argus2021_06
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Gesellschaft
Adoption im Überblick
Wird das Kind uns annehmen oder wird
es uns immer fremd bleiben? Können wir
seinen Bedürfnissen gerecht werden und ihm die
erforderliche Unterstützung geben? Diese Fragen
plagen die meisten werdenden Adoptiveltern. Adoption
ist ein besonderer Vorgang zur Gründung einer
Familie, der viel Einfühlungsvermögen, Toleranz,
Liebe sowie Geduld erfordert. Das aufgenommene
Kind nimmt die Stellung eines leiblichen Kindes
ein und wird dementsprechend behandelt. Es erhält
Name und Staatsbürgerschaft der Adoptiveltern sowie
Erbansprüche gegenüber deren Verwandten.
Es gibt mehrere Formen von Adoption. Am häufigsten
ist die „Stiefkinderadoption“, bei der ein Ehepartner das
leibliche Kind seines Partners als sein eigenes anerkennt,
mit allen verbundenen Rechten und Pflichten.
Bei der „Fremdenadoption“ hingegen hat die Herkunftsfamilie
kein verwandtschaftliches Verhältnis
zum Adoptivkind. Einerseits kann sie eine Chance
für das aufgenommene Kind sein, andererseits wird
der Kinderwunsch von Paaren, die beispielsweise
keine eigenen Kinder bekommen können, erfüllt.
Die Voraussetzung für ein gelungenes Familienleben
ist, dass sich Ehepaare nicht von vornherein ein
Wunschkind ausmalen und die Erwartungen nicht zu
hoch ansetzen. Stattdessen müssen sie das Kind mit
all seinen Makeln akzeptieren und ihm helfen, seine
besondere Vorgeschichte zu verarbeiten. Sein neues
Leben muss in Einklang mit seiner ethnischen und kulturellen
Herkunft gebracht werden. Bei der nationalen
Fremdenadoption kommt das Kind aus dem eigenen
Staatsgebiet, bei der internationalen Fremdenadoption
stammt es aus dem Ausland, wie es bei Amelia
und Lorin der Fall ist. In Südtirol werden jährlich durchschnittlich
fünfundzwanzig Kinder fremdenadoptiert.
Die Zahl der Fremdenadoptionen verzeichnet in Italien,
sowie in vielen weiteren EU-Ländern, in den letzten
Jahren einen starken Rückgang. Ausschlaggebend
dafür sind viele verschiedene Gründe. Momentan
werden in europäischen Staaten weniger Kinder abgegeben,
da Frauen eher verhüten, also seltener ungewollt
schwanger werden, und Familien finanziell
mehr unterstützt werden als in der Vergangenheit. In
gewissen Ländern wie Äthiopien, das eine hohe Ad-
optionsrate hatte, wurde die internationale Adoption
infolge eines Politikwechsels „zum Wohl der Kinder“
verboten. Beim Thema Adoption kollidieren nämlich
die Kinderrechte. Einerseits wird in das kulturelle, psychische
und soziale Leben der Kinder eingegriffen,
andererseits wird ihr Anspruch auf eine Familie erfüllt.
Während 2015 italienweit noch 2.216 Kinder aufgenommen
wurden, waren es 2019 nur mehr 1.205
Kinder. Davon stammen 222 Minderjährige aus Kolumbien,
159 aus Russland, 129 aus Ungarn, 104
aus Indien und 81 aus Bulgarien. Der Großteil der
Adoptivkinder war zwei bis sieben Jahre alt. Momentan
gibt es mehr Adoptionsbewerber als zur Adoption
freigegebene Kinder. Viele Paare sind bereit, viel
Geld für ein Kind zu bezahlen. Die Folgen: Kinderhändler
nützen das „Geschäft“ für sich. Kinder werden
entführt oder ihren leiblichen Eltern abgekauft.
Ein weiter Weg
Jedes Land hat in Bezug auf Adoptionen eigene
Vorgehensweisen. In Südtirol ist das „Landesamt
für Kinder- und Jugendschutz und soziale Inklusion“
dafür zuständig. Für Paare beginnt das Verfahren
mit einem Informationsgespräch und anschließendem
Vorbereitungskurs. Der nächste
Schritt ist die Einreichung der Bereitschaftserklärung
beim Jugendgericht Bozen. Parallel dazu findet
die Überprüfung der nötigen Voraussetzungen
statt. Adoptionsbewerber werden genauestens unter
die Lupe genommen: Das Einkommen, der Wohnraum
und sogar Arztvisiten werden begutachtet.
Grundsätzlich muss das adoptionsbereite Paar mindestens
drei Jahre lang verheiratet sein oder in einer
Partnerschaft zusammenleben. Die Altersspanne
zwischen einem Elternteil und dem Adoptivkind muss
zwischen 18 und 45 Jahren liegen, der Altersunterschied
zum anderen Elternteil kann bis zu 55 Jahre
betragen. Im Falle der internationalen Kinderaufnahme
wird schließlich vom Jugendgericht die Eignung
für die Aufnahme erlassen und eine Adoptionsvermittlungsstelle
kontaktiert. Begleitet werden Adoptionsfamilien
von der „Dienststelle Adoption Südtirol“.
Nach der Aufnahme beginnt ein langer Weg für
die neuen Familien. Die Trennung von den leiblichen
Eltern, die Einsamkeit im Heimleben, körperliche
oder seelische Misshandlungen – Adoptivargus
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