PT-Magazin 3 2021
Offizielles Magazin der Oskar-Patzelt-Stiftung. Titelthema: Bange machen gilt nicht!
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EDITORIAL<br />
Bange machen gilt nicht<br />
<strong>PT</strong>-MAGAZIN 3 <strong>2021</strong><br />
Wir werden immer wieder gefragt, ob<br />
wir den „Großen Preis des Mittelstandes“<br />
nicht gezielt um eine Gründer- oder neudeutsch<br />
Startup-Kategorie erweitern wollen.<br />
Die Antwort lautet: Nein. Das wollen<br />
wir ganz bewusst nicht. Denn es gibt eine<br />
ganze Reihe großartiger Gründerwettbewerbe<br />
in Deutschland. Warum sollten wir<br />
das mit einer eigenen Gründerkategorie<br />
infrage stellen?<br />
Beim „Großen Preis des Mittelstandes“<br />
geht es nicht um den Anfang, sondern<br />
um die reife. Hier stehen eher<br />
Lebensleistungen im Fokus. Reife und<br />
Lebensleistung kommen nicht ungefähr,<br />
sie bedürfen einer gewissen Lebenserfahrung,<br />
die ein junger Nerd einfach<br />
noch nicht haben kann. Mit 30 hat man<br />
vielleicht hundert Kämpfe nach Punkten<br />
oder durch knockout gewonnen. Mit<br />
50 hat man mehrere hundert Kämpfe<br />
durchgestanden, und man hat nicht alle<br />
gewinnen können. Und aus den Niederlagen<br />
und Schmerzen hat man manchmal<br />
mehr lernen können als aus den Siegen<br />
und dem Sektkorkenknallen.<br />
Der Preisträger Frank Menzl, Gründer<br />
und Geschäftsführer der Container Vermietung<br />
und Verkauf Menzl GmbH aus<br />
dem sächsischen Lichtenau erzählt gern<br />
folgende Geschichte:<br />
Er war seit dem Jahr 2005 zum Wettbewerb<br />
nominiert worden, jedes Jahr<br />
aufs Neue, von verschiedenen Nominierenden.<br />
Fünf Jahre später, im Jahr 2010,<br />
nahm er erstmals an der Gala zur Preisverleihung<br />
mit anschließendem Ball teil.<br />
Er fand Wettbewerb und Veranstaltung<br />
großartig. Aber er war auch ein wenig<br />
niedergeschlagen. „Wir haben doch hier<br />
überhaupt keine Chance als kleiner Containerbetrieb<br />
mit 25 Mitarbeitern“ sagte<br />
er mir und ein klein wenig klang der Ton<br />
vorwurfsvoll. Doch ich antwortete ihm<br />
„Das stimmt nicht. Es sind viele tolle<br />
Unternehmen nominiert. Alle Branchen<br />
und Betriebsgrößen sind dabei. Bleiben<br />
Sie einfach am Ball. Nutzen Sie den Wettbewerb<br />
auch als Netzwerk Gleichgesinnter<br />
und als Benchmark Ihrer Führungsarbeit.<br />
Geben Sie nicht auf!“<br />
Und tatsächlich: Zwei Jahre später, im<br />
Jahr seines 20-jährigen Firmenjubiläums,<br />
wurde Menzl Finalist, und ein weiteres<br />
Jahr später sogar Preisträger! Und auch<br />
<strong>2021</strong> ist er wieder nominiert, diesmal zur<br />
Preiskategorie „Premier“.<br />
Menzl und die anderen fast fünftausend<br />
nominierten Unternehmen<br />
<strong>2021</strong> verkörpern gemeinsam den German<br />
Mittelstand. Man mag sich in Amerika<br />
noch so viel Mühe geben: In keiner<br />
Retorte irgendeines Silicon Valley wird es<br />
ein „Rezept“ zum Nachbau dieses German<br />
Mittelstand geben. Ein „American<br />
Mittelstand“ wirkt schon als Begriff wie<br />
die eierlegende Wollmilchsau, deren Existenz<br />
außer in Bilderbüchern und gefakten<br />
Kuriositätenkabinetten ein Ding der<br />
Unmöglichkeit ist.<br />
Natürlich sind auch erfolgreiche<br />
Familienunternehmen nicht vor Scheitern<br />
und Untergang gefeit. Das zeigt das<br />
Schicksal von Karstadt und Quelle. Die<br />
wurden nicht nur von sich selbst überschätzenden<br />
Managern zugrunde gerichtet,<br />
sondern denen fehlte bereits das, was<br />
den deutschen Mittelstand von amerikanischen<br />
Klein- und mittleren Unternehmen<br />
unterscheidet:<br />
Eine Kultur des Mittelstands, eine<br />
Ethik des ehrbaren Kaufmanns, eine<br />
Bewahrungshaltung bei der uns<br />
geschenkten Schöpfung ebenso wie beim<br />
dem, was an Kultur und Gesellschaft aufgebaut<br />
wurde und das Reich des Menschen<br />
vom Tierreich unterscheidet. Diese<br />
Kultur ist nicht erlernbar in Seminaren<br />
oder Büchern, sie muss gepflegt werden<br />
über Generationen und bewahrt werden<br />
wollen in einer Gesellschaft von Politikern,<br />
Abgeordneten, Medien, Bildungseinrichtungen.<br />
Daran mangelt es in Amerika. Daran<br />
mangelt es in West- und Südeuropa.<br />
Und leider gibt es auch in Deutschland<br />
Kräfte, die diese Kultur eher schleifen wollen<br />
statt sie zu stützen und zu schützen.<br />
Doch „Bange machen gilt nicht!“ sollte<br />
unsere Devise sein, um die mittelständische<br />
Werte- und Leistungskultur hoch zu<br />
halten.<br />
Ihr Helfried Schmidt