpretation von Velázquez’ Venus<br />
vor dem Spiegel durch den Münchner<br />
Künstler Robert C. Rore (Bild oben), worin<br />
sowohl die Venus selbst und der Putto<br />
durch Mannsbilder ersetzt sind. Die Ausstellung<br />
ist als hybrides Format konzipiert<br />
und kann noch bis 31. <strong>Mai</strong> nach vorheriger<br />
Terminabsprache vor Ort besichtigt sowie<br />
auch online angesehen werden. *bm<br />
www.kunstbehandlung.com
14 KULTUR<br />
NACHGEFRAGT<br />
MARKUS<br />
PABST:<br />
„Wir sind ja nicht nur<br />
wegen des Geldverdienens<br />
Künstler<br />
geworden“
FOTOS: R. PATER<br />
Der Mann hinter legendären<br />
Artistik-Shows gilt als Punk<br />
und Poet unter den Varieté-<br />
Machern Deutschlands. Seit<br />
über einem Jahr gibt es nun fast keine<br />
Shows mehr, wir fragten nach.<br />
Wie geht es dir in der<br />
Pandemie-Zwangspause?<br />
Mir geht es noch relativ gut, da ich<br />
innerhalb des letzten Jahres ja noch<br />
einige Monate spielen konnte, anfangs<br />
noch im Berliner Wintergarten Varieté,<br />
unter Auflagen und unter Einhaltung<br />
aller Auflagen war dann auch etwa das<br />
GOP (bundesweit gibt es Varietés des<br />
Georgspalasts, Anm. d. Red.) offen. Uns<br />
Künstlern geht es allen schlecht, wir<br />
sind ja nicht nur wegen des Geldverdienens<br />
Künstler geworden … Im Kopf geht<br />
es uns allen schlecht. Wir haben etwas<br />
zu sagen und das nimmt man uns.<br />
Verliert man das Vertrauen in die<br />
Politiker?<br />
Sie wirken ideenlos und beharren auf<br />
dem, was nicht oder nur schlecht<br />
funktioniert. Wir haben eine Pandemie,<br />
wir alle wollen nicht, dass jemand stirbt.<br />
Aber ich finde nicht, dass alle getroffenen<br />
Maßnahmen richtig waren. Wenn<br />
man sagt, man wolle alte Menschen<br />
schützen, dann muss man dafür auch<br />
etwas tun. Und ich denke nicht, dass<br />
das letzten Sommer passiert ist. Wir<br />
müssen uns international austauschen,<br />
es sterben auch viele junge Leute an<br />
den Folgen der Pandemie, die „Dritte<br />
Welt“ etwa leidet massiv.<br />
Hältst du Kontakt zu deinen<br />
Künstlern?<br />
Hauptsächlich über Social Media, aber<br />
ich versuche auch, je einen Freund<br />
zu treffen. Proben sind ja noch unter<br />
Einhaltung der Auflagen erlaubt. Die<br />
Artisten proben in unserer Halle an ihren<br />
Darbietungen und Stücken. Man muss<br />
sich Aufgaben geben, um etwas zu tun<br />
zu haben. Ich habe viel mit Jack Woodhead<br />
zusammengearbeitet, das war<br />
meine Hauptaufgabe, den „Hellen<br />
Wahnsinn“ zu überarbeiten, als Musical,<br />
vor allem die Charaktere der Figuren zu<br />
vertiefen.<br />
Auf Social Media kann man dich<br />
jetzt mehr als früher als Fotograf<br />
wahrnehmen …<br />
Es gibt ja diese zwei Namen für mich,<br />
Markus Pabst und Robert Pater. Die<br />
Presse hat früher meine Stücke<br />
beschrieben und dann stand da über<br />
einer Kritik über ein Stück von Markus<br />
Pabst, „Foto: Markus Pabst“. Das wirkte<br />
auf mich so, als ob ich die Kritik beeinflusst<br />
hätte, das wollte ich nicht. Daher<br />
nannte ich mich als Fotograf Robert<br />
Pater. Jetzt in der Pandemie guckt man<br />
dann, was man so alles gemacht hat.<br />
Meine Fotos waren schon in der „Times“<br />
und anderer internationaler Presse,<br />
auch habe ich vor langer Zeit mal einen<br />
recht erfolgreichen Bildband über die<br />
Ceasar Twins herausgebracht, einer der<br />
Zwillinge ist übrigens mein Partner in<br />
der Firma.<br />
Worauf legst du wert bei einem<br />
Foto?<br />
Meine Fotos dienten immer der Theaterschiene,<br />
waren ein Geschenk an den<br />
Künstler. Es sind immer relativ einfache<br />
Bilder, aber sie haben eine gewisse<br />
Stärke. Mein Gegenüber soll sich so<br />
darstellen können, wie er es will.<br />
*Interview: Michael Rädel<br />
Alle 11 Minuten 1)<br />
verliebt sich ein<br />
Single mit<br />
1) Hochrechnung aus Nutzerbefragung 2016, Deutschland
16 KULTUR<br />
FOTO: TOM OLDHAM<br />
Gilbert & George The Great Exhibition, Ausstellungsansicht<br />
Foto: Schirn Kunsthalle Frankfurt, <strong>2021</strong>, Norbert Miguletz<br />
George (rechts) und Gilbert, 2015<br />
AUSSTELLUNG<br />
DAS PRALLE<br />
LEBEN!<br />
Das skurrile britische schwule Künstler-Duo Gilbert & George<br />
ist in der Schirn Frankfurt zu Gast – mit „The Great Exhibition“,<br />
einer riesigen Ausstellung, die ebenso riesige Werke der beiden<br />
von 1971 bis 2019 zeigt.<br />
Gilbert & George, LEAFAGE, 1988, Courtesy of Gilbert & George<br />
Gilbert & George, YOUTH FAITH, 1982, Privatsammlung,<br />
Courtesy of Gilbert & George<br />
Gilbert & George The Great Exhibition, Ausstellungsansicht<br />
Foto: Schirn Kunsthalle Frankfurt, <strong>2021</strong>, Norbert Miguletz<br />
In ihren etwas steif wirkenden<br />
Anzügen, immer geschniegelt mit<br />
Hemd und Krawatte, wirken Gilbert<br />
& George wie exzentrische Exoten<br />
in einer sich ansonsten gerne lässig<br />
gebenden Kunstwelt.<br />
Gar nicht steif sind hingegen ihre<br />
großformatigen, meist knallbunten<br />
Foto- und Bildcollagen: Da strecken<br />
sie den Betrachter*innen schon<br />
mal ihre nackten Hintern entgegen,<br />
titulieren sich selbst als „George<br />
the Cunt and Gilbert the Shit“, sie<br />
zeigen sich als manisch starrende<br />
Avatare mit magisch ineinander<br />
verzwirbelten Rauschebärten,<br />
thematisieren Anal- und Oralverkehr,<br />
Krankheit, Tod, Gewalt, Religion<br />
und Moral. Ein ganzes Kaleidoskop<br />
des menschlichen Lebens wird<br />
mit einer nahezu spirituellen Sicht<br />
verwurstet. Glück und Leid sind hier<br />
gleichberechtigte Sensationen des<br />
prallen Lebens mit all seinen Widersprüchen.<br />
Und die gilt es allesamt zu<br />
akzeptieren.<br />
Der Südtiroler Gilbert Prousch und<br />
der britische George Passmore<br />
hatten sich in den späten 60ern<br />
als Studenten der Londoner<br />
Hochschule für Kunst und Design<br />
Central St. Martins kennengelernt.<br />
Sie wurden ein Paar und<br />
beschlossen, als Künstler fortan in<br />
Personalunion als „Living Sculptures“<br />
aufzutreten. Gemeinsam bezogen<br />
sie Anfang der 1970er ein Haus<br />
samt Atelier im multikulturellen<br />
Ost-Londoner Viertel Spitalfields.<br />
Die damals heruntergekommene<br />
Ecke Londons ist heute ein Hipster-<br />
Pflaster, aber genau hier fanden und<br />
finden Gilbert & George die Themen<br />
für ihre Kunst – Spitalfields ist für sie<br />
der Mikrokosmos, der die ganze Welt<br />
beinhaltet.<br />
Die Ausstellung „The Great<br />
Exhibition“ wurde bereits in Arles,<br />
Stockholm, Oslo, Reykajvík und<br />
Zürich gezeigt. *bjö<br />
Schirn, Römerberg, Frankfurt,<br />
www.schirn.de<br />
Die Ausstellung ist bis Anfang<br />
September zu sehen, inklusive<br />
eines umfangreichen Rahmenprogramms,<br />
das auch online zur<br />
Verfügung steht.
KATI VON SCHWERIN IN BAD AIBLING<br />
„Art is an Idiot“<br />
Dieses Statement ist ein Kernsatz in der<br />
Welt der Kati von Schwerin. Für die ist Kunst<br />
zwar oft irrational, unverständlich oder<br />
kalkuliert - ihrem Sog kann und will sie sich<br />
aber nicht entziehen. Mittlerweile 38 Jahre<br />
alt, ist sie doch immer eine junge Künstlerin<br />
geblieben. Sie überspringt mit Leichtigkeit<br />
Genregrenzen und geht keinem Experiment aus dem Weg – solange Kunst<br />
der Gesellschaft dient und ihr als Spiegel, als ständige Frage, als Mittel zum<br />
Austausch und der Reflexion zur Verfügung steht. Mit ihren Werken will Kati<br />
von Schwerin den Betrachter anregen, seine Welt zu hinterfragen. Ab dem<br />
26. <strong>Juni</strong> stellt das Multitalent (sie ist auch Musikerin und Autorin, betreibt den<br />
Podcast „Derby WG“ und veröffentlicht bald ihren ersten Roman) Mixed Media<br />
und Objekte in der Kunsthalle Bad Aibling aus. *bm<br />
KULTUR 17<br />
Ausstellung „was klar ist“, 26.6 bis 11.7. Kunstverein Bad Aibling,<br />
Irlachstraße 5, Bad Aibling, www.kunstverein-bad-aibling.de,<br />
www.kativonschwerin.de<br />
Cyrill Lachauer<br />
im Haus der Kunst<br />
Cyrill Lachauer. „I am not sea, I am not land“-Installationsansicht,<br />
Sammlung Goetz im Haus der Kunst, 2020, Courtesy<br />
Sammlung Goetz, München, Foto: Thomas Dashuber, München<br />
Ohne Kultur und Kunst wird<br />
es still und farblos! Und<br />
daher freuen wir uns, dir<br />
diese neue und spannende<br />
Ausstellung<br />
vorstellen zu können.<br />
Gezeigt wird an dieser<br />
prominenten Stelle der<br />
bayerischen Hauptstadt<br />
bis Mitte September das Werk<br />
von Cyrill Lachauer. In der spannenden<br />
und ungewöhnlichen Ausstellung<br />
„Cyrill Lachauer. I am not sea, I am not<br />
land – Sammlung Goetz im Haus der<br />
Kunst“ kann der Besucher eintauchen<br />
in die Welt des international wirkenden<br />
Künstlers. Der Ausstellungsname deutet<br />
bereits das Thema an, es<br />
geht um „Land“ in all<br />
seinen Facetten. „Land<br />
kann Heimat bedeuten<br />
und Wurzeln geben,<br />
es kann ein nährendes<br />
Stück Land sein, aber<br />
auch als Idee von Nation<br />
zu In- und Exklusion<br />
führen. Land kann man<br />
besitzen oder mit ihm leben,<br />
man kann es wegnehmen, zerstören<br />
und anderen den Zugang verwehren“,<br />
wird über die Ausstellung verraten.<br />
Themen wie Asyl, Flucht, Kontrollen und<br />
Krieg drängen sich da förmlich auf. Aber<br />
auch das Schöne, das Landleben, die<br />
Natur, interessante Landschaften voller<br />
praller Kakteen und glitzerndem Sand.<br />
Der Künstler, 1979 in Rosenheim<br />
geboren, jetzt in Los Angeles und<br />
Berlin wirkend und lebend, lädt ein,<br />
den Geist zu erweitern, nachzudenken,<br />
womöglich auch zu grübeln. Nur Bilder<br />
schauen kann man woanders! Auch der<br />
Ort der Ausstellung ist spannend: Die<br />
auf den Reisen des Weltenbummlers<br />
entstandenen Werke – Filme, Videos,<br />
Fotografien, Installationen und Texte –<br />
werden im ehemaligen Luftschutzkeller<br />
ausgestellt. *rä<br />
Foto: Cyrill Lachauer „Cockaigne – I am not sea, I am not land“, 2020,(Filmstill: The Rain Dancer), © the artist,<br />
Courtesy Sammlung Goetz, Medienkunst, München<br />
Bis 12.9.21, „Cyrill Lachauer. I am not<br />
sea, I am not land – Sammlung Goetz<br />
im Haus der Kunst“, Haus der Kunst,<br />
Prinzregentenstraße 1, München,<br />
www.hausderkunst.org
18 KULTUR<br />
STREAMING<br />
FOTOS: ARD DEGETO / ANDREA HANSEN<br />
ARD mit schwuler Serie<br />
Der Wonnemonat wirft seinen Schatten<br />
voraus, nein, er lässt seinen queeren<br />
Schein strahlen: Ab <strong>Mai</strong> soll die Serie „All<br />
You Need“ über den Alltag vierer schwuler<br />
Männer in der ARD-Mediathek zu sehen<br />
sein – in einem für die junge Zielgruppe<br />
maßgeschneiderten Shortform-Format,<br />
fünf Folgen à 20 Minuten. Die Serie gibt es<br />
ab 7. <strong>Mai</strong> in der ARD-Mediathek zu sehen.<br />
Sie wird am 16. <strong>Mai</strong> auch auf ONE ausgestrahlt.<br />
*rä<br />
„Noch immer werden im deutschen Fernsehen<br />
Charaktere aus der LGBTIQ*-Community<br />
hauptsächlich als Nebenfiguren erzählt.<br />
Ich freue mich, dies mit All You Need<br />
ändern zu können. Und das ist hoffentlich<br />
nur der Anfang“, so Regisseur Benjamin<br />
Gutsche. „Wir fangen endlich an, auf den<br />
Bildschirmen abzubilden, wie unsere<br />
Gesellschaft wirklich aussieht. So rückt<br />
Diversität ganz selbstverständlich in die<br />
Mitte unserer Arbeit“, ergänzt Nataly Kudiabor,<br />
Produzentin UFA Fiction **. Worum<br />
geht es in der Serie, die unter anderem im<br />
SchwuZ und in der Sauna Boiler gedreht<br />
wurde? Um Themen, die jeden betreffen<br />
können, natürlich in geballter Serienfassung<br />
und aus der queeren Perspektive (obwohl<br />
die Hauptdarsteller alle heterosexuell sind<br />
...): „Die langjährige Beziehung, die plötzlich<br />
vor der Zerreißprobe steht. Der finanzielle<br />
Schuldenberg, der unaufhörlich wächst. Der<br />
One-Night-Stand, der nicht lockerlässt. Der<br />
Lebenstraum, der wie eine Seifenblase zu<br />
platzen droht. Die große Liebe, die unerwidert<br />
bleibt. Die Dramedy-Serie behandelt<br />
universelle Themen, mit denen sich jeder<br />
identifizieren kann“, wird schriftlich vorab<br />
verraten. Die Serien-Charaktere sind: Langzeitstudent<br />
und Nachtschwärmer Vince<br />
(29), der geheimnisvolle Robbie (27, kleines<br />
Bild rechts), der zum Spießer mutierende<br />
Webdesigner Levo (34) und der erst spät<br />
geoutete Familienvater Tom (43). Schwuler<br />
Serienspaß mit Drama, Leidenschaft und<br />
einem diversen Cast, wir sind gespannt!<br />
VIER FRAGEN<br />
Frédéric Brossier, der den Robbie spielt,<br />
hatte Zeit für einen kurzen Chat mit uns.<br />
Es wurde im Vorfeld kritisiert, dass<br />
keiner der Hauptcharaktere im realen<br />
Leben wirklich schwul lebt, wie<br />
stehst du dazu?<br />
Ich kann die Irritation nachvollziehen<br />
und gleichzeitig habe ich nicht in diesen<br />
Kategorien gedacht, als man mir die Rolle<br />
angeboten hat. In einer Liebesbeziehung,<br />
die gezeigt wird, interessiert mich die sexuelle<br />
Ausrichtung der Schauspieler*innen<br />
nicht. Ich persönlich hätte es sogar schwierig<br />
gefunden, wenn mich die Produktion<br />
bei den Casting-Aufnahmen nach meiner<br />
sexuellen Orientierung gefragt hätte. Der<br />
Anstoß von Kampagnen wie #ActOut, die<br />
dieses Jahr veröffentlicht wurde, verändert<br />
sicherlich bei zukünftigen Produktionen die<br />
Besetzungsprozesse von queeren Rollen.<br />
Berührungsängste gab es nicht?<br />
Da ich vor der Kamera generell noch nie<br />
jemandem so nahe gekommen bin, war<br />
ich sehr gespannt, wie die Situation dann<br />
sein würde. Ich habe aber schnell Vertrauen<br />
in meine Kollegen und das Team gefasst,<br />
sodass ich mich gut aufgehoben gefühlt<br />
habe.<br />
Warum ist diese Serie wichtig?<br />
Einfach, weil es immer noch einen großen<br />
Teil unserer Gesellschaft gibt, der im<br />
Fernsehen nicht stattfindet. Es ist längst<br />
überfällig, dass es auch hierzulande eine<br />
Serie mit queeren Hauptrollen gibt. Dabei<br />
sollte das doch <strong>2021</strong> eine Selbstverständlichkeit<br />
sein. Als ich meinen Freunden aus<br />
der Heimat erzählt habe, dass ich Robbie<br />
spiele, waren sie erst einmal ein wenig<br />
erstaunt. Das hat mich aber auch noch mal<br />
mehr darin bestätigt, diese Rolle spielen<br />
zu wollen! Ich habe auch das Gefühl, dass<br />
immer mehr Bewusstsein für die Vielfalt<br />
unserer Gesellschaft entsteht und dass<br />
vor allem in der jüngeren Generation viel<br />
mehr Offenheit dafür herrscht. Deshalb<br />
ist es schön, daran anknüpfen zu können<br />
und dies mit einer Serie wie „All you need“<br />
weiter zu fördern.<br />
Was erhoffst du dir von der Serie?<br />
Ich erhoffe mir, dass die Leute bei der Serie<br />
in vielerlei Hinsicht mitfühlen und erleben,<br />
dass Liebe nichts mit der Sexualität zu tun<br />
hat. Liebe ist frei und es ist egal, ob ich als<br />
Mann einen Mann liebe, als Frau eine Frau<br />
oder als Mann eine Frau – oder eben divers.<br />
Das Schöne an dieser Produktion für uns als<br />
Schauspieler war, dass auch wir uns in die<br />
Figuren verliebt haben.<br />
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** Die UFA Fiction produziert damit erstmalig Content im<br />
Auftrag der ARD Degeto exklusiv für die ARD-Mediathek
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beweist in der Kleinserie<br />
„Frühlingserwachen“ des<br />
Berliner Modedesigners Matthias<br />
Maus Modelqualitäten.<br />
Und die hier bei uns zu sehende<br />
Fashion-Serie selbst ist wiederum<br />
vom Tanz beeinflusst. Aber nicht<br />
nur. „Die Kleinserie ‚Frühlingserwachen‘<br />
ist inspiriert von der<br />
Baukeramik der Belle Époque<br />
sowie meiner ewigen Inspiration<br />
Nijinsky, der das Ballett in dieser<br />
Epoche geprägt und revolutioniert<br />
hat, um es mehr dem Geschmack<br />
der homosexuellen Zielgruppe anzupassen“,<br />
so Matthias Maus über die hier<br />
zu sehende Mode, die Gedanken dahinter<br />
und die verarbeiteten Einflüsse darin. „Nijinsky<br />
hat mit seinem Tanzstil das Ballett des frühen<br />
20. Jahrhunderts zusammen mit seinem<br />
Mentor Sergei Djagilew revolutioniert [...] Mit<br />
seiner Choreografie und Aufführung ‚L’Aprèsmidi<br />
d’un faune‘ zu der Musik von Claude<br />
Debussy schockierte er Paris 1912, da er am<br />
Ende des Tanzes ‚öffentlich masturbierte‘“, so<br />
der kunstliebende Designer, der vor Corona<br />
immer die Promis auf der Fashion Week um<br />
sich scharte. *rä<br />
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FOTOS: M. MAUS
21<br />
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35. Deutsches Theater,<br />
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• Gasteig (Philharmonie),<br />
Rosenheimer Str. 5,<br />
www.gasteig.de<br />
• GOP Varieté-Theater,<br />
Maximilianstr. 47,<br />
www.variete.de<br />
• Kultur im Schlachthof,<br />
Zenettistr. 9,<br />
www.im-schlachthof.de<br />
36. Kunsthalle München,<br />
heatinerstr. 8<br />
• Lenbachhaus -<br />
Städtische Galerie,<br />
Luisenstr. 33,<br />
www.lenbachhaus.de<br />
• Museum Brandhorst,<br />
Theresienstr. 35a<br />
37. Münchner Kammerspiele,<br />
Maximilianstr. 26-28,<br />
www.muenchnerkammerspiele.de<br />
• Münchner<br />
Philharmoniker,<br />
Rosenheimer Str. 5<br />
• Münchner Volkstheater,<br />
Brienner Str. 50,<br />
www.muenchnervolkstheater.de<br />
38. Staatstheater am<br />
Gärtnerplatz,<br />
Gärtnerplatz 3, (089) 202411,<br />
www.staatstheater-amgaertnerplatz.de<br />
• Tierpark Hellabrun,<br />
Tierparkstr. 20<br />
Gärtnerplatz<br />
38<br />
Reichenbachstr. Reichenbachstr.<br />
28<br />
13<br />
RAT & TAT<br />
39. Caritas Ambulanter Hospiz<br />
ienst, Queer-Sprechstunde,<br />
jeden 1. Montag im Monat,<br />
ASZ Isarvorstadt,<br />
Hans-Sachs-Str. 14,<br />
caritas-hospizdienst@<br />
barmherzige-muenchen.de<br />
40. Diversity Jugendzentrum,<br />
Blumenstr. 11,<br />
www.diversity-muenchen.de<br />
19<br />
Frauenstr.<br />
Rumfordstr.<br />
Buttermelcherstr.<br />
17<br />
Baaderstr.<br />
Reichenbachbrücke<br />
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33<br />
Maximilianstr.<br />
16<br />
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Steindorfstr.<br />
Corneliusbrücke<br />
5<br />
41. Gay Outdoor Club<br />
München e.V.,<br />
Sportverein,<br />
Müllerstr. 14,<br />
www.gocmuenchen.de<br />
• Isarhechte e.V.,<br />
Sportverein, Meindlstr. 11a,<br />
www.isarhechte.de<br />
42. Koordinierungsstelle zur<br />
Gleichstellung von LGBTI*,<br />
Angertorstr. 7<br />
(Eingang Müllerstraße)<br />
43. LeTRa,<br />
Blumenstr. 29,<br />
www.letra.de<br />
44. Marikas Beratungsstelle für<br />
anschaffende junge Männer,<br />
Dreimühlenstr. 1,<br />
www.marikas.de<br />
45. Münchner Aids-Hilfe,<br />
Lindwurmstr. 71,<br />
www.aidshilfe-muenchen.de<br />
46. Münchner Regenbogen-<br />
Stiftung, Angertorstr. 7<br />
(Eingang Müllerstr.)<br />
47. Rechtsanwälte Schuster<br />
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48. Sub e.V.,<br />
Müllerstr. 14,<br />
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Rumfordstr. 39<br />
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24 POLITIK<br />
KOLUMNE VON<br />
FELIX MÜLLER<br />
GRAFIK: GORDON JOHNSON / PIXABAY<br />
Jubiläen in<br />
seltsamen Zeiten<br />
In seiner kommunalpolitischen<br />
Kolumne schaut AZ-Lokalchef Felix<br />
Müller dieses Mal auf ein Jahr Grün-Rosa-<br />
Rot im Stadtrat und lässt Alt-OB Christian<br />
Ude ein Vierteljahrhundert zurückblicken<br />
– auf den Einzug eines gewissen Thomas<br />
Niederbühl ins Rathaus.<br />
Sie hätten es sich anders vorgestellt,<br />
die Grünen und Roten (und der rosane<br />
Thomas Niederbühl!), die vor einem Jahr<br />
das Revival der traditionsreichen Zusammenarbeit<br />
im Münchner Rathaus besiegelt<br />
hatten. Es sollte ein Aufbruch werden,<br />
sozial, ökologisch, zeitgemäß. Ein Jahr<br />
danach muss man ihnen zugestehen: Sie<br />
hatten es nicht leicht, denn natürlich hing<br />
auch in der Stadtpolitik über allem Corona.<br />
Das machte es schwerer, mit progressiven<br />
Themen und Ideen durchzukommen – und<br />
es führte zu ganz praktischen Problemen.<br />
Weil sich die Finanzlage katastrophaler<br />
entwickelt, als es sich die größten<br />
Pessimisten hätten vorstellen können.<br />
Aber natürlich auch, weil der Druck aus der<br />
Stadt fehlt, die Debatten. Demonstrationen<br />
waren nicht oder oft nur viel kleiner<br />
möglich, Bürgerversammlungen fielen<br />
aus, Initiativen durften sich nicht in ihren<br />
Räumen vernetzen.<br />
Ein wenig milde sollte man also wohl sein<br />
im Urteil, vor allem sollte man es nicht zu<br />
früh und zu endgültig fällen. In den nächsten<br />
Monaten und Jahren wird sich zeigen,<br />
wohin das Geld gegeben wird, wenn es<br />
(wie man erwarten muss) knapp bleibt, wo<br />
die Koalition Schwerpunkte setzt. Ob die<br />
SPD die Kraft hat, zu einer zeitgemäßen<br />
Großstadtpartei zu werden, ob OB Dieter<br />
Reiter noch mal eigene Schwerpunkte<br />
setzt. Wie selbstbewusst die Grünen<br />
werden – und was das für das Klima im<br />
Rathaus bedeutet. In diesem ersten Jahr<br />
hat es auf jeden Fall schon viel häufiger<br />
hörbar geknirscht als erwartet.<br />
Jene Politiker*innen, denen die Queerpolitik<br />
besonders am Herzen liegt, sind<br />
aber zufrieden mit dem Erreichten – und<br />
hier schlummert offenbar nicht allzu<br />
viel Konfliktpotenzial. Grünen-Stadtrat<br />
Dominik Krause etwa verweist<br />
darauf, dass man die Räume<br />
von Diversity erweitern<br />
konnte. Er sagt aber<br />
auch: „Man muss<br />
konstatieren, dass<br />
die Krise die Szene<br />
besonders hart trifft.<br />
Die Räume, die nicht<br />
genutzt werden, sind<br />
ja Schutzräume, zur<br />
Beratung, aber oft auch, um<br />
aus dem homophoben Umfeld<br />
rauszukommen.“ Er sorge sich außerdem,<br />
was nach der Krise noch da sein wird an<br />
Infrastruktur, etwa bei den Klubs.<br />
Thomas Niederbühl betont, dass man<br />
trotz der schwierigen Haushaltslage<br />
10.000 Euro pro Jahr an die Regenbogen-<br />
Stiftung gebe, dass das Trans*Zentrum<br />
auf den Weg gebracht werden konnte. „Wir<br />
haben eine sehr aktive und sehr diverse<br />
Trans-Szene“, sagt er. „Jetzt müssen wir<br />
klären, wer der Träger sein kann, wie es<br />
geführt werden kann.“ Dafür wolle man<br />
sich Zeit nehmen. „Ende 2023 soll das<br />
entschieden sein“, sagt Niederbühl.<br />
Der Mann schaut also in die Zukunft. In<br />
diesen Zeiten aber durchaus auch zurück.<br />
Stolze 25 Jahre ist er, und ist damit die<br />
Rosa Liste, nun schon im Stadtrat. Ein<br />
Jubiläum, das man – in normalen Zeiten<br />
– groß gefeiert hätte. „Wir haben unwahrscheinlich<br />
viel erreicht“, sagt Niederbühl,<br />
„so eine geförderte Infrastruktur hat keine<br />
andere Stadt in der Republik.“<br />
Alt-OB Christian Ude erinnert sich gerne<br />
an die Zeit, als dieser junge Thomas Niederbühl<br />
1996 ins Rathaus einzog.<br />
„Ein ausgesprochen sympathischer,<br />
fröhlicher Mann“,<br />
sagt er, „der konsequent<br />
für seine Community<br />
geworben, Unterstützung<br />
für seine Initiativen eingefordert<br />
hat.“ Ude erinnert<br />
sich, wie vieles sich in<br />
diesen 25 Jahren geändert<br />
hat. Die CSU im Rathaus, sagt<br />
er, sei Niederbühl nicht feindselig<br />
gegenübergestanden. Aber sie habe<br />
sich ferngehalten. Und er selbst habe für<br />
seine Zusammenarbeit mit Niederbühl,<br />
dafür, dass er bald den CSD anführte, viele<br />
Anfeindungen erlebt. „Strenggläubige<br />
aus dem Oberland sind Sturm gelaufen“,<br />
erinnert sich Ude, „die sprachen von Krankheit<br />
und Sünde, so einen Katholizismus<br />
kannte ich aus München überhaupt nicht.“<br />
Inzwischen läuft selbst die CSU seit Jahren<br />
beim CSD mit. Und vorne raus läuft immer<br />
noch der OB. Gemeinsam mit Thomas<br />
Niederbühl, dem unverwüstlichen Rosa-<br />
Liste-Urgestein im Rathaus.<br />
FOTO: PRIVAT
LOGO: SPDQUEER<br />
BAYERN WIRD BUNTER<br />
SPDqueer in Oberfranken gegründet<br />
Zahlreiche SPD-Mitglieder aus Oberfranken kamen<br />
Ende März zu einer Online-Veranstaltung zusammen,<br />
um die regionale Arbeitsgemeinschaft SPDqueer<br />
zu gründen. Bei den Vorstandswahlen wurde<br />
Sebastian Kropp aus Bayreuth zum Vorsitzenden<br />
gewählt, Janina Kiekebusch aus Bayreuth und Daniel<br />
Ferch aus Kulmbach zu stellvertretendem Vorsitzenden<br />
bestimmt. „Seit November 2019 arbeiten wir<br />
an einer Gründung eines Ablegers der SPDqueer für<br />
Oberfranken“, so Sebastian Kropp. „Wir sind froh, die<br />
Gründung endlich vollzogen zu haben und als einzige<br />
queere Arbeitsgemeinschaft einer Partei in Oberfranken<br />
nun für mehr Politik für queere Menschen in<br />
Oberfranken arbeiten zu dürfen.“ Gleichwohl betont<br />
der 30-Jährige, dass Politik für Minderheiten nicht<br />
Politik gegen Mehrheiten bedeutet: „Wir verstehen<br />
uns als Partei der Arbeit. Auch ein Arbeiter kann<br />
queer sein. Wir wollen wieder Brücken zwischen<br />
POLITIK 25<br />
Mehrheiten und Minderheiten schlagen.“ Daniel<br />
Ferch betont die Wichtigkeit, für die Sichtbarkeit<br />
queerer Menschen in ganz Oberfranken zu sorgen<br />
und Flagge zu zeigen: „In Kulmbach wurde erstmalig<br />
im CSD-Sommer 2020 eine Regenbogenflagge<br />
am Rathaus als Zeichen der Solidarität mit queeren<br />
Menschen gehisst – diesen Spirit wollen wir mit der<br />
SPDqueer Oberfranken nun in ganz Oberfranken<br />
verbreiten“, erklärt der 27-Jährige. „Wir wollen mit<br />
Menschen auch außerhalb der queeren Blase in<br />
Kontakt treten“, macht Janina Kiekebusch (27) klar.<br />
„Weil es wichtig ist, andere über queere Menschen<br />
aufzuklären, zu sensibilisieren und so Akzeptanz<br />
herzustellen.“ Die Arbeitsgemeinschaft SPDqueer<br />
setzt sich deutschlandweit für die Gleichstellung<br />
und Akzeptanz von LGBTIQ* ein. *bm<br />
www.spd-oberfranken.de<br />
NEU: CHECKPOINT*I*N<br />
Tests auf Augenhöhe<br />
Der Checkpoint der Münchner Aids-Hilfe ist<br />
seit vielen Jahren bekannt: Hier kann man<br />
sich vier Mal pro Woche anonym zu den<br />
Themen HIV und andere sexuell übertragbare<br />
Krankheiten (STI) beraten und testen lassen.<br />
Dieses Angebot erfährt ab sofort eine<br />
bayernweit einmalige Erweiterung: Unter<br />
dem Namen CheckpoinT*I*N steht der Service<br />
nun auch exklusiv einer ganz speziellen<br />
Zielgruppe zur Verfügung, nämlich trans*,<br />
inter* und nicht-binären Menschen.<br />
Ein Angebot, das Sinn ergibt: „Leider hören<br />
wir immer wieder von schlechten Erfahrungen,<br />
die diese Klientel im Zusammenhang<br />
mit Testangeboten machen muss“, so Irena<br />
Wunsch, Leiterin der Beratungsstellen der<br />
Münchner Aids-Hilfe. Viele Berater_innen<br />
seien mit der komplexen Lebenslage<br />
dieses Personenkreises nicht vertraut und<br />
könnten auf deren spezifische Themen<br />
nicht sensibel genug eingehen. Um das zu<br />
verhindern, kam sie mit ihren Kolleg_innen<br />
der Trans*Inter*Beratungsstelle auf die Idee,<br />
ein spezielles Angebot zu HIV- und STI-Tests<br />
für trans*, inter* und nicht-binäre Personen<br />
zu machen. Nach dem bewährten Vorbild<br />
des Checkpoint, aber auf Augenhöhe.<br />
„Unsere Berater_innen sind selbst trans* und/<br />
oder nicht-binär und für die Belange von<br />
inter* Personen sensibilisiert“, so Quentin<br />
Rothammer, der das Projekt CheckpoinT*I*N<br />
initiiert hatte. Test und Beratung finden in<br />
den Räumen der Münchner Aids-Hilfe statt,<br />
das Angebot ist anonym und kostenlos. *bm<br />
www.trans-inter-beratungsstelle.de/de/<br />
CheckpoinT-I-N.html<br />
GRAFIK: FRANK ZUBER<br />
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26 POLITIK<br />
FOTO: MICHAEL LUCAN, LIZENZ: CC-BY 3.0, CC BY 3.0, WIKIMEDIA.ORG<br />
INTERVIEW<br />
IDENTITÄTSPOLITIK:<br />
Von TERFs über EMMA zur AfD<br />
Identitätspolitik scheint im<br />
beginnenden Bundestagswahlkampf<br />
die Dauerbrenner Genderideologie<br />
und Masseneinwanderung<br />
auf die Plätze zu verweisen.<br />
Wer Frau Wagenknecht, Wolfgang<br />
Thierse oder eben Frau Weidel und<br />
den TERFs (Trans-Exclusionary Radical<br />
Feminists) beim diesjährigen<br />
Lesbenfrühlingstreffen genau zuhört,<br />
erkennt Zusammenhänge und<br />
diskursive Mechanismen, die auf<br />
den gleichen ideologischen Stammbaum<br />
zurücklaufen: Das Patriachat<br />
und seine Machtstruktur, die auf<br />
Unterdrückung marginalisierter<br />
Geschlechter ruht. Wir sprachen mit<br />
der Aktivistin*, DJ* und Bildungsreferentin*<br />
Mine Wenzel.<br />
Wie bist du auf die Idee gekommen,<br />
auf Instagram die Reihe „Femi - CIS<br />
- mus - Sexismus- und Misogynieerfahrungen<br />
aus nicht-cis Perspektive“<br />
zu machen?<br />
Die Wortschöpfung Femi-CIS-mus<br />
ist natürlich kein offizieller Begriff,<br />
sondern eine Beschreibung, die versucht,<br />
feministische Räume in Worte zu fassen.<br />
Viele trans*, inter und nicht-binäre<br />
Menschen kennen feministische Gruppen,<br />
die eigentlich nur Arbeit für endo I cis<br />
Frauen machen. Das führt zu vielen<br />
Frustrationsmomenten, die ich von mir<br />
persönlich und anderen Aktivist*innen<br />
kenne, die immer wieder dieselben Dinge<br />
beschreiben: Mensch bekommt das<br />
Gefühl, dass eins immer mehr als die<br />
anderen arbeiten muss, bis die eigene Perspektive<br />
anerkannt wird. Das liegt daran,<br />
dass viele aktivistische Räume vor allem<br />
von denjenigen geprägt sind, die näher an<br />
einer gesellschaftlichen Norm dran sind.<br />
Je weiter ich mich von dieser Norm wegbewege,<br />
desto länger dauert es, bis diese<br />
Perspektive ins Gespräch gebracht wird.<br />
Als trans* und nicht-binäre Person erlebe<br />
ich häufig, wie Feminismus als Kampf um<br />
Geschlechtergerechtigkeit zuallererst aus<br />
einer weißen II cis-weiblichen Perspektive<br />
geführt wird. Konkret habe ich die Serie<br />
Mitte März angefangen, weil mal wieder<br />
am 8. März darüber diskutiert worden ist,<br />
wie mensch den Tag nennt. Diese Frage<br />
ist seit mindestens zehn Jahren geklärt.<br />
Ein Sternchen hinter das Wort „Frauen“<br />
macht es nicht inklusiver. Trans* Männer,<br />
inter* und nicht-binäre Personen fallen<br />
aus dem Begriff heraus. Ich muss zum<br />
fünfzigsten Mal das Gleiche sagen und<br />
es werden wieder die gleichen Leute<br />
fragen: Was ist daran verkehrt? Was
FOTO: OLAF KOSINSKY / CC BY-SA 3.0 DE / WIKIMEDIA.ORG<br />
mache ich stattdessen? Zusätzlich zu dem<br />
elendigen Thema des Namens hat mich<br />
die Demo zum feministischen Kampftag<br />
in Berlin zur Serie inspiriert: Letztes Jahr<br />
haben trans* Sexarbeiter*innen die unangenehme<br />
Erfahrung gemacht, dass vom<br />
„Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung“<br />
Terre de Femmes zur Demo eingeladen<br />
worden sind. Terre des Femmes ist offen<br />
trans*feindlich und das schreiben sie<br />
auch offen in ihrem Manifest. Auf der<br />
Demo haben sie sich diskriminierend<br />
gegenüber trans* Personen und People<br />
of Color (PoC) III verhalten. Das Demo-<br />
Bündnis versicherte damals erst nach<br />
einem öffentlichen Outcall, dass Terre de<br />
Femmes nie wieder Teil des Bündnisses<br />
sein wird. In diesem Jahr war Terre de<br />
Femmes jedoch wieder Teil des Bündnisses!<br />
Mensch reflektiert nicht, ob eine<br />
feministische Gruppe trans*feindlich ist,<br />
sondern denkt sich, weil da Feminismus<br />
draufsteht, ist das schon in Ordnung.<br />
Zusätzlich zu diesem Fiasko hat mich noch<br />
der Umgang mit der Gruppe Trans*Fläche<br />
zu der Serie bewegt. Trans*Fläche ist eine<br />
Gruppe aus trans* Personen, die sichere<br />
und selbstbestimmte Orte für trans*<br />
Personen fordern und deshalb ein Haus<br />
besetzt hatten. Dieses Jahr haben sie ein<br />
Zine IV veröffentlicht, das durch linke Kreise<br />
in den sozialen Medien gegangen ist. Das<br />
Zine ist stellenweise kritisch zu lesen und<br />
einzelne Texte darin sind debattierbar. Die<br />
Gruppe hat jedoch selbst gesagt, dass sie<br />
keine fachliche Abhandlung schreiben,<br />
sondern ihren eigenen Marginalisierungserfahrungen<br />
emotional und affektiv Luft<br />
machen. Im Zuge dessen haben sich<br />
Antifa-Gruppen und<br />
TERFs zusammengetan<br />
und in den<br />
sozialen Medien gegen<br />
die Trans*Fläche-<br />
Gruppe gehetzt und<br />
das Zine verrissen.<br />
Dabei haben sie sich<br />
mit trans*feindlichen,<br />
teilweise rechtspopulistischen<br />
Aussagen gegenseitig<br />
übertroffen, sodass<br />
selbst linke Gruppen<br />
von Nazis nicht mehr unterscheidbar<br />
waren. In einem breiteren feministischen<br />
Kontext waren diese Angriffe jedoch kein<br />
Thema: Es gab nur wenige Initiativen,<br />
die Solidarität gezeigt haben. Gleichzeitig<br />
sind am selben Tag das Haus der<br />
Trans*Fläche geräumt und die Leute in<br />
FOTO: RAIMOND SPEKKING / CC BY-SA 4.0 WIKIMEDIA.ORG<br />
POLITIK 27<br />
Polizeigewahrsam genommen worden.<br />
So sieht trans* Solidarität aus: Sprich, sie<br />
ist nicht vorhanden. Diese Momente sind<br />
der Grund, warum ich mich entschied, auf<br />
Instagram die Beitragsreihe zu starten.<br />
Diese Frustration kann ich nachvollziehen.<br />
Die Vereinnahmung von<br />
Menschen mit Vulvas und Uteri<br />
auf feministischen Demos ist so<br />
eklig. Kannst du erklären, warum<br />
Feminismus nicht nur den endo cis<br />
Frauen gehört? Warum sind trans*,<br />
inter* und nicht-binäre Personen kein<br />
extra Thema, sondern gehören zum<br />
Fundament von Feminismus?<br />
Ich bin immer wieder überrascht, wie solche<br />
eigentlich augenscheinlichen Tatsachen vergessen<br />
werden, dass mensch sagt: Hey, wir<br />
reden jetzt über Geschlechtergerechtigkeit,<br />
aber im nächsten Beitrag geht es explizit<br />
um FrauenTM. Meist wird sich auf reproduktive<br />
Gerechtigkeit zurückgezogen und<br />
damit die Konzentration auf endo cis Frauen<br />
begründet. Doch es ist kein Frauenthema<br />
und diesen Umstand zu bemerken, ist kein<br />
Hexenwerk. Es ist offensichtlich, dass nicht<br />
nur Frauen einen Uterus besitzen. Aber<br />
alle Menschen mit Reproduktionsorganen<br />
brauchen feministische Emanzipation: Bis<br />
2011 waren beispielsweise Zwangssterilisationen<br />
für trans* Personen noch gesetzlich<br />
verpflichtend, wenn sie rechtlich anerkannt<br />
werden wollten. Die Zugänge zu reproduktiver<br />
Medizin werden für trans* Männlichkeiten<br />
und nicht-binäre Personen bis<br />
heute heftig beschnitten. Inter* Personen<br />
werden regelmäßig bei nicht-konsensuellen<br />
Operationen sterilisiert. Der Zugang zu solch<br />
Sachen wie die Konservierung von Samen<br />
und Eizellen ist für trans* Personen eingeschränkt.<br />
Das sind alles Themen, die ebenso<br />
mit reproduktiven Rechten zu tun haben.<br />
Wenn mensch sich mit so einem Thema<br />
auseinandersetzt, wie es Feministinnen<br />
tun, dürfte es eigentlich nicht schwerfallen,<br />
diese Problemfelder<br />
zu bemerken. Doch<br />
aufgrund der eigenen<br />
Scheuklappen, die durch<br />
bestimmte Privilegien<br />
aufgesetzt werden, fällt<br />
so was leider nicht auf.<br />
Was ich dabei besonders<br />
bemerke, ist, dass Feminismus<br />
nicht als Mittel<br />
für eine ganzheitliche<br />
Bewegung für soziale<br />
Gerechtigkeit begriffen<br />
wird. Feminismus ist<br />
wie Antirassismus oder Antifaschismus<br />
ein Werkzeug neben vielen, um soziale<br />
Gerechtigkeit zu erreichen. Wenn ich<br />
versuche, mich mit Themen der sozialen<br />
Gerechtigkeit auseinanderzusetzen,<br />
muss ich Kategorien wie Klasse oder race<br />
mitdenken. So was kommt leider häufig
28 POLITIK<br />
zu kurz. Dann wird gesagt: Im Feminismus<br />
kümmern wir uns nur um Geschlechterverhältnisse.<br />
Dabei wird nicht mitgedacht,<br />
dass zum Beispiel die Erfahrung, die ich<br />
aufgrund eines klassistischen Ausschlusses<br />
mache, sich genauso auf die geschlechterspezifische<br />
Diskriminierung, die ich erlebe,<br />
auswirkt. Diese Kämpfe lassen sich nicht<br />
trennen. Der <strong>Mai</strong>nstream-Feminismus<br />
arbeitet mit einer universellen Vorstellung<br />
einer Frau, ohne festzustellen, dass es<br />
die eine weibliche Perspektive gar nicht<br />
gibt, sondern die behauptete universelle<br />
Perspektive vor allem die Perspektive von<br />
privilegierten weißen Frauen ist. Arme<br />
Menschen, Menschen mit Behinderung<br />
oder nicht-weiße Menschen erleben<br />
andere soziale Ausschlüsse und benötigen<br />
dementsprechend andere feministische<br />
Strategien.<br />
<strong>Mai</strong>nstream-Feminismus vergisst<br />
trans* Themen und will lieber einen<br />
getrennten trans* Aktivismus. Doch<br />
TERFs, also Trans-Exclusionary<br />
Radical Feminists, legen ihren<br />
ganzen Fokus auf trans* Personen<br />
und ihre Auslöschung. Wie kommt<br />
man auf so eine Verdrehung der<br />
Gefahrenlage, wenn man sich diese<br />
ganze sexistische Welt ansieht?<br />
Na ja, wie mensch auf diese<br />
Verdrehung der Gefahrenlage<br />
kommt, frage<br />
ich mich tatsächlich<br />
auch. Häufig heißt<br />
es, dass Frauen in einem feministischen<br />
Kampf etwas erkämpft hätten und jetzt<br />
Sorge haben, dass sie durch andere<br />
Perspektiven etwas abtreten müssten. Das<br />
ist eine schön klingende Entschuldigung für<br />
privilegierte Fragilität.<br />
Der Mechanismus<br />
ist ähnlich, wie wenn<br />
weiße Menschen<br />
Abwehrreflexe<br />
gegenüber antirassistischen<br />
Bestrebungen<br />
verspüren. Entweder<br />
nutzt du dein Privileg,<br />
um mich zu beteiligen,<br />
oder du trittst es ab.<br />
Ich als weiße Person<br />
kenne diesen Reflex<br />
sehr gut, mich in die<br />
Abwehr zu flüchten und zu sagen: Aber ich<br />
bin noch ein*e von den Guten. Ich sehe eine<br />
ähnliche Dynamik, wenn Feministinnen<br />
versuchen, ihren Feminismus gegen neu<br />
erstarkende Perspektive zu verteidigen.<br />
Diese Perspektiven wirken neuartig, jedoch<br />
waren sie schon immer Teil feministischer<br />
Bestrebungen. Sie wurden aktiv kleingehalten<br />
und marginalisiert, um sie aus<br />
sozialen Bewegungen herauszudrücken.<br />
Der Versuch der Unsichtbarmachung ist<br />
nicht neu. Es ist die alte Leier von privilegierten<br />
Personen, die sich relativ nah der<br />
gesellschaftlichen Mitte befinden<br />
und versuchen, das bisschen, das<br />
sie sich erkämpft haben, und<br />
vor allem ihre gesellschaftlich<br />
FOTO: PRIVAT<br />
Mine Wenzel<br />
privilegierte Position zu verteidigen. Gesellschaftliche<br />
Veränderung und Bekämpfung<br />
von Privilegien funktionieren am Ende nur,<br />
wenn ich bestimmte Privilegien anfange<br />
zu teilen. Damit ist ein Status quo nicht<br />
aufrechtzuerhalten. Die<br />
Abwehr ist durchaus<br />
verständlich, weil die<br />
privilegierte Position<br />
bedroht wird. Was ich<br />
gefährlich finde, ist, dass<br />
dieser Verteidigungsreflex<br />
nicht aufgrund einer<br />
vergangenen feministischen<br />
Bewegungserfahrung<br />
ausgelöst<br />
wird, sondern dass darin<br />
aktiv Trans*Feindlichkeit<br />
mitschwingt. Dieser<br />
Hass ist verwurzelt in Texten wie „The<br />
Transsexual Empire“ von Janice Raymond.<br />
Diese Ideen und Bewegungen verfolgen das<br />
Ziel, trans* Menschen aus der Gesellschaft<br />
auszuschließen. In Form von Psycho-<br />
Pathologisierung und von psychiatrischen<br />
Einweisungen soll Trans*Geschlechtlichkeit<br />
aus der Gesellschaft verbannt werden.<br />
Diese Logik basiert auf Be_hindertenfeindlichkeit<br />
V und Eugenik. Es wird argumentiert,<br />
dass trans* Menschen den gesellschaftlichen<br />
Zusammenhalt gefährden. Dabei<br />
klingen Gedankenfiguren an, wie die<br />
sogenannte Trans*Ideologie sei gefährlich<br />
für unsere Kinder und für unsere Frauen.<br />
Diese Argumentationslinie kennen wir:<br />
Da kommen die bösen Invasor*innen, die<br />
unseren gesellschaftlichen Zusammenhang<br />
gefährden und versuchen, sich in unsere<br />
Räume einzuschleichen und uns zu<br />
korrumpieren. Diese Narrative sind sehr<br />
alt und finden sich in antisemitischen<br />
oder rassistischen Verschwörungsmythen<br />
wieder. Diese Menschen bemerken nicht,<br />
wie tief ihre Trans*Feindlichkeit reicht. Es<br />
geht nicht darum, sich für Frauen stark zu<br />
machen, sondern marginalisierten Personen<br />
das Leben unmöglich zu machen. Das sind<br />
aktive Auslöschungsversuche und das ist<br />
brandgefährlich.<br />
Mich erinnert die Rhetorik von<br />
„Frauen schützen“ sehr stark an<br />
Nazi-Argumentationen zum Schutze<br />
der weißen blonden Frau als Bild der<br />
Unschuld und Vertreterin des Volkes.<br />
Absolut. TERFs sind mit ihren Forderungen<br />
und ihrer Rhetorik Steigbügelhalterinnen<br />
von neuen völkischen Bewegungen wie<br />
AfD und Pegida. Rechte sagen: Wir wollen<br />
unsere weißen Frauen und unser Vaterland<br />
beschützen. Die Frau steht als Figur für das<br />
Behüten und Aufziehen von Kindern und<br />
sichert somit die nationalistisch-kapitalistische<br />
Reproduktion für eine funktionierende<br />
und verwertbare Gesellschaft. Einher geht<br />
mit diesem Bild die Angst von Invasoren,<br />
welche in der Regel nicht-weiße Menschen
POLITIK 29<br />
darstellen. Diese Argumentationsstruktur<br />
wird auf alle trans* Personen übergestülpt,<br />
insbesondere auf Trans*Weiblichkeiten.<br />
Marginalisierte Gruppen werden immer<br />
dann als Feindbilder inszeniert, wenn der<br />
gesellschaftliche Status quo verteidigt<br />
bzw. Privilegien weiter ausgebaut werden<br />
sollen. Dieser Mechanismus passiert nicht<br />
nur auf der ideologischen Ebene, sondern<br />
auch auf der materiellen: Für bestimmte<br />
Gruppen wird der gesellschaftliche Zugang<br />
eingrenzt wie zum Beispiel zum Arbeitsoder<br />
Wohnungsmarkt sowie zur Bildung.<br />
Es ist kein Wunder, dass es zuallererst und<br />
insbesondere diejenigen schwer trifft, die<br />
eine mehrfache Marginalisierung erleben:<br />
Undokumentierte Sexarbeiter*innen oder<br />
nicht-weiße Queers sind von mehreren<br />
dieser rassistischen und trans*feindlichen<br />
Argumentation gleichzeitig betroffen.<br />
Sie erleben die volle Härte einer Welt aus<br />
weißer Vorherrschaft und Cisnormativität VI .<br />
In Großbritannien und in den USA ist<br />
die Ideologie von TERFs schon sehr<br />
weit fortgeschritten. Um nicht von<br />
TERFs überrannt zu werden müssten<br />
sich cis Menschen aktiv für unsere<br />
Sicherheit einsetzen? Wie kann die<br />
cis Community uns schützen?<br />
Für ein Ally Sein gehört es immer dazu,<br />
die eigene Position mitzudenken. Ich als<br />
weiße, nicht-be_hinderte trans* Person<br />
versuche mich beispielsweise zu fragen:<br />
Wessen Perspektive kann ich versuchen<br />
zu stärken und ins Zentrum der Aufmerksamkeit<br />
zu rücken? Wie kann ich die Möglichkeiten,<br />
die ich habe, investieren, sodass<br />
mehr Menschen teilhaben können? Wie<br />
kann ich bereits bestehende Bewegungen<br />
unterstützen und Ressourcen zukommen<br />
lassen? Je weiter sich meine Identität in<br />
der gesellschaftlichen Mitte wiederfindet,<br />
desto mehr Einfluss besitze ich und kann<br />
meine Privilegien für soziale Gerechtigkeit<br />
nutzen. Wichtig dabei ist, nicht nur über<br />
Menschen zu reden, sondern Möglichkeiten<br />
schaffen, dass sich Menschen<br />
selbst am Diskurs beteiligen können. In<br />
Situationen, in denen marginalisierte Personen<br />
nicht sprechen können oder wollen,<br />
weil sie sich zum Beispiel angreifbar oder<br />
verwundbar machen, kann ich ihnen meine<br />
Stimme leihen. Wenn marginalisierte<br />
Personen aber sprechen können, bin ich<br />
dazu verpflichtet, die Bühne zu Räumen.<br />
Für den Schutz von trans* Personen<br />
reicht es nicht aus zu sagen, dass trans*<br />
Frauen Frauen sind. Damit werde ich trans<br />
Feind*innen nie überzeugen können. Wenn<br />
Menschen von einem biologistischen<br />
Geschlechterbild ausgehen, werde ich mit<br />
„Trans* Frauen sind Frauen!“ nicht dagegen<br />
vorgehen können. Das ist schlicht und<br />
ergreifend nicht hilfreich. Ich brauche eine<br />
tatsächliche Argumentation, die sich an<br />
materiellen Realitäten orientiert. Ich muss<br />
mich fragen, welcher Ideologie stehe ich<br />
gegenüber, was hat sie für Auswirkungen?<br />
Was haben Ausschlüsse aus dem<br />
Gesundheitssystem für Auswirkungen?<br />
Minderheitenstress, soziale Ausschlüsse,<br />
Probleme auf dem Arbeitsmarkt,<br />
Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt,<br />
reproduktive Ungerechtigkeit sind nur<br />
einige Beispiele. Ich kann im globalen<br />
Zusammenhang schauen: Wer sind die<br />
Personen, die die Reproduktionsarbeit für<br />
weiße Kapitalist*innen leisten? Es sind<br />
häufig osteuropäische oder nicht-weiße<br />
Arbeiter*innen, die undokumentiert in den<br />
Haushalten arbeiten und aufgrund ihrer<br />
prekären Lage Schwierigkeiten haben, aus<br />
diesen missbräuchlichen Verhältnissen<br />
auszubrechen. Ich kann dann analysieren,<br />
wie materielle Ungleichbehandlung sich<br />
auf diese Communities auswirkt. Ich<br />
muss als privilegierte Person anfangen zu<br />
sehen, wie Diskriminierungsphänomene<br />
Hand in Hand gehen. Wenn wir über TERFs<br />
sprechen, sprechen wir häufig auch über<br />
diejenigen, die sich gegen die Inklusion<br />
von Sexarbeiter*innen aussprechen. Dann<br />
sprechen wir häufig über diejenigen, die<br />
mit anti-muslimischem Rassismus in die<br />
Argumentation gehen und versuchen,<br />
weiße Deutungshoheit und white<br />
saviorism in Form von „Wir retten euch!“<br />
durchzusetzen. Der Schutz von trans* Personen<br />
ist somit untrennbar mit anderen<br />
Diskriminierungsformen verbunden. Für<br />
eine soziale Bewegung muss ich materielle<br />
Realitäten analysieren: Wem und wie<br />
werden Ressourcen in dieser Gesellschaft<br />
verwehrt und wer profitiert davon?<br />
Vielen Dank! Möchtest du noch<br />
einen eigenen Punkt reinbringen, der<br />
dir bisher noch gefehlt hat?<br />
So viele Dinge, von denen ich spreche,<br />
sind keine Sachen, die ich mir selbst<br />
ausgedacht habe. Ich lerne viel von<br />
anderen Geschwistern, die diese Arbeit<br />
schon viel länger als ich machen. Gerade<br />
was antirassistische und anti-ableistische VII<br />
Diskurse angeht. Feminismus ist eine<br />
Bewegung, die aus mehreren Perspektiven<br />
besteht. Es ist wichtig, sich selbst immer<br />
wieder einzuladen, dazuzulernen und<br />
denjenigen zuzuhören, die einen anderen<br />
Erfahrungsschatz haben als mensch selbst.<br />
*Interview: Victoria Forkel<br />
https://www.instagram.com/<br />
mine_undclaudia/<br />
I Endo(geschlechtlich) ist das Gegenstück zu inter*<br />
(geschlechtlich). Das heißt, Menschen sind endo, wenn<br />
ihre Körper nach dem westlichen medizinischen Modell<br />
in die Kategorien von Mann und Frau passen und daher<br />
keine Inter*Feindlichkeit erleben.<br />
II Weiß wird klein und kursiv geschrieben, um zu markieren,<br />
dass es sich nicht um eine Beschreibung von einer<br />
Hautfarbe, sondern um die Markierung der von Rassismus<br />
privilegierten Position handelt.<br />
III People of Color ist eine politische Selbstbezeichnung<br />
nicht-Schwarzer, negativ von Rassismus betroffener<br />
Personen. Dabei handelt es sich nicht um eine<br />
Hautfarbenbeschreibung, sondern um eine bewusste<br />
Positionierung in einer auf Rassismus aufbauenden<br />
Gesellschaft.<br />
IV Ein Zine ist eine Publikation in sehr kleiner Auflage.<br />
V Der Unterstrich in „Be_hinderung“ soll verdeutlichen,<br />
dass betroffene Menschen durch die Gesellschaft<br />
be_hindert werden und nicht nur durch die Be_hinderung<br />
selbst.<br />
VI Cisnormativität ist die Vorstellung, dass cis Menschen<br />
normal und natürlich sind, während jede Abweichung<br />
FOTO: GGAADD / CC0
30 POLITIK<br />
LGBTIQ* UND<br />
POLIZEI<br />
FOTO: TESSA GANSERER<br />
„Wer diskriminiert, geht!“<br />
Das war mal ein schwungvoller<br />
Start ins politische Jahr:<br />
Im Bayerischen Landtag hatte die<br />
Fraktion Bündnis90/Grüne gleich<br />
mehrere Themen zu LGBTIQ* auf der<br />
Agenda. Mit deren queerpolitischen<br />
Sprecherin Tessa Ganserer haben wir<br />
uns über die Herausforderungen für<br />
queere Menschen im Polizeidienst<br />
unterhalten.<br />
Frau Ganserer, die Grünen haben vor<br />
Kurzem das Thema LGBTIQ* bei der<br />
Polizei in den Fokus gerückt. Wie<br />
kam es dazu?<br />
Auslöser war eine Studie, die im Januar<br />
im Magazin „DP“ der Polizeigewerkschaft<br />
veröffentlicht wurde. Sie ergab, dass<br />
Diskriminierung innerhalb der Polizei für<br />
queere Beamt*innen praktisch Alltag ist.<br />
Zudem haben wir neulich in einem von uns<br />
organisierten Webinar die Situation mit<br />
Expert*innen beleuchtet und dabei haarsträubende<br />
Geschichten von Betroffenen<br />
gehört. Grund genug, dieses Thema auch<br />
in Bayern auf die Agenda zu setzen.<br />
Wie geht es queeren Polizist*innen?<br />
Zunächst kann man sagen, dass sich<br />
queere Polizist*innen stark mit ihrem<br />
Beruf identifizieren. Umso mehr kommen<br />
sie jedoch in Konflikte, wenn sie intern<br />
Ablehnung erfahren. Und das passiert<br />
immer noch häufig: Von dummen Sprüchen<br />
über handfeste Diskriminierungen<br />
bis hin zu verhinderten Karrierechancen ist<br />
praktisch alles dabei.<br />
Wie reagieren die Beamt*innen?<br />
Wie andere Menschen neigen sie häufig<br />
dazu, negative Erfahrungen auszublenden,<br />
sich Entschuldigungen zurechtzulegen<br />
oder sich durch besonderen Eifer, das<br />
sogenannte „Overperforming“, mehr<br />
Anerkennung zu verschaffen. Das ist eine<br />
sehr belastende Strategie. Und wenn dann<br />
trotzdem Sprüche kommen, kann das<br />
eine Spirale in Gang setzen, die häufig im<br />
Burn-out endet.<br />
Was kann die Politik tun, um deren<br />
Situation zu verbessern?<br />
Wir fordern seit vielen Jahren<br />
hauptamtliche Ansprechpersonen für<br />
LGBTIQ* bei der Polizei. Noch immer<br />
leisten das viele Kolleg*innen quasi ehrenamtlich<br />
nebenbei. Außerdem braucht die<br />
Polizei mehr Fortbildungen im Umgang mit<br />
queeren Menschen und Schulungsmaterial<br />
für den Nachwuchs.<br />
Warum haben es trans* Menschen<br />
bei der Polizei besonders schwer?<br />
Was Trans* von Schwulen und Lesben<br />
unterscheidet, ist, dass es uns zunächst<br />
jeder ansieht und wir es wie eine Monstranz<br />
vor uns hertragen. Eine trans* Person<br />
steht nach dem Coming-out vor einer<br />
Vielzahl von Fragen wie: Welche Umkleide<br />
oder Toilette nutze ich, ab wann erhalte<br />
ich neue Dienstkleidung, einen neuen<br />
Dienstausweis oder eine angepasste<br />
E-<strong>Mai</strong>l-Adresse? Diese Themen sind<br />
nicht eindeutig geklärt. Auch wenn nach<br />
dem Bundesverfassungsgericht die<br />
geschlechtliche Identität unabhängig vom<br />
amtlichen Personenstand zu akzeptieren<br />
ist, gibt es immer wieder Diskussionen um<br />
diese Fragen. Ein respektvoller Umgang<br />
lässt sich nur schwer einklagen. Doch weil
POLITIK<br />
31<br />
das Verfahren zur amtlichen Personenstandsänderung bis<br />
zu einem Jahr dauern kann und trans* Personen dann ja<br />
bereits out leben, muss der Arbeitgeber in der Realität für<br />
ein akzeptierendes Umfeld sorgen.<br />
Oberbürgermeister<br />
Besonders in der Kritik steht in diesem Zusammenhang<br />
die Polizeidienstverordnung (PDV)<br />
300, die sich mit der Diensttauglichkeit von<br />
Bewerber*innen beschäftigt. Warum?<br />
Die PDV 300 ist in manchen Teilen ein Relikt aus alten<br />
Zeiten. In ihr war beispielsweise festgelegt, dass nur<br />
Männer mit mindestens einem funktionierenden Hoden in<br />
den Polizeidienst aufgenommen werden und Frauen keine<br />
Silikon-Implantate besitzen dürfen. Trans* Personen wurde<br />
aufgrund der für sie notwendigen Hormontherapie eine<br />
verminderte psychische Belastungsfähigkeit unterstellt.<br />
Die PDV 300 wurde aber überarbeitet, eine neue<br />
Version ist seit Januar in Kraft …<br />
… und noch immer nicht öffentlich zugänglich. Doch ist<br />
zumindest durchgesickert, dass die oben geschilderten<br />
Passagen gestrichen sind. Dennoch gibt es aus meiner<br />
Sicht zwei Kritikpunkte: Zum einen ist sie in Bayern<br />
noch immer nicht in Kraft – hier setze ich auch auf den<br />
Einfluss der Gewerkschaft der Polizei, die diesem Thema<br />
offen gegenübersteht. Zum anderen hat sich noch kein<br />
Innenminister zu dieser Reform bekannt. Da hätte ich mir<br />
mehr Haltung und eine öffentliche Entschuldigung für die<br />
Fehler aus vergangenen Zeiten gewünscht. Das würde für<br />
Akzeptanz von queeren Menschen in der Polizei werben.<br />
Was würden Sie sich in Zukunft wünschen?<br />
Ich wünsche mir, dass die Polizei künftig aktiv LGBTIQ*-<br />
Personen anwirbt, denn Polizei kann nur funktionieren,<br />
wenn sie einen echten Querschnitt der Bevölkerung<br />
abbildet. Dazu muss sie aber ein guter Arbeitgeber sein<br />
und mit gutem Beispiel vorangehen – auch bezüglich des<br />
Umgangs mit queeren Personen. Ihr Motto sollte lauten:<br />
„Wer diskriminiert, geht!“<br />
Wir machen uns stark!<br />
Für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*,<br />
inter* und queere Menschen<br />
Als Koordinierungsstelle zur Gleichstellung von LGBTIQ*<br />
ist es unser Ziel, die LGBTIQ*-Community in München<br />
zu stärken und Benachteiligungen abzubauen.<br />
Wir machen uns stark. Für LGBTIQ*.<br />
Mehr Informationen unter:<br />
muenchen.de/lgbti<br />
*Interview: Bernd Müller<br />
www.tessa-ganserer.de<br />
AUSSICHTSREICHER<br />
LISTENPLATZ<br />
Auf dem Weg<br />
nach Berlin<br />
Bei der Aufstellungsversammlung<br />
der bayerischen<br />
Grünen am 17. April konnte<br />
Tessa Ganserer Platz 13 auf der<br />
Landesliste erobern. Derzeit sind elf<br />
bayerische Grüne im Bundestag vertreten, nachdem die<br />
Partei bei der letzten Bundestagswahl 9,8 % der Stimmen<br />
erreicht hatte. Nach aktuellen Umfragen können sie<br />
<strong>2021</strong> mit rund 20 % der Stimmen im Freistaat und somit<br />
einer Verdoppelung ihrer Bundestagsmandate rechnen.<br />
Demzufolge stehen die Chancen für Tessa Ganserer<br />
sehr gut, ab Herbst in den Bundestag zu wechseln. Den<br />
Berliner Wohnungsmarkt sollte sie auf jeden Fall schon mal<br />
studieren. *bm<br />
FOTO: TESSA GANSERER<br />
Ist die Welle noch so steil,<br />
a bisserl was geht allerweil.<br />
www.az-muenchen.de/abo
32 POLITIK<br />
FOTO: PUBLIC DOMAIN COMMONS.WIKIMEDIA.ORG<br />
Geschlechtsdiverse Menschen um 1865 in damaligen Britisch-Indien<br />
ALLER GUTEN DINGE<br />
Geschlechtersysteme, die rein<br />
zweigeschlechtlich denken, sind die<br />
Ausnahme, nicht die Regel.<br />
SIND VIELE<br />
Trans*geschlechtlichkeit ist ein westliches<br />
Konzept, Menschen und ihre Geschlechtsidentität<br />
zu verstehen. Trans* zu sein<br />
bedeutet in der weitesten Definition,<br />
dass das bei der Geburt zugewiesene<br />
Geschlecht nicht (mehr) mit der eigenen<br />
Geschlechtsidentität übereinstimmt. Cis<br />
zeigt an, dass das Geschlecht mit dem<br />
zugeteilten Geschlecht übereinstimmt.<br />
Das heißt, dass Trans*- und Cisgeschlechtlichkeit<br />
nur etwas darüber aussagen, wie<br />
man zu seinem Geschlecht gekommen ist,<br />
aber nichts darüber, welches Geschlecht<br />
man hat. Das heißt, wenn einer Person<br />
kein Geschlecht zugewiesen worden ist,<br />
kann es auch nicht trans* oder cis sein. In<br />
verschiedenen Kulturen und Religionen<br />
der Welt werden Geschlechter anders<br />
verstanden als in der westlichen Welt,<br />
sodass diese theoretisch anmutende<br />
Spielerei Realität ist.<br />
Zweigeschlechtlichkeit, also die Idee, dass<br />
es nur Männer oder Frauen gibt, ist ein<br />
westliches und vergleichsweise junges<br />
Konzept, Menschen mit ihren Körpern<br />
und Geschlechtern zu verstehen. Erst<br />
während der letzten Jahrhunderte wurde<br />
das binäre Geschlechtersystem durch<br />
die europäische Kolonisation gewaltvoll<br />
anderen Bevölkerungen übergestülpt.<br />
Jeder Lebensbereich wurde kolonisiert,<br />
so auch das Verständnis und Ausleben<br />
des eigenen Geschlechts. Die damalige<br />
Inca-Bevölkerung im heutigen Peru<br />
kannte beispielsweise das Geschlecht<br />
der Quariwarmi, die eine wichtige Rolle im<br />
spirituellen Leben des Volkes übernahmen.<br />
Ab dem 16. Jahrhundert wurden sie von<br />
spanischen Kolonisatoren als homosexuelle<br />
Männer verfolgt. Im britischen Indien<br />
wurden geschlechtsdiverse Menschen,<br />
die bis dato gesellschaftlich respektiert<br />
waren, 1871 durch den Criminal Tribes Act<br />
(dt. Gesetz der kriminellen Stämme) als<br />
Kriminelle klassifiziert: Sie wurden unter<br />
anderem in einem polizeilichen Register<br />
geführt und ihr Bewegungsfreiraum wurde<br />
eingeschränkt.<br />
Kultur- und religionsspezifische<br />
Geschlechter sind an eine bestimmte<br />
Kultur oder Religion gebunden und ergeben<br />
nur in diesem Kontext Sinn. Aus den mehr<br />
als 50 Geschlechtern, die wir gefunden<br />
haben, werden wir sechs von ihnen näher<br />
vorstellen.<br />
RELIGION<br />
Im Judentum gibt es sechs Geschlechter,<br />
obwohl sie vielen Jüd*innen selbst nicht<br />
mehr bekannt sind. Sie nennen sich<br />
Zachar, Nekeivah, Androgynos, Tumtum,<br />
Ay’lonit und Saris. In einer westlichchristlichen<br />
Lesart könnten sie als Mann,<br />
Frau, zwei inter Geschlechter und zwei<br />
trans* Geschlechter verstanden werden.<br />
Aus diesem Grund nannte die jüdische<br />
Kolumnistin Debora Antmann das System<br />
binär, ohne zweigeschlechtlich zu sein.<br />
EUROPA<br />
In und um Neapel herum existieren<br />
Femminielli, die Menschen mit einer
POLITIK 33<br />
femininen Geschlechtsidentität darstellen. Traditionell<br />
wird ihr Geschlecht mit der griechischen Mythologie in<br />
Zusammenhang gebracht. Bis zum 20. Jahrhundert waren<br />
sie in einer privilegierten Position, da ihre Präsenz als<br />
glückbringend verstanden wurde.<br />
AFRIKA<br />
In Madagaskar leben Sekrata: Kinder, aus denen später<br />
Männer werden würden, werden, wenn sie früh in ihrer<br />
Kindheit als feminin wahrgenommen werden, als Sekrata<br />
erzogen. In der Bevölkerung werden sie als etwas Besonderes<br />
und somit Schützenswertes angesehen.<br />
ASIEN<br />
Im muslimischen Indonesien werden fünf verschiedene<br />
Geschlechter anerkannt: makkunrai, oroané, calalai, calabai<br />
und bissu. Während die ersten beiden für Mann und Frau<br />
stehen, sind die nächsten drei Geschlechter, die wir nicht<br />
kennen. Die Geschlechtsidentität von bissu ist mit einer<br />
spirituellen Tätigkeit verbunden.<br />
NUR<br />
14<br />
Cent/ Min.<br />
GAYBOYS<br />
LIVE AM<br />
TELEFON<br />
RUF AN!<br />
AUSTRALIEN UND OZEANIEN<br />
Auf den samoanischen Inseln in Ozeanien werden neben<br />
Frauen und Männern noch Fa’afafine und Fa’afatama anerkannt.<br />
Bei diesen beiden Geschlechtern werden die Kinder,<br />
wenn sie sich feminin oder maskulin verhalten, als das<br />
jeweilige Geschlecht großgezogen. Ähnliche Geschlechter<br />
unter anderen Namen sind auf den Inseln Hawaii und<br />
Tonga zu finden.<br />
SÜD- UND NORDAMERIKA<br />
Die indigene Bevölkerung Nordamerikas kennt je nach<br />
Bevölkerungsgruppe viele verschiedene Geschlechter, die<br />
oft unter dem Begriff Two-Spirit subsumiert werden: Das<br />
Diné-Volk respektiert beispielsweise neben Frauen und<br />
Männern auch nadleehi und dilbaa. Bei den Lakota gibt es<br />
das dritte Geschlecht winkte. *vf<br />
LERNE HEISSE<br />
MÄNNER KENNEN<br />
0180 5 380 480*<br />
SD - 14 Cent/Min. aus d. deutschen Festnetz Mobilfunktarif max. 42 Cent/Min.
34 POLITIK<br />
OTO: INSTAGRAM<br />
WISSEN<br />
Dani Coyle ist eine intersexuelle Aktivist*in, die auch trans* ist.<br />
Wie wahrscheinlich<br />
bist du trans*?<br />
Zwei Gruppen sind besonders<br />
oft trans* und/oder<br />
nicht-binär: inter oder autistische<br />
Personen. Die Wahrscheinlichkeit<br />
unter ihnen geschlechtsdivers<br />
zu sein, ist bei beiden Gruppen<br />
stark erhöht. Mit mehr Forschung<br />
können zukünftig sicherlich weitere<br />
Überschneidungen gefunden<br />
werden.<br />
INTER UND TRANS* SIND ZWEI SCHUH’,<br />
DOCH VIELE TRAGEN BEIDE<br />
Intersexualität beschreibt den Körper und<br />
Trans*geschlechtlichkeit das Geschlecht<br />
eines Menschen. Dieser Unterschied<br />
ist für viele schwer begreifbar. Wir<br />
erinnern uns an die schändlichen<br />
Bemerkungen von Annegret Kramp-<br />
Karrenbauer zum Karneval 2019. Ihr<br />
„Witz“ machte sich über die Transition<br />
von trans* Menschen lustig, doch wurden<br />
Kramp-Karrenbauers Kommentare<br />
hauptsächlich unter Interfeindlichkeit in<br />
der Öffentlichkeit diskutiert. So falsch ein<br />
Zusammenwerfen dieser beiden Eigenschaften<br />
ist, so wäre eine komplette<br />
Trennung der Communitys falsch: Neun<br />
Prozent von intersexuellen Menschen<br />
sich auch trans*geschlechtlich. Diese<br />
Ergebnisse wurden in einer Studie der<br />
Berliner Charité und einem schwedischen<br />
und niederländischen Institut gefunden,<br />
die 2018 veröffentlicht wurde. Ein Grund<br />
für diese hohe Zahl ist sicherlich, dass<br />
trans* Menschen die einzige Gruppe der<br />
Bevölkerung sind, die häufig während<br />
einer medizinischen Transition auf<br />
Intersexualität getestet werden. Viele<br />
Bereiche einer Diagnose der Variante<br />
der Geschlechtsentwicklung (Fachwort<br />
für Intersexualität) sind mit dem bloßen<br />
Auge nicht erkennbar. Aus diesem Grund<br />
wissen viele Menschen nichts über ihre<br />
Intersexualität. Ein weiterer Grund kann<br />
in den körperlichen Entwicklungen von<br />
inter Menschen stecken: In unserer<br />
Gesellschaft wird das Geschlecht so sehr<br />
mit einem bestimmten Körperform in<br />
Verbindung gebracht, dass körperliche<br />
Abweichungen ebenso Einfluss auf die<br />
eigene Geschlechtlichkeit nehmen.<br />
GESCHLECHT IST KEIN HIRNGESPINST,<br />
DOCH ES SPIELT SICH AUCH IM KOPF AB<br />
Autistische Menschen erleben sich und<br />
ihre Umwelt anders als neurotypische<br />
Menschen. Nicht verwunderlich, dass<br />
auch ihr Verständnis von Körpern und<br />
Geschlechtern von der Mehrheitsgesellschaft<br />
abweicht. In einer 2020<br />
erschienen britischen Studie wurden über<br />
600.000 Menschen zu diesem Thema<br />
befragt. Damit ist es bis heute die größte<br />
Studie, die eine Überlappung zwischen<br />
autistischen und geschlechtsdiversen<br />
Menschen beforscht. Unter den Befragten<br />
identifizierten sich 36 Prozent der trans*<br />
und/oder nicht-binäre Personen als<br />
autistisch, im Gegensatz zu 16 Prozent der<br />
cis Männer und 14 Prozent der cis Frauen.<br />
Die Zahlen spiegeln den Umstand wider,<br />
dass viele Beschreibungen, was einen<br />
Mann oder eine Frau ausmacht, nur für<br />
neurotypische Menschen Sinn ergeben.<br />
Autistische Personen schütteln bei<br />
vielen vermeintlich geschlechtsbasierten<br />
Verhalten den Kopf und finden sich häufig<br />
in den typischen Geschlechterrollen und<br />
-Erwartungen nicht wieder. *vf
DESIGN<br />
BESTES AUS<br />
ARCHITEKTUR<br />
JAPAN<br />
Der japanische Architekt Shigeru Ban ist ein Paradebeispiel dafür, dass man niemals<br />
nur an die unmittelbaren Tätigkeiten des eigenen Berufs gebunden ist. Er hat bewiesen:<br />
Der Blick über den professionellen Tellerrand kann die Karriere sogar vorantreiben.<br />
Seine humanitären Bemühungen auf internationalem Boden haben ihm nicht nur den Ruf<br />
eines engagierten Philanthropen eingebracht, sondern auch den wichtigsten Preis der<br />
Architekturszene.<br />
Shigeru Ban wurde 1957 in Tokio geboren. Er studierte am<br />
Southern California Institute of Architecture in Los Angeles<br />
und später an der Cooper Union’s School of Architecture in<br />
New York. Das Resultat sowohl japanischer als auch westlicher<br />
Stileinflüsse lässt sich heute gut an Bans Arbeiten ablesen.<br />
Bekannt wurde er aber vor allem durch den Einsatz von Papier<br />
und Pappe als Baumaterial. Papier wird aus nachwachsenden<br />
Rohstoffen hergestellt und kann vollständig recycelt werden.<br />
Ban wird deshalb auch zu den Vertretern des sogenannten<br />
Ökologischen Bauens gezählt. So schuf er 2013 eine Kirche<br />
in Neuseeland, die teilweise aus Karton besteht, und zeichnete<br />
bereits im Jahr 2000 für den japanischen Pavillon auf<br />
der Expo in Hannover verantwortlich, für das vornehmlich<br />
die Ban-typischen Pappröhren verwendet wurden. Seit 1995<br />
setzt er sich außerdem für die Katastrophenhilfe ein, für die er<br />
ein eigenes Netzwerk von Architekten (Voluntary Architects’<br />
Network) gründete. Mithilfe von simplen Materialien wie Papier,<br />
Pappe, Bierkästen oder Sandsäcken hat Ban Notunterkünfte<br />
in der ganzen Welt geschaffen, die schnell auf- und abzubauen<br />
sind. Für seine Aktivitäten als Architekt und Wohltäter erhielt<br />
er 2014 den Pritzker Architecture Prize. Der TASCHEN Verlag<br />
hat Shigeru Ban ein Sammelwerk seiner wichtigsten Arbeiten<br />
gewidmet. *fj<br />
www.shigerubanarchitects.com / www.taschen.com<br />
„Shigeru Ban. Das vollständige Werk 1985 – 2015“, Philip<br />
Jodidio, Hardcover, 22,8 x 28,9 cm, 2,90 kg, 568 Seiten
ARCHITEKTUR<br />
THE YORK<br />
DESIGN<br />
HOUSE<br />
Architekt Alex Nerovnya erlangte dank dem ungewöhnlichen Einsatz von Glas und dem Spiel mit<br />
geometrischen Formen Bekanntheit über die Grenzen seiner russischen Heimat hinaus. Das im letzten Jahr<br />
von ihm konzipierte York House verbindet seine beiden großen Stärken auf ungewöhnliche Weise.<br />
Eigentlich könnte das York<br />
House ein ganz normales<br />
Ferienhaus in irgendeinem<br />
Tannenwald in Nordosteuropa<br />
oder Kanada sein, wenn es nicht<br />
mit einer Front daherkäme, die<br />
anmutet, als hätte jemand das<br />
Gebäude in der Mitte schlichtweg<br />
durchgeschnitten und die<br />
andere Hälfte weggeworfen.<br />
Darüber hinaus hat Alex Nerovnya<br />
die klassische Form des<br />
Spitzdachhauses leicht entrückt<br />
und die links und rechts vom<br />
Mittelblock verlaufenden Seiten<br />
einige Meter versetzt angelegt.<br />
Das ausgefallene Design soll<br />
zum einen die Interaktion mit<br />
der natürlichen Umgebung<br />
intensivieren und das Gefühl<br />
aufkommen lassen, Innen- und<br />
Außenbereiche würden verschwimmen.<br />
Zum anderen will<br />
Nerovnyas Entwurf einer bereits<br />
unzähligen Male verwendeten<br />
Form einen modernen Anstrich<br />
verleihen. Insgesamt sollen auf<br />
200 Quadratmetern bis zu acht<br />
Personen in vier Schlafzimmern<br />
Platz haben. *fj<br />
en.alex-nerovnya.com
REISE<br />
SPARTACUS CRUISE<br />
die einzige deutschsprachige<br />
Gay Cruise<br />
Endlich ist es so weit: Die zweite Gay<br />
Cruise der blu Mediengruppe sticht in See.<br />
Termin ist der 8. bis 18. Februar 2022 mit<br />
einer Route vor der afrikanischen Küste.<br />
Bei deutlich über 20 Grad im Schatten und<br />
acht Sonnenstunden pro Tag kann man<br />
den Winter hinter sich lassen und Wärme<br />
tanken. Gleichzeitig sind es angenehme<br />
Temperaturen für Ausflüge. Die Cruise wird<br />
ohne Social-Distancing-Maßnahmen und<br />
Maskenpflicht durchgeführt. Daher muss<br />
jeder Gast spätestens 14 Tage vor der<br />
Abfahrt eine abgeschlossene Covid-Impfung<br />
oder Immunitätsbescheinigung nachweisen.<br />
Diese Kreuzfahrt kombiniert die unbekannteren<br />
Inseln der Kanaren mit der<br />
Blumeninsel Madeira. Damit auch Raum<br />
für Erkundungen ohne Zeitdruck bleibt,<br />
ist an mehreren Orten ein Overnight<br />
eingeplant. Geplant ist folgende Route:<br />
Neben diesen Anläufen sind zahlreiche<br />
Highlights, die dem späteren Ausflugsprogramm<br />
entnommen werden können,<br />
geplant. Dazu gehört die kleine Schwester<br />
Madeiras, Porto Santo, wo man wandern<br />
oder edlen Wein verkosten kann.<br />
Zurück auf den Kanaren lernt man<br />
Lanzarotes imposante Vulkanlandschaft<br />
kennen und besucht auch La Graciosa,<br />
die kleinste der Kanarischen Inseln. Auf<br />
Gomera warten in den Nebeln des hoch<br />
gelegenen Nationalparks Garajonay dichte<br />
Wälder aus Farnen und moosbedeckten<br />
Bäumen. La Palma bietet neben engen<br />
Gassen aus Kopfsteinpflaster und<br />
Häusern mit Holzbalkonen in der<br />
Hafenstadt Santa Cruz auch spektakuläre<br />
Sehenswürdigkeiten der Natur wie den<br />
Wasserfall der Farben oder den Idafe Rock<br />
/ Roque Idafe im Nationalpark Caldera<br />
de Taburiente. Wer seine Reise nicht<br />
8. – 18. FEBRUAR 2022<br />
8.2. LAS PALMAS (GRAN CANARIA) Abfahrt um 18 Uhr<br />
9.2. FUNCHAL (MADEIRA) Ankunft um 15 Uhr (Overnight)<br />
10.2. Abfahrt Funchal um 20 Uhr<br />
11.2. At sea<br />
12.2. ARRECIFE (LANZAROTE) Ankunft um 7 Uhr (Overnight)<br />
13.2. Abfahrt Arrecife um 20 Uhr<br />
14.2. At sea<br />
15.2. SANTA CRUZ (LA PALMA) von 8 bis 24 Uhr<br />
16.2. LA GOMERA von 8 bis 21 Uhr<br />
17.2. LAS PALMAS (GRAN CANARIA) Ankunft um 8 Uhr (Overnight)<br />
18.2. Ausschiffung
REISE<br />
verlängern will, hat am vorletzten Tag die<br />
Gelegenheit, die Dünen von Maspalomas<br />
auf Gran Canaria zu besuchen. Zwei Seetage<br />
an Bord der Vasco da Gama schaffen<br />
eine echte Kreuzfahrtatmosphäre, die wir<br />
mit Poolspielen verbringen werden.<br />
DAS BORDPROGRAMM<br />
Zusätzlich zum Bordprogramm des<br />
Schiffes werden auf der Spartacus Cruise<br />
wieder zahlreiche Künstler der Community<br />
auftreten. Auf der Agenda stehen<br />
außerdem zahlreiche Themenpartys am<br />
Pool wie „White“, „Wig“ oder „Kinky“, bei<br />
denen der Kreativität bei den Outfits<br />
keine Grenzen gesetzt sind. Auch die<br />
beliebten Pool Games mit der Wahl<br />
zum „Mr. Cruise“ werden auf keinen Fall<br />
fehlen. Alle Gäste sind natürlich wieder<br />
herzlich eingeladen, ihre Türen individuell<br />
zu gestalten, wobei die verrückteste Idee<br />
prämiert wird. Die Details zu Künstlern<br />
und DJs werden im Laufe der kommenden<br />
Wochen ständig ergänzt. Zu den<br />
Künstlern gehört Joel von Lerber, der die<br />
Tea Times mit seinem Harfenprogramm<br />
von Klassik bis Pop begleiten wird. Für<br />
den fetten Sound sorgt u. a. Star-DJ Chris<br />
Bekker.<br />
SINGLE MATCH<br />
Kreuzfahrten sind leider keine optimale<br />
Reiseform für Singles, da sich die Preise<br />
nach Kabinen in Zweierbelegung berechnen.<br />
Das heißt, für die alleinige Nutzung<br />
einer Kabine ist immer der Preis einer<br />
Zweierbelegung zu entrichten. Auf der<br />
letzten Cruise wurden erfolgreich<br />
vierzig Singles verknüpft, die sich eine<br />
Kabine geteilt haben. Auch dieses Mal<br />
wird es in der Buchungsmaske wieder die<br />
Option „Singlematch“ geben. Wer sich<br />
dafür entscheidet, wird kontaktiert und<br />
kann im persönlichen Gespräch ein paar<br />
Anhaltspunkte zu seinem gewünschten<br />
Match geben. Gesichtspunkte a) ähnliches<br />
Alter, b) ähnlicher Tagesrhythmus<br />
(Morgenmensch versus Nachtmensch),<br />
c) gleiche Kabinenkategorie. Selbstverständlich<br />
können sich auch Zweiermatches<br />
melden, die sich bereits gefunden<br />
haben. Dafür gibt es auf Romeo einen<br />
Club unter dem Namen „mCruise“.<br />
Mehr Infos unter<br />
www.spartacus.cruises
GESELLSCHAFT<br />
ZWEI<br />
REPORT<br />
GESICHTER<br />
EINER STADT<br />
LANGE WIRKTE KRAKAU WIE EIN SICHERER HAFEN DER LGBTIQ*-COMMUNITY IM<br />
FEINDSELIG GESTIMMTEN POLEN. DOCH SEIT DIESEM JAHR MEHREN SICH AUCH<br />
HIER DIE ANGRIFFE AUF DIE QUEERE GEMEINSCHAFT. NUN REGT SICH WIDERSTAND<br />
GEGEN DEN HASS.<br />
Eigentlich wollte Han nur seinen Freund<br />
besuchen. Doch als er eine Straße<br />
überquerte, bemerkte er, dass ein<br />
parkender Autofahrer ihn beobachtete.<br />
„Als er mich gesehen hat, hat er den Motor<br />
angelassen – und ist in mich reingefahren“,<br />
erzählt Han, friemelt eine Zigarette aus der<br />
Packung und steckt sie sich zwischen die<br />
Lippen. Er verharrt einen Moment, bevor<br />
er sie anzündet, und blickt in die Ferne, als<br />
sehe er dort die Situation, in der er vor ein<br />
paar Monaten am Stadtrand von Krakau<br />
war. „Der Typ machte das Fenster runter<br />
und starrte mich böse an. Er sagte nichts,<br />
bis ich weggerannt war.“<br />
Das Auto hatte nicht genug Geschwindigkeit,<br />
um Han ernsthaft zu verletzen.<br />
Trotzdem ging an diesem Tag etwas<br />
kaputt: Krakau ist Hans Heimat, hier<br />
wurde er geboren. Und doch fühlt sich der<br />
21-Jährige nun nicht mehr sicher, denn<br />
Han möchte sich nicht festlegen, welchem<br />
Geschlecht er sich zugehörig und von welchem<br />
er sich angezogen fühlt. Bisexuell,<br />
non-binär, queer – es gibt viele Labels, mit<br />
denen er sich identifiziert. Jedes einzelne<br />
ist gefährlich, wenn es die falsche Person<br />
in der falschen Ecke Krakaus zur falschen<br />
Uhrzeit erkennt – oder sich von seinen<br />
auffälligen roten Haaren provoziert fühlt.<br />
Es sind die zwei Seiten einer Stadt,<br />
die damit ringt, wer sie ist und wer<br />
sie sein möchte. Im Zentrum der<br />
800.000-Einwohner-Metropole gibt es<br />
queere Klubs, Regenbogenfahnen hängen<br />
in den Fenstern. An den Stadträndern, wo<br />
die Häuserblocks abgelöst werden von<br />
Einfamilienhäusern mit Garten und Garage,<br />
ist es für Han, als sei er in einer anderen<br />
Stadt. „Wenn ich an die Stadtgrenze gehe,<br />
bekomme ich seltsame Blicke, ich werde<br />
angeschrien, auf mich wird gezeigt und<br />
ich werde verfolgt“, sagt Han, setzt die<br />
Zigarette an und nimmt einen tiefen Zug.<br />
Krakau bei Nacht ist ein anderer Ort als<br />
Krakau bei Tag. Sich bloß nicht von der<br />
Gruppe trennen, nicht alleine unterwegs<br />
sein, nicht auffallen: Han kennt die Regeln,<br />
er erinnert seine Freunde daran, wenn sie<br />
abends gemeinsam unterwegs sind. Muss<br />
Han alleine los, hat er inzwischen eine<br />
Dose Pfefferspray bei sich, „nur für den<br />
Fall“. Außerdem trainiert er seit einigen<br />
Monaten Selbstverteidigung, „weil viele<br />
meiner Freunde angegriffen worden sind,<br />
vor allem in letzter Zeit.“<br />
MIT MESSERN GEJAGT<br />
In diesem Jahr häufen sich die Angriffe auf<br />
queere Menschen, beobachtet Mateusz<br />
Gędźba. „Die Gewalt von Bürger*innen<br />
gegenüber der LGBTIQ*-Community<br />
wächst. Im Sommer hatten wir einige<br />
besorgniserregende Vorfälle, bei denen<br />
queere Menschen vor Schwulenbars<br />
wie dem „Club Papuga“ mit Messern<br />
gejagt wurden“, sagt er. Mateusz ist<br />
Vorstandsvorsitzender von DOM EQ, einer<br />
Föderation, die verschiedenste LGBTIQ*-<br />
Gruppierungen zusammengebracht hat.<br />
Gemeinsam versuchen sie, die Situation<br />
für queere Menschen in Krakau zu verbessern.<br />
Im vergangenen Jahr eröffnete<br />
das Team ein Gemeinschaftszentrum: ein<br />
altes Einfamilienhaus, mit Glitzer am Zaun<br />
und Regenbogenlichterkette, umfunktioniert<br />
zum queeren Hauptquartier Krakaus.<br />
Hier treffen sich verschiedene Selbsthilfegruppen,<br />
der queere Chor probt in den<br />
Räumen und Literaturliebhaber*innen<br />
organisieren Gedichtlesungen. Für<br />
Mateusz mit am wichtigsten sind die<br />
Beratungsangebote. Sowohl rechtlich<br />
als auch psychologisch können sich
GESELLSCHAFT<br />
LGBTIQ*-Personen hier helfen lassen:<br />
„Wenn jemand selbstmordgefährdet ist,<br />
lädst du ihn nicht auf ein Bier in einer Bar<br />
ein“, sagt der 36-Jährige. Deshalb sei es so<br />
wichtig gewesen, einen sicheren Ort wie<br />
das DOM EQ zu schaffen.<br />
Wie es scheint, ist DOM EQ gerade<br />
zur rechten Zeit entstanden. Mateusz<br />
erschreckt, wie schnell Szenen wie vor der<br />
Schwulenbar Papuga Alltag geworden sind,<br />
wie selbstverständlich die LGBTIQ*-Community<br />
zur Zielscheibe wahlloser Angriffe.<br />
Für ihn ist klar, wer dafür verantwortlich<br />
ist: „Der Ton wird von oben angegeben,<br />
das ist mehr als deutlich. Wenn hohe<br />
Offizielle im Staat nach Aggression rufen,<br />
sie rechtfertigen, die Täter*innen schützen,<br />
dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis alle<br />
anderen glauben, das sei normal.“<br />
Auch Han hat bemerkt, wie sich die<br />
Stimmung in Krakau seit der letzten Wahl<br />
verändert hat. Trotzdem geht er weiter<br />
feiern, Freunde besuchen, versteckt seine<br />
roten Haare nicht unter der Kapuze: „Ich<br />
will nicht so viel Angst haben, dass ich<br />
nicht mehr mein Leben leben kann.“<br />
„MEINE KIRCHE<br />
HASST MICH“<br />
Nicht nur die Politik ist Auslöser für die<br />
wachsende LGBTIQ*-Feindlichkeit. Auch<br />
die katholische Kirche ist eine treibende<br />
Kraft des Hasses. Von einer „Regenbogenpest“<br />
sprach der Erzbischof von Krakau,<br />
Marek Jedraszewski, im Sommer 2019.<br />
Nicht sein erster Kommentar gegen<br />
die queere Community und nicht sein<br />
letzter. Regelmäßig stellt er die LGBTIQ*-<br />
Gemeinschaft als eine Ideologie des<br />
„Wenn ich an die<br />
Stadtgrenze gehe,<br />
bekomme ich seltsame<br />
Blicke, ich werde angeschrien,<br />
auf mich wird<br />
gezeigt und ich werde<br />
verfolgt“<br />
HAN
GESELLSCHAFT<br />
KAROL<br />
„Hier in Polen scheinen die Kirche und die LGBTIQ*-<br />
Community das Gegenteil voneinander zu sein<br />
und klar getrennt. Wir als queere Christ*innen wollen<br />
zeigen, dass es möglich ist, diese beiden Identitäten<br />
miteinander zu verbinden.“<br />
Westens dar, die bekämpft werden müsse.<br />
Was der Erzbischof sagt, hat Gewicht:<br />
Etwa neunzig Prozent der polnischen<br />
Bevölkerung sind katholisch.<br />
„Meine Kirche hasst mich.“ So fasst Karol<br />
Szymonik die aktuelle Situation zusammen.<br />
Der 26-Jährige ist gläubiger Christ<br />
– und schwul. „Ich habe zu Gott gebetet,<br />
dass er das von mir nimmt“, sagt er, wenn<br />
er an seine Schulzeit zurückdenkt. Karol<br />
stammt aus der kleinen Stadt Oświęcim.<br />
Dort kannte er keinen anderen schwulen<br />
Mann. Sich zuzugestehen, homosexuell<br />
zu sein, fiel ihm schwer. „Erst als ich für<br />
mein Studium nach Krakau kam, habe<br />
ich mich freier gefühlt.“ Dort hörte er das<br />
erste Mal von anderen schwulen Männern<br />
und vertraute sich seinen engsten<br />
Freund*innen an. Nach und nach erzählte<br />
er es mehr Kommiliton*innen, ehe er sich<br />
schließlich outete. Am schwersten war<br />
es für Karol, gegenüber seinen streng<br />
katholischen Eltern offen zu sein: „Sie<br />
waren sehr überrascht, sie haben nicht<br />
einmal in Erwägung gezogen, dass so<br />
etwas möglich ist.“ An das Gespräch<br />
mit seiner Mutter kann er sich noch gut<br />
erinnern, obwohl es inzwischen vier Jahre<br />
her ist: „Als ich mich geoutet habe, hat<br />
meine Mutter heftig geweint. Das war<br />
eine schwierige Unterhaltung zwischen<br />
uns. Danach wusste ich nicht, ob das für<br />
sie in Ordnung ist oder nicht.“ Seit dem<br />
Gespräch wird über Karols Sexualität in<br />
der Familie geschwiegen.<br />
Karol arbeitet inzwischen in Krakau als<br />
Tierarzt. „Während meines Studiums<br />
habe ich darüber nachgedacht, aufs<br />
Land zu ziehen und Kühe zu behandeln.<br />
Aber dann habe ich mir gedacht: Ich<br />
bin schwul – so kann ich nicht leben.<br />
Auf dem Land ist es viel gefährlicher für<br />
mich.“ In Krakau fühlt sich Karol wohl,<br />
zumindest bis zu einem gewissen Grad:<br />
„Es gibt Orte, an denen wir uns gemeinsam<br />
treffen können, es gibt Kirchen, in<br />
die wir gehen können, wo wir akzeptiert<br />
sind – es ist sehr viel angenehmer als<br />
in den Dörfern. Aber trotzdem gibt es<br />
überall Zeichen von Homophobie.“ Es<br />
fällt Karol schwer, diese Ambivalenz in<br />
Worte zu fassen. Auf der einen Seite eine<br />
Freiheit, von der er in seinem Heimatdorf<br />
nicht einmal träumen konnte, auf der<br />
anderen Seite die ständige Angst, doch<br />
auf die falschen Leute zu treffen. „Wenn<br />
ich nachts mit meinen Freunden unterwegs<br />
bin, habe ich diesen Gedanken im<br />
Kopf, dass die Leute erkennen, dass wir<br />
schwul sind, und uns deswegen zusammenschlagen<br />
werden.“ Vieles könnte<br />
besser sein in Krakau, „aber es ist gerade<br />
nun einmal, was es ist“, sagt Karol..<br />
ABLENKEN VOM MISS-<br />
BRAUCHSSKANDAL<br />
Karol redet ruhig und konzentriert, nur<br />
wenn er über die Ungerechtigkeiten in<br />
seinem Land spricht, wird er merklich<br />
aufgebrachter, seine Stimme wird<br />
schneller, er fängt an zu gestikulieren.<br />
„Hier in Polen scheinen die Kirche und<br />
die LGBTIQ*-Community das Gegenteil<br />
voneinander zu sein und klar getrennt.“<br />
Um das zu ändern, engagiert sich Karol in<br />
der Initiative „Glaube und Regenbogen“.<br />
„Wir als queere Christ*innen wollen<br />
zeigen, dass es möglich ist, diese beiden<br />
Identitäten miteinander zu verbinden.“<br />
Mit der aktuellen Kirchenführung fällt das<br />
nicht immer leicht, aber Karol hat einen<br />
Weg für sich gefunden: „Die Bischöfe in<br />
Polen sind die eine Sache, mein Glaube ist<br />
etwas anderes. Ich höre nicht so genau hin,<br />
worüber die Priester in ihrer Predigt reden<br />
– denn das tut mir manchmal weh.“<br />
Dass sich die Rhetorik der katholischen<br />
Kirche in den vergangenen Monaten noch<br />
einmal verschärft hat, ist für Karol kein<br />
Zufall. Ähnlich wie in Deutschland erschütterte<br />
auch in Polen ein Missbrauchsskandal
Privat statt Hotel<br />
Jetzt risikoarm übernachten<br />
Tausende<br />
von schwulen<br />
Gastgebern in über<br />
70 Ländern erwarten<br />
dich!<br />
Schon ab 25 EUR<br />
pro Nacht!<br />
Foto: istockphoto.com/vladorlov<br />
Seit 20 Jahren in der Community bekannt unter ebab
GESELLSCHAFT<br />
der katholischen Kirche die Öffentlichkeit.<br />
Die Enthüllungsdokumentation „Aber<br />
sag es nur keinem“ zeigte 2019, wie<br />
Kirchenoberste missbrauchende Priester<br />
schützten und sie beispielsweise in andere<br />
Gemeinden versetzten, anstatt sie anzuzeigen.<br />
Seitdem kämpft die katholische<br />
Kirche mit Ablenkungsmanövern gegen<br />
den Imageschaden. Weil mehr Jungen<br />
als Mädchen vergewaltigt wurden, müsse<br />
es einen Zusammenhang zwischen<br />
Pädophilie und Homosexualität geben,<br />
so die haltlose Behauptung der Kirche.<br />
„Sie musste irgendetwas angreifen, und<br />
wir als Minderheit in Polen sind leicht zu<br />
fassen“, sagt Karol. Besonders für Teenager<br />
sieht Karol die Rhetorik der Kirche als<br />
große Gefahr. „Jugendliche, die gerade<br />
erst verstehen, wer sie sind, die glauben,<br />
vielleicht bin ich schwul ... Wenn sie Worte<br />
wie ,Regenbogenpest‘ hören, was halten<br />
die dann von sich selbst? Ich mag mir das<br />
gar nicht vorstellen.“<br />
100 „LGBTIQ*-<br />
FREIE“ ZONEN<br />
Besonders schwierig ist die Situation<br />
für queere Jugendliche im ländlichen<br />
Polen, sind sich Karol und Han einig. Dort<br />
gibt es keine Klubs, keine Treffs, keine<br />
Gemeinschaft wie in Krakau. „Wenn du<br />
auf dem Land als LGBTIQ*-Person keine<br />
Unterstützung deiner Familie hast, bist<br />
du ziemlich allein“, sagt Han. Und auch<br />
der Druck der Politik auf die LGBTIQ*-<br />
Gemeinschaft ist stärker. Seit 2019 riefen<br />
sich mehr als 100 Kommunen als frei von<br />
„LGBTIQ*-Ideologie“ aus. „Du kannst doch<br />
nicht einfach ein Gebiet für LGBTIQ*-frei<br />
erklären und dann gibt es dort keine<br />
queeren Menschen mehr“, sagt Han. „Die<br />
Politiker erreichen nur eines: Sie verletzen<br />
diese Personen.“ Rechtlich gesehen<br />
haben die Deklarationen keine Wirkung<br />
– bislang. Aber DOM-EQ-Leiter Mateusz<br />
Gędźba blickt mit Bangen nach Russland,<br />
wo zunächst ähnliche Erklärungen<br />
verabschiedet und dann in einem zweiten<br />
Schritt auch die Gesetze angepasst wurden.<br />
„Wir befinden uns an einem ziemlich<br />
traurigen und empfindlichen Moment,<br />
der für ganz Europa gefährlich ist. Wenn<br />
wir sagen: ‚Ach Werte, was bedeuten die<br />
schon?‘, dann wird das einen Moment<br />
lang funktionieren. Aber bald werden<br />
die Probleme auch in anderen Ländern<br />
losgehen. Es ist wie Krebs: Wenn wir nicht<br />
früh genug dagegen kämpfen, wird es sich<br />
weiter ausbreiten.“<br />
Fünf der 16 polnischen Woiwodschaften,<br />
vergleichbar mit den deutschen Bundesländern,<br />
verabschiedeten inzwischen<br />
eine entsprechende Deklaration. Darunter<br />
auch Kleinpolen, die Woiwodschaft, in der<br />
Krakau liegt. Doch Krakau machte bei der<br />
homophoben Kampagne nicht mit. Stadtpräsident<br />
Jacek Majchrowski betonte in<br />
einem offenen Brief, dass Krakau eine<br />
tolerante und weltoffene Stadt sei: „Alle,<br />
darunter auch Vertreter der LGBTIQ*-<br />
Community, sind hier willkommen. Wir alle<br />
sollen uns in Krakau wie zu Hause fühlen“,<br />
schrieb er darin.<br />
Mateusz sieht Statements wie dieses<br />
kritisch. Er glaubt, hinter der Erklärung<br />
stecke vor allem politisches Kalkül. 2023<br />
sollen in Krakau die Europaspiele stattfinden.<br />
Das bedeutet viel Aufmerksamkeit<br />
und viel Geld für die Stadt. Ausländische<br />
Politiker*innen kritisierten den<br />
Austragungsort aufgrund der Erklärung<br />
Kleinpolens zur LGBTIQ*-freien Zone<br />
und forderten, die Spiele nicht in Krakau<br />
zu veranstalten: „Krakau profitiert enorm<br />
von den europäischen Geldern. Wenn das<br />
Geld zurückgehalten wird, steckt Krakau<br />
in großen Schwierigkeiten. Das haben die<br />
Politiker*innen recht schnell verstanden“,<br />
sagt Mateusz. Mit Blick auf das Ausland<br />
unterstütze man die Community, gehe<br />
„Wenn hohe Offizielle Aggression<br />
rechtfertigen, die Täter*-<br />
innen schützen, dann ist es<br />
nur eine Frage der Zeit,<br />
bis alle anderen glauben,<br />
das sei normal.“<br />
MATEUSZ
GESELLSCHAFT<br />
es aber um echte Bekenntnisse, etwa<br />
finanzielle Unterstützung, halte sich die<br />
Stadt zurück.<br />
Gleichzeitig gehen kirchliche rechtskonservative<br />
Gruppen immer aggressiver vor,<br />
um auch die etwas besser geschützten<br />
LGBTIQ*-Gemeinschaften in den Städten<br />
anzugreifen – wie in Krakau. Regelmäßig<br />
fahren Trucks mit großen Lautsprechern<br />
durch die Städte des Landes und rufen<br />
homophobe Propaganda aus. Damit<br />
schüren sie in den Großstädten den Hass<br />
und verunsichern queere Menschen. Vor<br />
einigen Monaten hatte Han endgültig<br />
genug davon. Mit ein paar anderen<br />
queeren Aktivist*innen Krakaus schloss<br />
er sich zur Bewegung „Der Regenbogen<br />
ist nicht tot“ zusammen. Gemeinsam<br />
starteten sie eine Petition, in der sie den<br />
Stadtrat aufforderten, das Fahren dieser<br />
Trucks durch Krakau zu verbieten. Dafür<br />
sammelten sie Unterschriften, organisierten<br />
Veranstaltungen und versuchten,<br />
bei der Bevölkerung ein Gegengewicht<br />
zur Homophobie von Politik, Kirche und<br />
Medien zu sein: „Das Wichtigste ist, Aufmerksamkeit<br />
zu erzeugen, die Bevölkerung<br />
aufzuklären und ein Bewusstsein für<br />
die LGBTIQ*-Community zu erzeugen“,<br />
sagt Han. Große Erfolgschancen rechnet<br />
sich DOM-EQ-Sprecher Mateusz Gędźba<br />
für die Petition nicht aus: „Um ehrlich zu<br />
sein, bin ich mir ziemlich sicher, dass der<br />
Stadtrat den Bürgervorschlag ablehnen<br />
wird – aber trotzdem hat es etwas Gutes:<br />
Es wird eine Diskussion angestoßen, die<br />
die Stadt weiter unter Druck setzen wird,<br />
etwas gegen die Trucks zu unternehmen.“<br />
OPTIMISTISCH<br />
TROTZ ALLEM<br />
Je stärker der Gegenwind, desto selbstbewusster<br />
wird die Gemeinschaft, meint<br />
Gędźba: „Vor ein paar Jahren waren wir<br />
eine soziale Gruppe hier in Krakau. Aber wir<br />
hatten kein Bewusstsein für unsere verschiedenen<br />
Herkünfte, keine gemeinsame<br />
Identität. Mein Eindruck ist, dass Initiativen<br />
wie DOM EQ dabei geholfen haben, so<br />
eine gemeinsame Identität entstehen zu<br />
lassen.“<br />
Wenn Han an die Zukunft denkt, ist er<br />
vorsichtig optimistisch: „Es gibt viele junge<br />
Personen, die aufstehen, ihre Stimme<br />
erheben und Pride-Proteste organisieren<br />
– mit 15 Jahren. Ich bin so stolz, dass sie<br />
vieles in die eigene Hand nehmen und viel<br />
motivierter sind, als ich es in ihrem Alter<br />
war.“ Und nicht nur die Jugend macht ihm<br />
Hoffnung für die Zukunft: „Ich sehe auch<br />
Menschen über vierzig, die sich auf einmal<br />
outen und sagen: ‚Ich habe genug von dem<br />
Scheiß‘, die protestieren gehen und sich<br />
zeigen.“<br />
Auch Karol will sich nicht länger verstecken:<br />
„Ich versuche, sehr extrovertiert zu<br />
sein. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir<br />
uns als LGBTIQ*-Personen den anderen<br />
Menschen zeigen. Wenn sie uns nicht<br />
sehen, dann denken sie auch nicht über<br />
uns nach.“ Seit diesem Jahr bietet er in<br />
Krakau Tanzkurse für gleichgeschlechtliche<br />
Paare an und ist damit polenweit ein Vorreiter.<br />
„Bei heterosexuellen Paaren ist klar,<br />
der Mann führt. Aber wie ist das bei gleichgeschlechtlichen<br />
Paaren? Das bringe ich<br />
ihnen bei“, sagt er. Bis Karol coronabedingt<br />
pausieren musste, betreute er zwölf Paare.<br />
Das Feedback sei sehr positiv, berichtet<br />
Karol. Wenn er von seinen Tanzkursen<br />
spricht, erzählt er mit einer Freude, dass<br />
man meinen könnte, als schwuler Christ<br />
Tanzkurse für gleichgeschlechtliche Paare<br />
im streng katholischen Krakau anzubieten,<br />
sei das Normalste auf der Welt. Und<br />
vielleicht ist es das bald auch. Aktuell ist in<br />
Polen einiges in Bewegung. Die Menschen<br />
gehen auf die Straße, um gegen das<br />
Abtreibungsverbot zu demonstrieren, und<br />
damit auch gegen die Regierung, gegen<br />
die Einmischung der katholischen Kirche<br />
in die Politik, für Menschenrechte. Karol<br />
macht eine kurze Pause, als müsse er über<br />
die nächsten Worte gut nachdenken. Als er<br />
sich entschieden hat, bringt er diese Sätze<br />
mit einer Überzeugung zum Ausdruck,<br />
dass man ihm am liebsten glauben will:<br />
„In den Köpfen der Leute passiert etwas –<br />
langsam, aber es gibt eine Veränderung.“<br />
*Astrid Benölken und Tobias Zuttmann<br />
„In den Köpfen der Leute<br />
passiert etwas – langsam,<br />
aber es gibt eine<br />
Veränderung.“
ADVERTORIAL<br />
GABLE<br />
das LGBTQ+ Netzwerk von P&G<br />
Bei Procter & Gamble sind<br />
Chancengleichheit, Vielfalt und<br />
Inklusion zentrale Elemente der<br />
Unternehmenskultur.<br />
Procter & Gamble hat es sich zur Aufgabe<br />
gemacht, gleiche und inklusive Arbeitsplätze<br />
für alle Mitarbeitenden zu schaffen.<br />
Dies schließt ganz ausdrücklich auch die<br />
Gruppe der LGBTQ+-Gemeinschaft ein.<br />
Die Unternehmenspolitik von Procter<br />
& Gamble wendet sich sehr klar gegen<br />
Diskriminierungen aufgrund sexueller Orientierung<br />
oder geschlechtlicher Identität.<br />
GABLE (GAY, ALLY, BISEXUAL,<br />
LESBIAN AND TRANSGENDER<br />
EMPLOYEES)<br />
1996 gründete Procter & Gamble<br />
das Netzwerk GABLE für LGBTQ+-<br />
Mitarbeitende und ihre Unterstützer in<br />
den USA. Im Jahr 2014 startete GABLE<br />
in Deutschland und ist seither schnell<br />
gewachsen. Inzwischen ist das Netzwerk<br />
an zehn Standorten in der DACH-<br />
Region, darunter acht in Deutschland,<br />
aktiv – sowohl in städtischen als auch in<br />
ländlichen Gegenden. Ziel des Netzwerks<br />
ist es, eine Arbeitsatmosphäre zu schaffen,<br />
in der LGBTQ+-Menschen sich vollständig<br />
und ohne Einschränkungen in ihre Arbeit<br />
einbringen können. Ein wesentlicher<br />
Faktor, um dieses Ziel zu erreichen, sind<br />
Unterstützer – sogenannte „Allies“. Sie<br />
sind ausgebildet, Verantwortung für ihr<br />
eigenes Verhalten zu übernehmen und<br />
einzugreifen, wenn sie in der Sprache oder<br />
dem Verhalten anderer eine Diskriminierung<br />
gegen LGBTQ+-Menschen erkennen.<br />
Die Unterstützer erhalten außerdem<br />
Sticker mit denen sie ihre Hilfe für die<br />
LGBTQ+- Gemeinschaft visuell deutlich<br />
machen können.<br />
#WEAREUNIQUEANDUNITED<br />
Jedes Jahr im März feiert Procter<br />
& Gamble seine Equality&Inclusion<br />
Woche – in diesem Jahr wurde daraus<br />
ein ganzer Monat unter dem Motto<br />
#WeAreUniqueAndUnited. Mitarbeitende<br />
aus verschiedenen Netzwerken haben<br />
Workshops, Vorträge und Mitmach-<br />
Aktionen organisiert mit dem Ziel, das<br />
Bewusstsein für Vielfalt zu fördern, für<br />
dieses Thema weiter zu sensibilisieren und<br />
Bias zu reduzieren. GABLE nutzt die Veranstaltungen,<br />
um Informationen zu seinen<br />
Zielen im Unternehmen vorzustellen, um<br />
neue Mitglieder zu finden und als Allies<br />
auszubilden.<br />
CAN’T CANCEL PRIDE<br />
Zusätzlich unterstützt das Netzwerk<br />
Procter & Gamble dabei, sich auch extern<br />
und weltweit gegen die Diskriminierung<br />
der LGBTQ+-Community einzusetzen,<br />
beispielsweise durch die Organisation<br />
der Hilfsaktion „Can’t Cancel Pride“<br />
mit iHeartRadio während der Corona-<br />
Pandemie zur Unterstützung betroffener<br />
LGBTQ+-Gemeinschaften oder durch<br />
verschiedene LGBTQ-zentrischen<br />
Marketing-Kampagnen.<br />
AUSZEICHNUNGEN<br />
Im letzten Jahr war das GABLE-Netzwerk<br />
von P&G einer der Prout At Work-Award-<br />
Gewinner in der Kategorie GLOBAL<br />
LEADER NETWORK. Diese Würdigung<br />
bezog sich auf diverse Aktivitäten, wie<br />
der Produktion einer Film-Trilogie zur<br />
Unternehmensgeschichte im Hinblick<br />
auf LGBTQ+ -Inklusion. Die Filme,<br />
die in Zusammenarbeit mit CNN<br />
entstanden sind, erhielten internationale<br />
Auszeichnungen.<br />
Vor wenigen Wochen hatte P&G einen<br />
weiteren Grund zum Feiern: Das Unternehmen<br />
wurde mit dem PRIDE Champion<br />
Arbeitgebersiegel in Silber ausgezeichnet.<br />
Dieses wird von der UHLALA Group vergeben<br />
und steht für eine offene, inklusive<br />
und wertschätzende Unternehmens- oder<br />
Organisationskultur. Das Siegel ist nicht<br />
käuflich und kann nur durch Nachweise<br />
und eine Prüfung in Form des PRIDE<br />
Audits erhalten werden.<br />
P&G freut sich über viele Bewerber:innen<br />
aus der LGBTQ+-Community. Offene<br />
Stellenangebote sind hier zu finden:<br />
www.pgcareers.com
INTERVIEW<br />
Die Sprache der Liebe entschlüsselt?<br />
GESELLSCHAFT<br />
FOTO: ELITE CONTACTS<br />
Anita G. und ihr Sohn Philipp Schwarzenberg<br />
bezeichnen sich mit einer<br />
angemessenen Portion Stolz als Partnervermittler.<br />
Wir trafen Philipp in Berlin und<br />
hatten viele Fragen – denn er weitete das<br />
Geschäft mit der Partnerschaftsvermittlung<br />
auf die Liebe Homo-sexueller aus.<br />
Wie kam es denn dazu?<br />
Meine ersten Berührungspunkte mit homosexuellen<br />
Paaren waren glückliche Männer in<br />
langfristige Partnerschaften. Für mich war es<br />
damals klar, dass da einfach ein Mann einen<br />
Mann liebt und mit ihm zusammen ist. Erst<br />
heute ist mir vollumfänglich bewusst, dass<br />
das Thema offene Homosexualität damals<br />
nicht so einfach war. In den 2010ern wurde<br />
Liebe zu einem Konsumgut und unzählige<br />
Menschen machten sich auf die Suche<br />
nach einem kurzfristigen (gemeinsamen)<br />
Endorphinrausch. Zurückzuführen ist<br />
dies auf unsere Gesellschaft selbst, dem<br />
menschlichen Streben nach Perfektion<br />
sowie dem Trend der Digitalisierung durch<br />
Smartphones und Apps. Das was wir dort<br />
finden, ist aber etwas völlig anderes als das<br />
sich in einer langfristigen Partnerschaft<br />
entwickelnde Wir-Gefühl. Ich betone das<br />
immer wieder: Egal, wer wen liebt, der<br />
Kern des Ganzen und damit auch unserer<br />
Arbeit, ist die Sprache der Liebe. Die hat mit<br />
Hormonen und Geschlechtern erst einmal<br />
nichts zu tun.<br />
Es gibt moderne Formen von<br />
Partnerschaften jenseits dem<br />
„Standardmodell“ Zweierbeziehung.<br />
Kommen auch zum Beispiel polyamore<br />
Menschen zu euch?<br />
Es ist spannend, wie sich der Mensch in<br />
dieser Beziehung weiterentwickelt hat.<br />
Das Gros unserer Klientel ist jedoch nach<br />
wie vor auf der Suche nach einer stabilen<br />
Zweierbeziehung mit den klassischen<br />
Parametern Treue, Wir-Gefühl, Vertrauen<br />
und emotionaler Identifikation.<br />
Bemerkenswert finde ich, dass sich die<br />
Wünsche und Ziele von heterosexuellen<br />
und homosexuellen<br />
Singles<br />
in vielerlei Hinsicht<br />
gleichen. Was mich auch noch<br />
mal zu dem Satz bringt, dass es nicht<br />
darum geht, wer wen liebt, sondern um<br />
die Sprache der Liebe.<br />
*Interview: Christian Knuth<br />
www.elite-contacts.com<br />
Das ganze Interview findet ihr auf<br />
www.männer.media.<br />
#Diversity<br />
#Inventingforlove<br />
MSD.PARTNER.HIV.<br />
DE-NON-01778<br />
Auf MSD Gesundheit finden Sie Informationen zu HIV: http://m.msd.de/rwQ<br />
MSD Sharp & Dohme GmbH, Lindenplatz 1, 85540 Haar<br />
www.msd.de
GESUNDHEIT<br />
Welchen Einfluss eine<br />
HIV-Therapie im Alltag hat<br />
Mit HIV kann man heutzutage ein<br />
gesundes und langes Leben führen.<br />
Dennoch kann die Diagnose ein einschneidendes<br />
Ereignis sein und viele neue<br />
Fragen aufwerfen. Eine davon ist, wie man<br />
die HIV-Therapie nun bestmöglich in den<br />
eigenen Alltag integrieren kann.<br />
Das erste, woran viele dabei denken, sind<br />
klassische Einnahmevorschriften – wie<br />
zum Beispiel die Einnahme zum Essen. Bei<br />
der modernen HIV-Therapie sind solche<br />
strikten Vorschriften mittlerweile eher<br />
Ausnahme als Regel.<br />
HERAUSFORDERUNG ARBEITSALLTAG<br />
Es gibt aber auch einige Punkte, die<br />
man vielleicht nicht gleich im Kopf hat.<br />
Beispielsweise spielt der Arbeitsrhythmus<br />
eine wichtige Rolle: Wenn man geregelte<br />
Arbeitszeiten hat, lässt sich die täglich<br />
etwa zeitgleiche Einnahme der Medikamente<br />
deutlich leichter planen, als wenn<br />
man in einem Beruf mit Schichtdienst<br />
arbeitet. Selbst mit geregelten Arbeitszeiten<br />
kann es zu Herausforderungen im<br />
Arbeitsalltag kommen, etwa wenn eine<br />
Dienstreise mit Zeitverschiebung ansteht.<br />
DIE FREIZEIT GESTALTEN<br />
Auf die Wahl der Freizeitaktivitäten hat<br />
eine HIV-Therapie so gut wie keinen<br />
Einfluss. Dennoch gibt es für HIV-positive<br />
Menschen einige Punkte zu beachten,<br />
um eine erfolgreiche Behandlung<br />
sicherzustellen: Natürlich sollte man bei<br />
Ausflügen immer daran denken, seine<br />
Medikamente mit einzupacken, falls<br />
es mal später wird. Aber auch Hobby-<br />
Sportler*innen sollten bei der Einnahme<br />
von Nahrungsergänzungsmitteln, um zum<br />
Beispiel den Muskelaufbau zu fördern,<br />
im Hinterkopf behalten: Nahrungsergänzungsmittel<br />
können Wechselwirkungen<br />
mit HIV-Medikamenten verursachen, die<br />
im ungünstigsten Fall den Therapieerfolg<br />
gefährden.<br />
MUSS MAN SICH ALSO MIT HIV<br />
EINSCHRÄNKEN?<br />
Natürlich ist das jetzt nicht gleich ein<br />
Grund, um mit dem Sport aufhören. Man<br />
sollte allerdings mit seinem/r Ärzt*in<br />
darüber sprechen, was es zu beachten<br />
gilt. Das ist wichtig, um auch mit HIV-<br />
Therapie den bisherigen Lebensrhythmus<br />
beibehalten und vor allem die eigene<br />
Lebensqualität hochhalten zu können.<br />
Nur weil man HIV-positiv ist, muss sich<br />
also nicht gleich der gesamte Alltag<br />
ändern.<br />
VERÄNDERUNGEN IM BLICK BEHALTEN<br />
Viele Dinge im Alltag verändern sich ja<br />
meist nicht über Nacht, sondern Stück für<br />
Stück. Diese oft unbemerkten Veränderungen<br />
sollte man im Blick behalten, denn<br />
sie können zu Reibungspunkten mit der<br />
HIV-Therapie führen. Gerade in solchen<br />
Situationen ist ein offenes Gespräch mit<br />
dem/r Ärzt*in sehr wichtig.<br />
HIV ZU EINEM KLEINEN TEIL IM<br />
LEBEN MACHEN<br />
Es kann manchmal herausfordernd<br />
sein, die eigene HIV-Therapie in den<br />
persönlichen Tagesablauf zu integrieren.<br />
Manchmal liegt das auch daran, dass die<br />
momentan eingenommenen Medikamente<br />
plötzlich nicht mehr in den eigenen<br />
Alltag passen.<br />
Es gibt für jeden Lebensrhythmus eine<br />
geeignete individuelle Therapie. Wenn man<br />
diese gemeinsam mit seinem/r Ärzt*in für<br />
sich findet, wird HIV dadurch zu einem<br />
kleineren Teil im eigenen Leben.<br />
Weitere Infos sowie persönliche Geschichten<br />
zum Leben mit HIV findest<br />
du unter www.livlife.de.<br />
Unterstützt von ViiV Healthcare
SCHLAU ZU HIV<br />
Warum du an der IAS<br />
teilnehmen solltest<br />
Der alle zwei Jahre stattfindende<br />
Kongress der IAS (International<br />
AIDS Society) ist die weltgrößte<br />
offene wissenschaftliche Konferenz<br />
zum Thema HIV/Aids.<br />
Ihre 11. Ausgabe findet vom<br />
18. bis 21. Juli in Berlin und<br />
erstmals auch online statt. Also<br />
ist die Konferenz sogar aus dem<br />
heimischen Wohnzimmer heraus<br />
bequem zu besuchen.<br />
DAS PROGRAMM<br />
Fast alle namhaften Akteure<br />
im Kampf gegen die Immunschwächekrankheit<br />
werden die<br />
neuesten Erkenntnisse vorstellen<br />
und die dringendsten aktuellen<br />
Themen erörtern. Aufgeteilt in<br />
vier Themenblöcke.<br />
Im Block Grundlagenforschung<br />
wird unter anderem über<br />
den Stand der Forschung zur<br />
Regulierung und Heilung der HIV-<br />
Reservoirs diskutiert. Außerdem<br />
soll über den Einfluss von<br />
Geschlecht und Bevölkerungsdiversität<br />
auf die Bekämpfung des<br />
Virus gesprochen werden.<br />
Der Block klinische Wissenschaft<br />
hält eine für unsere Kernleserschaft<br />
sicher besonders interessanten<br />
Thematik vor: HIV und<br />
sexuell übertragbare Krankheiten.<br />
Es geht aber ausnahmsweise<br />
nicht um die Aufforderung,<br />
regelmäßig zum Test zu gehen,<br />
sondern um das Ausloten von<br />
Möglichkeiten, aus der HIV-<br />
Therapie für den Umgang mit<br />
Antibiotika-Resistenzbildungen<br />
zu lernen.<br />
Mehr Informationen zum<br />
Programm und zur Anmeldung<br />
unter ias<strong>2021</strong>.org!<br />
„<br />
GESUNDHEIT<br />
Die Konferenz der<br />
„International<br />
Aids Society“,<br />
kurz IAS ist<br />
neben der<br />
„Conference<br />
on Retroviruses<br />
and Opportunistic<br />
Infections“<br />
(CROI) die wichtigste<br />
internationale Konferenz zu<br />
HIV, bei der Wissenschaftler<br />
aus aller Welt Ergebnisse aus<br />
Grundlagenforschung und<br />
Studien präsentieren.<br />
Siegfried Schwarze, Aids-Aktivist<br />
und Vorstand Projekt Information e.V.<br />
(www.projektinfo.de)<br />
“<br />
# HIVersity<br />
Weil wir mehr sind als nur HIV-positiv: LiVLife.de<br />
NP-DE-HVU-ADVT-200009-11/2020
FILM<br />
INTERVIEW<br />
JAKOB M.<br />
ERWA:<br />
„Da habe ich<br />
viel von mir und<br />
meiner Welt<br />
hineingepackt“<br />
Panische Menschen, dichter Rauch<br />
und ein Meer an Einsatzkräften:<br />
Was für ein Unglück hat sich am Münchner<br />
Hauptbahnhof ereignet? Diesem Ereignis<br />
geht die brandneue Coming-of-Age-Serie<br />
„Katakomben“ auf den Grund.<br />
Jakob, „Katakomben“ ist Ihr erstes<br />
Projekt seit dem Kinofilm „Die Mitte<br />
der Welt“. Wie kam es dazu?<br />
Nach der Verleihung des Bayerischen<br />
Filmpreises, den ich für „Die Mitte der<br />
Welt“ bekommen habe, haben mich die<br />
Jungs von der Produktionsfirma NEUE-<br />
SUPER angesprochen. Die mochten, was<br />
ich da auf der Bühne gesagt hatte, und<br />
fragten, ob wir nicht einmal zusammen<br />
ein Projekt entwickeln wollen. So habe ich<br />
dann angefangen, mit Florian Kamhuber<br />
an einer Geschichte über moderne Liebe<br />
zu arbeiten, an der wir auch nach wie<br />
vor noch dran sind. Doch irgendwann<br />
kam uns „Katakomben“ in die Quere,<br />
weil Flo einen Zeitungsartikel über das<br />
Tunnelsystem unter München gelesen<br />
hatte und mich fragte, ob wir nicht schnell<br />
mal eine Geschichte dazu pitchen wollen.<br />
Wir haben uns dann drei Tage in Berlin<br />
eingeschlossen, einen groben Plot überlegt<br />
und die Figuren entwickelt.<br />
Entstanden ist jetzt eine spannende<br />
Mischung aus Coming-of-Age-<br />
Geschichte und Sozialdrama mit<br />
Gruselthriller-Elementen ...<br />
Geschichten über junge Menschen finde<br />
ich immer cool, denn über die sogenannte<br />
First-Life-Krise kann man einfach spannende<br />
Sachen erzählen. Aber besonders<br />
interessant an unserer Idee fand ich<br />
tatsächlich die soziale Komponente. Das<br />
ist schließlich schon eine perfide Sache.<br />
München ist einerseits diese schicke,<br />
cleane, teure Stadt, in der es immer heißt,<br />
dass es kein Drogenproblem gibt. Doch<br />
andererseits gibt es eben diese Katakomben,<br />
wo plötzlich eine Grauzone und<br />
all die Leute akzeptiert werden, die oben<br />
das saubere Stadtbild zerstören würden.<br />
Also Drogensüchtige, Obdachlose oder<br />
Sexarbeiter*innen. Das fand ich heftig. Und<br />
ich wollte unbedingt einen Weg finden,<br />
diese beiden Welten aufeinanderknallen zu<br />
lassen und – bei aller Unterhaltung – etwas<br />
Kritisches über unsere Gesellschaft zu<br />
erzählen.<br />
War von Anfang an klar, dass Sie<br />
die Geschichte als Serie erzählen<br />
wollen?<br />
Ja, das war tatsächlich von Anfang an klar.<br />
Da habe ich nie drüber nachgedacht, ob<br />
man auch einen Film draus hätte machen<br />
können. Mich hat diese Art des Erzählens<br />
eh interessiert, und ich habe auch andere<br />
serielle Ideen, an denen ich arbeite. Schon<br />
damals in Österreich habe ich nach meinem<br />
ersten Film „Heile Welt“ eine kleine<br />
Miniserie gemacht: „Tschuschen:Power“.<br />
Ich finde das Format einfach toll, weil man<br />
viel länger und kleinteiliger erzählen und<br />
sich tiefer auf Figuren einlassen kann.<br />
Aber nicht zu früh freuen – ich werde auch<br />
weiterhin Filme drehen. Hahaha.<br />
Gibt es unter den vielen Figuren der<br />
Serie welche, die Ihnen besonders<br />
am Herzen liegen?<br />
Janosch, der queere Influencer und beste<br />
Freund der Protagonistin, ist auf jeden Fall<br />
eine Figur, die mir sehr wichtig und nah<br />
ist. Da habe ich viel von mir und meiner<br />
Welt hineingepackt. Und an ihm Fragen<br />
von Zugehörigkeit, Entwurzelung und dem<br />
Zwiespalt, zwischen mehreren Welten<br />
zu stehen, durchgespielt, die man nicht<br />
zuletzt als queerer Mensch kennt. Mir war<br />
sehr wichtig, dass er nicht nur schillernd<br />
ist, sondern auch eine echte Breite und<br />
Tiefe bekommt. Aus der eher oberflächlichen<br />
Figur am Anfang wird schließlich<br />
eine ganz traurige, feine und suchende.<br />
Mit der ActOut-Aktion und<br />
dem zugehörigen Manifest<br />
hatten kürzlich 185 deutsche<br />
Schauspieler*innen ihr öffentliches<br />
Coming-out. Wie fanden Sie das?<br />
Das war ein ganz großer, längst<br />
überfälliger Schritt. Ich habe darüber<br />
mit vielen Kolleg*innen vor und hinter<br />
der Kamera in den letzten Jahren immer
FILM<br />
FOTOS: JOYN / NEUESUPER / A. UHLIG<br />
wieder gesprochen und mir genau so<br />
etwas gewünscht. Eine breite Front,<br />
die daherkommt und sagt: „Wir sind<br />
hier und wir sind überall.“ Dass man die<br />
Privatleben eines Schauspielers oder einer<br />
Schauspielerin von ihrer Arbeit trennen<br />
kann, sollte eigentlich kein Problem<br />
sein. Aber auch das ist noch lange nicht<br />
selbstverständlich, deswegen muss man<br />
immer mal wieder solche großen Bretter<br />
fahren.<br />
Es geht in diesem Kontext immer<br />
auch darum, wen man für welche<br />
Rollen besetzt. In der neuen Serie<br />
„It’s a Sin“ zum Beispiel werden alle<br />
queeren Rollen auch von queeren<br />
Schauspielern gespielt ...<br />
Ich würde das jedes Mal als Einzelfall<br />
behandeln. Ich arbeite seit Langem an<br />
einem Film mit dem Titel „Valeska“ über<br />
eine trans* Frau, den ich unter anderem<br />
deswegen noch nicht umgesetzt habe,<br />
weil ich einfach noch keine perfekte<br />
trans* Schauspielerin für die sehr herausfordernde<br />
Rolle gefunden habe. Da muss<br />
man sich dann die Frage stellen, ob ein<br />
Projekt gar nicht stattfinden soll, bloß weil<br />
man nicht „politisch korrekt“ besetzen<br />
kann? Ist das sinnvoll, wenn es gleichzeitig<br />
bedeutet, dass die entsprechenden<br />
Themen womöglich gar nicht auf der<br />
Leinwand behandelt werden? Man kann<br />
außerdem nicht unsere Situation hier im<br />
deutschsprachigen Raum mit den USA<br />
oder so vergleichen.<br />
In welcher Hinsicht?<br />
Englischsprachige Produktionen wie<br />
gerade „It’s a Sin“ haben es natürlich<br />
wesentlich leichter, alle queeren Rollen<br />
mit queeren Schauspieler*innen zu<br />
besetzen. Schon einfach, weil der Markt<br />
riesig ist – und es gleichzeitig sehr viel<br />
früher Role Models gab und sich das<br />
Selbstbewusstsein entwickelt hat,<br />
dass man queer sein und trotzdem als<br />
Schauspieler*in zum Star werden kann. So<br />
weit sind wir noch nicht. Weswegen eben<br />
ActOut auch so ein Meilenstein war. Allein<br />
um zu zeigen, was für einen großen Pool<br />
an queeren Schauspieler*innen es gibt,<br />
der einem zur Verfügung steht, wenn man<br />
bewusst so besetzen und die Community<br />
stärken will.<br />
Kurz noch ein Blick zurück zu<br />
Ihrem Film „Die Mitte der Welt“,<br />
der in diesem Jahr seinen fünften<br />
Geburtstag feiert. Wie haben Sie es<br />
damals erlebt, dass der ganz große<br />
Erfolg an der Kinokasse ausblieb?<br />
Angesichts der wahnsinnig langen<br />
Entstehungsgeschichte und der Tatsache,<br />
dass die Vorlage ein Bestseller war, war ich<br />
im ersten Moment schon sehr ernüchtert<br />
und enttäuscht, dass die Sache nicht so<br />
aufgegangen ist, wie ich es erhofft hatte.<br />
Und war auch eifersüchtig auf Filme<br />
wie „Love, Simon“ und „Call Me By Your<br />
Name“, die als queere Filme groß und<br />
aufwendig vermarktet wurden und stolz<br />
riesige Banner gedruckt bekamen. Während<br />
bei unserem Film die Thematik eher<br />
versteckt wurde und man nicht wusste,<br />
wie man damit umgehen soll. Das hat<br />
mich schon sehr frustriert. Aber natürlich<br />
freue ich mich auch, dass der Film dann<br />
trotzdem noch ein kleines Eigenleben<br />
entwickelt hat. Es gibt sehr viele Leute,<br />
die den Film kennen, und denen er – so<br />
wie mir damals das Buch – irgendwie<br />
geholfen hat.<br />
Würde er heute besser laufen?<br />
Vielleicht. Gerade durch Streamer wie<br />
Netflix ist die queere Community im<br />
Moment ja wieder stärker vertreten in<br />
den Geschichten, die erzählt werden.<br />
Dadurch kommen diese Themen und<br />
Figuren in der Gesellschaft stärker an<br />
und werden selbstverständlicher. Und die<br />
Leute wollen das scheinbar sehen. Es ist<br />
traurig, das sagen zu müssen, aber wenn<br />
ich im Moment einen queeren Stoff hätte,<br />
würde ich damit vermutlich eher bei<br />
einem Streamingdienst anklopfen als bei<br />
einem Kinoverleih.<br />
*Interview: Patrick Heidmann
FILM<br />
FOTO: WARNER / HBO<br />
STREAMING<br />
SIE KOMMEN ZURÜCK<br />
Seit Ende der 1990er war die US-Serie „Sex and the<br />
City“ ein Muss für Frauen und Queers, wenn man sich<br />
auch über die zum Teil klischeehafte Darstellung der<br />
(queeren) Charaktere ärgern konnte. Trotzdem waren<br />
die Serie und die beiden Kinofilme extrem lustig und sorgten<br />
auch für den ein oder anderen Denkanstoß. Jetzt wird an der auf<br />
der Original-TV-Serie und dem Buch basierenden Nachfolgeserie<br />
„And Just Like That“ gearbeitet, so HBO Max, der Streamingdienst<br />
von Warner.<br />
Die in der weißen oberen Mittelschicht New Yorks angesiedelte<br />
Glamour-Soap ließ uns teilhaben am geselligen Leben einer<br />
Frauenclique und ihren Liebschaften. Lange bevor es Social Media<br />
gab, wurde hier kommentiert, polarisiert und gelacht. Vor allem<br />
Schauspielerin Sarah Jessica Parker wurde in Sachen Mode zur<br />
Influencerin, die auch bestens mithalten konnte, als Social Media<br />
dann den Ton angab. Waren die vier Freundinnen –Lifestyle- und<br />
Modefachfrau Carrie Bradshaw (Sarah Jessica Parker), Heimchen<br />
Charlotte York (Kristin Davis), Vamp Samantha Jones (Kim Cattrall)<br />
und Anwältin Miranda Hobbes (Cynthia Nixon) – zu Beginn<br />
der Serie in ihren 30ern, Samantha schon damals wesentlich älter,<br />
so können wir uns jetzt auf Damen freuen, die auf die sechzig<br />
zugehen. Ein wichtiger und sicherlich unterhaltsamer Kontrapunkt<br />
zum überall herrschenden Jugendwahn. Nicht mehr dabei sein<br />
wird allerdings Kim Cattrall, die vor allem in den letzten Jahren ihre<br />
Abneigung gegenüber Sarah Jessica Parker betonte.<br />
In „Sex an the City“ ging es eigentlich immer um die Suche nach<br />
der wahren Liebe in der hektischen und so extrem hippen Großstadt.<br />
Darum, den einen Mann zu finden, für intensive Stunden<br />
oder für immer. Aufs Amüsanteste unterbrochen wurde dieser,<br />
bei aller etwaigen Melancholie immer lebensfroh umgesetzte,<br />
rote Faden durch Episoden und Szenen, die mal ironisch, mal<br />
traurig das Leben in seiner manchmal abstrusen Art abbildeten.<br />
Gaststars waren unter anderem Bradley Cooper, Liza Minnelli,<br />
Matthew McConaughey, Heidi Klum, Alanis Morissette und auch<br />
David Duchovny. Und Dido sang im Soundtrack. *rä<br />
Funfact: Donald Trump hatte ebenfalls einen Cameo-Auftritt in<br />
„Sex and the City“. Gottlob nur kurz. Aber wo war er nicht?<br />
FOTOS: ITV STUDIOS<br />
SERIE<br />
Ausgezeichneter Serienspaß:<br />
„Schitt’s Creek“<br />
Die kanadische Serienproduktion „Schitt’s Creek“ ist nicht nur extrem erfolgreich,<br />
diese humorvolle Gesellschaftssatire zeigt auch, wie man queere Charaktere<br />
sinnvoll und nicht nur als „skurrile Minderheit“ einsetzen kann. Dafür gab es zum<br />
Beispiel den „GLAAD Media Award für herausragende Comedy-Serien“.<br />
Autor, Regisseur und Schauspieler Daniel Levy, der gemeinsam mit seinem Vater<br />
Eugene die Idee zur Serie hatte und auch als David und Johnny Rose zum Hauptcast<br />
gehören, war dann auch sehr gerührt: „Ich möchte unseren Fans danken, die eine<br />
Bewegung für das Gute geschaffen haben [...] Wir lieben euch alle. Ich kann mir keine bessere<br />
Fanbase vorstellen – Menschen, die für die Botschaft unserer Serie einstehen, für Liebe, für<br />
Akzeptanz und dafür, füreinander da zu sein. Die queeren Charaktere zu kreieren, war die größte<br />
Freude meines Lebens [...] Diese Serie zu machen, war sechs Jahre lang mein absolutes Glück.“<br />
Die Serie erzählt von einer einst reichen, dann verarmten Familie, die dorthin ziehen muss, wo sie noch<br />
Besitz hat: in ein Motel nach Schitt’s Creek. Die exzentrische Großstadtfamilie Rose muss sich fortan<br />
mit Rednecks und Dorfturbulenzen rumschlagen. Schreiend komisch! *rä
meine<br />
gay<br />
cruise<br />
Gran Canaria - Madeira -<br />
Lanzarote - La Palma - Gomera -<br />
Gran Canaria FEBRUAR 2022<br />
Alle neuen Infos im Newsletter unter<br />
www.mcruise.de/newsletter
MUSIK<br />
INTERVIEW<br />
MARCELLA<br />
ROCKEFELLER<br />
Seit über zehn Jahren ist Marcella in<br />
der Szene und auch in den Medien<br />
eine feste Größe. Was sie so besonders<br />
macht, ist, dass sie eine Sängerin ist. Wir<br />
sprachen mit La Rockefeller über ihr erstes<br />
Album, Céline Dion, Rosenstolz und Drag.<br />
Ein großer Einfluss war Rosenstolz.<br />
Ja, ich fand das schon immer extrem<br />
verblüffend, wie diese Texte mein Leben<br />
repräsentiert haben. Zum Beispiel „Wenn<br />
Du jetzt aufgibst“, was habe ich dieses<br />
Lied nächtelang gehört, weil ich dachte,<br />
es geht nicht mehr! Aber die Botschaft<br />
ist: Du hast schon einen Riesenberg hinter<br />
dir, du schaffst es. Diese Ehrlichkeit der<br />
Texte!<br />
Ein gutes Stichwort. Ist Ehrlichkeit<br />
in der Musik wichtiger als Glamour<br />
und Show?<br />
Nun, ich sage mal so: Showbusiness ist<br />
eben Show. Aber ich bin einfach eine<br />
sensible Seele, die sehr viel Wert darauf<br />
legt, dass Texte etwas ausdrücken, womit<br />
man sich identifizieren kann. Oft hatte<br />
ich etwas „Angst“, Stars kennenzulernen,<br />
weil sich mitunter rausstellte, dass die gar<br />
nicht so cool sind, dass da mehr Show<br />
als Sein war … Und bei Peter und Ulf (von<br />
Rosenstolz, Anm. d. Red.) ist das genau<br />
das Gegenteil, da steht SO viel mehr<br />
hinter der Musik.<br />
Glaubst du, dass deine perfekte<br />
Optik deiner „handgemachten“<br />
Musik im Weg steht? Oder dass du<br />
eine Dragqueen bist?<br />
Ich mache mir aus der Erscheinung<br />
überhaupt nichts. Aber ich habe<br />
schon vor zwölf Jahren gemerkt, dass<br />
Marcella ein viel größeres Sprachrohr<br />
für mich ist, als wenn ich als Marcel<br />
stehe und singe. Ich habe diesen Weg<br />
und dass ich dieses Album machen<br />
konnte, Marcella zu verdanken! Wenn<br />
eine Dragqueen singt oder auf der Bühne<br />
steht, dann schauen die Leute … Es ist<br />
einfach schön, bei jungen Leuten, bei<br />
Kindern, dieses Leuchten in den Augen<br />
zu sehen. Ich bin es aber auch gewohnt,<br />
von manchen Menschen Abneigung zu<br />
erfahren. Authentischer als Marcella<br />
kann ich nicht sein.<br />
Glaubst du, es ist heute einfacher als<br />
vor zehn Jahren, als Dragqueen ernst<br />
genommen zu werden?<br />
Ich muss sagen, dass ich selbst immer<br />
wieder überrascht bin, wie ernst ich<br />
genommen werde. Aber dafür kämpft<br />
man ja als Musiker. Das macht mich<br />
unendlich glücklich. Ich bin ja kein<br />
Clown, der Stimmung macht! Meine<br />
Musik ist auch nicht Drag-typisch, ich<br />
breche die Erwartungen der Leute, die<br />
Elektronisches oder Lady Gaga erwarten.<br />
Ich mache melancholische Musik, aber<br />
keine depressive …<br />
Wie ist das Album entstanden?<br />
Warst du in Drag?<br />
Nein, ich habe die Lieder als ungeschminkter<br />
Mann aufgenommen. (lacht)<br />
Wobei, manchmal hatte ich tatsächlich
„Das hätten<br />
noch 100<br />
mehr werden<br />
können“<br />
MUSIK<br />
eine Perücke auf, wenn wir danach noch<br />
etwas gedreht haben. Entstanden ist<br />
es mit Elias Kunz in Hannover, der zwar<br />
etwas jünger als ich, aber auch eine<br />
„alte Seele“ ist. Wir haben einige Songs<br />
von Rosenstolz und von Peter Plates<br />
Soloplatte überarbeitet. 2020 hatten wir<br />
„Der größte Trick“ rausgebracht, eigentlich<br />
war das nur ein Projekt, nachdem mich<br />
Peter Plate zuvor auf Instagram mit<br />
Sarah Connors „Vincent“ entdeckt hatte.<br />
Dann kam „Der blaue Sonntag“ … Das hat<br />
alles so Spaß gemacht, dass Peter mir<br />
vorschlug, ein ganzes Album zu machen.<br />
Wir hatten so viele Ideen … Das hätten<br />
noch 100 Lieder mehr werden können.<br />
Verzeih mir das Wort: „Verstellst“ du<br />
deine Stimme beim Singen?<br />
Alles gut, ich weiß, was du meinst. Heute<br />
mache ich das nicht mehr. Tatsächlich<br />
habe ich aber früher gedacht: „Ich muss<br />
die Höhen von Céline Dion treffen, egal,<br />
wie beschissen das nachher klingt.“ Ich<br />
habe lange versucht, meine Stimme<br />
zu verstellen, heute bin ich bei meiner<br />
Stimme angekommen und fühle mich<br />
sehr wohl so, wie ich singe.<br />
Welches Lied sollte ein hektischer<br />
Spotify-Hörer mal anhören, um<br />
einen guten Eindruck vom Album zu<br />
erhalten?<br />
Hm, ich würde „Die Liebe kennt mich<br />
nicht“ empfehlen, jeder hatte schon mal<br />
das Gefühl, dass man an den Falschen<br />
geraten ist, der es nicht gut mit einem<br />
meint. Einfach eine wunderschöne<br />
Nummer, und „Lass sie reden“, im Original<br />
von Rosenstolz.<br />
FOTOS: MIRKO PLENGEMEYER<br />
Findest du deine Version besser?<br />
Ich würde mich nie mit AnNa R. oder<br />
Rosenstolz messen. Ich kann es nicht<br />
vergleichen, ich möchte es auch nicht.<br />
Meine Follower kennen die Lieder im<br />
Original nicht, sie folgen mir, weil ich bin,<br />
wie ich bin. Und ich freue mich, dass ich<br />
einer neuen Generation die Message<br />
von Rosenstolz, von Peter, AnNa und Ulf,<br />
weitergeben kann.<br />
Du bist ein sensibler Mensch. Ist<br />
dann der Beruf im Showbusiness<br />
eine Mutprobe?<br />
Ich habe schon viel Schlimmes gelesen,<br />
vor allem damals beim „Supertalent“, die<br />
Kommentare kann man ja heute noch<br />
lesen. Es ist mir eigentlich relativ egal.<br />
Was mich damals getroffen hat, ist, dass<br />
es meine Mutter getroffen hat, sie hatte<br />
mich auf Facebook verteidigt … Ich habe<br />
einen extrem festen und lieben Inner<br />
Circle im Freundeskreis, auch Peter und<br />
Ulf stehen voll und ganz hinter mir. Diese<br />
Unterstützung stärkt. Aber ich war zwölf<br />
Jahre lang Dragqueen, ich habe eine harte<br />
Schule hinter mir! (lacht)<br />
*Interview: Michael Rädel<br />
www.facebook.com/<br />
MarcellaRockefellerOfficial
MUSIK<br />
NACHGEFRAGT<br />
OWEN<br />
FOTO: YUULA BENIVOLSKI<br />
PALLETT<br />
„Es ist so wichtig,<br />
mit Fremden zu<br />
reden“<br />
Es hat lange gedauert, bis Owen<br />
Palletts neustes Album „Island“<br />
erscheinen konnte – der Vorgänger „In<br />
Conflict“ stammt immerhin schon aus<br />
dem Jahr 2014. Woran es lag? Zum Großteil<br />
an ihm selbst.<br />
Der Kanadier, der seine ersten Schritte<br />
unter dem Namen Final Fantasy gemacht<br />
hat und mittlerweile für seine Arbeit mit<br />
Arcade Fire mit einem Grammy ausgezeichnet<br />
wurde, hat einfach viel zu tun.<br />
Ob Arrangements für Frank Ocean und<br />
Christine and The Queens, Taylor Swift<br />
oder die Pet Shop Boys oder die zahlreichen<br />
Aufträge für Filmmusik. Es dauerte<br />
einfach. „Dabei habe ich gar nicht hart<br />
an dem Album arbeiten müssen, es kam<br />
schnell zusammen. Sehr schnell. Es hat<br />
sich nur lange hingezogen aufgrund all der<br />
anderen Projekte.“ Selbst die Aufnahmen<br />
mit dem London Contemporary Orchestra<br />
in den Abbey Road Studios waren kein<br />
Drama. „Das war ein symbiotisches<br />
Verhältnis. Und es ist auch einfach meine<br />
Aufgabe als Arrangeur, so zu schreiben,<br />
dass man mich versteht.“<br />
Zu seiner eigenen Überraschung setzt<br />
Owen auf „Islands“ eine Geschichte fort,<br />
die er mit seinem Solodebüt „Heartland“<br />
2010 begonnen hat, und die von einem<br />
Mann namens Lewis und seinem Ringen<br />
mit einem Gott namens Owen handelt –<br />
und die am Ende des neuen Albums dazu<br />
führt, dass Lewis in den Weltraum gefickt<br />
wird („Lewis Gets Fucked Into Space“<br />
heißt dieses Lied dann auch bestechend<br />
direkt). Erst als Owen mit dem Album<br />
fast durch war, spürte er, wie gut er mit<br />
diesen dunklen, intensiven Liedern Lewis’<br />
Story fortsetzen konnte. „Ich hatte die<br />
meisten Lyrics fertig, als mir auffiel, dass<br />
es Sinn ergibt, wenn die Songs in sein<br />
Narrativ eingepasst werden.“ Jetzt weiß<br />
Owen auch, dass es irgendwann ein drittes<br />
Album um diesen eigenartigen Charakter<br />
geben wird, selbst wenn es unsicher ist,<br />
wann es kommt. Bis dahin schwebt Lewis<br />
einfach weiter im Weltraum umher.<br />
Doch selbst so eine eigenartige Handlung<br />
wie diese hat es schwer, mit unserer<br />
Realität zu konkurrieren, denn es waren<br />
auch für Owen Pallett sehr eigenartige<br />
zwölf Monate. „Dabei hat sich mein<br />
Leben weniger als das Leben anderer<br />
Menschen geändert. Ich habe wie immer<br />
zu Hause gearbeitet, mein Studio ist ja<br />
auch hier. Irgendwo war es zwar schon<br />
enttäuschend, nicht auf Tour zu sein –<br />
andererseits war ich aber auch seit 2017<br />
nicht mehr unterwegs.“ Was Owen am<br />
meisten berührt, ist, wie sich die Pandemie<br />
auf seine Freunde, Familie und Liebhaber<br />
auswirkt: „Sie sind so gestresst, so einsam.“<br />
Owen selbst fehlt es vor allem, neue<br />
Menschen zu treffen. „Es ist so wichtig,<br />
mit Fremden zu reden, für dich, für dein<br />
Gehirn. Bei mir in Toronto begegne ich<br />
normalerweise immer neuen Leuten.“<br />
Inwieweit sich das alles auch auf ihn<br />
auswirkt, kann er kaum sagen, er weiß nur,<br />
dass er in diesen Monaten nichts Neues<br />
geschrieben hat, „ich fühlte mich nicht<br />
so. Aber ich habe Aufträge gesucht und<br />
viele gefunden.“ Doch vor allem hat er die<br />
Zeit genutzt, um an seinem Instrument<br />
zu üben, der Violine. „Ich bin richtig gut<br />
geworden!“, sagt er, obwohl er sie bereits<br />
seit dem dritten Lebensjahr spielt und<br />
am Anfang seiner Karriere gerade für sein<br />
Geigen berühmt wurde. Doch jetzt habe er<br />
ein ganz neues Niveau erreicht, berichtet<br />
er stolz. „Wenn ich wieder auf der Bühne<br />
bin, werde ich richtig spektakulär sein.<br />
Diese Wochen waren wie musikalische<br />
Push-ups für mich. Allerdings“, lacht er,<br />
„habe ich dafür keine echten gemacht.<br />
Ich bin in einer schlechteren körperlichen<br />
Verfassung als jemals zuvor in meinem<br />
Leben!“ Und er klingt dabei nicht, als würde<br />
ihm das Sorgen bereiten. *fis
MUSIK<br />
TIPP<br />
Ungewöhnlich:<br />
Charlotte Cardin<br />
Hier ist es also, das Debütalbum der kanadischen Sängerin:<br />
„Phoenix“. Für sie sei das stimmige Werk eine Befreiung<br />
gewesen, „und wenn andere sich damit ebenfalls von Druck<br />
und Erwartungen befreien können“, habe es seinen Zweck<br />
erfüllt. Ganz wunderbarer Pop mit Kanten, Ecken und<br />
Melodien einer großen<br />
Singer-Songwriterin mit<br />
starker und wandlungsfähiger<br />
Stimme. Unsere<br />
Anspieltipps sind<br />
„XOXO“, „Meaningless“<br />
sowie „Je quitte“ und<br />
„Passive Aggressive“. *rä<br />
JAZZ<br />
ERIK LEUTHÄUSER:<br />
„Gegen jede Art von<br />
Depression hilft ja<br />
bekanntlich Lachen“<br />
Der queere Sänger ist einer DER Geheimtipps der Jazz-<br />
Welt. Sein kommendes Album nimmt sich des Œuvre<br />
eines weniger bekannten US-Songwriters an: Kent<br />
Carlson.<br />
Über sein neues Album „In The Land of Kent Carlson“<br />
verrät der Künstler: „Kents Song-Lyrics erinnern mich<br />
manchmal an die Direktheit und den Witz eines Dave<br />
Frishberg oder Bob Dorough.“ In der Tat: Doppeldeutige<br />
oder ungewöhnliche Geschichten scheinen in den Texten<br />
immer durch. Etwa bei „The Obsessing-on-my-Baby<br />
Blues“, darüber verrät Erik Leuthäuser: „Er erzählt von<br />
einer Zeit, in der man die besessene Verrücktheit nach<br />
einer Person noch durchaus poetisch als Krankheit<br />
bezeichnen konnte, die einem den ,Blues‘ gibt. Aber<br />
gegen jede Art von Depression hilft ja bekanntlich<br />
Lachen. Und lachen musste ich zahlreich beim Lernen<br />
dieses fast schon absurden Textes.“ „Alle Songs von Kent<br />
haben die Zeitlosigkeit von Jazzstandards gemischt mit<br />
tollen authentischen Texten. Bei ,You Never Have to Say<br />
(I Love You)‘ speziell schätze ich sehr die Message: Liebe<br />
braucht keine vielen Worte. Love is action!“ Das Album,<br />
übrigens eingespielt<br />
mit dem Pianisten<br />
Wolfgang Köhler, soll<br />
am 11. <strong>Juni</strong> erscheinen.<br />
*rä<br />
www.facebook.com/<br />
erikleuthaeuserpage,<br />
erik-leuthaeuser.de<br />
IM NAMEN DER LIEBE TOUR 2022<br />
MIT<br />
NEUEN HITS<br />
UND<br />
GROSSEN<br />
KLASSIKERN<br />
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12.05. HANNOVER<br />
13.05. HAMBURG<br />
15.05. BOCHUM
MUSIK<br />
INTERVIEW<br />
JENDRIK:<br />
Auf einmal ist er da: Jendrik Sigwart,<br />
26 Jahre alt, Hamburger und von<br />
Beruf Musicaldarsteller, war ein komplett<br />
unbeschriebenes Blatt, als er im Februar<br />
von der zuständigen Jury zum deutschen<br />
Teilnehmer am diesjährigen Eurovision<br />
Song Contest am 22. <strong>Mai</strong> in Rotterdam<br />
auserkoren wurde. Sein federleicht<br />
klingender Popsong „I Don’t Feel Hate“<br />
geht ohne Umwege in die Ohren, hat eine<br />
sinnvolle Botschaft und eine Ukulele. Aber<br />
wer ist dieser Typ überhaupt? Am Telefon<br />
erlebten wir einen aufgeweckten, quirligen<br />
und komplett sympathischen Jendrik.<br />
Der Name Jendrik ist ziemlich<br />
ungewöhnlich. Gibt es dazu eine<br />
Geschichte?<br />
Es ist einfach so, dass meine Eltern Namen<br />
mögen, die ein bisschen besonders sind.<br />
Oder sie haben herkömmlichere Namen<br />
genommen und einfach einen Buchstaben<br />
ausgetauscht. So wie bei mir. Oder bei<br />
meinem älteren Bruder Marten. Tatsächlich<br />
habe ich in meinem gesamten Leben<br />
bisher nur einen einzigen anderen Jendrik<br />
kennengelernt.<br />
Wie viele Geschwister hast du?<br />
Vier. Die fiebern jetzt natürlich alle mit<br />
mir mit. Aber ich bin definitiv der einzige<br />
richtige Mega-ESC-Fan in der Familie.<br />
Wie sehr bestimmt die Teilnahme am<br />
Eurovision Song Contest momentan<br />
dein Leben?<br />
Tatsächlich ist mein Leben aktuell noch<br />
recht entspannt. Vorhin hatte ich sogar<br />
noch Zeit zum Playstation-Spielen.<br />
Was hast du gespielt?<br />
„Dead by Daylight“. Das ist ein Horrorspiel,<br />
das man online mit mehreren Leuten spielt.<br />
So eine Art virtuelles Versteckspiel. Mir<br />
macht das sehr viel Spaß, obwohl ich mir<br />
Horrorfilme absolut nicht angucken kann.<br />
Warum das nicht?<br />
Weil ich vor ihnen Angst habe. (lacht) Ich<br />
bin sehr schreckhaft, und einmal musste<br />
ich während eines Gruselfilms im Kino laut<br />
schreien. Ich konnte es nicht unterdrücken<br />
und habe mich ein bisschen geschämt.<br />
Obwohl du keine Horrorfilme guckst,<br />
hast du dir also doch einen angeschaut.<br />
Zwei Freunde und ich. Wir sind immer zu<br />
einer ganz bestimmten Uhrzeit ins Kino<br />
gegangen und haben dann grundsätzlich<br />
den Film ausgesucht, der als Nächstes lief.<br />
Warst du beliebt in der Schule?<br />
Innerhalb unserer Klasse war ich einer von<br />
den „coolen“ Kids, aber nach außen galten<br />
wir komplett als die Loser- und Opferklasse.<br />
Also ja und nein. Ich selbst war auch beides:<br />
der Mobber und der Gemobbte.<br />
Die Aussage deines ESC-Songs ist ja,<br />
dass du auf Hass nicht mit Gegenhass,<br />
sondern mit Gelassenheit und<br />
Mitleid reagierst. Erinnerst du dich,<br />
wann und warum du dieses Lied<br />
geschrieben hast?<br />
Als wäre es gestern gewesen! Das war im<br />
Frühsommer 2019, nachdem mich eine<br />
andere Person respektlos und von oben<br />
herab behandelt hat. Ich dachte „Was<br />
bist du für ein übler Mensch“, aber dann<br />
beschloss ich, eben nicht aggressiv auf<br />
diesen Angriff zu reagieren. Denn dadurch<br />
lernt die oder der andere nichts. Stattdessen<br />
habe ich der Person ganz ruhig gesagt,<br />
dass ich ihr Verhalten respektlos finde.<br />
Daraus ist dieser Song entstanden.<br />
Funktioniert dieses Konzept?<br />
Sehr häufig ja. Wobei es, grob gesagt, zwei<br />
Arten von Anfeindungen gibt: Auf oberflächliche<br />
Sprüche wie „Deine Frisur finde<br />
ich scheiße“ reagiere ich überhaupt nicht.<br />
So was ist mir echt egal, denn ich mag<br />
meine Frisur ja. Bei wirklich diskriminierenden<br />
Beleidigungen, bei Homophobie oder<br />
Rassismus sollte man aber etwas sagen.<br />
Man sollte dem anderen klarmachen, dass<br />
das, was er sagt, absolut falsch ist. Diesen<br />
Weg versuche ich in dem Song aufzuzeigen.<br />
Auf eine sehr unterhaltsame Weise.<br />
Klar. Ich habe „I Don’t Feel Hate“ ja auch<br />
geschrieben, um gute Laune zu verbreiten<br />
und negative Gefühle in etwas Positives zu<br />
verwandeln.<br />
Hast du persönlich Erfahrungen mit<br />
Diskriminierung gemacht?<br />
Natürlich. In letzter Zeit vor allem online.<br />
Kommentare wie „Du Schwuchtel“ gibt es<br />
immer wieder. Ich reagiere sachlich darauf<br />
und antworte: „Das verletzt mich.“<br />
*Interview: Steffen Rüth<br />
Das ganze Interview findet ihr auf<br />
männer.media. Mehr Features dieser Art<br />
gibt es auf Instagram/blumediengruppe.
www.männer.media<br />
immer aktuell<br />
informiert
MUSIK<br />
FOTO: WARNER MUSIC<br />
NACHGEFRAGT<br />
MARINA<br />
Zoom-Interview mit Katze<br />
Marina Diamandis plagen gleich<br />
mehrere Allergien. Dauernd muss<br />
sie niesen und schniefen, sie unterbricht<br />
sogar kurzfristig das Gespräch, um sich<br />
neue Taschentücher zu holen. Weil sie<br />
nicht in Bestform ist, möchte die Sängerin<br />
während des Zoom-Interviews die Kamera<br />
lieber ausgeschaltet lassen.<br />
Auch ohne Bildübertragung kriegt man<br />
allerdings einiges von ihrem Leben in Los<br />
Angeles mit. Eigentlich wollte sie dort<br />
lediglich ihr fünftes Album „Ancient Dreams<br />
in a Modern Land“ aufnehmen und dann<br />
wieder nach London zurückkehren, doch<br />
während des ersten Lockdowns beschloss<br />
die Waliserin, ganz nach Kalifornien zu<br />
ziehen. Mit ihrer schwarzen Katze, die sich<br />
lautstark bemerkbar macht, nachdem sie<br />
aufgewacht ist. Daran ist die 35-Jährige<br />
gewöhnt, somit bringt sie das Miauen nicht<br />
gleich aus der Fassung. Sie redet völlig<br />
gelassen weiter über das Konzept ihres<br />
jüngsten Langspielers. Im Grunde sei er in<br />
zwei Teile geteilt, sagt sie: „Die erste Hälfte<br />
fokussiert sich mehr auf das Sozialkritische,<br />
dann kommen die Trennungssongs.“<br />
Zu ihnen zählt zum Beispiel „I Love You,<br />
But I Love Me More“. Mit diesem Lied<br />
verabschiedet sich Marina, die ihren<br />
Künstlernamen Marina and the Diamonds<br />
schon mit ihrer letzten Platte „Love + Fear“<br />
abgelegt hat, endgültig von ihrem Exfreund.<br />
Es knüpft musikalisch zweifellos mit seinem<br />
eingängigen Indie-Pop an das Debüt<br />
„The Family Jewels“ an – was im Übrigen für<br />
die meisten Nummern gilt. Eine bewusste<br />
Entscheidung sei das aber nicht gewesen,<br />
hält Marina dagegen: „Wahrscheinlich stellt<br />
sich dieser Sound einfach ein, wenn ich<br />
alleine schreibe.“<br />
So entstanden Ohrwürmer wie „Purge<br />
the Poison“. In dieser Powerpop-<br />
Nummer bringt Marina allerlei Themen<br />
von Rassismus über Frauenhass, #MeToo,<br />
Quarantäne und Mutter Natur bis zu<br />
Menschlichkeit aufs Tableau. „Es hat 91<br />
Botschaften“, witzelt sie. „Im Ernst: Dieser<br />
Track entstand zu Beginn der Pandemie,<br />
also in einer äußerst verwirrenden Zeit.<br />
Mein Ziel war es, Schnappschüsse des 21.<br />
Jahrhunderts einzufangen.“ Mal erinnert<br />
sie daran, wie sich Britney Spears 2007 ihre<br />
Haare abrasiert hat. Mal beschwört sie den<br />
Harvey-Weinstein-Missbrauchsskandal<br />
herauf: „Letztlich wirft dieser Song die Frage<br />
auf: Was ist eigentlich Weiblichkeit?“<br />
Die Bedürfnisse der Frauen treiben<br />
Marina auch in dem Stück „Man‘s World“,<br />
für dessen Produktion sie sich ein rein<br />
weibliches Team zur Seite stellte, um. Da<br />
spricht sie mit der Zeile „I don‘t wanna live<br />
in a man‘s world anymore“ Klartext. „Ich<br />
kämpfe jeden Tag gegen das Patriarchat“,<br />
erklärt sie. „Meiner Ansicht nach profitieren<br />
Männer von Gleichberechtigung nicht<br />
weniger als wir Frauen.“ Ginge es nach ihr,<br />
dann dürfte sich niemand über andere<br />
erheben. Insbesondere die Diskriminierung<br />
von Minderheiten wie LGBTIQ*-Bewegung<br />
geht ihr gegen den Strich. Nicht umsonst<br />
spielt sie in „Man‘s World“ auf einen Sultan<br />
an, der in seinem Land die Todesstrafe für<br />
Homosexuelle eingeführt hat. Gemeint<br />
ist Hassanal Bolkiah, ihm gehört das<br />
„Beverly Hills Hotel“ in Los Angeles. „Wie<br />
kann jemand auf der einen Seite ein<br />
wunderschönes Hotel besitzen, das bei<br />
der queeren Community extrem angesagt<br />
ist und auf der anderen Seite homophob<br />
sein“, empört sich Marina. „Ich habe gehört,<br />
dass dieser Mann in seiner Heimat Schwule<br />
zu Tode steinigen lässt.“ Nicht nur für die<br />
Künstlerin ist das ein Verstoß gegen die<br />
Menschenrechte: „Keiner sollte aufgrund<br />
seiner Sexualität verurteilt werden.“<br />
*Dagmar Leischow
POP<br />
Lana Del Rey<br />
Seit etwa zehn Jahren lässt die Sängerin uns<br />
melancholisch werden – und das auch noch<br />
genießen. Unlängst erschien ihr neues Album:<br />
„Chemtrails over the Country Club“, das einmal<br />
mehr chillen und träumen lässt. „Vielleicht war ich<br />
mit meiner Geschichte und meinen Erlebnissen,<br />
die ich in die Songs einfließen ließ, zu ehrlich? Komplexität im Pop ist immer noch verwirrend<br />
für manche Menschen. Ich habe tatsächlich aus meinem Leben berichtet, und<br />
nicht nur nichtssagende, freundliche Sommerliedchen geträllert.“ Vertonte Sehnsucht,<br />
großer Pop. Lana Del Rey (geboren am 21. <strong>Juni</strong> 1985) haucht, singt und flüstert und<br />
macht auch ihr siebtes Studioalbum „Chemtrails over the Country Club“ – erhältlich als<br />
CD, Kassette, Download und auf Vinyl – zum großen Wurf. *rä<br />
COMEBACK<br />
KLEE trotz alledem<br />
Das Kölner Pop-Duo KLEE meldet sich zurück!<br />
<strong>2021</strong> starten Suzie und Sten mit neuen Hits und<br />
dem Album „TROTZALLEDEM“ wieder durch.<br />
Gerade jetzt in der Pandemie machen sie Mut<br />
und lenken ab von den alltäglich gewordenen<br />
(Corona-)Hiobsbotschaften aus aller Welt.<br />
Über KLEE: 2002 begann die Karriere der Band mit dem Klub-Hit „Erinner dich“,<br />
einem melancholischen Rückblick auf eine Beziehung, umschmeichelt von sanften<br />
Elektrobeats. 2005 gelang KLEE dann mit dem poppigen „Gold“ der erste richtige<br />
Hit und 2008 mit „Zwei Herzen“ aus dem Album „Berge versetzen“ dann der bisher<br />
größte Wurf in Sachen Vielfalt. 2011 folgte das bis dato erfolgreichste Album „Aus<br />
lauter Liebe“. Musiziert hat die Band bereits schon ab 1997, damals nannte man sich<br />
aber noch Ralley. 2015 erschien ihr letztes Album „Hello Again“ – Platz 23 war für die<br />
neuinterpretierten Schlager drin. Unsere Anspieltipps auf „TROTZALLEDEM“ sind<br />
„Kopfüber“, „Glitzer drauf“ und „Septembernebel“. *rä<br />
www.kleemusik.de<br />
EURODANCE<br />
Retro-Freuden<br />
auf Platte<br />
In den 1990ern gab es unzählige Musikprojekte,<br />
die mit wechselnden Sängerinnen sowie von Techno,<br />
Trance und House inspirierten Beats und nicht mehr<br />
als vier Sätzen pro Lied weltweit Hits landeten.<br />
Nicht alle waren schlecht.<br />
Zu den Guten gehört zum Beispiel Odyssey (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen<br />
Soul-Disco-Formation). Dieses deutsche Eurodance-Projekt landete zwischen<br />
1993 und 1998 diverse Hits und veröffentlichte zwei Alben – das eine gibt es jetzt<br />
erstmals auf Vinyl: „Love Train“. Unsere Anspieltipps sind die Chart-Erfolge „Move<br />
Your Body“, „Into The Light“ und „Riding on a Train“. Mit involviert bei Odyssey waren<br />
unter anderem DJs wie Quicksilver und Projekte wie U.S.U.R.A., gesungen hat immer<br />
die großartige Lisa Cash, die auch heute noch Erfolg hat – etwa mit und bei Nina<br />
Hagen, den Brothers Keepers/Sisters Keepers oder Samy Deluxe. *rä<br />
www.maschinarecords.com<br />
CD, 2xLP & DIGITAL<br />
“Unter all den großen<br />
Werken, die uns Pallett in<br />
den letzten anderthalb<br />
Jahrzehnten geschenkt<br />
hat, ist dies das größte,<br />
berührendste - und<br />
das verstörendste.“<br />
ROLLING STONE GERMANY<br />
JULY 2020
KUNST<br />
FOTOGRAFIE<br />
MÄNNER<br />
AUS STOCKHOLM<br />
Der Fotograf Jonas Norén war gerade einmal vier<br />
Jahre alt, als er das erste Mal eine Kamera in den<br />
Händen hielt.<br />
Mittlerweile ist der Skandinavier einer der ganz<br />
Populären in der queeren und homoerotischen<br />
Fotografenszene. Wir haben einige seiner besten<br />
Bilder für dich versammelt. „Ich finde meine Models<br />
im Fitnessstudio, auf Facebook und auf Instagram.<br />
Und manchmal finden sie mich ...“, verriet uns<br />
Jonas Norén im Chat. Wer von dem schwedischen<br />
Künstler abgelichtet werden will, der kann sich via<br />
Social Media bei ihm melden. Vor Kurzem erschien<br />
auch ein Buch von Jonas Norén (wir berichteten):<br />
„Human Behind the Penis“. Schwule Kunst, die<br />
durch das Können des Machers und ihre innewohnende<br />
Erotik überzeugt. *rä<br />
www.jonasnoren.se,<br />
www.facebook.com/jonasnoren.se,<br />
www.instagram.com/jonasnoren.se,<br />
mehr Features dieser Art auf instagram.com/<br />
blumediengruppe
MALEREI<br />
ROSS<br />
WATSON<br />
Oft widmete sich der australische<br />
Künstler Ross Watson der malerischen<br />
Neuinterpretation von Stilen<br />
und Werken alter Meister, momentan<br />
erfreut er mit nackten Ansichten<br />
und Uniformen.<br />
KUNST<br />
Unbekleidete Trainierte neben den<br />
Wachen der Königshäuser! Das mag<br />
den einen oder anderen sicher vor<br />
den Kopf stoßen, schafft aber auch<br />
eine Intensität, die sonst selten so<br />
schnell beim Betrachter hervorgerufen<br />
wird. Denn so verbindet sich<br />
der erotische Muskelmann mit dem<br />
ehrwürdigen Traditionellen, was ja<br />
auch schon fast wieder etwas Sakrales<br />
hat. Der 1962 geborene australische<br />
Maler Ross Watson stellte<br />
schon erfolgreich in London, Berlin<br />
und Los Angeles aus und nahm an<br />
Gruppenausstellungen zeitgenössischer<br />
internationaler Künstler in<br />
der australischen Nationalgalerie<br />
und auf der Kunstmesse Toronto<br />
teil. Weltstar Sir Ian McKellen ist Fan<br />
und unser aller Piano-Meister Sir<br />
Elton John hat auch schon Watsons<br />
Kunst gekauft. *rä<br />
www.rosswatson.com,<br />
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instagram.com/blumediengruppe<br />
3DVD<br />
mit beiden<br />
Halbfinals und<br />
Finale<br />
ab 25. <strong>Juni</strong><br />
erhältlich!<br />
Album<br />
mit allen<br />
Teilnehmersongs<br />
ab sofort als<br />
2CD und<br />
Download<br />
erhältlich!<br />
www.eurovision.tv · www.universal-music.de/eurovisionsongcontest
BUCH<br />
ROMAN<br />
Noch immer erleben Trans* Gewalt, werden umgebracht, verjagt, verspottet<br />
und zur Prostitution gezwungen. Harter Tobak, thematisiert in<br />
einem wunderbaren Buch.<br />
Die 1982 in Argentinien geborene Autorin und Schauspielerin Camila Sosa Villada<br />
erzählt in ihrem unlängst beim Berliner Suhrkamp Verlag erschienenen Roman „Im<br />
Park der prächtigen Schwestern“ (im Original erschienen als „Las Malas (Tusquets<br />
Editores, Planeta de Libros, Buenos Aires“) vom Zusammenhalt und dem Leid<br />
einer Gruppe von Trans*-Prostituierten in einem Park in Córdoba, der nachts „zur<br />
Wildnis“ wird. Hierher, in den Sarmiento, verschlägt es die junge Camila, als sie vor<br />
familiärem Hass in die angebliche Anonymität der Stadt flüchten muss ... Hier<br />
erlebt sie Fürsorge, Freundschaft und Akzeptanz. Sie alle wollen keine Opfer sein,<br />
sie wollen leben. *rä<br />
KINDER<br />
ELIAS<br />
LIEBT EINEN MÄRCHENPRINZEN<br />
Gleichgeschlechtliche Liebe<br />
kommt in den allermeisten<br />
Geschichten nicht, kaum oder<br />
nur am Rand vor. Schön, dass es<br />
Bücher wie diese gibt: „Elias und<br />
die Märchenrevolution“ und „Elias<br />
und die Konferenz der Gefühle“.<br />
Beide Bücher stammen aus der<br />
Feder des in Bayern geborenen<br />
Wahl-Wieners Harald Buresch,<br />
der als Musical-Darsteller<br />
tätig war und jetzt hinter den<br />
Bühnenkulissen in der Kinder- und<br />
Jugendpädagogik wirkt. Und<br />
eben als Buchautor in diesen<br />
belastenden Zeiten von Krisen-,<br />
Pandemie- und Internet-Hass-<br />
News ganz wunderbar ablenkt.<br />
„ELIAS, ein moderner Held in Märchengeschichten,<br />
die Klein und<br />
Groß gleichermaßen begeistern.<br />
Nicht zuletzt die Liebesgeschichte<br />
zwischen ELIAS und dem<br />
Märchenprinzen sowie viel Humor<br />
machen die ELIAS-Bücher zu<br />
etwas ganz Besonderem“, verrät<br />
uns der Autor via E-<strong>Mai</strong>l.<br />
„Die altbekannten Märchen von<br />
Rotkäppchen bis Aschenputtel<br />
haben ausgedient: Kinder von<br />
heute interessieren sich nicht<br />
mehr für sie. Es herrscht Welt-<br />
Märchen-Krise! Elias gibt ihnen<br />
neue Botschaften und verhilft<br />
den märchenhaften Held*innen<br />
zu einem modernen und<br />
zeitgemäßen Neuanfang“, so der<br />
Wiener Queer. In seinen Büchern<br />
treffen wir auch alte Bekannte,<br />
doch Queerness scheint in dieser<br />
Märchenwelt keine neue Erscheinung:<br />
„Selbst Rotkäppchens<br />
** Großmutter hat darüber die<br />
ein oder andere Story parat“, so<br />
Harald Buresch. *rä<br />
www.maerchenheld.com<br />
** Es gibt viel ältere Versionen als die der<br />
Gebrüder Grimm. Nicht in allen hilft ein Jäger,<br />
mitunter befreit sich Rotkäppchen selbst. Immer<br />
schwingt aber mit, dass sich Mädchen nicht<br />
auf fremde Männer einlassen, „nicht vom Weg<br />
abkommen“ sollen.
DATES. FREUNDE. LIEBE.<br />
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und Transgender. Lade die App herunter oder logge dich in unsere Webseite ein.<br />
app.planetromeo.com
BUCH<br />
BILDBAND<br />
ZWANZIG NACKEDEIS<br />
IN DER NATUR<br />
Und im Pool! Diese Jungs hatten dabei viel Spaß – und lassen dich dank<br />
Salzgeber an ihren Erinnerungen teilhaben.<br />
Die Macher der Vollerotikseite CockyBoys, Jake Jaxson und RJ Sebastian,<br />
veröffentlichten gerade zusammen mit Salzgeber diesen äußerst<br />
erotischen, aber nicht peinlichen, Bildband. „SUMMER BOYS“ bietet auf 160<br />
Seiten farbenfrohe, schwule und vom Sommer geküsste Fotografie(-Erotik)<br />
in Buchform. Entstanden seien diese Bilder in einem Camp im Wald samt<br />
Ferienhütte und Pool ... Dort war der Sommer dann doch schöner als in<br />
den überhitzten deutschen Großstädten mit zu wenigen Straßenbäumen,<br />
oder? Zwanzig Models der Vollerotik-Seite CockyBoys waren dabei, hundert<br />
Fotografien sind herausgekommen. Schwul! *rä<br />
FOTOS: SALZGEBER
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aktiv an der medizinischen Forschung mitzuwirken und von ihr zu profitieren.<br />
Wir freuen uns auf Sie!<br />
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