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PT-Magazin 3 2021

Offizielles Magazin der Oskar-Patzelt-Stiftung. Titelthema: Bange machen gilt nicht!

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<strong>PT</strong>-MAGAZIN 3 <strong>2021</strong><br />

Vor über 100 Jahren schockierte die<br />

Menschen die Totalität des ersten<br />

Weltkrieges. Niemand hatte sich bis<br />

dahin Millionen und Aber-Millionen Tote<br />

als Ergebnis einer militärischen Auseinandersetzung<br />

vorstellen können. Möglich<br />

war diese Massenvernichtung erst durch<br />

neue Technologien geworden (Flugzeuge,<br />

Maschinengewehre, Panzer, Giftgas, etc.).<br />

Schlimmer kann es nicht kommen, so<br />

dachten die Menschen. Doch tatsächlich<br />

wartete auf sie noch ein viel schlimmerer<br />

Schrecken: Eine einzige Bombe,<br />

mit der sich Hundertausende von Menschen<br />

töten lassen. Vor über 75 Jahren,<br />

am 6. August 1945, warf das US-Militär<br />

eine erste Atombombe auf die japanische<br />

Stadt Hiroshima ab. Drei Tage später<br />

formte sich ein Atompilz über Nagasaki.<br />

Ihre Grundlage hatte die Atombombe<br />

in einer damals neuen physikalischen<br />

Theorie, die unter Physikern bis<br />

heute ein Synonym für Unverständlichkeit<br />

darstellt: die Quantentheorie. In der<br />

Welt der Physiker hatte diese schon seit<br />

Beginn des 20. Jahrhunderts gewaltige<br />

Furore gesorgt. Sie hatte bereits ein ganzes<br />

Weltbild, das Weltbild der klassischen<br />

Physik - und großer Teile der klassischen<br />

Philosophie - einstürzen lassen. Mit der<br />

Beschreibung der Gesetze im Mikro- und<br />

Nanokosmos zeichneten sich zugleich<br />

aufregende neue Technologien ab, die<br />

in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts<br />

die Welt verändern sollten (Laser, Mikroelektronik,<br />

Medizintechnik, etc.). Doch<br />

im letzten Kriegsjahr 1945 war dies der<br />

Allgemeinheit noch nicht bewusst. Zu<br />

komplex, zu bizarr und zu mathematisch<br />

war die neue Physik. Doch dann trat diese<br />

urplötzlich und völlig unerwartet auf die<br />

Bühne der Weltöffentlichkeit, und dies<br />

mit einem sehr lauten Knall: Die erste<br />

technologische Anwendung der Quantenphysik<br />

war die furchtbarste Waffe, die<br />

jemals militärisch eingesetzt wurde.<br />

Wie war diese schreckliche Waffe<br />

entstanden? Seit dem berühmten Versuch<br />

Rutherfords von 1912, von dem<br />

heute jedes Schulkind weiß, wussten<br />

die Physiker, dass der Atomkern aus elektrisch<br />

positiv geladenen Elementarteilchen<br />

(Protonen) besteht. Doch stoßen<br />

sich gleich geladene Teilchen ab. Wie ist<br />

es dann möglich, dass Atomkerne stabil<br />

sind? Die vielen Protonen im Atomkern<br />

müssten doch auseinanderfliegen. Eine<br />

weitere Kraft im Atomkern musste auf<br />

den sehr kurzen Distanzen im Atomkern<br />

weit stärker (anziehend) wirken als die<br />

elektrische Kraft. Doch was das für eine<br />

Kraft sein sollte, das wussten die Physiker<br />

nicht. Es war eines von vielen Rätseln<br />

in der Quantenwelt, in der die Physiker<br />

gerade erst begonnen hatten, sich umzuschauen.<br />

Im Jahre 1934 begann der italienische<br />

Physiker Enrico Fermi, Uranatome<br />

mit Neutronen zu bombardieren. Seine<br />

Hoffnung war, dass einige dieser Neutronen<br />

am Atomkern haften bleiben würden,<br />

womit neue, in der Natur nicht vorkommende<br />

Atomkerne gebildet werden könnten.<br />

Zu Fermis Überraschung entstand in<br />

seinen Experimenten eine große Menge<br />

radioaktiver Strahlung, deren Herkunft<br />

weder er noch andere Forscher erklären<br />

konnten. Vier Jahre später, im Sommer<br />

1938, beobachteten Irène Joliot-Curie,<br />

die Tochter Marie und Pierre Curies, und<br />

ihr Mann Frédéric, dass bei der Bombardierung<br />

von Uran mit Neutronen ein<br />

ganz anderes Element entsteht, welches<br />

einen wesentlich kleineren Kern als Uran<br />

besitzt. Sie waren verblüfft und konnten<br />

nicht glauben, dass sich ein solch großes<br />

Stück aus dem doch an sich unteilbaren<br />

Uranatomkern herausschießen ließ. Im<br />

Dezember des gleichen Jahres führten<br />

die deutschen Forscher Otto Hahn und<br />

Lise Meitner ebenfalls Experimente mit<br />

Urankernen durch, um die unbekannte<br />

Kraft im Atomkern genauer zu untersuchen.<br />

Auch sie beschossen Uran mit seinen<br />

92 Protonen und – je nach Isotop<br />

– 143 oder 146 Neutronen, und die „Munition“<br />

waren auch hier verlangsamte Neutronen.<br />

Es stellte sich heraus, dass durch<br />

den Beschuss zwei ganz andere Elemente<br />

entstehen: Barium und Krypton. Bariumatome,<br />

die sich schnell radiochemisch<br />

nachweisen ließen, besitzen eine Kernladungszahl<br />

von 56 und sind fast nur halb<br />

so groß wie Urankerne. Mithilfe theoretischer<br />

quantenphysikalischer Berechnungen<br />

kam Meitner zu dem Ergebnis, dass<br />

der Uran-Kern durch das Neutronenbombardement<br />

zum Platzen gebracht worden<br />

war. Dabei nehmen die Bruchstücke sehr<br />

viel Energie auf, weit mehr, als in jedem<br />

bis dahin bekannten Atomprozess entstanden<br />

war. Doch woher diese Energie<br />

kam, war zunächst ein weiteres Rätsel.<br />

Meitner berechnete auch, dass die beiden<br />

Kerne, die aus der Spaltung hervorgingen<br />

(plus drei Neutronen, die frei werden),<br />

in ihrer Summe geringfügig leichter<br />

waren als der ursprüngliche Atomkern<br />

des Urans plus das Neutron, das die Spaltung<br />

auslöste. Was war mit der fehlenden<br />

Masse geschehen?<br />

Die Antwort auf beide Fragen lieferte<br />

Einsteins berühmte Formel E = mc2, die<br />

dieser mehr als 30 Jahre zuvor aufgestellt<br />

hatte: Die Differenz der Massen vor und<br />

nach der Spaltung entsprach genau der<br />

Energie, die die Bruchstücke aufgenommen<br />

hatten, so Meitners Ergebnisse. Zum<br />

ersten Mal hatte sich ein Prozess manifestiert,<br />

in dem sich die von Einstein formulierte<br />

Äquivalenz von Energie und<br />

Masse direkt offenbarte. Zugleich war<br />

damit aber auch klar geworden: Im Inneren<br />

des Atoms schlummern unvorstellbare<br />

Energien! Diese Nachricht lief wie<br />

ein Lauffeuer durch die wissenschaftliche<br />

Welt Otto Hahn, nicht aber Lise Meitner,<br />

erhielt für diese Erkenntnis den Chemie-<br />

Nobelpreis 1944; allerdings befand er sich<br />

zum Zeitpunkt der Bekanntgabe zusammen<br />

mit den führenden deutschen Atomphysikern<br />

noch in militärischer Internierung<br />

in England.<br />

Die Physiker nannten diese Energie<br />

«Kernenergie». Bei der Spaltung des<br />

Atoms wird ein geringer Teil dieser gewaltigen<br />

Energiemenge frei, die aber immer<br />

noch millionenfach stärker ist als in konventionellen<br />

chemischen Reaktionen. Der<br />

Zufall wollte es, dass bei der durch ein<br />

Neutron hervorgerufenen Spaltung eines<br />

Urankerns drei weitere Neutronen freigesetzt<br />

werden, die ihrerseits Urankerne<br />

spalten konnten. Die Physiker erkannten,<br />

dass sich über eine Kettenreaktion<br />

in sehr kurzer Zeit eine enorme Energiemenge<br />

freisetzen ließ. Viel Energie auf<br />

engem Raum, die sich freisetzen ließ ˘<br />

© WikiImages auf Pixabay

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