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Leo Mai / Juni 2021

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28 POLITIK<br />

zu kurz. Dann wird gesagt: Im Feminismus<br />

kümmern wir uns nur um Geschlechterverhältnisse.<br />

Dabei wird nicht mitgedacht,<br />

dass zum Beispiel die Erfahrung, die ich<br />

aufgrund eines klassistischen Ausschlusses<br />

mache, sich genauso auf die geschlechterspezifische<br />

Diskriminierung, die ich erlebe,<br />

auswirkt. Diese Kämpfe lassen sich nicht<br />

trennen. Der <strong>Mai</strong>nstream-Feminismus<br />

arbeitet mit einer universellen Vorstellung<br />

einer Frau, ohne festzustellen, dass es<br />

die eine weibliche Perspektive gar nicht<br />

gibt, sondern die behauptete universelle<br />

Perspektive vor allem die Perspektive von<br />

privilegierten weißen Frauen ist. Arme<br />

Menschen, Menschen mit Behinderung<br />

oder nicht-weiße Menschen erleben<br />

andere soziale Ausschlüsse und benötigen<br />

dementsprechend andere feministische<br />

Strategien.<br />

<strong>Mai</strong>nstream-Feminismus vergisst<br />

trans* Themen und will lieber einen<br />

getrennten trans* Aktivismus. Doch<br />

TERFs, also Trans-Exclusionary<br />

Radical Feminists, legen ihren<br />

ganzen Fokus auf trans* Personen<br />

und ihre Auslöschung. Wie kommt<br />

man auf so eine Verdrehung der<br />

Gefahrenlage, wenn man sich diese<br />

ganze sexistische Welt ansieht?<br />

Na ja, wie mensch auf diese<br />

Verdrehung der Gefahrenlage<br />

kommt, frage<br />

ich mich tatsächlich<br />

auch. Häufig heißt<br />

es, dass Frauen in einem feministischen<br />

Kampf etwas erkämpft hätten und jetzt<br />

Sorge haben, dass sie durch andere<br />

Perspektiven etwas abtreten müssten. Das<br />

ist eine schön klingende Entschuldigung für<br />

privilegierte Fragilität.<br />

Der Mechanismus<br />

ist ähnlich, wie wenn<br />

weiße Menschen<br />

Abwehrreflexe<br />

gegenüber antirassistischen<br />

Bestrebungen<br />

verspüren. Entweder<br />

nutzt du dein Privileg,<br />

um mich zu beteiligen,<br />

oder du trittst es ab.<br />

Ich als weiße Person<br />

kenne diesen Reflex<br />

sehr gut, mich in die<br />

Abwehr zu flüchten und zu sagen: Aber ich<br />

bin noch ein*e von den Guten. Ich sehe eine<br />

ähnliche Dynamik, wenn Feministinnen<br />

versuchen, ihren Feminismus gegen neu<br />

erstarkende Perspektive zu verteidigen.<br />

Diese Perspektiven wirken neuartig, jedoch<br />

waren sie schon immer Teil feministischer<br />

Bestrebungen. Sie wurden aktiv kleingehalten<br />

und marginalisiert, um sie aus<br />

sozialen Bewegungen herauszudrücken.<br />

Der Versuch der Unsichtbarmachung ist<br />

nicht neu. Es ist die alte Leier von privilegierten<br />

Personen, die sich relativ nah der<br />

gesellschaftlichen Mitte befinden<br />

und versuchen, das bisschen, das<br />

sie sich erkämpft haben, und<br />

vor allem ihre gesellschaftlich<br />

FOTO: PRIVAT<br />

Mine Wenzel<br />

privilegierte Position zu verteidigen. Gesellschaftliche<br />

Veränderung und Bekämpfung<br />

von Privilegien funktionieren am Ende nur,<br />

wenn ich bestimmte Privilegien anfange<br />

zu teilen. Damit ist ein Status quo nicht<br />

aufrechtzuerhalten. Die<br />

Abwehr ist durchaus<br />

verständlich, weil die<br />

privilegierte Position<br />

bedroht wird. Was ich<br />

gefährlich finde, ist, dass<br />

dieser Verteidigungsreflex<br />

nicht aufgrund einer<br />

vergangenen feministischen<br />

Bewegungserfahrung<br />

ausgelöst<br />

wird, sondern dass darin<br />

aktiv Trans*Feindlichkeit<br />

mitschwingt. Dieser<br />

Hass ist verwurzelt in Texten wie „The<br />

Transsexual Empire“ von Janice Raymond.<br />

Diese Ideen und Bewegungen verfolgen das<br />

Ziel, trans* Menschen aus der Gesellschaft<br />

auszuschließen. In Form von Psycho-<br />

Pathologisierung und von psychiatrischen<br />

Einweisungen soll Trans*Geschlechtlichkeit<br />

aus der Gesellschaft verbannt werden.<br />

Diese Logik basiert auf Be_hindertenfeindlichkeit<br />

V und Eugenik. Es wird argumentiert,<br />

dass trans* Menschen den gesellschaftlichen<br />

Zusammenhalt gefährden. Dabei<br />

klingen Gedankenfiguren an, wie die<br />

sogenannte Trans*Ideologie sei gefährlich<br />

für unsere Kinder und für unsere Frauen.<br />

Diese Argumentationslinie kennen wir:<br />

Da kommen die bösen Invasor*innen, die<br />

unseren gesellschaftlichen Zusammenhang<br />

gefährden und versuchen, sich in unsere<br />

Räume einzuschleichen und uns zu<br />

korrumpieren. Diese Narrative sind sehr<br />

alt und finden sich in antisemitischen<br />

oder rassistischen Verschwörungsmythen<br />

wieder. Diese Menschen bemerken nicht,<br />

wie tief ihre Trans*Feindlichkeit reicht. Es<br />

geht nicht darum, sich für Frauen stark zu<br />

machen, sondern marginalisierten Personen<br />

das Leben unmöglich zu machen. Das sind<br />

aktive Auslöschungsversuche und das ist<br />

brandgefährlich.<br />

Mich erinnert die Rhetorik von<br />

„Frauen schützen“ sehr stark an<br />

Nazi-Argumentationen zum Schutze<br />

der weißen blonden Frau als Bild der<br />

Unschuld und Vertreterin des Volkes.<br />

Absolut. TERFs sind mit ihren Forderungen<br />

und ihrer Rhetorik Steigbügelhalterinnen<br />

von neuen völkischen Bewegungen wie<br />

AfD und Pegida. Rechte sagen: Wir wollen<br />

unsere weißen Frauen und unser Vaterland<br />

beschützen. Die Frau steht als Figur für das<br />

Behüten und Aufziehen von Kindern und<br />

sichert somit die nationalistisch-kapitalistische<br />

Reproduktion für eine funktionierende<br />

und verwertbare Gesellschaft. Einher geht<br />

mit diesem Bild die Angst von Invasoren,<br />

welche in der Regel nicht-weiße Menschen

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