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Hochgefühle 02 2021

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Seite 62 HOCHGEFÜHLE – DAS MAGAZIN DE ER ALPENVEREINS<br />

Erinnerungen von Otto Umlauft (Serie 9/10)<br />

AM WEG ZUM<br />

NANGA PARBAT<br />

Tagebuch einer großen Reise<br />

Otto Umlauft sen.<br />

Industal,<br />

Sonntag, 25. 5. 1975<br />

Früh aufstehen – und dann warten! Endlich geht es<br />

ein paar Meilen in ein Dorf. Endloses Palawer: „Keine<br />

Boote für den Indus; Straße unterbrochen und ein<br />

Jeep abgestürzt.“ Letzte Möglichkeit: der 20-Meilen-<br />

Marsch am linken Indusufer, weil wir den China-Highway<br />

doch nicht benützen dürfen.<br />

Wir steigen also zur „Rope-Bridge“ hinunter. Es dauert<br />

Stunden, bis alles so weit ist und der erste sich<br />

hinüberhantelt. Nicht alle sind begeistert davon und<br />

Karl will die Gruppe teilen. Gottseidank kommt es<br />

nicht dazu. Alle werden hinübergeseilt. Ich bin unter<br />

den Ersten, weil ich vorausgehen will. Da mein Träger<br />

jedoch gleich wieder verschwindet, trage ich meinen<br />

Rucksack zum Indusufer und bade in der langen Wartezeit<br />

mit drei anderen.<br />

Gegen 16.30 Uhr brechen wir dann zu einem sehr<br />

beschwerlichen Marsch auf und lagern uns zur Nacht<br />

auf einer steindurchsetzten Hochfläche ober dem<br />

Indus. Sehr hartes Nachtlager mit erfrischendem Induswasser.<br />

Bunji,<br />

Montag, 26. 5. 1975<br />

Die Nacht am Indus war zwar hart, aber einmalig<br />

schön. Mond und Sterne zwischen hohen Bergen<br />

leuchten auf den Lagerplatz. Ich sitze, schaue und<br />

genieße. Das Erlebnis dieser Fahrt ist unwiederbringlich!<br />

Ich bin sehr froh darüber.<br />

Kurz vor 5 Uhr gehen wir wieder los. Thomas Gruhl<br />

und Klaus Schoenwald gehen in überaus kameradschaftlicher<br />

Weise mit mir und helfen mir dadurch<br />

sehr gut über die weite Entfernung mit dem schwierigen<br />

und ermüdenden Boden.<br />

Die Sonne um 7.45 Uhr bringt gleich beträchtliche<br />

Hitze. Mit Karl und Anhang (Ina, Michel und Georg)<br />

bleibe ich bei einem Felsen, kurz nach Beginn der<br />

Wüste. Ich erhole mich schnell und warte gerne.<br />

Der Jeep bringt uns dann die letzten 8 Meilen nach<br />

Bunji, wo wir im Garten der „Technischen Inspektion“<br />

unser Lager aufschlagen. Der schwerste Teil des Anmarsches<br />

soll damit hinter uns gebracht sein.<br />

Der Park ist herrlich. Es gibt eine Waschgelegenheit,<br />

weiter Maulbeeren, eine Hornisse, einen Wiedehopf<br />

und mehrere Pirol.<br />

Der eindrucksvollste Moment war jedoch das Auftauchen<br />

von Nanga Parbat und Chongra Peak in der<br />

ersten Frühsonne. Die ganze Rakiotflanke lag vor uns<br />

und der berühmte Silbersattel glänzte!<br />

Am Nachmittag taucht plötzlich Sarbaz Khan von Gilgit<br />

kommend auf. Morgen will er gegen Mittag mit 25<br />

Jeep ankommen für die Fahrt der Gesamtexpedition<br />

nach Rampur. Wenn die Straße fahrbar ist, könnten<br />

wir am Mittwoch beim Hauptlager sein. Für mich<br />

gäbe es sehr viel Post!<br />

Der Abend unter der hohen Platane ist erholsam. Ein<br />

Becher voll Reis mit Dschabati ist das Abendessen.<br />

Bunji,<br />

Dienstag, 27. 5. 1975<br />

Erstes Sonnenlicht am Nanga Parbat genau im Süden<br />

und am Rakaposhi im Norden von uns. Am Rand des<br />

Dorfes zeigen sich die weißen Berge vor dem Hintergrund<br />

der braunen steingebauten Behausungen, der<br />

grünen Gerstenfelder und der Akazien. Eingeleitet<br />

wird der strahlende Tag durch den reizvollen Wechselgesang<br />

des Pirol, der von Baum zu Baum ruft und<br />

antwortet. Nach den Tagen in der vegetationsarmen<br />

Indus-Schlucht und in der Sand- und Steinwüste seiner<br />

Ufer erscheint mir das Leben im Grünen wie im.<br />

Paradies.<br />

Wir warten den ganzen Tag auf Sarbaz, aber erst im<br />

Finstern kommt der erste Jeep und um Mitternacht<br />

erst Sarbaz. Er hat 24 Jeeps aufgetrieben.<br />

Die Nacht ist zauberhaft schön. Die Venus führt bis zu<br />

ihrem Untergang meine Gedanken nach Klagenfurt.<br />

Astor-Tal,<br />

Mittwoch, 28. 5. 1975<br />

Im Morgengrauen stehe ich auf. Die Allgemeine Erwartung<br />

der Abfahrt lässt niemanden lange schlafen.<br />

Wir frühstücken den undefinierbaren „Tee“ im „Rajab<br />

Hotel“ und dann sucht sich jeder auf gut Glück Platz<br />

auf einem Auto. Um 7.30 Uhr geht es endlich los!<br />

Nach Querung eines Bachbettes mit senkrechten<br />

Ufern und entsprechenden Einfahrten kommen wir<br />

zur „Schah-Bridge“. Hoch über der Schlucht hängt<br />

sie lose in den Seilen. Von jedem Ufer ist sie gut 20 m<br />

entfernt. Die Fahrt durch das Astor-Tal aufwärts stellt<br />

teilweise das Indus-Tal noch in den Schatten. Gefahren<br />

wird, was der Motor hergibt.<br />

Doch plötzlich eine Stauung. Rund 50 Jeeps sammeln<br />

sich in Kürze an. Die Straße ist im Bereich einer alten<br />

Rutschung von einem Seitenbach abgeschwemmt.<br />

Wir sehen die Berge von lockerem Material an und<br />

schätzen eine Wartezeit von drei Tagen. Zu nächst<br />

geschieht gar nichts. Dann packen unsere Leute, die<br />

Hunza-Träger und schließlich auch Einheimische an.<br />

Weidenbäume und Steine werden aufeinandergeschlichtet,<br />

Böschungen sind abzugraben und ständig<br />

rutscht etwas nach. Das Wunder geschieht: nach drei<br />

Stunden setzt sich die ganze Kolonne in halsbrecherischer<br />

Fahrt in Bewegung. Nach dem letzten Wagen<br />

rutscht die Böschung wieder auf die „Straße“.<br />

Mühsam wird Astor erreicht und weiter geht die Fahrt<br />

bis zur Einmündung des Rupal-Tales. Das Gepäck<br />

wird abgeladen, die Autos sind weg. Wir schlafen<br />

rund um die 400 Lasten und eine herrliche Gebirgsnacht<br />

senkt sich über uns. Fast alle leiden unter starkem<br />

Husten.<br />

Ich bin glücklich, so weit in den Bergen zu sein und<br />

freue mich auf die Anmarschtage.<br />

Fortsetzung folgt …

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