argus2021_06
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Schüulerzeitung
ü
#25
Schuljahr
2020/21
Bruneck
Nikolaus Cusanus
Sprachen- und Realgymnasium
So nicht!
Aufstände 2020
Risse in der Gesellschaft
Wo Ungleichheit herrscht und wo Gerechtigkeit gelingt
Anfänge
des
Sexismus
Fragen, die
die Menschheit
spalten
Wer & was
3
Redaktion
4
Scientology
Inhalt
7
Ich bin ein
Glückskind
12
Eine Tasse
voll
Glück
Impressum
Herausgeber
Sprachen- und
Realgymnasium
„Nikolaus Cusanus“
Bruneck
22
Proteste und
Aufstände
2020
18
Soziale
Netzwerke
16
Alles, nur
nicht
down
14
Rivalisierende
Geschwister
Chefredakteurin
Bettina Gartner
Redaktion
Salome J. Bergmann
Eva Hell
Barbara Kofler
Thomas Mair
Natan N. Mutschlechner
Andrea Moser
Mara Nicolussi Moz
Lisa Passler
Emilie Sophie Ploner
Anna Recla
Samuel Schneider
25
Antisemitismus
41
Geschlechter
im
Sport
28
Homophobie
38
Mathe und
Mädchen
30
Schwieriges
Schweigen
36
Im
Interview
32
Frauenquote
34
Anfänge des
Sexismus
Titelbild
© Pixabay, xusenru
Layout-Konzept
Adam Kammerer
42
Kleiderpower
44
Spaltende
Fragen
48
Mauer im
Kopf
52
Vermüllte
Meere
Gestaltung
Richard Kammerer
argus
56
Aus dem
Cusanus-
Gymnasium
54
Müll
made in
Italy
2
Die ARGUS-Redaktion
Wer & was
Samuel Schneider
Eva Hell
Lisa Passler
Thomas Mair
Mara Nicolussi Moz
Salome J. Bergmann
Anna Recla
Emilie Sophie Ploner
Andrea Moser
Barbara Kofler
Natan N. Mutschlechner
argus
Bilder © privat
3
Gesellschaft
Scientology – die Sekte, die spaltet
Scientology ist in den letzten Jahren immer wieder in die Kritik geraten und wird
vielerorts vom Staat überwacht. Auf den ersten Blick wirkt die religiöse Gemeinschaft
harmlos, doch Mitglieder berichten von Psychoterror und Intrigen hinter der Fassade
Scientology ist eine Sekte, die rund um den Globus
in 148 Ländern mit mehr als 11.000 Kirchen verbreitet
ist. Nach eigenen Angaben treten jährlich 4,4
Millionen Mitglieder der Glaubensgemeinschaft bei.
Kritiker behaupten, die Zahl der praktizierenden Scientologen
sei deutlich kleiner. Tatsächlich gäbe es
insgesamt nur etwa 150.000 Mitglieder weltweit. Der
Großteil der Scientologen befindet sich in den USA,
doch auch in Italien gibt es Scientology-Kirchen,
selbst in Südtirol ist die Sekte vertreten.
Gründung Ü
L. Ron Hubbard war der Gründer der Scientology-Kirche.
Er veröffentlichte im Jahr 1950 das Buch „Dianetik“,
in dem er Therapien entwarf und versprach, er
würde Menschen zu unsterblichen Genies machen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg erwiesen sich die Leser
als sehr empfänglich für Hubbards Ansprüche und
das Buch wurde schnell zu einem Bestseller.
Als er sich bei einem Treffen mit Science-Fiction-
Autoren in New York über die schlechte Bezahlung
seiner literarischen Arbeiten beklagte, schlug ihm
der Autor Lester del Rey vor, er solle doch eine Religionsgemeinschaft
gründen, da diese steuerbefreit
sei. Diese Anregung, eigentlich als Witz gedacht,
setzte Ron Hubbard 1954 in die Tat um und gründete
in Südkalifornien die Scientology-Kirche, welche sich
in den folgenden Jahren auf der gesamten Welt ausbreitete.
Beitritt in die Sekte
© Pixabay, pasja
Das Erreichen „totaler Freiheit“ kostet eine halbe MIllionen Dollar
Oft fühlen sich Menschen, die sich in einer Lebenskrise
befinden, von einer Sekte angezogen. Sie suchen
nach einer Lösung oder einer Veränderung.
Scientology verspricht den Menschen Hilfe durch
Gespräche, Kurse, Kontakte sowie soziale Anerkennung.
Ein Einsteiger wird von den Scientologen, die
ihm das Gefühl vermitteln, für ihn da zu sein, freundlich
begrüßt. In den meisten Fällen handelt es sich
bei den Begrüßenden um Mitglieder, die über Jahre
hinweg darauf trainiert wurden, wie man am besten
neue Anhänger für Scientology gewinnt. Anschließend
finden Kurse statt, in denen man über allgemeine
Lebensfragen spricht. Diese kosten ungefähr
50 Euro. Was die Teilnehmer noch nicht wissen, ist,
dass die folgenden Kurse stetig teurer werden und
bis zu 1.000 Euro kosten können.
Ein weiterer Trick von Scientology besteht darin, bei
Veranstaltungen mit ehrenwerten Zielen wie „Sag
nein zu Drogen. Sag ja zum Leben“ oder „Jugend
für Menschenrechte“ Mitglieder anzuwerben. Dass
hinter diesen Veranstaltungen Scientology steckt, ist
im Vorfeld nicht zu erkennen. Während der Veranstaltungen
werden erste Kontakte aufgebaut und den
Teilnehmern Prospekte von Scientology in die Hand
gedrückt.
Die Lehre der Scientology-Kirche
Der sogenannte Thetan ist das Herzstück der Lehre
der Scientology-Kirche. Dabei handelt es sich um
die Vorstellung, dass das unsterbliche Wesen jedes
Menschen durch traumatische Erlebnisse massiv in
seiner Funktionsweise beeinträchtigt worden sei. Nur
durch spezielle Methoden wie dem Auditing, einem
Prozess, in dem der Auditor – ein ausgebildeter Scientologe
– den Traumatisierten anhand von persönlichen
Fragen durch seine Vergangenheit führt, soll
man von negativen Einflüssen befreit werden.
Doch damit nicht genug. Die Überwindung der eigenen
Traumata ist nur ein erster Schritt. Das End-Ziel
besteht darin, die Bewusstseins-Stufe des „Operating
Thetan“ zu erreichen. Damit ist die Trennung von
argus
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Sekten
© Annie Spratt, Unsplash
© Pixabay, geralt
Die Stufe des „Operating Thetan“ verspricht „totale Freiheit“
individuellem Bewusstsein und Körper gemeint. Um
die „totale Freiheit“ zu erlangen und Operating Thetan
zu werden, muss man 15 verschiedene Stufen
durchlaufen, die jeweils viele Tausende Euro kosten.
Aus diesem Grund wird der Glaubensgemeinschaft
oft vorgeworfen, ihre Anhänger auszubeuten. Ehemalige
Mitglieder sprechen sogar von einer halben
Million Dollar, die sie für das Erreichen der „totalen
Freiheit“ zahlen mussten. Laut Jeffrey Augustine, Autor
des Blogs „The Scientology Money Project“, hat
die Kirche ein Vermögen von 1,75 Milliarden Dollar,
wovon 1,5 Milliarden in Immobilien investiert werden.
Die Kirche macht zudem jährlich einen Gewinn von
über 200 Millionen Dollar.
Ausstieg aus Scientology und die
Folgen
Den Gläubigen ist es verboten, mit Familienmitgliedern
zu sprechen, die Scientology kritisieren. Zeitweise
werden sie rund um die Uhr überwacht und
dürfen sich nur in den von Scientology bereitgestellten
Zimmern aufhalten. Da alles für sie organisiert
wird, sind die Mitglieder nie darauf angewiesen, die
Institution zu verlassen, die durch und durch mit
Überwachungskameras ausgestattet ist. Auch der
Internetzugang ist den Teilnehmern strengstens verboten.
Beim Auditing werden zudem private Fragen
gestellt und aufgenommen, um den Menschen bei einem
Austritt aus Scientology mit der Veröffentlichung
zu drohen. Die US-Schauspielerin Leah Remini, die
als Kind nach der Trennung ihrer Eltern durch ihre
Mutter in die Glaubensgemeinschaft einstieg, verließ
die Sekte im Jahr 2013 und erhebt in einer achtteiligen
Doku-Serie über Scientology schwere Vorwürfe.
Remini gilt als eine der bekanntesten Scientology-
Kritiker und spricht über ihre Erfahrungen als Kind.
Kinder von Scientology-Mitgliedern werden von klein
auf im Glauben erzogen, sie seien erwachsene Seelen,
gefangen in einem jungen Körper. Schon im jungen
Alter trat Remini der Elitegruppe „Sea Org“ bei,
in der Hoffnung, dadurch ranghöher aufzusteigen.
Gemeinsam mit anderen Kinder war Remini in einem
heruntergekommenen Motel mit „kakerlakenverseuchten“
Schlafsälen untergebracht.
Stundenlang musste sie
schuften. „Es konnte von der
Arbeit in einer Waschküche
zu funktionierenden industriellen
Schleifmaschinen
reichen“, sagt Remini. Da
Filmtipp
sie sich über die Lebensbedingungen
beklagte,
wurde sie in die „Rehabilitation
Project Force“,
kurz RPF, geschickt,
Schau genau!
Going clear –
Scientology and
the prison of belief
(Netflix)
argus
5
einen Ort, an den Scientologen hinkommen,
die die Erwartungen oder
Richtlinien der Glaubensgemeinschaft verletzt
haben. Der Ex-Scientologe John Duignan,
der selbst dort gearbeitet hat, beschreibt in seinem
Buch „The Complex“ RPF-Mitglieder als Menschen,
die in einem Keller voller Ratten wohnen und menschenunwürdige
Jobs ausüben.
Scientology wurde in den vergangenen Jahren immer
wieder verklagt – nicht zuletzt von ausgestiegenen
Frauen, die der Vereinigung vorwerfen, von
hochrangigen Mitgliedern sexuell missbraucht worden
zu sein.
Gesellschaft
Im August 2019 gingen vier Ex-Scientologinnen gerichtlich
gegen Scientology, das kirchliche Oberhaupt
David Miscavige und den Schauspieler Danny Masterson
vor. Nachdem eine der vier Frauen 2018 die
Kirche verlassen und sich öffentlich gegen sie ausgesprochen
hatte, startete Scientology eine Belästigungskampagne
gegen sie. Die Frau fühlte sich von
der Organisation bedroht und reichte eine Beschwerde
im Miami-Dade Circuit Court ein, in der sie vorwies,
dass Scientology-Agenten die Bremsleitungen
ihres Auto abgeschnitten hatten, ihr gefolgt waren
und sie mit unzähligen Spam-Nachrichten belästigt
hatten. Dies ist kein Einzelfall. Viele ehemalige Mitglieder
berichten vom Auffinden ihres toten Haustieres,
von Verfolgung durch Scientology-Agenten oder
von erhaltenen Drohbriefen.
„
Zukunft
You don‘t get rich with
Science Fiction. If you
„
want to get rich you start
a religion.
L. Ron HubbardZitat
Geoff Levin, der fünfzig Jahre lang Mitglied von
Scientology gewesen war, behauptet, dass die Sekte
nun Asien und Osteuropa im Visier hat, da sie in
Amerika nicht mehr dermaßen erfolgreich ist und die
Mitglieder-Zahlen in den vergangenen Jahren gesunken
sind. Unterstrichen wird der neue Feldzug durch
die Tatsache, dass Stars wie Bollywood Schauspielerin
Sheena Chohan erst kürzlich in Verbindung mit
Scientology gebracht wurden, wie die „New York
Post“ berichtet. Bleibt abzuwarten, welchen Erfolg
die Kirche dort verzeichnet.
Samuel Schneider, 2bS
© Pixabay, Free-Photos
Scientology ist rund um den Globus in 148 Ländern verbreitet
6
argus
„Ich bin ein Glückskind!“
Adoption
Jedes Kind hat seine Geschichte. Individuell, einzigartig und besonders. Amelia und Lorins*
Weg begann in Rumänien und führte zu einer Familie in Südtirol. Ihr Schlüssel zum Glück
war die Adoption – für viele ein umstrittenes Thema, versehen mit vielen Vorurteilen
Lachend sitzen die vier Geschwister Hofer mit ihren
Eltern am Abendtisch, tauschen sich aus und erzählen
vom eigenen Tag. Sie sind eine Familie, verbunden
durch Liebe. Eine Gruppe von Menschen,
die füreinander da sind. Sie gehören zusammen,
unterstützen und akzeptieren einander. Hinter ihrer
Zufriedenheit steckt eine besondere Geschichte, geprägt
von einigen gemeisterten Herausforderungen.
drei bis sechzehn Jahren. Viele sind Waisen, sie haben
beide Elternteile verloren, und Verwandte können
ihre Erziehungsberechtigung nicht übernehmen.
© Pixabay, Mohamed_hassan
In Rumänien Ä
Amelia und Lorin, die zwei jüngeren Kinder, sind
nicht in Julia Hofers Bauch herangewachsen, sie sind
nicht in Südtirol geboren und haben hier keinen Kindergarten
besucht. Ihre Wurzeln liegen in Rumänien,
im Distrikt Pomirla. Geprägt vom dort herrschenden
Arbeitsmangel leben die meisten der 2.860 Einwohner
in bitterster Armut. Ihre ersten Lebensjahre verbrachten
Amelia und ihr um ein Jahr jüngerer Bruder
Lorin mit ihren leiblichen Eltern und mehreren Geschwistern
auf einem kleinen bäuerlichen Hof. Das
wenige Geld reichte nicht aus, um die vielen hungrigen
Mäuler zu füllen. Die Mutter war alkoholkrank
und der Vater gewalttätig. Mit etwa fünf Jahren wurden
Amelia und Lorin in die Einrichtung „Haus der
Familie“ gebracht. „Obwohl das Heim nicht weit von
meiner Bauchmutter entfernt war, besuchte sie uns
nie“, erzählt Amelia. Dieses Kinderheim mit beheizbaren
Räumen und einer sanitären Anlage war von der
Hilfsorganisation „Kinder in Not von Elsa Wolfsgruber“,
mit Unterstützung der Provinz Südtirol, errichtet
worden. Dort leben circa dreißig Kinder, im Alter von
„ „
Rabenmütter“ Ü und Heimleben
Weg ins Heim
„Frauen, die Kinder abgeben, sind Rabenmütter“
– so ein oft genanntes Vorurteil. Diese schwere
Entscheidung belastet die leiblichen Mütter ein
Leben lang. Die Trennung hinterlässt tiefe seelische
Wunden. Wer sich mit diesem heiklen Thema
befasst, dem wird klar, dass niemand sein Kind
ohne schwerwiegenden Grund verlässt. Aufgrund
einer Krankheit, einer Sucht, finanzieller Not oder
dem Gefühl der Überforderung sind diese Eltern
nicht in der Lage, sich um ihr Kind zu kümmern.
„Beim Abschied weinte meine Mutter und überreich-
Rumänien Ä ist bekannt für Ü
… Vampir Graf Dracula, inspiriert vom rumänischen General Vlad Tepes
… seine 6 Millionen herrenlose Straßenhunde
… 17 Millionen Mitglieder der römisch-orthodoxen Kirche
… seine hohe Armutsrate (33 Prozent)
… seine vielfältige Fauna mit heimischen Tieren wie Bären und Füchsen
… seine atemberaubende Landschaft: das Donaudelta, die Karpaten und
das Schwarze Meer
argus
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te uns einen Sack mit Süßigkeiten,
ein für uns seltener
Genuss. Im Heim waren wir sofort
von den größeren Kindern umringt, am
Ende war keines der Bonbons für uns geblieben.
Schon am ersten Tag wurde uns die
Dominanz der älteren Heimbewohner bewusst. Das
Leben in dieser Einrichtung war besser als Zuhause.
Trotzdem bekamen wir nur wenig Essen. Ich war
in einem Vierbettzimmer mit weiteren acht Mädchen
untergebracht. Das kleine Heimgebiet durften wir
nie verlassen. Ein besonders strenger Heimerzieher
ist mir in Erinnerung geblieben. Wir alle hatten
große Angst vor ihm, denn er schlug uns mit einem
Besen“, berichtet die heute 18-jährige Amelia mit
einem nachdenklichen Ausdruck im Gesicht. Ihre
makellosen Deutschkenntnisse lassen nicht auf ihre
ehemalige rumänische Muttersprache schließen.
Gesellschaft
Im Heim hat Amelia vor allem eins gelernt und zwar,
für sich selbst zu sorgen. Die Tage waren lang und
grau. Daher freute sie sich, wie alle Heimkinder, immer
auf den Besuch von Organisationsgründerin
Elsa Wolfsgruber, die überall gute Laune verbreitete
und die Kinder mit Geschenkboxen, die Südtiroler
Spender zusammengestellt hatten, bescherte.
Der Neubeginn
2011 dann die Wendung: Amelia und Lorin wurde
ein Ferienaufenthalt in Italien ermöglicht. Mit
weiteren Heimkindern nahmen sie die weite Reise
nach Südtirol auf sich, wo sie in Privatfamilien
untergebracht wurden. Familie Hofer empfing
Amelia und Lorin. „Mit viel Aufregung und
Vorfreude haben wir diesem Tag entgegengefiebert.
Es war Liebe auf den ersten Blick. Die beiden
stiegen aus dem klapprigen, alten Bus, liefen
zu mir herüber und haben mich ‚Mama‘
genannt“, erinnert sich Mutter Julia Hofer.
Obwohl die erste Zeit nicht ganz einfach war und
den kompletten Alltag der Familie auf den Kopf stellte,
gewannen die beiden blassen, zierlichen Kinder
sofort das Familienherz. Ihre offene und dankbare
Art machte sie liebenswert. „Anfangs waren die Kinder
überwältigt von unserem luxuriösen Alltag. Den
Teller nachfüllen, essen, wann immer man hungrig
ist, schlafen, so lange man will, an heißen Tagen ins
Schwimmbad gehen, spazieren gehen … für uns alles
selbstverständlich, für die beiden damals aber etwas
© Unsplash, V Faris Mohammed
Zwischen zwei Welten
Unglaubliches. Alles war neu und musste erst entdeckt
werden. Sie wollten alles anfassen und elektrische
Geräte wurden sofort zerlegt“, erinnert sich Julia
Hofer. Mit Händen und Füßen klappte die Verständigung
von Anfang an gut. Schnell begannen Amelia
und Lorin die ersten deutschen Wörter zu sprechen
und sich an das Leben in Südtirol zu gewöhnen. Umso
schmerzvoller war daher der Abschied im Herbst.
Die meisten rumänischen Kinder waren kaum wiederzuerkennen,
als sie den Bus Richtung Heimat bestiegen.
Sie hatten rote Wangen, leuchtende Augen,
gesunde Figuren und neue Klamotten. In Pomirla
folgte für sie ein besonders langer Winter mit eiskalten
Temperaturen. Jeden Tag dachte Amelia an den
tollen Sommer. Die Erinnerungen an ihre Herzensfamilie
schmerzten. Auch in den beiden folgenden
Sommerferien kehrten die beiden Geschwister nach
Südtirol zurück. 2013 begann ein neues Kapitel in
Amelias und Lorins Leben: Sie wurden adoptiert. Bewegt
vom Schicksal der rumänischen Kinder und um
ihr eigenes Leben zu bereichern, hatte Familie Hofer
diese bedeutende Entscheidung getroffen und damit
den langen Prozess der Adoption auf sich genommen.
argus
8
Adoption
„
„Als ich ankam, war mir,
„
als wäre ich im Himmel.
Südtirol ist schön.“
Amelia
© Pixabay, TheVirtualDenise
Neues Leben
9
argus
Gesellschaft
Adoption im Überblick
Wird das Kind uns annehmen oder wird
es uns immer fremd bleiben? Können wir
seinen Bedürfnissen gerecht werden und ihm die
erforderliche Unterstützung geben? Diese Fragen
plagen die meisten werdenden Adoptiveltern. Adoption
ist ein besonderer Vorgang zur Gründung einer
Familie, der viel Einfühlungsvermögen, Toleranz,
Liebe sowie Geduld erfordert. Das aufgenommene
Kind nimmt die Stellung eines leiblichen Kindes
ein und wird dementsprechend behandelt. Es erhält
Name und Staatsbürgerschaft der Adoptiveltern sowie
Erbansprüche gegenüber deren Verwandten.
Es gibt mehrere Formen von Adoption. Am häufigsten
ist die „Stiefkinderadoption“, bei der ein Ehepartner das
leibliche Kind seines Partners als sein eigenes anerkennt,
mit allen verbundenen Rechten und Pflichten.
Bei der „Fremdenadoption“ hingegen hat die Herkunftsfamilie
kein verwandtschaftliches Verhältnis
zum Adoptivkind. Einerseits kann sie eine Chance
für das aufgenommene Kind sein, andererseits wird
der Kinderwunsch von Paaren, die beispielsweise
keine eigenen Kinder bekommen können, erfüllt.
Die Voraussetzung für ein gelungenes Familienleben
ist, dass sich Ehepaare nicht von vornherein ein
Wunschkind ausmalen und die Erwartungen nicht zu
hoch ansetzen. Stattdessen müssen sie das Kind mit
all seinen Makeln akzeptieren und ihm helfen, seine
besondere Vorgeschichte zu verarbeiten. Sein neues
Leben muss in Einklang mit seiner ethnischen und kulturellen
Herkunft gebracht werden. Bei der nationalen
Fremdenadoption kommt das Kind aus dem eigenen
Staatsgebiet, bei der internationalen Fremdenadoption
stammt es aus dem Ausland, wie es bei Amelia
und Lorin der Fall ist. In Südtirol werden jährlich durchschnittlich
fünfundzwanzig Kinder fremdenadoptiert.
Die Zahl der Fremdenadoptionen verzeichnet in Italien,
sowie in vielen weiteren EU-Ländern, in den letzten
Jahren einen starken Rückgang. Ausschlaggebend
dafür sind viele verschiedene Gründe. Momentan
werden in europäischen Staaten weniger Kinder abgegeben,
da Frauen eher verhüten, also seltener ungewollt
schwanger werden, und Familien finanziell
mehr unterstützt werden als in der Vergangenheit. In
gewissen Ländern wie Äthiopien, das eine hohe Ad-
optionsrate hatte, wurde die internationale Adoption
infolge eines Politikwechsels „zum Wohl der Kinder“
verboten. Beim Thema Adoption kollidieren nämlich
die Kinderrechte. Einerseits wird in das kulturelle, psychische
und soziale Leben der Kinder eingegriffen,
andererseits wird ihr Anspruch auf eine Familie erfüllt.
Während 2015 italienweit noch 2.216 Kinder aufgenommen
wurden, waren es 2019 nur mehr 1.205
Kinder. Davon stammen 222 Minderjährige aus Kolumbien,
159 aus Russland, 129 aus Ungarn, 104
aus Indien und 81 aus Bulgarien. Der Großteil der
Adoptivkinder war zwei bis sieben Jahre alt. Momentan
gibt es mehr Adoptionsbewerber als zur Adoption
freigegebene Kinder. Viele Paare sind bereit, viel
Geld für ein Kind zu bezahlen. Die Folgen: Kinderhändler
nützen das „Geschäft“ für sich. Kinder werden
entführt oder ihren leiblichen Eltern abgekauft.
Ein weiter Weg
Jedes Land hat in Bezug auf Adoptionen eigene
Vorgehensweisen. In Südtirol ist das „Landesamt
für Kinder- und Jugendschutz und soziale Inklusion“
dafür zuständig. Für Paare beginnt das Verfahren
mit einem Informationsgespräch und anschließendem
Vorbereitungskurs. Der nächste
Schritt ist die Einreichung der Bereitschaftserklärung
beim Jugendgericht Bozen. Parallel dazu findet
die Überprüfung der nötigen Voraussetzungen
statt. Adoptionsbewerber werden genauestens unter
die Lupe genommen: Das Einkommen, der Wohnraum
und sogar Arztvisiten werden begutachtet.
Grundsätzlich muss das adoptionsbereite Paar mindestens
drei Jahre lang verheiratet sein oder in einer
Partnerschaft zusammenleben. Die Altersspanne
zwischen einem Elternteil und dem Adoptivkind muss
zwischen 18 und 45 Jahren liegen, der Altersunterschied
zum anderen Elternteil kann bis zu 55 Jahre
betragen. Im Falle der internationalen Kinderaufnahme
wird schließlich vom Jugendgericht die Eignung
für die Aufnahme erlassen und eine Adoptionsvermittlungsstelle
kontaktiert. Begleitet werden Adoptionsfamilien
von der „Dienststelle Adoption Südtirol“.
Nach der Aufnahme beginnt ein langer Weg für
die neuen Familien. Die Trennung von den leiblichen
Eltern, die Einsamkeit im Heimleben, körperliche
oder seelische Misshandlungen – Adoptivargus
10
kinder haben in ihren ersten Lebensjahren bereits
viel durchgemacht. Infolgedessen werden bei ihnen
Verhaltensauffälligkeiten und Bildungsprobleme
häufiger nachgewiesen als bei ihren Altersgenossen.
Der Vertrauensaufbau kann dauern.
Die vielen traumatischen Erfahrungen können nur
mit viel Verständnis und Zuwendung von Seiten der
neuen Familie verarbeitet werden. Amelia und Lorin
ist dieser wichtige Schritt gelungen. „Worte können
nicht zusammenfassen, wie viel meine Familie für
uns getan hat. Seit meinem ersten Tag hier ist sie an
meiner Seite und für mich da. Ich habe gelernt, meine
Vergangenheit zu verarbeiten und in die Rolle der
Tochter zu schlüpfen. Die vielen Hindernisse habe
ich nur dank meiner Familie bewältigt“, so Amelia.
Willkommen in der Schule?
Die Eingliederung in die Schulgemeinschaft ist
für die meisten Adoptivkinder besonders herausfordernd.
Alles ist neu und dazu kommt meistens
die Angst, nicht angenommen zu werden. Viele
Adoptivkinder sind in Gegenden mit fehlenden
sozialen Strukturen und einer hohen Analphabetismus-Rate
aufgewachsen. Aufgrund von Mangelernährung
kann ihre Entwicklung verzögert sein.
Außerdem wird einigen Kindern nur ein ungefähres
Geburtsdatum zugewiesen, da sie bei
ihrer Geburt nicht meldeamtlich registriert wurden.
Dies war bei Amelia und Lorin der Fall.
Ausgrenzung
Adoption
Im Gegensatz zu den Erwachsenen haben
sich die Altersgenossen von Amelia und Lorin
kaum um einen verständnisvollen Umgang mit den
beiden bemüht. „Bei unseren Mitschülern mussten
wir uns erst behaupten. Anfangs gab es immer
welche, die uns ausgeschlossen haben. Davon haben
wir uns aber nicht unterkriegen lassen“, sagt
Amelia. In der Mittelschule sahen sich Amelia und
Lorin Hänseleien von pubertierenden Mitschülern
ausgesetzt und das, obwohl sie sich durch ihr Erscheinungsbild
nicht von gebürtigen Südtirolern
unterscheiden. Adoptivkinder mit sichtbarem Migrationshintergrund
werden häufig Opfer von Ausgrenzungen,
Benachteiligungen und Rassismus.
Eine Adoption verändert Menschenleben, im Fall
von Amelia und Lorin hat sie diese verbessert. Zurzeit
besucht Lorin das Berufsbildungszentrum und
Amelia arbeitet in einem Fünfsternehotel. Beide
sind zufriedener denn je. Obwohl ihnen das Leben
so manche Male einen Stein in den Weg gelegt
hat, bezeichnet Amelia sich als Glückskind.
* Namen von der Redaktion geändert
Eva Hell, 3bS
In Südtirol wurden beide schließlich eine Klasse
unterhalb ihrer Jahrgangsstufe eingeschult. Im Allgemeinen
sind bereits errungene Sprachkenntnisse,
die bisher absolvierte Schulbildung und die emotionale
Reife ausschlaggebend für die Einstiegsklasse.
„Der Unterricht in Rumänien war anders, ganz anders.
Als wir noch kaum lesen konnten, wurden
uns dicke Englischbücher vor die Nase gesetzt und
wir sollten uns diese komplexe Sprache selbst beibringen.
Der Schulalltag und die Fächer hier waren
für mich komplett neu“, sagt Amelia. Nachlernen,
den Stoff wiederholen und üben, üben, üben
stand daher in den ersten Monaten auf dem Programm.
Unterstützt wurden die beiden von den
meisten Lehrern, aber vor allem von ihrer Mutter.
argus
11
Gesellschaft
Eine Tasse voll Glück
Es gibt Orte, an denen die Uhren langsam laufen und die Natur das Sagen hat. Orte, an
denen man seinen eigenen Traum vom Glück lebt. Ein Besuch im „Maurerhof“ in Lajen
Mit freundlichem Händeschütteln werde ich von Familie
Rabanser in der großen Labe, dem Eingangsbereich
ihres Bauernhofs im Südtiroler Bergdorf Lajen,
begrüßt. Der Ofen des Maurerhofs erwärmt das
Haus. Schmuckstücke, wie eine alte Truhe, schaffen
eine gemütliche Atmosphäre. Der durchdringende
Duft von Gebackenem und Kräutern kommt mir entgegen.
In der getäfelten Stube duftet es nach frischem
Holz. Die Füße werden von Filzpantoffeln warmgehalten.
Es gibt leckere, hausgemachte „siaße Krapflan“
und Kräutertee, hergestellt von den Kräutern aus
dem eigenen Garten. Ganz wie bei Oma!
Die Familie Rabanser lebt den Traum vieler, die mit
ihrem eigenen Lebensstil zunehmend unzufrieden
sind. Viele Menschen fangen in den letzten Jahren
an, an ihrer Lebensweise zu zweifeln. Sie vermissen
die wesentlichen Dinge des Lebens. Sie wollen nicht
mehr besser, größer und weiter sein als die anderen.
Sie haben genug vom Verlangen, von allen der
Beste zu sein und von allem das Beste zu haben.
Sie wollen der Eile und dem Konsumwahn entkommen.
Mitunter geben sie ihre Arbeit auf und bauen
sich als Aussteiger ein neues Leben abseits von allen
anderen auf. Ein Leben, das nicht der Vorstellung
entspricht, welche die Gesellschaft von einem „normalen”
Leben hat, das für das Individuum aber besser
ist. Es ist nicht wichtig, der „Normalität“ zu folgen,
sondern dem, was einen selbst glücklich macht.
Familie Rabanser ist mit ihrem individuellen Lebensstil
glücklich. Sie zählt zwar nicht zu den Aussteigern,
will aber mit ihrem Bauernhof, einem Bio-Betrieb, ein
kleines Zeichen setzen. Sie will zeigen, was das Leben
wirklich ausmacht. Sie führt nicht bloß einen typischen
Bio-Bauernhof, sondern gestaltet auch ihren
Alltag so naturverbunden wie möglich. Die dahinterstehende
Philosophie erklärt Bauer Erwin: „Für mich
zählt Nachhaltigkeit, Naturverbundenheit und die
Produktion von gesunden Lebensmitteln durch artgerechte
Tierhaltung.“ Hinter dieser nachhaltigen Denkweise
stehen alle Familienmitglieder. „Das ist es, was
uns glücklich macht“, sagt Bäuerin Christine.
Während sie sich auf das Wesentliche im Leben
fokussiert, folgen viele andere dem Konsumwahn.
Dadurch wurden große Handelsketten zu den beliebtesten
Einkaufsplätzen, nicht zuletzt, weil der
Einkauf dort preisgünstig und unkompliziert ist. Wir
© Pixabay, congerdesign
Kräuterteemischung
Melisse, Minze
Zitronenverbene
Holunder, Ringelblumen
Kornblumen
Pro Tasse
einen Esslöffel Kräuterteemischung
aufbrühen und 12 Minuten
ziehen lassen.
argus
12
Zum Genießen
Aussteiger
© Pixabay, Pixel-Sepp
Glückliche Kühe beim Grasen
alle kennen es: Nach einem langen Arbeitstag ein
kurzer Stopp im Supermarkt, sich das vakuumierte
Fleisch an der Theke schnappen, ab zur Kasse und
schnell nach Hause. Da bleibt einem keine Zeit, auch
nur den geringsten Gedanken über die Herkunft des
Fleisches zu verlieren. Viele kennen nur noch den
Metzger Aldi und den Obstbauer Lidl. Die Zweifler
wenden sich kleinen Betrieben, dem Einzelhandel zu
und unterstützen lokale Geschäfte.
So auch Familie Rabanser. Sie legt großen Wert darauf
zu wissen, was ihre Lebensmittel beinhalten. Ihr
Traum, sich irgendwann sogar selbst versorgen zu
können, gestaltet sich jedoch schwierig. Die Familie
setzt auf den Verkauf von hofeigenem Fleisch und
Eiern. Die naturverbundene, artgerechte Tierhaltung
nimmt viel Arbeit und Geld in Anspruch. Entsprechend
höher als beim Discounter sind die Preise für
das Fleisch des „Maurerhofs“. Viele Menschen nehmen
diesen teureren Preis nicht gerne in Kauf. Laut
Erwin sind zwar sehr viele potentielle Kunden von
seinem Bio-Konzept überzeugt, greifen dann aber
doch zum billigen Fleisch.
Alle aus der sechsköpfigen Familie Rabanser
packen fleißig mit an, wenn es um
das Wohl ihrer Tiere geht. Die grünen Gummistiefel
stehen vor dem Stall bereit. Die prächtigen
Truthähne laufen im Freigehege herum. Es ist Abend
und sie müssen in den Stall geholt werden. Die beiden
Kleinsten, Veronika und Franziska, helfen eifrig
mit, um die Tiere alle so schnell wie möglich stressfrei
in ihr Gehege zu bringen. Die Katze beobachtet
alles vom Fensterbrett aus. Man sieht sofort, dass
den beiden Mädchen ihre Begeisterung für die Tiere
in die Wiege gelegt wurde.
Gerade erst sind etliche Hühnerküken auf die Welt
gekommen. Unter der Wärmelampe kuscheln sie
sich zusammen. Schön warm haben sie es dort. Die
Mädchen sammeln die winzig kleinen Eier mit einem
Korb ein. Eine super Ausbeute – 20 Eier! Nun müssen
„nur” noch die Wachteln, die Hasen, die Kühe
gefüttert und der Stall gereinigt werden.
Die allermeisten nutzen zur Reinigung chemische
Putzmittel. Die Supermarktregale sind vollgestopft
mit allerlei Reinigern für jede Lebenssituation. Was
sie alle gemeinsam haben, sind chemische Inhaltsstoffe.
Für Bauer Erwin und Bäuerin Christine kommt
Chemie nicht in die Tüte. Sie nutzen zur Reinigung
von Hof und Haus ausschließlich effektive Mikroorganismen
(EM) – Bakterien, welche die Verbreitung
unerwünschter Mikroorganismen unterdrücken und
die Vermehrung nützlicher Mikroorganismen unterstützen.
Auch die traditionelle Bauweise von Haus und Hof
mit Naturmaterialien spiegelt das Bewusstsein der
Familie wider. Energie wird durch die Hackschnitzel-,
Solar- und Photovoltaikanlage erzeugt. Frisch
aufbereitetes Bergwasser kommt von der hofeigenen
Quelle. Ein eigenes Gartenbeet ermöglicht das
Ernten von selbst angepflanztem Gemüse, Obst und
Kräutern.
Beim Aufenthalt im „Maurerhof“ beschleicht mich das
Gefühl, manchmal sollte die Zeit wieder zurückgedreht
werden. Das Neue mag zwar gut sein, manch
Altes war aber besser. Vieles ist heute „too much“,
versperrt die Sicht auf das Glücklichsein. Glück hat
viele Gesichter – manch einer findet es sogar in einer
Tasse hausgemachtem Kräutertee.
Lisa Passler, 3bS
argus
13
Rivalisierende Geschwister
Unsere Geschwister können unsere Lieblingsmenschen und gleichzeitig unsere bittersten
Konkurrenten sein. Mit ihnen teilen wir unsere Kindheit, unsere ersten Abenteuer,
aber auch die elterliche Zuwendung. Damit das familiäre Miteinander gelingt, müssen
Geschwisterkinder gerecht behandelt werden
Familie
Konkurrenten und wir rivalisieren mit ihnen um die
elterliche Aufmerksamkeit. Auch Tiere zeigen ähnliches
Verhalten. Einige Hai-Arten liefern dafür ein
extremes Beispiel: Sie schaffen schon im Mutterleib
durch Kannibalismus ihren Zwilling aus dem Weg.
© Eva Hell
Sauer auf die große Schwester!
Schon wieder liegt bei der Schwester ein Geschenk
mehr unter dem Tannenbaum. Beim Abendbrot
werden erneut nur die Leistungen des Bruders angesprochen.
Schon seit Stunden hilft Mama dem
Schwesterherz bei den Hausaufgaben. Wer Geschwister
an seiner Seite hat, kennt solch ärgerliche
Situationen. In unserer Wahrnehmung, die gerne auf
misstrauischen Vergleichen beruht, werden unsere
Geschwister immer mit mehr Freiheit und Unterstützung
versehen als wir selber. Darauf reagieren
Körper und Psyche mit einer Mischung aus unangenehmen
Gefühlen wie Angst, Wut, Scham, Traurigkeit
und Hilflosigkeit – zusammengefasst unter
dem Begriff „Eifersucht“. Eifersucht ist bei Kindern
ein ebenso großes Phänomen wie in der Partnerschaft.
Kids fürchten sich davor, ihre Eltern an eine
dritte Person, an ein Geschwisterkind, zu verlieren.
Denn unsere Geschwister sind von Natur aus unsere
Dieses übermächtige Gefühl, die Eifersucht, zieht
sich durch das ganze Leben, betrifft Jung und Alt. Wie
Kinder zeigen auch Erwachsene oftmals ein unreifes
Verhalten und gönnen ihren Geschwistern keinen
Cent. Wie viele Familien zerbrechen aufgrund eines
Streites um das elterliche Erbe? In jungen Jahren sind
vor allem Erstgeborene neidisch, insbesondere wenn
der Altersunterschied zu dem Geschwisterchen gering
ist. Vor der Geburt des neuen Familienmitgliedes
hatten sie die elterliche Liebe für sich alleine, auf einmal
müssen sie sich das Rampenlicht teilen. In dieser
Hinsicht haben auch Sandwichkinder – also jene
Kinder, die sowohl ältere als auch jüngere Geschwister
haben – keine einfache Position. Sie müssen besonders
kämpfen, um ihren Willen durchzusetzen.
Dabei dürfen sie noch nicht das tun, was ihre älteren
Geschwister tun dürfen und werden nicht so verwöhnt
wie das Nesthäkchen. Aber wer denkt, dass es
dem jüngsten Sprössling nichts ausmacht, wenn die
Älteren mehr Schokolade bekommen, täuscht sich.
Denn schon im Alter von einem halben Jahr können
Kids eifersüchtig auf ihre Geschwister sein. Über
einen entwickelten Gerechtigkeitssinn verfügen sie
dann ab dem sechsten Lebensjahr, wie Forscher aus
Leipzig feststellten. Dieser variiert von Kind zu Kind
und hängt von der Sensibilität, den jeweiligen Bedürfnissen,
Erfahrungen sowie der Lebenssituation ab.
Zeitbedingt stehen Eltern immer einem der Kinder
näher. Sie haben zu jedem Kind eine unterschiedliche
Bindung, jedes hat schließlich auch eine andere
Persönlichkeit. Eine Mutter kann sich besser mit
einer Tochter identifizieren, die ihre eigenen Charaktereigenschaften
widerspiegelt, als mit einer, die
ein komplett anderes Temperament hat. Unbewusst
unterstützt die tatenlustige Mutter also das Handeln
der aufgeweckten Tochter mehr als das der
verschlossenen. Dies kann laut Psychotherapeut
Burkhard Moisich, der das Phänomen untersucht
hat, auch positive Seiten haben, solange Kinder
argus
14
„
Siblings – the definition
that comprises love,
strife, competition and
„
forever friends.
Byron Pulsifer
Geschwister
tern sollten vermieden werden. Wer hört
schon gerne Sätze wie: „In deinem Alter
konnte deine Schwester das bereits viel besser.“
Geschwisterkindern muss klar werden, dass
es nicht von Bedeutung ist, wer mehr leistet oder wer
talentierter ist. Man muss nicht so aussehen wie die
Schwester oder gleich sportlich sein wie der Bruder.
Ebenso muss man sich nicht verstellen oder in
eine andere Rolle schlüpfen, um geliebt zu werden.
Eltern sind nicht unsere Richter, sondern unsere
Vertrauensmenschen und unsere Beschützer.
Indem sie ihre Kinder gerecht behandeln,
legen sie den Grundstein für eine
funktionierende Geschwisterbeziehung. Geschwister
können nicht nur unsere Rivalen, sondern auch
unsere ersten Freunde und längsten Begleiter sein.
nicht nach dem Idealbild der Eltern beurteilt werden.
Eifersüchtige Geschwister treiben sich gegenseitig
an, etwas Besonderes zu erreichen. Innerhalb
der Familie lernen Kinder schon früh, wie die
Welt funktioniert. Denn auch in der Gesellschaft
außerhalb des Familiennestes herrscht Ungleichheit.
In der Schule zum Beispiel: Ein Schüler, der
sich die gesamte Unterrichtszeit über bemüht und
das Gelernte mühsam wiederholt hat, schreibt
die Klassenarbeit negativ, während der schwatzende
Mitschüler den Inhalt nur einmal durchlesen
musste, um eine gute Note zu kassieren.
Nichtsdestotrotz müssen Eltern sich bemühen, ihre
Kinder gleichermaßen zu fördern, auch wenn beispielsweise
eines der Geschwisterkinder schwer erkrankt
ist oder ein besonders Talent besitzt, dessen
Förderung viel Zeit in Anspruch nimmt. Elterliche
Vernachlässigung wirkt sich nämlich auf die Persönlichkeit
der Kids aus. Wenn das redegewandte
Schätzchen plötzlich verschlossen wirkt, kann seine
Typveränderung auf seine Unzufriedenheit mit der
Familie hinweisen. Erziehungsberechtigte müssen
aufmerksam auf solche Warnsignale achten und den
Sprösslingen mit einem offenen Ohr begegnen. Gerechtigkeit
in der Familie muss nicht heißen, dass
jeder gleich behandelt wird. So bekommt der reifere
Sohn sein Handy beispielsweise bereits zum 9. Geburtstag,
während der Ältere erst mit zwölf Jahren in
den Besitz eines solches Gerätes kam. Es gibt kein
Rezept, das Fairness in der Familie garantiert. Erziehungsmethoden
müssen an jedes Kind individuell
angepasst werden. Die elterliche Aufgabe ist es, den
Kindern zu zeigen, dass jeder besonders ist und seine
Stärken hat. Vergleiche zwischen den Geschwis-
Eva Hell, 3bS
In der Regel sind …
… Erstgeborene intelligenter
… jüngere Brüder
risikofreudiger
… Jungen mit älteren
Geschwistern sportlicher
… jüngere Geschwister
aggressiver
… Politiker häufig
Erstgeborene
… Hochzeiten zwischen
Erstgeborenen häufig
… Geschwisterkonflikte
Vertrauen zerstörend
argus
15
Alles andere, aber nicht down
Tim strahlt über das ganze Gesicht, als wir seinen 16. Geburtstag feiern. Lachend sitzen
wir beim Mittagstisch und genießen die Zeit miteinander. In diesem Moment kann
seine Familie kurz die vielen Schwierigkeiten vergessen, die seine Beeinträchtigung mit
sich bringt: Denn Tim hat das Down-Syndrom
Familie
(Alltag?
© Pixabay, Greyerbaby
Menschen wie DU
Hände der Vielfalt
Etwa fünfzehn Prozent der Menschen weltweit leben
mit einer Behinderung. Tim ist einer von ihnen. Er hat
einen angeborenen, erblichen Gendefekt: das Down-
Syndrom. Erst kurz vor seiner Geburt erfuhren seine
Eltern von der Diagnose. Ein Bluttest bestätigte den
Verdacht.
Tims Eltern waren sich des Risikos, dass ihr Kind behindert
sein könnte, von vorneherein bewusst. Bei
seiner Geburt war seine Mutter 39 Jahre alt. Mit zunehmendem
Alter der Mutter steigt das Risiko, ein
beeinträchtigtes Baby zu bekommen. Der Grund dafür
ist, dass die Zellteilung der befruchteten Eizelle
anfälliger für Fehler wird. Weltweit leben rund fünf
Millionen Menschen mit Down-Syndrom, das betrifft
schätzungsweise 1 von 800 Neugeborenen. Bei ihnen
liegt das Chromosom 21 in jeder Zelle drei- statt
zweimal vor, deshalb hört man häufig auch den Begriff
„Trisomie 21“. Die betroffenen Menschen leiden
unter geistigen Beeinträchtigungen, teilweise körperlichen
Fehlbildungen, und es besteht ein höheres Risiko
für Herzkrankheiten. Tim hat einen angeborenen
Herzfehler, Schilddrüsenprobleme und Knick-Senkfüße.
„Mitten in der Nacht, wenn Tim in die Küche geht, um
etwas zu trinken, weckt er jemanden aus der Familie,
der ihn begleitet und ihn wieder zurück ins Bett
bringt. Ich sehe das Down-Syndrom nicht als Krankheit
an, aber bei vielen Sachen braucht er ständige
Begleitung und benötigt Hilfe bei Dingen, die für uns
selbstverständlich sind“, so sein Bruder Leo. Ab dem
Moment seiner Geburt brauchte Tim sehr viel Aufmerksamkeit.
Sein Bruder erzählt mir, dass er dies
am Anfang nur schwer verstanden hat: „Ab und zu
fühlte ich mich vernachlässigt, zumal ich als kleines
Kind nicht wirklich nachvollziehen konnte, warum
sich alles um Tim dreht. Mittlerweile habe ich es akzeptiert.“
Tim konnte lange nicht sprechen, erst in den Jahren
der Mittelschule begann er, einzelne Wörter zu lernen.
Sein Bruder weiß, dass die Kommunikation mit
seinen Freunden und Bekannten eingeschränkt ist:
„Innerhalb der Familie verstehen wir uns gegenseitig
relativ gut, aber für Außenstehende ist es etwas
schwieriger zu verstehen, was Tim sagen möchte.
Einzelne Wörter wie danke und bitte versteht man.“
Trotz seiner Beeinträchtigung merkt man Tim an,
dass er sehr glücklich ist und besonders seinen Bruder
Leo gerne neckt. Auch wenn sie anders und eingeschränkt
leben, sind Kinder mit Down-Syndrom
ebenso Kämpfer wie du und ich.
Übel
zur Zeit des
Nationalsozialismus
Vor etwa 500 Jahren wurden die ersten Menschen
mit Down-Syndrom dargestellt. Ein unbekannter
Künstler malte im Jahre 1510 die Leidensgeschichte
von Jesus auf den Aachener Altar. Das Porträt eines
Jungen mit typischen Gesichtszügen gilt als eine der
ersten Darstellungen des Down-Syndroms in der Geschichte.
Der Namensgeber der Krankheit, John Langdon
Down, beschrieb 1866 die Menschen als „mongoloid“,
da ihre Gesichter gewisse Ähnlichkeiten mit den
Merkmalen des Mongolenstamms aufwiesen. Der
argus
16
abwertende Begriff wurde im Laufe der Jahre durch
die Bezeichnung „Down-Syndrom“ verdrängt.
Blicken wir nicht einmal 100 Jahre zurück, sehen wir,
weniger werden. Immer mehr werdende
Eltern werden sich gegen vorhergesagte
Krankheiten entscheiden und die Schwangerschaft
abbrechen.
Down-Syndrom
„
Nicht das Verbale zählt,
sondern das Nonverbale.
„
Andrea Moser
Die betroffenen Menschen leiden nicht zwangsläufig
am Down-Syndrom, sie leben gleich wie wir mit all
den schönen Momenten, aber auch den Schicksalsschlägen.
Tims Leben ist genauso witzig und lebensfroh
wie das Leben von mir und dir. Sein Wunsch
nach Gleichberechtigung, ohne Blicke des Mitleids,
wird aber immer größer.
Andrea Moser, 3bS
dass Behinderte als lebensunwert und unnütz galten.
Man traute diesen Menschen das Lesen und Schreiben
nicht zu. Doch nicht genug damit, dass sie sich
erst beweisen mussten. Unter der Regierung Adolf
Hitlers wurde 1939 ein „Euthanasie-Programm“ erlassen,
dessen Ziel es war, behinderte Menschen in
Massen zu ermorden. Zynisch wurde vom „Gnadentod“
gesprochen. Die Betroffenen wurden für Versuche
verwendet, bekamen nichts mehr zu essen oder
wurden durch Medikamente getötet.
Weg mit dem Down-Syndrom?
Mittlerweile gibt es mehrere Methoden, um vor der
Geburt bestimmte Fehlbildungen des Kindes festzustellen,
eine davon ist die Pränataldiagnostik, bei
der das Blut des Babys bei der Nabelschnurpunktion
untersucht wird. Dabei wird die Nadel in die Nabelschnurvene,
die sich in der Fruchthöhle befindet, gestochen.
„Der Test dient eindeutig der Selektion“, findet
die bekannte Schauspielerin Carina Kühne, die
selbst das Down-Syndrom hat.
Seit 2012 kann man außerdem mit Bluttests der Mutter
feststellen, ob das Kind an Trisomie 21 leidet.
Eine entsprechende Diagnose endet in 95 Prozent
der Fälle mit einer tödlichen Konsequenz für das
ungeborene Kind. „Daran merkt man, nicht gewollt
zu sein“, meint Carina. Viele Menschen sehen die
„Krankheit“ als vermeidbares Übel und so vermuten
Experten, dass Beeinträchtigungen, die vor der Geburt
festgestellt werden können, in Zukunft immer
Wusstest du, dass
Menschen mit Down-
Syndrom …
… weniger anfällig für viele
Arten von Krebs sind
… im Jahre 1983 eine
Lebenserwartung von nur
25 Jahren hatten
… sehr gute
Entwicklungsmöglichkeiten
haben
… bedingt durch das
zusätzliche Chromosom
einen kürzeren Hals
und tief sitzende
Ohren haben
argus
17
Politik
Spalten durch soziale Netzwerke
Eine Firma, die mithilfe sozialer Netzwerke unser Verhalten vorhersagt und dermaßen
beeinflusst, dass sie Politikern in ihr Amt verhilft: beängstigend, aber längst Realität.
Die Rede ist von „Cambridge Analytica“, dem Unternehmen, das nicht zuletzt Donald
Trump zum US-Präsidenten gemacht hat
Die sozialen Medien sind ein essenzieller Bestandteil
unseres Alltages geworden. Was zu Beginn der
Traum einer vernetzten Welt war, eines Ortes, an
dem man seine Erfahrungen teilt, wurde bald schon
ein Ort der Unterhaltung, des Fakten-Checkens
und des Verwaltens von Erinnerungen. Jene Spuren,
die wir im Internet hinterlassen, begründeten
eine Branche, die jedes Jahr eine Milliarde Dollar
Umsatz macht.
Kaum jemand nimmt sich die nötige Zeit, um seitenlange
Nutzungsbedingungen einer App durchzulesen
und diese dann zu hinterfragen, denn der
Drang, dazuzugehören, ist zu groß. Die kostenlose
Vernetzung ist zu attraktiv, um ihr zu widerstehen.
Werbung ist der essenzielle Schlüssel, um die Plattformen
mit Geld zu versorgen. All unsere Aktionen
werden gespeichert: Wie lange wir auf ein Bild
schauen, ob wir es liken und welche Profile uns interessieren.
In Echtzeit werden unsere Daten-Profile
erstellt und ausgebaut. Was sind unsere größten
Ängste, was regt uns auf, was gefällt uns und wo
sind unsere Grenzen? Zu jeder dieser Fragen liefert
unser Daten-Profil Antworten, Unmengen an Antworten,
sodass die sozialen Netzwerke den Werbekunden
die bestmögliche Prozentchance bezüglich
des Kaufs eines Produktes oder des Erfolges einer
Kampagne gewährleisten können.
Die Konsequenzen dieser systematischen Überwachung
kamen zum ersten Mal massiv im Jahr 2016
bei den Wahlen des US-Präsidenten zum Vorschein.
Hillary Clinton war klar im Vorteil, und trotzdem
schaffte es Trump, Präsident zu werden. Dies war
ihm nur dank einer Firma möglich: Cambridge Analytica.
Sie ist für die größte Krise des Milliardenunternehmens
Facebook verantwortlich, das durch
© Daily Star, UK
© weldert, Pixabay
© Pixabay , 1778011
Das Kapitol in Washington DC, Sitz des Kongresses der USA
seine Fehler auf der ganzen Welt für Empörung
und Angst gesorgt hat. Durch das Aufdecken der
Machenschaften von Cambridge Analytica wurde
der Bevölkerung erstmals klar, wie viel die Internetkonzerne
über jeden einzelnen Menschen wissen.
Was ist Cambridge Analytica?
Cambridge Analytica (CA) wurde im Jahr 2013 als
eine Tochterfirma der SCL Group gegründet und
war eine britische Datenanalysen-Firma, die Persönlichkeitsprofile
erstellte, welche es ihr ermöglichten,
Werbung zu personalisieren und auf die
Menschen zuzuschneiden, die sich für gewisse Produkte,
Parteien und Lebensstile interessieren. Diese
Persönlichkeitsprofile bot Cambridge Analytica
verschiedenen Firmen sowie Politikern an.
Die Rolle des Unternehmens bei den
US-Wahlen 2016
Im Jahr 2014 war Cambridge Analytica laut Alexander
Nix, dem damaligen CEO der Firma, an 44
US-Wahlkampf-Kandidaturen beteiligt. Zu Beginn
unterstützte Cambridge Analytica besonders stark
den Präsidentschaftskandidaten Ted Cruz, der als
erster bedeutender Kunde galt, da er gute Chancen
hatte, mit seiner Bewerbung als Präsidentschaftskandidat
die Vorwahlen der republikanischen Partei
zu gewinnen.
Der amerikanische Informatiker und Hedgefonds-
Millionär Robert Mercer war Hauptinvestor von
Cambridge Analytica und spuckte zu Beginn, auf
Drängen seiner Tochter, Millionenbeträge in den
Wahlkampf von Ted Cruz. Als dieser jedoch im
Vorwahlkampf ausschied, setzten die Mercers auf
Donald Trump.
Alexander Nix kontaktierte Trump und bot ihm
den Dienst seiner Firma an. Er erklärte, Cambridge
Analytica habe eine einzigartige Methode entwickelt,
mit der das Unternehmen 220 Millionen
Persönlichkeitsprofile von US-Bürgern erstellen
könne. Diese Daten erwiesen sich als Zünglein an
der Waage in Bezug auf den Sieg Trumps, indem
18
argus
Internet
© CharlieYoon, Pixabay
© Pixabay Simon
Neben Facebook gehören auch Instagram und WhatsApp zum Unternehmen von Mark Zuckerberg
gezielt Werbung in den von Cambridge Analytica
ausgemachten „Swing States“ – also jenen Bundesstaaten,
bei denen das Wahlergebnis von wenigen
Wählern entschieden wird – geschaltet wurde und
man dabei besonders auf die Wähler abzielte, die
sich noch unsicher mit ihrer Entscheidung waren.
Gezielt wurden auf Instagram und Facebook Beiträge
eingebaut, die ihre Angst schürten. Besonders die
„Crooked Hillary“-Kampagne, die Hillary Clintons
nachlässigen Umgang mit Geheiminformationen in
ihren E-Mails als Außenministerin heraushebt, war
sehr erfolgreich und weckte das Misstrauen vieler
Wähler, sodass sie am Ende für den Republikaner
Donald Trump stimmten. Der früherer CEO von
Cambridge Analytica, Alexander Nix, hatte vor den
Präsidentschaftswahlen auch noch auf anderem
Weg versucht, Clinton in die Bredouille zu bringen:
Er hatte sich an WikiLeaks, eine Enthüllungsplattform,
gewandt und diese gebeten, die E-Mails, die
Hillary in ihrer Zeit als Außenministerin geschrieben
hatte, für den Wahlkampf zur Verfügung zu
stellen, in der Hoffnung, skandalöse Nachrichten
zu finden, die Trump im Wahlkampf gegen sie verwenden
könnte. Der Leiter von WikiLeaks bestätigte
die Anfrage und gab an, man habe sie zurückgewiesen.
Insgesamt überwies das Trump-Team 5,9
Millionen Dollar an das Unternehmen Cambridge
Analytica.
Brexit
Bis Oktober 2020 war Cambridge Analytica auch
im Verdacht, am Brexit, also dem Austritt Großbritannien
aus der Europäischen Union, mitgewirkt zu
haben. Ins Auge fiel die enge Verbindung
von Cambridge Analytica mit dem
kanadischen Datenanalyse-Unternehmen
„AggregateIQ“.
Dieses Unternehmen war
an der Kampagne „Vote
Leave“ zum EU-Austritt
von Außenminister Boris
Johnson beteiligt.
Filmtipp
Beide Firmen und das
Wahlkampfteam von
The Great Hack
Johnson bestreiten al-
(Netflix)
Schau genau!
argus
19
Politik
lerdings eine Zusammenarbeit. Doch
wie erklärt sich dann der Betrag von
625.000 Pfund (ca. 700.000 Euro), der vom
Unternehmen AggregateIQ an die „Vote Leave“-
Kampagne gespendet wurde? 625.000 Pfund
waren 40 Prozent des ursprünglichen Wahlkampfbudgets
– beachtlich für eine einfache Spende.
Dennoch hält die britische Datenschutzbehörde
ICO („Information Commissioner‘s Office“), die
dem Fall drei Jahre nachgegangen ist, Cambridge
Analytica für „nicht beteiligt“. Facebook musste ein
Strafgeld von 500.000 Pfund zahlen, da es die Konten
seiner Nutzer nicht genug geschützt habe und
deren Informationen permanent im Internet verweilen.
Auch die „Vote Leave“-Kampagne erhielt
eine Geldstrafe von 40.000 Pfund.
AusmaSSe von Cambridge
Analytica
Cambridge Analytica arbeitete nicht nur an der
Trump-Kampagne. Die Ausmaße der Arbeit des
Unternehmens sind unvorstellbar. Zu einem weiteren
Opfer der Firma gehört die karibische Insel
Trinidad. Dort gibt es zwei politische Parteien:
eine, welche die Schwarzen vertritt, und eine, welche
die Inder vertritt, die im 19. Jahrhundert als
Arbeiter auf die Insel gekommen waren. Beide Bevölkerungsgruppen
hassen einander. Cambridge
Analytica arbeitete für die Bevölkerung indischer
Abstammung und hatte angesichts der Parlamentswahlen
2015 eine brillante Idee: In Form einer Kampagne
sollten die Nichtwähler unter den jungen
Schwarzen erhöht werden. Die Idee bestand darin,
eine Bewegung zu entwickeln, welche die jungen
Menschen aufforderte, aus Unzufriedenheit mit
dem politischen System nicht wählen zu gehen.
Die „DO SO“-Kampagne („Tu so“-Kampagne) bedeutete
so viel wie: Ich gehe nicht wählen – aus
Protest. In Form von zwei überkreuzten Unterarmen,
deren Hände zu Fäusten geballt sind, wurde
die Kampagne verbreitet. Die Bewegung wurde im
ganzen Land bekannt und erlangte schon bald viele
Anhänger, besonders junge Schwarze, aber auch
Inder. Als das Parlament des Landes gewählt wurde,
beteiligten sich viele junge Schwarze nicht. Die
Inder, die jedoch ihren strengen Eltern gehorchten,
was von Cambridge Analytica einberechnet worden
war, gingen trotzdem wählen. So gewann die
Partei der Inder wegen der sieben Prozent an jungen
Wählern, die bei den Schwarzen gefehlt hatten.
Die Liste solcher Kampagnen ist lang. Neben den
USA mischte Cambridge Analytica auch in der Politik
folgender Länder – um nur die bekanntesten zu
nennen – mit: Mexiko, Brasilien, Nigeria, Südafrika,
Ukraine, Moldawien, Irak, Indien, Pakistan, Nepal,
Thailand, Indonesien, Philippinen, Argentinien,
Kolumbien, Uruguay, Kanada und Italien.
Untergang
Bereits im Dezember 2015 veröffentlichte die Zeitung
„The Guardian“ einen Artikel über die fragwürdigen
Arbeitsmethoden von Cambridge Analytica
im Wahlkampf von Ted Cruz. Der Anfang
vom Ende begann für das Unternehmen aber erst
am Samstag, den 17. März 2018, mit dem von „The
Observer“ und der „New York-Times“ veröffentlichten
Interview des Whistleblowers Christopher
Wylie, der für Cambridge Analytica unter anderem
bei der Trump-Kampagne mitgewirkt hatte. Er
brachte alle Informationen und Taktiken des Unternehmens,
die bis dahin noch unbekannt gewesen
waren, ans Licht.
Danach ging alles schnell: Einen Tag nach der Aussage
von Christopher Wylie forderten die Ermittler
des US-Geheimdienstausschusses den CEO von
Cambridge Analytica, Alexander Nix, auf, vor dem
Kongress auszusagen.
Am Montag, den 19. März 2018, stellte die britische
Datenschutzbehörde ICO einen Durchsuchungsbefehl
für die Durchsuchung der Server von Cambridge
Analytica aus. An diesem Abend strahlte der
britische Fernsehsender „Channel 4 News“ außerdem
geheime Aufnahmen von Nix aus, in denen er
prahlte, bald mithilfe von Fake-News-Kampagnen
und Operationen mit ehemaligen Spionen Wahlkämpfe
auf der ganzen Welt zu manipulieren.
Infolgedessen wurde er am nächsten Tag vom Mutterkonzern
SCL gefeuert. Ein Undercover-Reporter
veröffentlichte weitere skandalöse Aussagen von
Nix. Darin sagte er in Bezug auf die Trump-Kampagne:
„Wir haben die gesamte Forschung, alle Daten,
alle Analysen, alle Zielsetzungen durchgeführt.
Wir haben die gesamte digitale Kampagne durchgeführt,
die Fernsehkampagne, und unsere Daten
haben die gesamte Strategie beeinflusst.“
Am Freitag, den 23. März 2018, durchsuchten 18 Ermittler
der ICO das Büro von Cambridge Analytica
in London.
argus
20
Internet
© geralt, Pixabay
© Pixabay , geralt
Donald Trump, 45. US-Präsident – nicht zuletzt dank Cambridge Analytica
Eine zweite Mitarbeiterin, Brittany Kaiser, die drei
Jahre lang Direktorin für Geschäftsentwicklung bei
Cambridge Analytica gewesen war, verriet der Zeitung
„The Guardian“ weitere Details über die internen
Arbeitsabläufe des Unternehmens. Kurze Zeit
später reichten die „US-Watchdogs“, eine Regierungsorganisation,
die sicherstellt, dass Unternehmen
in einer bestimmten Branche das Gesetz befolgen,
eine Klage gegen Cambridge Analytica ein.
Auch der CEO von Facebook, Mark Zuckerberg,
musste sich für das nachlässige Verhalten mit dem
Umgang der Nutzerdaten Facebooks vor Gericht
verantworten. Nach zehn Tagen und der Drohung
einer Vorladung erklärte er sich endlich dazu bereit,
vor dem US-Kongress über die Datenschutzverletzungen
seines Unternehmens auszusagen.
Bis zum 10. April 2018 hatten die britischen und
US-amerikanischen Rechtsanwälte eine Sammelklage
gegen Facebook, Cambridge Analytica und
deren Mutterkonzern SCL wegen angeblichen
Missbrauchs personenbezogener Daten von Menschen
erhoben. In der gleichen Woche wurde Mark
Zuckerberg mit einer zehnstündigen Befragung
durch Mitglieder des US-Kongresses konfrontiert.
Dabei sagte er zu, mehr für den Schutz der Privatsphäre
von Facebook-Nutzern zu unternehmen und
ausländische Einmischungen in Wahlen zu verhindern.
Alexander Nix wurde in der folgenden Woche von
einem britischen Parlamentsausschuss für Fake
News vorgeladen und befragt.
Durch die Aufmerksamkeit, die das Unternehmen
auf sich gezogen hatte, sprang der Großteil seiner
Kunden ab. So musste Cambridge Analytica am 2.
Mai 2018 in Liquidation gehen. Noch am selben Tag
belegte die Dateisicherheitsfirma „Upguard“ vor
dem Digital-, Kultur-, Medien- und Sport-Komitee
von Großbritannien, dass die Trump-Kampagne
Zugang zu psychologischen Profil-Daten von Facebook
gehabt hatte, was Alexander Nix abgestritten
hatte. Am Ende wurden Facebook die Kosten in
Bezug auf den Datenskandal von Cambridge Analytica
präsentiert: Das Unternehmen musste der
US-Regierung eine Strafgebühr von insgesamt fünf
Milliarden US-Dollar zahlen. Weitere Strafgebühren
anderer Länder, in denen die Firma sich eingemischt
und Privatdaten gesammelt hatte, folgten.
Dazu gehört Kanada mit 6,5 Millionen, Brasilien mit
1,6 Millionen und Italien mit 1,1 Millionen US-Dollar.
Auch wenn Cambridge Analytica nicht mehr existiert
und man meinen möchte, die Praktiken der
Firma seien nun Vergangenheit, hat das Team dahinter
bereits ein neues Unternehmen namens
„Emerdata“ gegründet, in dem nach Angaben des
britischen Handelsregisters „Companies House“
Alexander Nix zusammen mit anderen Führungskräften
der SCL Group als Direktor gelistet ist.
Um Datenmissbrauch in Zukunft zu verhindern,
müssen die großen Konzerne, die hinter den sozialen
Netzwerken stehen, ihre Plattformen besser
kontrollieren und die Benutzer schützen. Jeder von
uns sollte das Recht zum Verwalten der eigenen
Daten haben und vor den manipulativen Werbekampagnen
großer Firmen oder Politiker geschützt
werden. Nur dann ist es noch möglich, dass soziale
Netzwerke ein Ort der Verbindung sind und nicht
unsere Gesellschaft spalten.
Samuel Schneider, 2bS
argus
21
So nicht! Protestbewegungen und Aufstände 2020
Politik
Ungerechtigkeit und Spaltung regieren die Welt. Manche reden nur darüber, andere
gehen ans Werk und versuchen, die gegebene Situation durch Protest zu verändern.
2020 gab es auffallend viele solcher Demonstrationen. Ein Überblick
© Unsplash, Kitthitorn Chaiyuthapoom
hingezogen fühlen. Auch der Sex hat seine leidenschaftliche
Seite verloren. Er dient nur noch
der Fortpflanzung. Das geht so weit, dass eine Frau
ihren Mann immer wieder zum Koitus zwingt, obwohl
sie ihn scheußlich findet. Sie ist überzeugt davon,
dass es ihre Pflicht ist, dem Staat ein Kind zu
gebären. Ansonsten wird Keuschheit propagiert.
Wozu das alles? Eine aggressive und angespannte
Stimmung in der Bevölkerung macht es
einfacher, Feindbilder zu erzeugen. Emotionale Beziehungen
stehen dem im Weg. Außerdem sollen
die Leute allein der Regierung treu ergeben sein.
Es darf nichts Wichtigeres im Leben geben als die
Partei.
Wie man die Vergangenheit verändern kann
Wer nur einen Augenblick lang an ihr zweifelt,
gilt als gedanklicher Verbrecher. Politische Gegner
werden vaporisiert. Es darf keinen Aufstand ge
Thailands Demonstranten mit dem „Drei-Finger-Gruß“ aus der Verfilmung der Bestseller-Saga „Tribute von Panem“
Hongkong
Ein Land, zwei Systeme – dieses Prinzip ist wohl
Geschichte. Die Autonomie der Stadt Hongkong wird
nach und nach von der Volksrepublik China beschnitten.
Nach der „Regenschirm-Bewegung“ im Jahr
2014, in der ein großer Teil der Hongkonger Bevölkerung
freie Wahlen – ohne Einmischung von Seiten
Chinas – forderte, entflammten die Proteste 2019
erneut, als die chinesische Regierung im Juni ein
umstrittenes Auslieferungsgesetz vorschlug. Dessen
Inhalt, so fürchteten pro-demokratische Lager, würde
gegen die im Grundgesetz Hongkongs festgehaltenen
Menschenrechte verstoßen, denn mithilfe dieses
Gesetzes könnten Personen aus Hongkong an das
chinesische Festland ausgeliefert werden. Im Oktober
2019 wurde der Gesetzesvorschlag zurückgezogen,
doch der Widerstand ging weiter, unter anderem
gegen Inhaftierungen, Folter und Misshandlungen –
kurz, gegen die Polizeigewalt während der Demonstrationen.
Im Mai 2020 wurde die aufgeheizte Debatte erneut
zurückgezogen, entfacht. China wollte doch zu der diesem Widerstand Zeitpunkt ging zwei weiter, weitere
Gesetze anderem in Bezug gegen auf Inhaftierungen, Hongkong verabschieden.
Folter und
unter
Misshandlungen Das eine sollte das – kurz, Beleidigen gegen der die Nationalhymne
Polizeigewalt
während unter Strafe der stellen, Demonstrationen.
das andere nennt sich „Gesetz
zur nationalen Im Mai 2020 Sicherheit” wurde die und aufgeheizte sollte es chinesischen
Debatte erneut
Sicherheitsbehörden entfacht. China erlauben, wollte zu in diesem der ehemaligen Zeitpunkt
zwei britischen weitere Kolonie Gesetze aktiv in zu Bezug werden auf und Hongkong Kritiker verabschieden.
Oppositionelle Das zu eine inhaftieren. sollte das Beleidigen der Na-
und
tionalhymne unter Strafe stellen, das andere nennt
sich Am 30. „Gesetz Juni 2020 zur nationalen trat das zweite Sicherheit” Gesetz in und Kraft. sollte Am
es 2. Dezember chinesischen wurden Sicherheitsbehörden drei der bekanntesten erlauben, Aktivisten
ehemaligen Hongkongs britischen zu Gefängnisstrafen Kolonie aktiv verurteilt. zu werden Nun
in
der
und droht Kritiker sich Hongkong und Oppositionelle endgültig in zu einen inhaftieren. Polizeistaat
zu verwandeln Am 30. Juni 2020 trat das zweite Gesetz in Kraft.
Am 2. Dezember wurden drei der bekanntesten Aktivisten
IndienHongkongs zu Gefängnisstrafen verurteilt.
Nun droht sich Hongkong endgültig in einen Polizeistaat
Indiens zu Landwirtschaftssektor verwandeln. ist immens wichtig
für die ben. Nation. Wer zu 58 kritisch Prozent oder der zu Bevölkerung klug ist, wird arbeiten
der Im Landwirtschaft, Buch wird eine die Sektion 15 Prozent beschrieben, zur
eliminiert.
indi-
argus
22
schen Wirtschaftsleistung beiträgt. Also müsste eine
Agrarreform doch eigentlich willkommen geheißen
werden. Nun, nicht die, hinter der der indische Premierminister
Narendra Modi steht. Es geht um drei
Gesetze, die den Verkauf von landwirtschaftlichen
Produkten auf eine neue Art und Weise regeln sollen.
Unter anderem sollen die Bauern ihre Erträge künftig
direkt an große Firmen verkaufen, ohne von der
Regierung festgesetzte Preise, wie es bislang üblich
war. Deshalb haben viele Kleinbauern Angst, dass es
zu einem Preisverfall kommen könnte. Gegen große
Konzerne haben sie in Verhandlungen nicht die geringste
Chance. Im Dezember 2020 kam es zum sogenannten
Marsch auf Delhi. Hunderttausende Betroffene
machten sich in die Hauptstadt auf, selbst
wenn sie dafür das halbe Land durchqueren mussten.
Nun harren sie in Delhi aus und haben nicht vor,
ohne zufriedenstellende Ergebnisse die Rückreise
anzutreten.
Thailand
Manche Menschen, so kommt einem vor, können sich
alles erlauben. Sie brauchen bloß reich zu sein. Oder
adelig. Auch der thailändische König Maha Vajiralongkorn
nutzt seine Privilegien voll aus und beglückt
Bayern zu Beginn der Covid-19-Krise mit seiner Anwesenheit.
Regelmäßig sucht der Monarch das deutsche
Bundesland auf und logiert dabei im Grandhotel
„Sonnenbichl“ oder in seiner Villa in Tutzing. Die
Abwesenheit des Königs während der Pandemie,
er spielt immerhin eine wichtige Rolle in der Politik,
sorgt allerdings für eine Empörungswelle unter den
Untertanen. Sie müssen ohnehin schon viel über sich
ergehen lassen. Sie leben in einem als Demokratie
verkleideten Militärstaat und setzen ihre Freiheit aufs
Spiel, sollten sie Maha Vajiralongkorn oder andere
Mitglieder der königlichen Familie kritisieren.
Im Jahr 2019 fasste eine Studentenbewegung Fuß,
nachdem die beliebte und bei den Parlamentswahlen
drittstärkste Partei „Future Forward“ von den anderen
Parteien schikaniert und aufgelöst worden war. Dabei
ist die Liste ihrer Forderungen überschaubar: Es
soll eine Reform der Monarchie und der Verfassung
des Militärs geben, Neuwahlen sollen stattfinden, die
willkürliche Polizeigewalt soll beendet werden. Die
jungen Menschen schaffen es trotz Demonstrationsverbots,
auch mithilfe von Social Media, ein Zeichen
zu setzen.
Nigeria
Proteste
Wohl keiner der hier beschriebenen Proteste
verlief bis jetzt so blutig wie die nigerianischen
Proteste gegen die allgegenwärtige
Polizeigewalt im Land. Mindestens 69 Personen,
der Großteil davon Zivilisten, kamen im Oktober
2020 ums Leben. Unter dem Hashtag „EndSARS“
gingen im Herbst Tausende Nigerianer auf die Straße.
SARS ist eine Eliteeinheit des nigerianischen Militärs,
die mittlerweile, dem empörten Aufschrei der
Öffentlichkeit sei Dank, nicht mehr existiert. Die Proteste
wurden durch ein virales Video ausgelöst, das
die Erschießung eines jungen Mannes durch einen
SARS-Beamten zeigt.
Nigerias Präsident Muhammadu Buhari verschärft
durch seine Äußerungen und Aktionen die Lage.
Auf der einen Seite inszeniert er sich als Mann des
Volkes, der die jungen Leute ernst nimmt, auf der
anderen Seite lässt er Demonstranten verhaften,
misshandeln und töten. Im Laufe des mächtigsten
Aufstandes seit Jahren wurde eines der größten nigerianischen
Gefängnisse angezündet und Insassen
befreit. Längst ist aus den Demonstrationen gegen
SARS eine Widerstandsbewegung gegen die Regierung
geworden.
Black Lives Matter
Ein Video geht um die Welt: Ein weißer Polizist kniet
auf dem Hals eines Afroamerikaners, schneidet ihm
länger als acht Minuten die Luft ab, zwei weitere
Polizisten sehen tatenlos dabei zu. „I can’t breathe”,
röchelt der Festgehaltene, am Ende der Aufzeichnung
ruft er nach seiner Mutter. Wenig später stirbt
George Perry Floyd Jr. im Krankenhaus. Nach der
Veröffentlichung des Videos kommt es – ausgehend
von Minneapolis, dem Ort des Geschehens
– zu immer noch anhaltenden
Protesten gegen
Polizeigewalt in den USA,
die sich hauptsächlich
gegen Schwarze rich-
Fakt!
tet. Obwohl der Hashtag
„Blacklivesmatter“
bereits seit 2013
existiert (er war
entstanden, nachdem
der Wachmann
George Zimmermann,
der den Afro-
Die Proteste in Thailand
gestalten sich als kreativ.
Studenten sprachen in Harry
Potter-Kostümen von „Dem,
dessen Name nicht genannt
werden darf“. So nennen
sie in Thailand den König.
argus
23
Politik
amerikaner Trayvon Martin erschossen
hatte, freigesprochen worden war), hat die
Bewegung erst 2020 gigantische Ausmaße
angenommen. Bei den vielen Nachrichten aus den
USA möchte man fast meinen, rassistisch motivierte
Polizeigewalt sei bloß ein US-amerikanisches Problem.
Doch weltweit können Betroffene ein Lied von
derartiger Gewalt singen und ergreifen die Chance,
um auch in ihren Ländern die Aufmerksamkeit darauf
zu lenken. Betont wird dabei der systematische
Rassismus, welcher nicht-weißen Menschen schon
von klein auf das Leben schwer macht und dessen
Präsenz man in einer modernen Gesellschaft nicht
ignorieren darf, auch wenn man selber nicht davon
betroffen ist.
Indonesien
Eine Arbeitsmarktreform zwingt hunderttausende Indonesier
im Herbst 2020 zum Demonstrieren. Das
„Gesetz zur Schaffung von Arbeitsplätzen“, auch Omnibus-Gesetz
genannt, könnte vom Namen her positiv
konnotiert werden. Und natürlich preist das Parlament
in Jakarta das Vorhaben an, schließlich wurde
es von ihm am 2. Oktober eingeführt. Von Seiten der
Politik heißt es, das Gesetzespaket würde große Investoren
anlocken und den bürokratischen Aufwand
schmälern. Letzteres betrifft laut Kritikern allerdings
auch die Rechte der Arbeiter. Kurzzeitverträge und
Entlassungen werden leichter gemacht. Wenig überraschend
soll diese Reform auch den Umweltschutz
erheblich schwächen. Bei den Protesten kommt es
häufig zu Gewalt, vor allem von Seiten der Polizei.
Hunderte von Teilnehmern wurden bis jetzt in Gewahrsam
genommen, es gab Schwerverletzte. Ob in
Indonesien die Arbeiter oder die Industrie den Sieg
davontragen werden, bleibt offen.
Corona-Demonstrationen
Seit COVID-19 den Westen erreicht hat und als Pandemie
eingestuft wurde, wissen sich viele Regierungen
nicht anders zu helfen, als strenge Lockdowns
über die Bevölkerung zu verhängen. Das stößt auf
den Widerstand einer kleinen, aber lauten Gruppe,
die sich fortan regelmäßig auf Demonstrationen trifft.
Kritisch gesehen wird dabei zum einen, dass die
„
Die einzige Sache, die
mich ärgert, ist, dass wir
„
so lange mit dem Protest
gewartet haben.
Rosa Parks
Teilnehmenden kaum Maske tragen und Abstand
bewahren, zum anderen die Tatsache, dass unter
den Impfgegnern, Esoterikern und Menschen, die
die Maßnahmen einfach als übertrieben betrachten,
auch so mancher Neonazi mitläuft. In Italien und
Spanien arten viele der Proteste in Gewalt aus.
Polen
Es ist ein Albtraum für viele Feministinnen: das polnische
Abtreibungsverbot, das im Oktober 2020
vom Verfassungsgericht beschlossen wurde. Gänzlich
verboten sind Schwangerschaftsabbrüche zwar
nicht, bei Vergewaltigungen oder gesundheitlichen
Engpässen sollen sie erlaubt sein, doch Zehntausende
von Menschen wollen es nicht auf sich sitzen
lassen, dass, wie sie es formulieren, die Politik über
die Körper von Frauen entscheidet.
Polens Erzkatholiken begrüßen das Gesetz. Obwohl
der offizielle Grund dafür lautet, dass Abtreibungen
gegen den von der Verfassung garantierten Schutz
auf Leben verstoßen, kann man laut den Demonstrierenden
eine religiöse Einmischung in das Geschehen
kaum übersehen. Kritiker weisen darauf hin,
dass die Tatsache, dass illegale Abtreibungen – die
Anzahl derartiger Schwangerschaftsabbrüche wird
erfahrungsgemäß steigen – extrem gefährlich für die
Schwangeren sein können. Mit solchen Gesetzen
werden also nicht nur Leben „gerettet“.
Anna Recla, 4aS
argus
24
Antisemitismus – uralt und doch hochaktuell
Juden
© Unsplash, Håkon Grimstad
Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Berlin
„[...] Ja, ich gebe zu, er wurde Jude genannt. Ist das schon
Antisemitismus?[...]“. Eine gute Frage, die der Film „Das
Unwort“ von Leo Khasin aus dem Jahr 2020 stellt.
Der Begriff „Antisemitismus“ wird von vielen Historikern
sehr unterschiedlich definiert. Allgemein kann gesagt
werden, dass unter Antisemitismus sämtliche Formen von
Judenhass, Judenfeindlichkeit oder auch Judenverfolgung
subsumiert werden.
Der Begriff wurde erstmals 1879 geprägt und entwickelte
sich im Zuge des Holocausts zu einem Überbegriff
für Verhalten, bei dem Juden negative Eigenschaften
unterstellt werden. Daraus kann ferner
unter anderem Diskriminierung, Unterdrückung,
Verfolgung und sogar Völkermord hervorgehen.
Altes PhÄnomenÄ
Antisemitismus ist aber kein neuzeitliches Phänomen,
vielmehr gab es bereits in der Gesellschaft vor 2500 Jahren
Antisemiten. Später wurden besonders die Brüskierungen
und Pogrome im Mittelalter sowie die Vertreibung
der Juden aus den christlichen Staaten bekannt. Diese Zeit
war der Beginn einer Ausgrenzungspolitik, die im 20. Jahrhundert
unter der NS-Diktatur ihren Höhepunkt erreichen
sollte: der Genozid an sechs Millionen Juden. Insgesamt
ist nach 1945 ein Rückgang des Antisemitismus zu konstatieren,
bedingt vor allem durch Bildung und Aufklärung
sowie den Schock, den veröffentlichte Bilder der KZ-Inhaftierten
auslösten.
Auch wenn heute der Großteil der Bevölkerung keine oder
sehr geringe Ressentiments hegt, sind judenfeindliche
Haltungen und Aktionen dennoch keine Randphänomene.
Die Zahl antisemitischer Straftaten ist in Deutschland
2019 um rund 13 Prozent gestiegen, so der Jahresbericht
zur politisch motivierten Kriminalität des Bundesinnenministeriums.
Die bekannteste Tat ist der Anschlag auf die Synagoge in
Halle an der Saale (Sachsen-Anhalt) am 9. Oktober 2019,
bei dem ein Deutscher Brand- und Sprengsätze gegen die
Synagogentür warf. Andere immer wiederkehrende Straftaten
von Antisemiten sind Beschmutzung und Schändung
jüdischer Friedhöfe oder Gedenkstätten. Bei älteren
Vorfällen aus dem Jahr 2006 wurden Exemplare der
Tagebücher der Anne-Frank öffentlich verbrannt und am
argus
25
Politik
Das Unwort
Gedenktag des Novemberpogroms
niedergelegte Kränze mit
„Sieg-Heil-Rufen“ angezündet.
Auch in Schulen sind Vorfälle gegen jüdische Mitschüler
bis heute keine Seltenheit. Sie werden ausgegrenzt,
beschimpft oder sogar Opfer von Gewalt. Einen solchen
– zwar fiktiven – Fall zeigt auch der Film „Das Unwort“. Ein
reales, bekannt gewordenes Beispiel hingegen ereignete
sich 2006 in Sachsen-Anhalt, als ein jüdischer Mitschüler
gezwungen wurde, mit einem Schild samt Aufschrift „Ich
bin am Ort das größte Schwein, ich lass mich nur mit Juden
ein“ über den Schulhof zu laufen. Oftmals werden auch
sogenannte „Judenwitze“ erzählt oder das Wort „Jude“
an sich als Schimpfwort benutzt. In diesem Fall wäre die
Anfangsfrage im anfangs erwähnten Filmzitat „[...] Ja, ich
gebe zu, er wurde Jude genannt. Ist das schon Antisemitismus?[...]“
mit „Ja“ zu beantworten.
Neben religiösen Barrieren sind die Gründe für Antisemitismus
eine Reihe von Stereotypen, Klischees und Ressentiments,
die sich im Lauf der Geschichte herausgebildet
haben. Diese Vielzahl an entstandenen Bildern von „dem
Juden“ weisen erstaunliche Konstanz und Kontinuität auf,
sodass sie die Jahrhunderte überdauert haben und das
Klischee des „geldliebenden Juden“ bis heute bekannt ist.
Der Schriftsteller Max Frisch beschäftigt sich im Drama
„Andorra“ mit diesem Prozess der Ausgrenzung und beschreibt
darin die Beweggründe der Judenfeindlichkeit
bzw. die Bildung von Stereotypen als psychologisches
Bedürfnis nach Abwehr und Ausschaltung eigener, unerwünschter
Verhaltensweisen oder Eigenschaften durch
Projektion auf andere, die dadurch zu einem Sündenbock
werden. So wird etwa die Geldgier der Andorraner auf
den vermeintlichen Juden Andri übertragen. Dabei ist er
eher das Gegenteil eines „geldgierigen Juden“ und die Andorraner
selbst sind geizig und habsüchtig.
Blick in die Geschichte
Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die Juden immer
wieder als Sündenbock missbraucht und für sämtliche
Fehlentwicklungen verantwortlich gemacht wurden, so
etwa auch für den Anschlag des 11. Septembers 2001.
Dies tritt oft in Verbindung mit dem Stereotyp der „jüdischen
Weltverschwörung“ auf, welches ebenfalls bis heute
erhalten geblieben ist. Aktuelle Exempel sind hier die
Verschwörungstheorien rund um Corona, von denen eine
die Pandemie als von den Juden verursacht hält.
In der späten Neuzeit entwickelte sich mit biologischen
und pseudowissenschaftlichen Begründungen die Vorstellung,
dass Juden ein „Fremdkörper“ seien und darum
aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden müssten.
© Pixabay, Tom Gordon
Jude beim Studium der Heiligen Schrift
argus
26
© Pixabay, Gerd Altmann
Juden
Fingerzeig
Im 19. Jahrhundert verbanden sich diese Fiktionen mit
Rassismus und der entstandene „Rassenantisemitismus“
rechtfertigte als Staatsideologie Deutschlands während
der NS-Diktatur den systematischen Massenmord an circa
sechs Millionen Juden. Rechtsextreme Antisemiten halten
auch heutzutage noch an dieser Anschauung fest. Von
Seiten der Jurisprudenz sind judenfeindliche Äußerungen
und Gewalt gegen Juden heute strafbar – der Täter vom
Anschlag in Halle wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.
Zahlreiche Staaten ernennen Antisemitismusbeauftragte
für den Kampf gegen Judenfeindlichkeit.
Der allgemeine gesellschaftliche Umgang mit Antisemitismus
wird in Dokumentationen, Spielfilmen und Literatur
wie in „Andorra“ thematisiert und aufgearbeitet. Es werden
alljährliche Gedenk- und Thementage veranstaltet
und in Schulen wird darüber offen und aufgeklärt diskutiert.
Unter anderem deshalb sind aktuell aber viele Menschen
des Themas überdrüssig. Denn auch solche, die vielleicht
keine Ressentiments gegen Juden hegen, sind der Ansicht,
dass das Thema Antisemitismus zu sehr aufgebauscht
werde, etwa von Seiten der Medien, und Juden sich zu
schnell angegriffen fühlen würden oder auch selbst Mitschuld
an bestimmten Vorkommnissen trügen. In diesem
Zuge sind manche der Meinung, dass das Thema nun ruhen
und vergessen werden sollte.
Ein Extremum stellen all diejenigen dar, die Judenfeindlichkeit
trotz oder sogar wegen des Holocausts hegen, und
überdies so weit gehen und den Holocaust leugnen. Ich
persönlich denke, dass dieses Verhalten zum Teil heute
auch dadurch bedingt ist, dass der Zweite Weltkrieg zunehmend
an zeitlicher Distanz gewinnt und für viele die
Gewaltverbrechen gegen die Juden im Dritten Reich entfremdet
sind.
Aktuelle Aussagen von Seiten der Corona-Querdenker,
welche die Beschränkungen mit der Judenverfolgung im
Dritten Reich vergleichen, zeigen, wie fremd ihnen das
Thema ist. Dieser Ansicht ist auch Felix Klein, Beauftragter
der Bundesregierung für Antisemitismus.
Andorra
Wer „Andorra“ gelesen hat, weiß, dass Frisch auch dieses
Verhalten der Verdrängung und Schuldabweisung bzw.
-relativierung in den Zeugenschranken darlegt. Obwohl
die Andorraner zunächst Andri auf sehr menschenunwürdige
Art und Weise behandelt und alle Grenzen überschritten
haben, geben sie in ihren Aussagen nur vor, ihr
falsches Verhalten zu bereuen.
Das von Frisch geschilderte Verhalten ist auch heute noch
präsent, wie die vorher genannten Ansichten derer, die
behaupten, dass sich die Juden zu schnell angegriffen fühlen,
belegen. Vergleicht man es mit dem Antisemitismus
an Schulen, so lässt sich das Verhalten eins zu eins übertragen.
Die Täter relativieren ihre Allein- oder Mitschuld,
andere distanzieren sich von den Vorkommnissen und
geben an, davon nichts gewusst zu haben und alle simulieren
während des Unterrichts, jeglichen Antisemitismus
abzulehnen. Dies wurde auch im Film „Das Unwort“ inszeniert.
Antisemitismus soll und darf nach wie vor
in unserer Gesellschaft keinen Platz
finden. Weder am 27. Jänner, dem
Tag des Gedenkens an die Opfer
des Nationalsozialismus, noch
an irgendeinem anderen Tag.
Glücklicherweise erinnern
uns Werke wie „Andorra“
von Max Frisch und „Das
Unwort“ von Leo Khasin
immer wieder daran.
argus
27
David Gang, 3cR
Tipp!
Neugierig geworden?
Den Film „Das
Unwort“ findest
du bis 25.1.2022
gratis auf der ZDF-
Mediathek, das Buch
„Andorra“ in unserer
Schulbibliothek
Homophobie als Straftat
Im November 2020 wurde im italienischen Parlament über das
Anti-Homophobie-Gesetz abgestimmt. Sofort brachen Diskussionen rund
um das Thema los: Von der einen Seite wurde das Gesetz als sehr fortschrittlich,
von der anderen Seite als Zensur bezeichnet. Wir zeigen, was dahintersteckt
Politik
© Unsplash, Arie Wubben
Bunte Farben als Zeichen für Vielfalt
Das Anti-Homophobie-Gesetz ist ein Gesetz, das
Diskriminierung oder Beleidigung aufgrund der Sexualität
verstärkt unter Strafe stellt. Diskriminierungen,
Mobbing, Drohungen und Angriffe, die Sexualität eines
Menschen betreffend, können bis zu vier Jahre
Gefängnis kosten – vergleichbar mit dem Strafmaß
für Entgleisungen gegenüber der Nation oder auf
ethnischer und religiöser Ebene. Derartige Gesetze
sind wichtig, da dadurch eine Diskriminierung von
Minderheiten vermieden, ja sogar abtrainiert werden
kann.
Durch das neue Anti-Homophobie-Gesetz können
auch Aussagen, in denen Homosexuelle mit dem
Tod bedroht werden oder in denen zu Straftaten angestachelt
wird, bestraft werden. Mehrere Politiker
des PD, der italienischen Demokratischen Partei, die
dieses Gesetz vorgeschlagen haben, bezeichnen es
als eines der fortschrittlichsten Europas. Doch ganz
so einzigartig ist die italienische Position nicht: In der
Schweiz wurde letztens über ein ähnliches Gesetz
abgestimmt, die dortige SVP (Schweizer Volkspartei)
und andere rechte Parteien stellten sich strikt gegen
den Vorschlag, da es in ihren Augen gegen die
Gleichberechtigung aller Menschen spräche, wenn
Minderheiten anders behandelt, sozusagen bevorzugt,
würden. Wie das Anti-Rassismus-Gesetz, das
dort schon länger in Diskussion stand, bezeichnete
man auch das Anti-Homophobie-Gesetz als „Zensur“
und ungerecht, da man sich nicht an der Diskussion
beteiligen könne, ohne als „homophob“ bezeichnet
zu werden.
Meines Erachtens gab es gerade in Bezug auf dieses
Argument einen sehr wichtigen Punkt in der Diskussion,
der in vielen Artikeln, die ich im Zuge meiner
Recherche gelesen habe, fast nicht besprochen wurde:
Ausgerechnet Betroffene, die sich zu Wort meldeten
(homosexuelle Politiker, besonders in rechten
Parteien, und Vorsitzende von Vereinigungen) fanden,
dass dieses Gesetz nicht ungerecht gegenüber
der Mehrheit, sondern ungerecht gegenüber Homo-
argus
28
sexuellen sei, da man durch das Einführen eines solchen
Gesetzes öffentlich bekräftigen würde, dass sie
anders seien und nicht zu der Mehrheit gehörten. Die
Folge: Durch ein Gesetz, das sie eigentlich schützen
sollte, würden sie aus der Gesellschaft ausgeschlossen.
In Italien wurde, wie von der Schweizer SVP, oft
behauptet, das Gesetz sei eine Gefahr für die freie
Meinungsäußerung, da man sich nun nicht mehr
kritisch gegenüber der Sexualität von Menschen äußern
könne. Witze darüber und Kritik dazu könnten
nun schnell zu Strafen führen. Auch von Seiten der
FAKT!
In Italien sind 23 Prozent der
Mitglieder der LBGTI-Bewegung der
Meinung,dass ihre Rechte genügend
anerkannt und sie als Personen
ausreichend in die Gesellschaft
einbezogen werden. In Belgien liegt der
Zufriedenheitsgrad bei 73 Prozent, in
Russland bei 10, in der Türkei bei 4
Prozent.
katholischen Kirche Italiens wurde dieses Argument
verbreitet: Infolge des Gesetzes wäre es nicht mehr
möglich, sich über Verbände oder Sexualitäten und
ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft zu beschweren.
Auch wurde behauptet, es gäbe gar keine Gesetzeslücken,
die gefüllt werden müssten; ein Schutz
dieser Minderheiten wäre bereits gegeben. Die Kirche
äußerte auch die Sorge, sie könne rechtlich verfolgt
werden, wenn sie sage, eine Familie müsse aus
„Mutter und Vater“ bestehen.
Generell waren die Aussagen der Kirche recht umstritten:
Sie stimmte sogar den „Fratelli d'Italia“ zu
(einer rechtspopulistischen Partei, die als Sammelbecken
von Neofaschisten bezeichnet wird) und fragte
öffentlich, was für ein politischer Prozess hinter
diesem Gesetz stehe. Dies ist einer der sehr seltenen
Fälle, in denen sich die Kirche spezifisch und öffentlich
über ein politisches Thema in Italien äußerte.
Sie machte aber auch klar, dass sie sich entschieden
gegen Diskriminierung, Mobbing und schlechte Behandlung
gegenüber Homosexuellen stelle und diese
bekämpfen wolle.Inmitten des Gerangels stand
die SVP, die Südtiroler Volkspartei, die nach langem
Ringen für die Verabschiedung
des Anti-Homophobie-Gesetzes
in Italien stimmte.
Warum eine Partei, die sich damit identifiziert,
eine Minderheit im Land zu sein und
deren Geschichte darauf beruht, nicht wie ein
Teil der Gesellschaft behandelt zu werden, sich
nicht für eine Minderheit einsetzt, ohne darüber zu
hadern, ist offen. Immerhin: Anders als ihre Schwesterpartei
in der Schweiz hat die Südtiroler SVP nicht
gegen das Gesetz gestimmt. Vielleicht hatten die
Worte des Papstes, der in einer kurz vorher veröffentlichten
Dokumentation sagte, niemand solle wegen
seiner Sexualität diskriminiert werden, Einfluss
auf die Entscheidung der Partei gehabt. Oder sie ließ
sich von den Daten überzeugen, die zeigen, dass es
in Italien täglich bis zu 50 Fälle von Diskriminierung
wegen der Sexualität eines Menschen gibt, die bei
den Betroffenen oft zu Depressionen oder Suiziden
führen.
Letzten Endes wurde das Gesetz verabschiedet,
die Mehrheit der Parlamentarier stimmte dafür. Italien
schließt sich damit Frankreich, Österreich, den
Niederlanden, Dänemark und der Schweiz an. Der
Großteil der Italiener wird keinen Unterschied spüren,
die Betroffenen und jene Menschen, die sie diskriminieren,
sehr wohl. Ob dieses Gesetz wirklich
eine Gefährdung der Meinungsfreiheit ist, wie viele
es behaupten, bleibt wohl zu bezweifeln, da es bei
freier Meinungsäußerung darum geht, eine Meinung
zu äußern und sich auszudrücken und nicht darum,
Menschen aufgrund gegebener Unterschiede zu kritisieren
oder sich über ihren Einfluss auf die Jugend
aufzuregen. Homophobie wird nun nicht mehr als
Meinung, sondern als eine Straftat angesehen, was
ein großes Statement von der Seite Italiens ist.
Wahrscheinlich wird das Anti-Homophobie-Gesetz
wie das Anti-Rassismus-Gesetz kaum Auswirkungen
auf die breite Diskussion in der Gesellschaft haben.
Die Betroffenen aber können nun das Gefühl
haben, vom Gesetz, vom Land
beschützt und als Teil der Gesellschaft
gesehen zu werden.
Natan Noah
Mutschlechner, 4aS
Homophobie
SCHAU GENAU!
in Europa:
https://taz.de/
LGBTI-Rechte-in-Europa/!5593047&s=/
argus
29
Im Interview
„Schweigen ist oft schwer auszuhalten“
Marlene Kranebitter ist die Leiterin
der Notfallseelsorge in Südtirol.
Landesweit stehen über 160 Mitarbeiter
im Dienst des Vereins, der sich vor allem um
die Menschen kümmert, die der unerwartete
Tod eines Menschen erschüttert. Sich an einen
Psychologen zu wenden, ist in unserer Gesellschaft
noch immer mit einem großen Schamgefühl
besetzt, weiß die Psychologin
Was fasziniert Sie an Ihrer Berufung und warum
genau das Psychologiestudium?
Mich fasziniert die Arbeit mit den Menschen. Warum
sie so sind, warum sie sich so entwickelt haben und
was jeden Einzelnen von uns prägt. Auch Menschen
mit keinen guten Voraussetzungen sind im Stande,
ein gutes Leben zu führen. Es kann aber auch genau
umgekehrt sein. Die verschiedensten Lebensgeschichten
der Menschen haben mich beeindruckt.
Wie läuft es an den Unfallorten, wo Sie oft die
Erstbetreuung von Verletzten und Angehörigen
durchführen, ab? Verstehen die Menschen
gleich zu Beginn, dass sie auf Hilfe
angewiesen sind oder wird sie vielfach abgelehnt?
© privat
Ganz unterschiedlich. Jeder Mensch hat ein unterschiedliches
Tempo im Realisieren. Wir haben einmal
eine Todesnachricht überbracht, als ein Familienvater
bei einem Arbeitsunfall ums Leben gekommen
ist. Eigentlich hat es das ganze Land schon gewusst
(„Stol“ sei Dank), die Familie aber noch nicht. Wir
sind also vor der Haustür gestanden, zwei rot uniformierte
Notfallseelsorger und zwei Polizisten, aber
die Frau hat nicht damit gerechnet, dass es etwas
mit ihr zu tun haben könnte. Sie dachte, wir sind hier,
weil wir eine Auskunft brauchen. Es kann ein Schutz
gewesen sein, Trauerreaktionen sind unterschiedlich
und man kann sich auf nichts verlassen. Zwischen
schreien, toben, weinen, klagen oder erstarren – bei
einem plötzlichen Tod denkt keiner mehr daran, sich
emotional zu verstecken und so sieht man für einen
kurzen Moment sehr viel von einer Person. Das
Schweigen einer betroffenen Person ist oft schwer
auszuhalten. Es gibt kein Klischee, das sagt, wie ein
40-jähriger Mann reagiert und dass eine 65-jährige
Frau anfängt zu weinen.
Marlene Kranebitter
Was hilft Ihnen dabei, eine „innere Distanz“
zu den Betroffenen herzustellen, aber dennoch
eine Bindung zu entwickeln, um für
denjenigen da zu sein?
Das ist schwierig. Man muss das immer wieder vor
sich hersagen und laut aussprechen, dann begreift
man es besser. „Das ist nicht meine Familie und
nicht meine Geschichte.“ Das geht nicht immer, wie
zum Beispiel beim Unfall in Luttach. Die Aufarbeitung
des Unfalls geht über einen langen Zeitraum und es
waren viele Verstorbene. Die Medien haben sich mit
voller Wucht auf das Geschehen gestürzt. Das Szenario
war dramatisch: Nacht, Lichter und verstorbene
Menschen, zugedeckt mit Decken, inmitten der
Straße. Der Vergleich mit einem Schildkrötenpanzer
gefällt mir bei meiner Arbeit sehr gut. Ich muss mich
ein bisschen zurückziehen, damit es mich auf Dauer
nicht auffrisst. Hingehen, mit allem, was wir haben,
argus
30
unterstützen, aber danach wieder herausgehen. Im
Alltag hören wir oft Sätze wie „Der da ist psychisch
krank“ oder „Ich habe psychische Probleme“.
Ab wann kann man sagen, dass jemand psychisch
erkrankt ist? Erkennt man diese Menschen?
Eine depressive Verstimmung, weil es gerade nicht
so rund läuft oder weil die Hormone nicht mitspielen
– das haben viele. Etliche Menschen erkranken in
ihrem Leben einmal psychisch. So wie ich körperlich
erkranken kann, kann ich auch seelisch erkranken.
Was mich erschreckt, ist, dass die Menschen immer
noch Angst haben, zu einem Psychologen zu gehen.
Es steckt immer noch sehr viel Scham dahinter. Dabei
kann es viel ausmachen, nur kurz einmal das
eigene Leben zu sortieren.
„
Wenn ich zum Psychologen
gehe, dann bin ich verrückt.
Das haben noch viele
„
Menschen in ihren Köpfen.
Marlene Kranebitter
Kann man auch als Freund oder Freundin
helfen?
Wenn jemand stirbt, dann sind ganz viele Menschen
für einen da. Ein paar Wochen danach geht für die
anderen Menschen das Leben weiter, so ist unsere
Gesellschaft. Die Arbeit der Freunde muss in den
Wochen und Monaten danach stattfinden. „Mogsch
di la ammo meldn“, das hilft wenig. Menschen, die
trauern, tun das nicht. Also, von sich aus anrufen und
nachfragen, aber auch damit rechnen, dass man abgewiesen
wird.
Hat sich durch die jetzige Krise etwas geändert?
einem Trauma herausgegangen
wären, dann müssten
wir unsere ganze Gesellschaft
hinterfragen.
Im Interview
Jetzt sind die Wartelisten sehr lang, weil ich
glaube, dass uns die Zukunft Angst macht. Wir
sind immer gewohnt gewesen, alles sofort zur Verfügung
zu haben. Wir können Schulden machen, um
in den Urlaub zu fahren. Wir sind auf einem hohen
Level, aber nicht auf einem guten. Jetzt geht vieles
nicht, wirtschaftliche Sorgen kommen dazu und
Arbeitsplätze werden weniger. Nehmen wir die Hotellerie
als Beispiel: Auch hier werden die Menschen
vielleicht wieder Arbeiten erledigen, für die man sich
nicht gut genug war. Der Beruf „Putzfrau“ – bei uns in
der Gesellschaft ist man „la a Putzfrau“.
In unserer Gesellschaft ist der Wert des Menschen
vielfach davon abhängig, welchen Beruf er ausübt
und wieviel Geld er hat. Heutzutage sind ganz viele
oberflächliche Sachen wichtig und unsere Gesellschaft
ist viel zu schnelllebig. Der Erfolgsdruck in
unserer Gesellschaft ist enorm. Um hervorzustechen
aus der Masse muss man beispielsweise ein halbes
Jahr in Australien gewesen sein. Wenn man nach der
Matura gleich arbeiten geht, dann wird man sehr häufig
abgestuft. Wir haben das Gespür für das normale
Leben verloren. Es muss nicht immer eine Weltreise
oder ein Mega-Job sein. Jeder Beruf ist irgendwo
mühsam und hat eine langweilige Komponente.
Was sollte unsere Gesellschaft tun, um der
schnelllebigen Welt zu entfliehen?
Ich glaube, wir müssten wieder mehr miteinander philosophieren.
Man muss nicht immer nach dem Nützlichen
im Leben suchen. Auch in der Schule, wenn
ich in Deutsch irgendein Werk lese – wahrscheinlich
brauche ich es im Leben nicht mehr. Aber wir sollten
darüber philosophieren, welche Botschaften wir für
die Gegenwart verwenden können. Wir können nicht
immer etwas Nützliches machen, das schafft ein
Mensch nicht. Es genügt auch, ohne ein bestimmtes
Ziel über etwas zu reden und darüber zu diskutieren,
es muss nichts herauskommen.
Die Fragen stellte Andrea Moser, 3bS
Unmittelbar nach dem Lockdown im Frühjahr 2020
hat sich nicht viel verändert. Wenn durch diesen
Lockdown von drei Monaten viele junge Leute mit
argus
31
Verfassungswidrige Frauenquote
31 Prozent ist der Anteil der Frauen im Bundestag. Frauen sind unterrepräsentiert.
Thüringen und Brandenburg wollten deshalb so genannte Paritätsgesetze auf
den Weg bringen, wonach bei Kommunalwahlen gleich viele Männer wie Frauen als Kandidaten
verpflichtend wären. Auf Anfrage der AfD und der NPD erklärten die Verfassungsgerichtshöfe
allerdings: Paritätsgesetze sind verfassungswidrig
Politik
© Andy Kelly, Unsplash
© Unsplash, Lucia
Proteste für Gleichberechtigung von Frauen begleiten uns seit Jahren
Das Streben der Frauenbewegung nach Gleichberechtigung
gibt es seit jeher – sei es in Bezug auf
Wahlrecht oder Abtreibung. Die Politik bestimmt heute
noch in vielen Ländern mit, wie Frauen ihre Zukunft
verbringen müssen, ob mit Kind oder ohne.
Frauenbewegungen, wie kürzlich in Polen gesehen,
setzen sich für ein lockeres Abtreibungsgesetz ein.
Doch blockiert die hauptsächlich von Männern geführte
Politik vielerorts dieses Anliegen und entscheidet
somit in gewisser Weise über den Körper einer
Frau.
Parität Ä in der Politik
Die Gleichberechtigung im Parlament ist eine weitere
Aufgabe, die angegangen werden muss. Paritätsgesetze
sind, zumindest in Deutschland, ein gescheiterter
Versuch, Gleichberechtigung ins Parlament
einziehen zu lassen. Der Ruf nach Gleichberechtigung
kommt nicht nur von einigen wenigen Frauen,
sondern auch von der Grundlage unserer Gesellschaft,
dem Grundgesetz. „Männer und Frauen sind
gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche
Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen
und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender
Nachteile hin“, so steht es im Art. 3 Abs. 2
des deutschen Grundgesetzes.
Aber was kann der Staat tun, um diesen Artikel zu
verwirklichen? Die Struktur des Staates müsste hierzu
grundlegend geändert werden. Seit Jahrzehnten
dominiert das männliche Geschlecht in demokratisch
gewählten Parlamenten. Struktureller Sexismus
– sowohl in den Establishments großer, alter
Parteien als auch in demokratisch gewählten Organen
– sei traurige Realität. Der Staat müsse einen
Weg finden, um die tatsächliche Durchsetzung der
Gleichberechtigung anzustoßen, fordert die Frau-
argus
32
FAKT!
enbewegung. Als undemokratisch
und
In den Vorständen
börsennotierter
trügerisch stellen Konservative
diese For-
Unternehmen in
derung dar: Frauen
Deutschland kommen
würden überwiegend
auf 603 Männer 68
Männer wählen und in
Frauen.
den gesellschaftlichen
Strukturen gäbe es keine
Hindernisse für die tatsächliche
Gleichberechtigung.
Wunsch und Wirklichkeit
Dies entspricht nicht der Realität. Die Strukturen hierzulande
sind frauenfeindlich, dazu bedarf es lediglich
eines Blickes auf die Gemeinderatswahlen im September
2020. In Meran erhielt eine junge, engagierte
Politikerin die meisten Stimmen – und dennoch
keine Spitzenposition. Dies scheint undemokratisch.
Aber nicht nur auf kommunaler Ebene ist ein Rückschritt
im Hinblick auf Gleichberechtigung erkennbar;
im Südtiroler Landtag genügt demnächst nur noch
eine Frau pro Kommission, bis jetzt wurde ihnen ein
Drittel der Plätze zugewiesen. „Frauen wählen auch
Männer“, so die einfache Erklärung von Politikern angesichts
dieser Polemik.
Studien zeichnen eine andere Wahrheit, wie die
Soziologin Elke Wiechmann dem BR24 sagt: „Zumindest
in den großen Städten sehen wir keine Diskriminierung
von Frauen, weder durch Frauen noch
durch Männer. Auch die meisten Männer haben sich
inzwischen daran gewöhnt, Frauen zu wählen. Frauen,
eher jüngere und links eingestellte, haben etwas
häufiger mit der Erststimme Kandidatinnen gewählt
oder einer Liste mit Spitzenkandidatin die Zweitstimme
gegeben.“
Das Problem liegt also nicht bei dem präferierten
Geschlecht der Wähler, sondern tatsächlich bei den
Wahllisten. Warum aber werden Paritätsgesetze als
undemokratisch abgeschmettert, wenn sie helfen
könnten, einen Artikel des Grundgesetzes zu verwirklichen?
Das Verfassungsgericht in Potsdam erklärte
hierzu, dass dadurch die Freiheit der Parteien
bei den Wahlen eingeschränkt würde.
Aber nicht nur die Freiheit der Parteien würde durch
ein solches Paritätsgesetz eingeschränkt, sondern
auch eines unserer wichtigsten Rechte: das Wahlrecht.
Zwar würde die Auswahl auf der Wahlliste
mehr Vielfalt hergeben, aber was, wenn man seit jeher
denselben Kandidaten
wählt und dieser wegen eines
Paritätsgesetzes nun nicht mehr
antreten darf?
Ein Paritätsgesetz hebelt also gewissermaßen
unser Recht auf freie Wahlen aus. Wäre dennoch
ein Paritätsgesetz in Kraft, so könnten auch andere
Bevölkerungsschichten wie People of Color, Personen
unterrepräsentierter Konfessionen oder Mitglieder
der LGBTQIA+-Bewegung Gleichberechtigung
im Parlament fordern. Chaos auf den Wahllisten und
in den Parlamenten wäre die Folge.
Dieses Wahlchaos wurde von rechtsradikalen Parteien
abgewendet. NPD und AfD, deren Mitglieder
immer wieder durch undemokratische Äußerungen
auffallen, schützen das deutsche Grundgesetz – ein
Widerspruch. Die wegen der Corona-Krise an Aufschwung
verlierende AfD inszeniert sich nun als
kühner Retter der freien Demokratie, sei es durch
Kritik an den Corona-Maßnahmen, sei es durch die
Abwendung des Paritätsgesetzes. Dabei ist die AfD
ein Teil des Problems. Durch Abgeordnete, die sich
sexistisch gebärden und erzkonservative Haltungen
an den Tag legen, versucht sie so gut wie jeden Vorstoß
für Gleichberechtigung zu blockieren und vergiftet
den Diskurs.
Sexistische Muster
Frauen
Dass es aber auch anders geht, zeigt die CDU: Eine
alte, konservative Partei führt für parteiinterne Wahlen
und manche Positionen eine Frauenquote von
50 Prozent ein. Bis 2025 soll sie verbindlich etabliert
sein. Ob dies gelingt, ist noch unklar. Selbst Delegierte
der CDU behaupten, eine Frauenquote sei
völlig überzogen, da es seit Jahren eine Kanzlerin
gibt, eine Kommissionspräsidentin, drei Bundesministerinnen,
eine Parteichefin.
Andere kritisieren, eine solche Frauenquote sei ein
Paritätsgesetz durch die Hintertür. Das weitere Vorgehen
der CDU wird wohl maßgeblich vom nächsten
Parteivorsitz abhängen. Dafür kandidieren drei
Männer, keine Doppelspitze, keine Frau. Ein Widerspruch
zur offiziell angestrebten Frauenquote. Die
CDU fällt in ihre alten sexistischen Muster zurück.
Gleichberechtigung im Parlament ist nicht in Sicht.
Ein grundlegender Wandel der Gesellschaft und der
Strukturen ist der einzige Weg dorthin. Wie lang er
sein wird, wird sich zeigen.
Thomas Mair, 4aS
argus
33
Politik
Wie der Sexismus seinen
Menschliche Gesellschaften waren nicht immer männerdominiert. Historisch
gesehen kam die Wende erst, als wir zu Bauern wurden, durch die
Sesshaftigkeit. Doch auch antike Geistesgrößen wie Platon, Hippokrates und
Aristoteles legten das Fundament, auf dem jahrhundertelang der Sexismus
aufgebaut wurde
Die überwiegende Mehrheit der Kulturen sind Patriarchate,
in denen Männer mit größerer Wahrscheinlichkeit
als Frauen soziale, wirtschaftliche und politische
Machtpositionen erlangen können. Es ist also
verlockend anzunehmen, dass dies der natürliche
Zustand der Dinge ist, vielleicht weil Männer biologisch
gesehen stärker sind als Frauen.
Vielleicht hilft ein Blick auf unsere Vorfahren, die
Schimpansen. Diese sind keine Stellvertreter für
unsere Vorfahren – sie haben sich weiterentwickelt,
seit sich unsere Stammbäume getrennt haben – aber
ihre sozialen Strukturen können uns etwas über die
Bedingungen sagen, unter denen männliche Dominanz
gedeiht. Gewöhnliche Schimpansen-Gruppen
sind offenkundig patriarchalisch organisiert. Die
Männchen sind bösartig gegenüber den Weibchen,
sie nehmen ihnen das Futter weg, töten sie sogar,
nur weil sie sich von der Gruppe entfernt haben. Liegt
Frauenfeindlichkeit also in der Natur der Menschen?
Nein, meinen Anthropologen mit Blick auf die Hinterlassenschaften
des frühen Homo sapiens und die
heute noch existierenden Jäger-und-Sammler-Gesellschaften.
Doch vor etwa 12.000 Jahren änderten sich die Dinge:
Mit dem Aufkommen von Ackerbau und Viehzucht
begannen die Menschen sesshaft zu werden.
Sie erwarben Ressourcen, die sie verteidigen mussten,
und die Macht verlagerte sich auf die biologisch
stärker gebauten Männer. Väter, Söhne, Onkel und
Großväter begannen, nahe beieinander zu leben,
Eigentum wurde in der männlichen Linie weiter gegeben,
und die weibliche Autonomie wurde ausgehöhlt.
Infolgedessen entstand das Patriarchat.
Auf philosophischer Ebene wurde das Fundament für
Diskriminierung bereits im antiken Griechenland gelegt.
Obwohl die griechischen Autoren den Sexismus
nicht erfunden haben, enthielten ihre Schriften Ideen
und Argumente, die zur Rechtfertigung der Frauenfeindlichkeit
verwendet wurden. Sobald diese antiken
Trendsetter Argumente für die Unterwerfung der Frau
im Namen eines göttlichen Bildes entwickelt hatten,
wurden Frauen wie selbstverständlich als von Natur
aus minderwertiger als Männer angesehen, von
Geburt an anders behandelt und dazu erzogen, sich
selbst zu unterwerfen, was wiederum die Ansichten
über die weibliche Unvollkommenheit und die daraus
folgende Entmachtung weiter unterstützte.
Der Begriff der Teleologie hilft dabei, die Geschichte
der Frauenfeindlichkeit besser zu verstehen. Die
Teleologie sagt aus, dass einige Dinge um anderer
Dinge willen geschehen oder existieren. Von Platon
bis Aristoteles, aber auch bei weiteren Philosophen,
waren die Zeugungskräfte der Frauen das einzige
Mittel, um zum Guten beizutragen, woraus folgte,
dass diese Kräfte von Männern mit Einsicht in die
„
„Eine Frau muss still und mit
völliger Unterwürfigkeit die
Unterweisung empfangen", denn
„ich erlaube einer Frau nicht, zu
lehren oder Autorität über einen
Mann auszuüben, sondern still zu
sein."
„
Paulus (2. Timotheus 2,12)
argus
34
Anfang nahm
© Pixabay, morhamedufmg
Frauen
göttlichen Absichten angemessen kontrolliert
werden müssen.
Die früheste Periode, für die wir detaillierte Berichte
über den Körper der Frau haben, ist das
klassische Griechenland, die Zeit, in der verschiedene
Texte, die lange mit Hippokrates in
Verbindung gebracht wurden, geschrieben wurden.
Diese medizinischen Schriften von mehreren
Autoren enthalten die erste klare Differenzierung
von weiblichen und männlichen Körpern
und waren grundlegend für die westliche medizinische
Tradition.
Die hippokratischen Autoren sind sich einig,
dass die Knochen eines menschlichen Körpers
mit Fleisch bedeckt sind, das aus verschiedenen
Arten von Flüssigkeiten besteht, die wiederum
mehr oder weniger heiß oder kalt und feucht
oder trocken sind. In den Worten eines hippokratischen
Autors erfreut sich der Mensch „der
größten Gesundheit, wenn diese Flüssigkeiten in
Bezug auf Mischung, Kraft und Menge im Gleichgewicht
zueinanderstehen.“
Zwei Merkmale des weiblichen Körpers überzeugten
die hippokratischen Autoren von einem
entscheidenden Unterschied zwischen weiblichen
und männlichen Körpern: Frauen haben
die Menstruation und eine Gebärmutter. Die
Notwendigkeit, dass Frauen regelmäßig bluten,
wurde als Beweis dafür genommen, dass weibliches
Fleisch feucht, schwammig und kalt sei,
im Gegensatz zu dem trockenen, festen und
warmen Fleisch der Männer. Wegen ihrer kalten
Schwammigkeit nehme der Körper der Frau
mehr Flüssigkeit auf, müsse regelmäßig Blut
absondern und sei daher von Natur aus unausgeglichen.
Weil die Wärme und Trockenheit des
männlichen Körpers überschüssige Flüssigkeit
absorbiere, müssten sie nicht menstruieren. Die
Gesundheit der Frauen ist nach dieser Theorie
also stärker als die der Männer davon abhängig,
dass ihr Körper überschüssige Flüssigkeit entweder
verbraucht oder ausscheidet.
„
Was die Geschlechter
betrifft, so ist der Mann von
Natur aus überlegen und die
Frau unterlegen, der Mann der
Herrscher und die Frau der
„
Untertan.
Aristoteles
Punkt über den anhaltenden Sexismus zu übersehen. Diese
ersten Gynäkologen, die sich um das Wohlergehen ihrer
Patientinnen zu sorgen schienen, gingen davon aus, dass
jede Entwicklung der Frau mit ihren Fortpflanzungsorganen
und den damit verbundenen Flüssigkeiten zusammenhängt,
sodass ihre Gesundheit auch von der Fortpflanzung
abhängt.
Als die hippokratischen Autoren Frauen in die Knechtschaft
ihrer Zeugungskraft und ihrer Ehemänner versetzten, leiteten
sie eine seit langem bestehende Strategie im westlichen
Denken ein, die Gesundheit von Frauen auf ihre
Fortpflanzungsfähigkeit zu reduzieren und Männer zu ihren
Aufsehern zu machen.
Es ist niederschmetternd zu sehen, dass so viele unserer
Zeitgenossen die Logik dieser alten Argumente übernehmen
und die Körper der Frauen im Namen des Guten fröhlich
unterjochen. Aber ich finde einen Trost darin, zu verstehen,
wie diese sexistischen Einstellungen entstanden sind.
Wenn Wissen Macht ist, dann könnte das Verständnis dieser
alten Quellen der heutigen Frauenfeindlichkeit massiv
helfen.
Heute ist es leicht, die hippokratischen Theorien
zu verspotten. Aber sie als schlechte Wissenschaft
abzutun, bedeutet, einen entscheidenden
Salome Johanna Bergmann, 4aS
argus
35
Im Interview
Gisela Maria Nocker
Von gerechten Noten und
Alter: 50
Beruf: Lehrerin für Deutsch und Latein
Hobbys: Wandern, Mountainbiken, Langlaufen, Lesen, Unterwegs-Sein
Wohnort: Reischach
Gibt es in Ihren Augen Ungleichheiten in der Bewertung
von Schülern und wenn ja, in welcher
Form?
Das Ziel einer jeden Prüfung ist es, Ungleichheiten
zu vermeiden und gerecht
zu bewerten.
Ich glaube, dass sowohl mündliche
als auch schriftliche Bewertungen,
welche auf klar
definierten Kriterien basieren,
vergleichbar sind. Bei schriftlichen
Testarbeiten bietet sich
der Vorteil an, Beantwortetes
mehrmals durchzugehen, während
man bei mündlichen Prüfungen
Antworten nur einmal hört und
diese möglicherweise anders interpretiert
oder aufnimmt.
Ich persönlich finde es außerdem entlastend,
wenn ich den Namen der Schüler vor der Verbesserung
von Arbeiten nicht lese. Bei der Matura beispielsweise
korrigiere ich Texte von fremden Schülern.
Kann man Schüler Ihrer Meinung nach mit Bewertungen
vergleichen?
„
Bildung ist die mächtigste
Waffe, die du verwenden
„
kannst, um die Welt zu
verändern.
Nelson Mandela
Schüler kann man nicht vergleichen, höchstens
einzelne Schularbeiten. Bewertet werden nicht die
Schüler selber, sondern Überprüfungen. Wie bereits
erwähnt, glaube ich schon, dass man unter der Voraussetzung
von gewissen Kriterien Tests vergleichen
kann.
Wäre es in Ihren Augen sinnvoll, anstelle
von Ziffernnoten schriftliche
Kommentare für die Bewertung
einzusetzen?
Als Bewertungsform im Zeugnis
ziehe ich Ziffernnoten vor, ich
denke nämlich, dass Schüler
diese besser zuordnen können.
Verbale Bewertungen
können meiner Meinung nach
auch zu Missverständnissen
führen und falsch aufgenommen
werden. Aber natürlich muss jede
Ziffernnote nachvollziehbar begründbar
sein und bei Fragen genauer erklärt
werden können.
© Privat
Gisela Maria Nocker
Spaltet oder beeinflusst das Homeschooling die
Gemeinschaft an der Schule?
Der Fernunterricht spaltet die schulinterne Gemeinschaft
in vielerlei Hinsichten. Sowohl zwischen den
einzelnen Schülern als auch zwischen den Lehrern
und den verschiedenen Klassen.
Welche Hindernisse stellt der Fernunterricht dar?
Es werden große Unterschiede im Lernen und in den
Leistungen der verschiedenen Schüler sichtbar. Verständlicherweise
kommen viele Schüler mit der jetzigen
Situation nicht so gut zurecht und es fehlt ihnen
an Motivation. Im Präsenzunterricht können Lehrpersonen
das viel besser auffangen und ausgleichen.
Demnach wirkt sich der Fernunterricht auf die Lernfortschritte
eher negativ aus.
Außerdem fehlen mir persönlich die sozialen Kontakte,
die eigentlich wichtiger Bestandteil meines Berufs
als Lehrperson sind.
argus
36
trennendem Fernunterricht
Im Interview
Elina Hell Messner
Alter: 18
Beruf: Schülerin des Realgymnasiums
Hobbys: Nähen, Stricken, face painting, Skifahren, Freunde treffen
Wohnort: Welsberg
Gibt es in deinen Augen Ungleichheiten in der
Bewertung von Schülern und wenn ja, in welcher
Form?
Natürlich kommt es vor, dass Bewertungen
ungerecht sind. Dennoch
ist es Teil unseres Schulsystems,
Leistungen mittels Noten einzustufen.
Das Bewerten gehört
zur Arbeit eines jeden Lehrers
dazu.
Ich finde, dass es keinen Weg
gibt, etwas komplett objektiv zu
bewerten. Vor allem bei mündlichen
Prüfungen gibt es häufig
Unterschiede, die unvermeidbar
sind, da der Lehrer jedem Schüler
andere Fragen stellt.
Kann man Schüler deiner Meinung nach mit Bewertungen
vergleichen?
Schüler können mit Noten meiner Meinung nach nicht
verglichen werden, schließlich hat jeder seine eigenen
Stärken und Schwächen. In der Schule werden
nur gewisse Fähigkeiten abgefragt. Jeder reagiert in
Prüfungssituationen anders, der eine ist unter Druck
besonders leistungsfähig, während der andere aus
Nervosität ein Blackout bekommt.
Wäre es in deinen Augen sinnvoll, anstelle von
Ziffernnoten schriftliche Kommentare für die Bewertung
einzusetzen?
Meiner Meinung nach könnte man mit schriftlichen
Kommentaren spezifischer auf die Fähigkeiten jedes
einzelnen Schülers eingehen. Verbale Bewertungen
könnten ein ausführlicheres Feedback geben, während
Ziffernnoten im Zeugnis keinen Aufschluss darüber
geben, in welchem Bereich eines Schulfaches
man Schwierigkeiten hat und woran man noch arbeiten
muss.
© Privat
Insgesamt sollten vielmehr die Stärken des Individuellen
gefördert werden, als zu versuchen, jeden
Schüler auf das gleiche Niveau zu bringen.
© Kristina Niederegger
Elina Hell Messner
Ist unsere Schule in irgendeiner Form
gespaltet?
In gewissen Ansichten sind
Real- und Sprachengymnasium
gespaltet und man stellt sich
gegenseitig schlecht dar. Aber
insgesamt finde ich, dass sich
die Schule darum bemüht, die
interne Gemeinschaft zu fördern.
An den meisten Veranstaltungen,
beispielsweise dem Sprachenfestival
oder den Olympiaden,
können schließlich alle Schüler teilnehmen.
Welche Hindernisse stellt der Fernunterricht dar?
Das Homeschooling erfordert ein hohes Maß an
Selbstdisziplin. Schüler brauchen viel Motivation, um
die Arbeitsaufträge eigenständig zu erledigen. Hinzu
kommt, dass Zuhause, im Gegensatz zur Schule,
nicht alle Schüler die gleiche Ausstattung und Voraussetzung
haben. Einige Schüler beispielsweise
müssen sich das Zimmer oder den Computer mit den
Geschwistern teilen.
Die Fragen stellten Eva Hell und Andrea Moser, 3bS
„
Everybody is a genious. But if you
judge a fish by its ability to climb
„
a tree, it will live its whole life
believing that it is stupid.
Albert Einstein
argus
37
Gender
Mathe und Mädchen – ein Gegensatz?
Als ich mich nach der Mittelschule für das Realgymnasium entschieden habe, hatten
fast alle Personen, mit denen ich gesprochen habe, denselben Gedanken im Kopf:
„Da wirst du aber viele Buben in der Klasse haben.” So kam es dann aber nicht, in meiner
Klasse sind 14 Mädchen und 10 Jungs. Warum geistern Stereotype wie „Wissenschaft ist
nichts für Mädchen” trotzdem noch so häufig umher?
„Mädchen Ä können Ö Mathe nicht so
gut wie Jungs”
Diese Aussage, die häufig als Grund genannt wird,
ist nicht mehr als ein Irrtum. Mehrere Studien bestätigen,
dass Mädchen – werden sie in direkten Vergleich
zu Jungs gestellt – bei mathematischen Tests
im Durchschnitt nicht schlechter abschneiden als ihre
männlichen Konkurrenten.
Eine amerikanische Studie aus den Neunzigerjahren
fand heraus, dass Frauen bei einem Mathetest nur
dann schlechter als Männer abschneiden, wenn ihnen
vorher gesagt wurde, dass Frauen bei diesem
Test meistens weniger leisten als Männer. Die Frauen,
denen das nicht gesagt wurde, schnitten ähnlich
ab wie die restlichen Testteilnehmer.
Die selbsterfüllende Ü
Prophezeiung
Soziologen und Psychologen verwundert diese
Dynamik nicht: Von klein auf wird uns von der Gesellschaft
eingeredet, dass Mädchen nicht so gut
in Mathe sind, nicht so gut in Mathe sein müssen.
Mädchen haben eine höhere soziale Sensibilität als
Jungs und sind so, vor allem im Kindesalter, leicht
beeinflussbar. Das führt dazu, dass Mädchen diese
gesellschaftlichen Stereotypen als Fakt ansehen und
sich viel weniger zutrauen. Selbst wenn ein Mädchen
gute mathematische Leistungen zeigt, wird es in der
Schule meistens einen Jungen geben, der anscheinend
besser in Mathe ist, oder es zumindest denkt.
Eine Studie des Deutschen Instituts für Wissenschaftsforschung
zeigt auf, dass Mädchen sich schon
in der Grundschule in Mathematik schlechter einschätzen
als Jungs. Diese halten sich in der Mathematik
oft für begabter, als ihre Noten und ihre durchschnittliche
Leistung es reflektieren. Viele Mädchen
entfernen sich, wenn sie älter werden, immer mehr
von der Mathematik und strengen sich nicht mehr so
sehr an. Wenn es von einem nicht erwartet wird, gute
Leistungen in einem Fach zu erbringen, warum sollte
man sich dann (unnötig) bemühen?
Ein Grund für diese (falschen) Stereotype
Ü ( )
© Mara Nicolussi Moz
In der Pubertät verfestigt sich die Trennung zwischen
Jungen und Mädchen erst richtig. Zu diesem Zeitpunkt
beginnt auch die Trennung der Mädchen und
der Naturwissenschaften. Mädchen wollen sich seltener
mit diesen Fächern auseinandersetzen, da sie in
unserer Kultur als „unweiblich” gelten. Außerdem wollen
viele Mädchen nicht mit etwas assoziiert werden,
das „Männersache” ist. Dieses Phänomen hat seinen
argus
38
FAKT!
Im arabischen Land Kuwait
müssen Frauen einen
höheren Notendurchschnitt
als Männer vorweisen, um
Ingenieurswissenschaften
studieren zu dürfen.
Ursprung im 18.
Jahrhundert: Zu
dieser Zeit galten
Frauen, wie die Zeitschrift
„Emma“ in einem ihrer
Artikel darlegt, als „weich, gefühlsbetont und
irrational”. Also als genau das, was die Naturwissenschaften
nicht sind. Diese den Frauen nachgesagten
„Qualitäten” haben es bis heute geschafft, in unserer
Kultur verankert zu bleiben und begünstigen nach
wie vor die Spaltung zwischen Mathematik und Mädchen.
Wie Lehrpersonen zu diesem Phäno-
Ä
men beitragen
Auch Lehrpersonen tragen zur Aufrechterhaltung
dieser Stereotypen bei. Studien haben ergeben,
dass Mädchen im Matheunterricht viel weniger zugetraut
wird und die Lehrer einen größeren Teil des
Unterrichts mit den Jungs verbringen, da sie vielfach
davon ausgehen, dass ihre Zeit bei den Jungs sinnvoller
eingesetzt sei als bei den Mädchen.
Auch Tests werden je nach Geschlecht unterschiedlich
bewertet. Bei den Naturwissenschaften denkt
man eigentlich, dass die Notengebung linear sei,
also dass die Antworten beim Test entweder falsch
oder richtig seien und auch dementsprechend bewertet
würden, aber dem ist nicht so, wie eine Studie
aus der Schweiz herausgefunden hat. Man gab
mehreren Lehrpersonen fiktive Tests, die sie bewerten
sollten. Alle Lehrer bekamen genau dieselben
Antworten, mit dem Unterschied, dass einmal
ein Mädchen- und einmal ein Jungenname auf dem
Test stand. Lehrer mit mehr als zehn Jahren Berufserfahrung
bewerteten fair, es gab keine Unterschiede
zwischen der Benotung der Geschlechter. Bei Lehrern,
die weniger als fünf Jahre unterrichtet hatten,
sah das anders aus – vor allem bei den Lehrerinnen.
Während die männlichen Lehrer kaum einen
Unterschied bei den Bewertungen von Mädchen und
Jungen machten, bewerteten die Lehrerinnen die
Mädchen durchschnittlich fast eine Note schlechter
als die Jungs. Die Studienleiter führten das darauf
zurück, dass die Lehrerinnen davon ausgehen, dass
Mädchen schlechter in Mathe sind als Jungs, und sie
es deshalb für unwahrscheinlicher halten, dass ein
Mädchen eine gute Note in einem solchen Test bekommen
kann.
Die westliche Kultur - wie Gleichberechtigung
der Mathematik im
Weg steht
Mathematik
Versteht mich jetzt bitte nicht falsch, ich bin sehr
für die Gleichberechtigung der Geschlechter. Es ist
aber Fakt, dass Mädchen in Ländern, in denen sie
getrennt von Jungen lernen müssen, viel besser in
der Mathematik abschneiden als „unsere” Mädchen.
Ohne die Konkurrenz und Bevorzugung der Jungen
im Mathe-Unterricht haben die Mädchen eine größere
Chance, ihr wahres Potenzial in der Mathematik
zu entdecken. Das sieht man auch in der PISA-Studie,
die aufzeigt, dass die Mädchen der arabischen
Länder Jordanien, Katar und der Arabischen Emirate
den größten Vorsprung in Mathe haben. Hier lernen
die Mädchen getrennt von den Jungen und werden
so in der Mathematik mehr gefördert.
Wenn man so etwas liest, könnte man davon ausgehen,
dass die Mädchen, die aus diesen Ländern nach
Europa emigrieren, dort ihren großen Vorsprung in
Mathe weiter ausbauen. Aber leider passen sich die
Mädchen viel zu schnell an die örtlichen Gegebenheiten
an und verinnerlichen schon nach kurzer Zeit,
dass Mädchen die Mathematik angeblich nicht so gut
beherrschen. Die Leistungen dieser Mädchen sinken
schon wenig später auf ein für uns normales Niveau.
Es ist also nicht die Natur, sondern die Kultur, die
Mädchen von der Mathematik trennt!
Mara Nicolussi Moz, 1aR
argus
39
Gender
300
Mädchen mögen Mathe!
Entwicklung der Schülerzahlen an unserer Schule
Realgymnasium
250
Anzahl der Schüler pro Jahr
200
150
100
Buben
Mädchen
50
0
2011/2012
2012/2013
2013/2014
2014/2015
2015/2016
2016/2017
2017/2018
2018/2019
2019/2020
2020/2021
300
Sprachengymnasium
250
Anzahl der Schüler pro Jahr
200
150
100
50
Salome Johanna Bergmann, 4aS
0
2011/2012
2012/2013
2013/2014
2014/2015
2015/2016
2016/2017
2017/2018
2018/2019
2019/2020
2020/2021
Buben
Mädchen
argus
40
Wer im Sportunterricht das Nachsehen hat
Dass die Bewertungselemente im Sportunterricht geschlechtsspezifisch zugeteilt
sind, dürfte für uns alle nichts Neues sein. So muss ein Mädchen 2000 Meter
in 9,20 Minuten laufen, um die Note 10 zu erhalten, ein Junge hingegen darf nur
8,34 Minuten benötigen. Doch ist das gerechtfertigt?
Sport
Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir
zuerst mit Zahlen und Fakten belegen, ob und inwieweit
Männer Frauen durch ihren Körperbau überlegen
sind.
Durchschnittlich können Frauen 10 bis 12 Prozent
weniger körperliche Leistung erbringen als Männer.
Einer der Hauptgründe dafür liegt im Hormonspiegel:
Männer besitzen zehn bis zwanzig Mal mehr des
männlichen Sexualhormons
Testosteron als
Frauen. Dieses Hormon
ist für den Muskelaufbau
verantwortlich,
deshalb haben Männer
durchschnittlich 25 bis
30 Prozent mehr Muskelmasse,
ergo mehr
Kraft.
Die Muskelkraft hängt
nicht nur von der Muskelmasse
ab, sondern
auch von dem Durchmesser
der Muskelfasern,
welche bei uns
Frauen deutlich kleiner sind als bei unseren männlichen
Mitmenschen. Auch das Volumen der Mitochondrien
– also unserer „Energiekraftwerke“ – in
den Muskelzellen ist bei Männern um 22 Prozent
größer.
Weil Frauen ein kleineres Herz und kleinere Lungen
haben, verfügen ihre Muskeln nicht über so viel Sauerstoff
zur Energiegewinnung. Deshalb ist ihre Herzfrequenz
höher, um dennoch genug Sauerstoff durch
das Blut in die Muskeln transportieren zu können.
Diese Unterschiede sind angeboren, aber nicht von
Geburt an entwickelt. Die Entwicklung findet erst mit
etwa 11 bis 12 Jahren statt, sobald die Kinder langsam
in die Pubertät kommen.
Danach haben Jungen in den meisten Sportarten
die besseren Karten. Doch sollte nun auch im Sportunterricht
diesen biologischen Voraussetzungen
nach bewertet werden? Die Logik spricht dafür,
doch die Zeiten ändern sich. Eine Klasse besteht
aus Individuen, jedes hat seine Fähigkeiten, kann
manche Dinge besser als andere. Anstatt sich auf
die altmodische Trennung zwischen Mann und
Frau zu berufen und körperliche Unterschiede als
Grundlage für die Bewertung zu verwenden, sollten
im Sportunterricht auch die Geschicklichkeit,
die Motivation und die
Willenskraft stärker berücksichtigt
© Pixelio, S. Hofschlaeger
werden.
Duell der Geschlechter
Dies nicht zuletzt deshalb,
weil wir die erste
Generation sind,
welcher aufgrund von
Übergewicht, Unsportlichkeit
oder ungesunder
Lebensweise eine
geringere Lebenserwartung
als ihren Eltern
vorausgesagt wird.
Sport in der Schule
kann diese Prognose
nicht verhindern – und
man kann auch nicht voraussetzen, dass sich alle
Kinder einer Klasse sportlich betätigen. Die Bewertungsskala
müsste allgemein an unsere und
die kommenden Generationen angepasst werden.
Im Leistungssport aber, wo sich nur die Besten
der Besten messen, ist eine Differenzierung zwischen
den Geschlechtern gerechtfertigt. Eine Frau
könnte nie dieselben körperlichen Leistungen wie
ein ähnlich durchtrainierter Mann erbringen, die
biologischen Anlagen sind einfach nicht gegeben.
So sind in diesem Fall die unterschiedlichen Bewertungskriterien
nicht nur gerechtfertigt, sondern
auch notwendig.
Salome Johanna Bergmann, 4aS
argus
41
Kleiderpower: Wenn Einheit eintönig wird
Style
Kleidung ist nicht nur Mode, sondern eine Philosophie für sich. Mit verschiedenen Mustern,
Farben, Stoffen und Schnitten drückt sie so einiges aus. Warum aber sehen Jugendliche
in puncto Kleidung dann alle so ähnlich aus?
© Unsplah, Djim Loic
© Edward Lich, Pixabay
Eintönig: weiße Sneakers und Jeans
Was Kleider
mit unserer Psyche machen
Jenny und Annika verbringen einen gemütlichen Urlaubstag
am Strand. Während sie mit Sonnenhut und
Sonnenbrille auf ihrem Strandtuch, mit einer frischen
Limonade in der Hand, entspannen, ertönt aus dem
Nichts eine Stimme: „Hallo Jenny, hallo Annika, was
macht ihr denn hier? Was für ein Zufall!“ „Oh, was für
ein Zufall, Frau Gruber!“, erwidert Annika grinsend.
Erst sobald Frau Gruber wieder auf ihrer Liege Platz
gefunden hat, realisiert Jenny, dass es ihre Professorin
war, die sie soeben gegrüßt hat. Gar nicht so
leicht zu erkennen: Badeanzug, Sonnenhut und Sonnenbrille
statt Bluse, Dutt und Lesebrille – was das
ausmacht.
Kleider machen Leute? Ja, eigentlich schon. Darüber
schrieb Gottfried Keller schon im 19. Jahrhundert. In
seinem gleichnamigen Buch geht es um den Schneiderlehrling
Wenzel Strapinski, der aufgrund seiner
Kleidung versehentlich für einen polnischen Grafen
gehalten wird und diese Situation solange ausnutzt,
bis die Täuschung auffliegt. Kleider waren und sind
noch immer ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft.
Den ersten Eindruck über dich bildet sich dein Gegenüber
ganz allein aufgrund von Äußerlichkeiten.
Das mag zwar oberflächlich klingen, lässt sich aber
nicht ändern. Nicht umsonst ist für bestimmte Berufe
eine bestimmte Kleidung vorgesehen. Ein Bankangestellter
soll seriös und zuverlässig wirken – deshalb
muss er Anzug und Krawatte tragen. Eine Ärztin
soll gepflegt und ordentlich rüberkommen – deshalb
muss sie weiße Kleidung tragen und die Haare soll
sie zusammenbinden.
Wir Menschen nutzen verschiedene Muster, Farben,
Stoffe und Schnitte, um uns selbst auszudrücken: um
auszudrücken, was wir fühlen, wie wir gelaunt sind,
um unsere Meinung darzustellen, uns von anderen
abzuspalten und zu zeigen, wer wir wirklich sind.
Dabei spielen vor allem Farben eine wichtige Rolle.
Unterbewusst erzeugen sie eine gewisse Stimmung
und Wirkung.
argus
42
Die Wirkung und der Eindruck einzelner Farben
auf den Menschen:
Gelb: vernünftig, fröhlich, intelligent, offen, kommunikativ,
lebendig
Rot: verführerisch, selbstbewusst, optimistisch, lebhaft,
temperamentvoll, durchsetzungsfähig
Blau: gelassen, distanziert, harmonisch, tolerant,
kompetent
Grün: ruhig, optimistisch, großzügig, harmonisch
Naturtöne: elegant, schlicht, zurückhaltend, ruhig,
unaufdringlich
Grundsätzlich spiegelt der Mensch mit seiner Farbwahl
bei Kleidungsstücken seinen Gemütszustand
wider. Na, was bist du für ein Farben-Typ?
Warum Jugendliche
alle gleich aussehen
Die Variation beim Styling ist bei Jugendlichen in der
Regel gering. Bestimmt hast du schon jemanden feststellen
hören: „Die sehen ja alle gleich aus!“ Und da
hat derjenige nicht einmal unrecht. Soweit das Auge
reicht: Mädchen mit langem, glattem, © blondbraunem
skeeze, Pixabay
Haar. Meist tragen sie eine Brille, weiße Sneakers
und Jeans. Auffällige Farben sind selten.
Die Jungs tragen ihre kurzen blondbraunen Haare
vorne hochgestylt und an den Seiten ganz kurz. Auch
sie ziehen weiße Sneakers, Jeans und möglichst unauffällige
Farben vor. Das klingt eintönig – und ist es
auch.
Doch warum der Einheitsbrei? Warum so willig und
so wenig individuell?
tiver bewerten wir es. Sind wir mal ehrlich:
Haben uns diese viereckigen Rucksäcke von
Anfang an gefallen oder erst, nachdem wir sie
öfters gesehen haben?
Kleidung
Evelin hat mal wieder den gesamten Kleiderschrank
ihrer Mutter auf den Kopf gestellt. Sie liebt es, in den
alten Sachen ihrer Mutter zu stöbern. Ausgefallene
Kleidungsstücke sind genau ihr Ding. Ein knielanger
Blumenrock hat es ihr besonders angetan. Zusammen
mit einem dicken Rollkragenpullover und den
Lederstiefeln möchte sie ihn unbedingt morgen in
der Schule anziehen. Normalerweise traut sie sich
sowas nicht, doch nun ist der Tag gekommen. Mit
„
Die Seele dieses
Menschen sitzt in seinen
„
Kleidern.
William Shakespeare
Stolz trägt sie den Rock ihrer Mutter und fühlt sich
dabei pudelwohl, bis plötzlich der Klassenliebling folgenden
Kommentar von sich gibt: „Wo hast du denn
diesen Oma-Rock ausgegraben?!“
Kein Wunder also, dass Jugendliche heutzutage lieber
„gleich“ aussehen, als sich großartig von anderen
zu unterscheiden. Zu groß ist die Angst, sich von
der Masse abzuheben und somit zum potenziellen
Mobbingopfer zu werden. Oft fehlt noch das nötige
Selbstvertrauen, individuell zu sein. Jugendliche haben
das Verlangen, dazuzugehören, akzeptiert und
gemocht zu werden und meinen oft, dies nur zu erreichen,
wenn sie „in“ sind und dem Trend folgen.
Erst wenn die Jugendlichen irgendwann ihre eigene
Persönlichkeit entwickelt und zu sich selbst gefunden
haben, beginnen sie, wirklich sie selbst zu sein.
Lisa Passler, 3bS
In den Fußgängerzonen von Bozen bis New York
finden wir globale Modeläden wie H&M, NewYorker,
Zara. Da wundert es wenig, wenn ein Influencer,
Pop- oder Filmstar dasselbe trägt wie du und
wie alle anderen auf deiner Schule. Besser gesagt:
Influencer steuern dein Kaufverhalten – ebenso die
allgegenwärtige Werbung. Der psychologische Effekt
dahinter: Je häufiger wir etwas sehen, desto attrakargus
43
Style
Fragen, die die Menschheit spalten
Ist Nutella-Brot mit Butter wirklich verwerflich? Sind IOS- oder Android-Produkte
besser? Das Netz zerfleischt sich geradezu über Fragen dieser Art. Und wir werfen uns
mit ins Getümmel – um herauszufinden, welchen Sinn solch sinnlose Fragen haben
© Unsplash, astasnik
Links oder rechts?
Ein Tag wie jeder andere: in der Kälte sitzend und
an der Haltestelle wartend kurz die Social Media
Accounts checken, bevor der Bus kommt. Dann ab
nach Hause. Wieder mal aus Langeweile bei einer
Abstimmung auf Instagram teilnehmen, die ein Influencer
gestartet hat. „Team Pfirsich“ oder „Team
Zitrone“ sind die Antwortmöglichkeiten, die zur Auswahl
stehen. Die Frage dreht sich um Eistee-Vorlieben
– typisch Influencer, die ihre Reichweite nutzen,
um derart tiefsinnige Fragen zu überprüfen. In
diesem Fall hat sich eine Präferenz bestätigt, nicht
eindeutig, aber trotzdem: 62 Prozent haben für
„Team Pfirsich“ gestimmt. Obwohl diese Frage im
Grunde echt sinnlos erscheint, interessiert es uns
doch, wie die Antwort am Ende ausfällt. Befinden
wir uns in der Mehrheit, fühlen wir uns bestätigt.
Sucht man gezielt nach derartigen Fragen, wird man
in Hunderten von Frageforen fündig. Es wird hin und
her gestritten, welche Antwort die richtige sei, natürlich
immer mit einer ausführlichen Begründung, die
das Tun anderer als „falsch“ abstempelt. Diejenigen,
die dabei merken, dass sie sich in der Unterzahl befinden,
lassen sich jedoch nicht unterkriegen und argumentieren
heftig dagegen. Und das, obwohl wohl
jedem klar ist, dass nicht alle der gleichen Meinung
sein können. Es wird immer jemanden geben, den
wir nicht von unserer Sicht überzeugen können.
Außerdem wissen wir doch genau, dass man seine
Zeit viel sinnvoller verbringen könnte: Es gäbe tausende
Fragen, mit denen wir uns stattdessen befassen
könnten, weil viele wirklich wichtiger sind. Doch
es scheint, als wären diese nicht so „lebensnotwendig“
wie die Streitfragen nach Pfirsich- oder Zitronen-
Tee und unser alltägliches Tun in Bezug auf Essensvorblieben
und Präferenzen zwischen dem einen und
anderen Produkt. Daher stellt sich die Frage, warum
uns die „Antworten“ auf Fragen, die sich um ziemlich
belanglose Angewohnheiten und Vorlieben des
argus
44
einzelnen Menschen drehen, so brennend interessieren.
Vielleicht ist es eine Art Zuflucht, die manche
brauchen, um ihrem monotonen Alltag zu entfliehen,
während andere es einfach genießen, über etwas zu
sprechen, das nicht so komplex ist wie andere Entscheidungen
im Leben. Wie auch immer: Aus dem
eigenen Leben zu flüchten und in die Welt diverser
Influencer und Youtuber zu schlüpfen, ist durch die
sozialen Medien eine sehr präsente und gängige
Verhaltensweise geworden. Die Plattform Instagram
verschluckt tausende Stunden unserer Zeit und im
Gegenzug dürfen wir uns von der Lebensweise anderer
inspirieren lassen oder wenigsten davon träumen.
Doch der menschliche Drang, sich mit etwas Belanglosem
zu beschäftigen, ist nicht erst mit dem
Internet aufgekommen. Die Leser von Gala, BRA-
VO & Co. interessiert es schon seit Jahrzehnten,
was gerade bei den Royals los ist oder welche
Star-Beziehung sich seinem Ende zuneigt. Steckt
also das Interesse an der Lebensweise Fremder
von Natur aus in uns und wurde es durch die
Medien gefüttert und vielleicht sogar verstärkt?
auch das ist eine Bestätigung: Jemanden
zu finden, einen Gleichgesinnten,
der das Gleiche empfindet, das
Gleiche denkt und diese Vorliebe versteht.
Alltag
So betrachtet, ist es sehr einleuchtend, dass
scheinbare Nonsens-Umfragen viele interessieren.
Zum einen gefällt es dem Großteil der Menschheit
sehr gut, zur Masse zu gehören und sie fühlen
sich darin wohl. Auch die meisten Modetrends
müssen nicht lange andauern, bis sie gefühlt jeder
nachgekauft hat. Nicht selten haben von einer Woche
auf die andere plötzlich alle die Frisur, die vorher
noch total out war. Zum anderen lernen wir von
klein auf, dass (fast immer) die Mehrheit recht hat.
© Pixabay, sipa
Tatsache ist, uns interessieren unsere Mitmenschen,
uns interessieren ihre Angewohnheiten, ihr Privatleben
und ihre tiefsten Geheimnisse. Aber was haben
wir im Nachhinein davon, wenn wir das alles wissen?
Ändern wir deshalb unsere eigenen Gewohnheiten?
Passen sich treue Fans vielleicht sogar ihrem Idol
an und essen – entgegen ihres üblichen Handelns –
plötzlich Nutella-Brot mit Butter? Eher unwahrscheinlich,
denn es liegt in der Natur des Menschen, dass
sie gerne ihren Alltag beibehalten, an den sie gewohnt
sind und den sie für richtig halten. Sehr engagierte
Fans bevorzugen möglicherweise Apple, wenn ihr
Vorbild ein IPhone besitzt, aber Essensgewohnheiten
sind nicht so leicht austauschbar. Wenn jemandem
der Eistee mit Zitrone immer besser geschmeckt
hat als jener mit Pfirsich, dann wird sich das auch
nicht so schnell ändern. Geschmäcker unterscheiden
sich eben. Haben wir also überhaupt irgendetwas davon,
die Gewohnheiten anderer zu kennen? Ja, und
zwar zur eigenen Bestätigung (oder zum Gegenteil
davon). Es fühlt sich gut an, in der Mehrheit zu sein
und so in seinem alltäglichen Tun bestätigt zu werden.
Das fördert den Selbstwert, gemäß dem Motto:
„So viele mögen es, also muss ich ja einen guten
Geschmack haben. Die meisten denken wie ich,
also muss der Gedanke richtig sein.” Im Gegenzug
wissen alle, die sich in der Minderheit befinden, dass
es trotzdem Leute gibt, die es ihnen gleich tun. Und
Verlockend!
Immerhin genießt sie den Vorteil, sich durchzusetzen.
Daher kommt wahrscheinlich das Gefühl von
Bestätigung, das ähnlich wie Gewinn und Triumph
wirkt und deshalb auch das Selbstwertgefühl stärkt.
Das ist also der Grund, wieso so viele Menschen
auf Alltags-Umfragen anspringen und gespannt
auf die Ergebnisse warten – auch wenn diese Fragen
und die Antworten darauf nicht essenziell für
die Entwicklung unserer Gesellschaft sind. Trotzdem
ist es interessant und ab und zu nicht ungut,
etwas Sinnloses, etwas ohne irgendeine Bedeutung
zu tun, etwas, das uns einen Moment lang besser
fühlen lässt. Unser Leben ist gefüllt von schwierigen
Entscheidungen, unzähligen Prüfungen und
schlechten Tagen, da kann etwas Sinnloses als entspannende
Abwechslung sehr gelegen kommen.
Anna Recla und Emilie Sophie Ploner, 4aS
Verlockend!
argus
45
Umfrage an unserer Schule zu
Style
Wie bereitest du deinen Kakao zu?
© Wikipedia
Was gehört zuerst in die Schüssel? Milch oder Müsli?
??
Wo beginnt man, wenn man etwas aufknöpfen will?
Nutellabrot mit Butter?
argus
46
den Fragen, die die Menschheit spalten
Welchen Streamingdienst ziehst du vor?
Alltag
Was trifft für dich beim Zähneputzen zu?
IOS oder Android?
Für alle Twilight-Fans:
Beispiel
Deine Lösung
von Anna Recla und Emilie Sophie Ploner, 4aS
argus
47
Das 30-jährige Jubiläum des wiedervereinigten Deutschlands ist nicht lange her und
die Gerüchte, dass das Land immer noch in den Köpfen seiner Bürger geteilt sei, kommen
immer wieder hoch. War es zu früh für eine Wiedervereinigung? Wurde zu schnell zu
viel verändert?
Gegensätze
Mauer im Kopf
© Emilie Sophie Ploner
Die Flagge Deutschlands
Vor wenig mehr als 30 Jahren war sie noch physisch
tastbar, greifbar, sichtbar: die Grenze zwischen Ostund
Westdeutschland. Damals bestand Deutschland
aus zwei Welten mit zwei Systemen und zwei Namen,
der BRD und der DDR. Eine Geschichte, die
so nahe ist wie kaum eine andere, und die mit Freude,
Zusammenhalt und Einheit endet. Klingt toll, aber
Zweifel kommen auf: Unzählige Artikel weisen an
unterschiedlichen Jahrestagen auf die immer noch
bestehenden Ungleichheiten hin. Die Journalisten
sind nicht die einzigen, die sich die Frage stellen, ob
die Einigung zu rapide über die Bühne gebracht wurde
und ob das unterschiedliche Denken der einzelnen
Bürger mit diesem Tempo nicht mithalten konnte,
sodass Deutschland im Inneren nie wirklich zu einer
Einheit wurde. Ist das Kapitel der Wiedervereinigung
schon abgeschlossen oder ist noch nicht alles so
vollendet, wie es scheint?
Alles auf Anfang
Gehen wir zurück zum Ende des Zweiten Weltkrieges.
Deutschland wurde damals unter den vier Siegermächten
Großbritannien, Frankreich, den USA
und der UdSSR aufgeteilt: Es entstanden vier Besatzungszonen.
Mit der Zeit begann sich der Teil der Sowjetunion
in Bezug auf die Politik und die Wirtschaft
immer mehr von den anderen abzuspalten. Schließlich
kam es zum endgültigen Bruch. Die drei Siegermächte
Großbritannien, Frankreich und die USA
schlossen ihre Teile zusammen und gründeten die
Bundesrepublik Deutschland, die BRD. Die UdSSR
gründete nur kurze Zeit später, am 7. Oktober 1949,
die DDR, die Deutsche Demokratische Republik.
Deutschland war nun geteilt. Doch damit nicht genug:
Im August 1961 wurde, um die Grenze zu festigen
und dem Zerfall der DDR zuvorzukommen, eine
argus
48
Mauer gebaut. Noch kurz zuvor, am 15. Juni 1961,
hatte Walter Ulbricht, der damals bedeutendste Politiker
der DDR, in seinem bekanntesten Zitat „Niemand
hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“ den
Bau einer solchen Mauer abgestritten.
Die Mauer machte die Situation für die DDR nicht
besser. Die Bürger versuchten trotzdem, über Ungarn
oder über die Tschechoslowakei in den Westen zu
fliehen. Was mit kleinen Aufständen begann, ging in
große Demonstrationen über, bis schlussendlich am
9. November 1989 die Grenzen geöffnet wurden. Zuerst
durften nur Einzelne die Grenze passieren, doch
die Menge wurde immer größer, tausende Menschen
warteten und drängten, der Druck wurde schließlich
zu groß für die Wächter und letztendlich wurden die
Grenzen überall geöffnet. Die Freude war groß, die
Menge jubelte und feierte das Ereignis, auf das sie
28 Jahre lange gewartet hatte. In Berlin war die Euphorie
so groß, dass die Leute anfingen, die Mauer
zu durchbrechen und über sie zu klettern. Die Masse
drängte sich auf die Mauer und feierte gemeinsam
die Freiheit. Ein Moment, der für viele wunderbar und
gleichzeitig unglaublich schien. Der erste Schritt auf
dem Weg zur Einheit war getan.
Unruhe vor dem Sturm
Die Mauer ist gefallen, Deutschland ist wieder vereint!
Doch es steht viel Arbeit bevor: Zwei Systeme,
zwei Länder mit diverser Wirtschafts- und Staatsform
müssen vereint werden. Obwohl die Grenzöffnung im
Jahr 1989 nur eine Frage der Zeit gewesen war, traf
der plötzliche Umschwung zwischen Ost und West
die westlichen Staaten, genauso wie die Sowjetunion,
unerwartet. Trotz vieler Protestaktionen hatten
sich viele DDR-Bürger an die Situation im Land gewöhnt
gehabt und die Grenze als normal angesehen.
Die diversen Einstellungen zwischen Ost und West
bildeten ein Problem für die Einigung. Doch nicht nur
das: Es kamen außerdem Zweifel auf, ob eine Einheit
möglicherweise die Situation von 1945 wiederaufflammen
lassen könnte. Auf beiden Seiten war
viel Unsicherheit spürbar. Der überraschende Mauerfall
machte die Bevölkerung erstmal ratlos.
Ein unvergleichbarer Sprint
ten „Wir sind ein Volk“
und „Deutschland! Deutschland!“
nach der endgültigen Wiedervereinigung
Deutschlands, welche
zunehmend thematisiert wurde
und an Bedeutung gewann.
© Pixabay, sa_Im
Deutschland
Grenzen aus Draht trennten die Nation
Ende November 1989 stellte der deutsche Bundeskanzler
Helmuth Kohl schließlich ein Zehn-Punk-
Fakt
te-Programm für die Gründung eines gemeinsamen
Staates vor. In Ostdeutschland wurde heftig diskutiert,
wie sich die Umgestaltung ereignen sollte. Das
Resultat dieser Besprechungen waren unter anderem
die Auflösung der Stasi (Staatsicherheit) und die
Festlegung der ersten freien Volkskammerwahl, welche
im März 1990 stattfand.
Dies war ein wichtiger Schritt, der dazu führte, dass
das Verfahren der Wiedervereinigung deutlich in
Fahrt kam. Denn die Gewählten befürworteten ein
geeintes Deutschland. Von diesem Moment an war
es ein unvergleichbarer Sprint zur Einheit. Am 1. Juli
1990 wurde die Währung Westdeutschlands, die D-
Mark, genauso wie dessen Wirtschaftsform, in Ostdeutschland
übernommen.
Am 12. September 1990, 10 Monate nach dem Mauerfall,
wurde der Zwei-Plus-Vier-Vertrag in Moskau
unterzeichnet. Er beinhaltet die abschließende Regelung
der staatlichen Einheit Deutschlands und wurde
gemeinsam mit den vier Siegermächten vereinbart.
Am 3. Oktober 1990 trat dieser Regelungsvertrag in
Kraft. Bis heute wird an diesem Datum der Tag der
Deutschen Einheit gefeiert. Der Beitritt der DDR in
die Bundesrepublik war in nur 329 Tagen vollzogen
worden.
Trotz anfänglicher Ungewissheit wurde schnell klar,
dass es schier unmöglich war, das Rad der Zeit zurückzudrehen
und die Mauer wieder zu schließen.
Mittlerweile forderten Demonstranten mit dem Worargus
49
Gegensätze
Immerwährende Ä Kritik
Weniger als ein Jahr hatte es gedauert, bis es
zu einer finalen Wiedervereinigung gekommen war.
Der sehnlichste Wunsch vieler hatte sich so schnell
wie möglich erfüllt. Doch genau dieses Tempo wird
bis heute kritisiert. Haben die meisten, trotz des Verlangens
nach Vereinigung, nicht oder vor allem nicht
so rasch damit gerechnet? Unterschiedliches Gedankengut,
ungerechte Verteilung der Löhne und
schwankende Bevölkerungsdichte werden als Problem
und als noch vorhandene Grenze zwischen
Ost und West gesehen. Doch entsprechen diese Behauptungen
überhaupt der Wahrheit?
Das sagen die Fakten
Auf der Suche nach diversen Statistiken, die die Situation
von 1990 mit heute vergleichen, lässt sich
beobachten, dass einige Unterschiede, die es schon
damals gab, nach wie vor vorhanden sind: Löhne fallen
in Ostdeutschland immer noch eindeutig niedriger
aus als im Westen, der Anteil der Migranten in
der ostdeutschen Bevölkerung ist immer noch gering.
Doch das Wesentliche, das sich aus den Statistiken
herauslesen lässt, ist die Verbesserung in vielerlei
Hinsicht: Wirtschaftlich hat der Osten deutlich
zugelegt, auch das Bevölkerungs-Defizit, das nach
der Vereinigung stark ausgeprägt war, hat sich mit
der Zeit etwas gelegt.
Doch nicht nur der Osten hat sich an den Westen
angepasst, auch umgekehrt. Vor allem in Bezug
auf Toleranz gegenüber Frauen und der Gleichheit
zwischen Frauen und Männern konnten die Westdeutschen
etwas von den Ostdeutschen dazulernen.
So hat sich zum Beispiel der Verdienstunterschied
zwischen Frauen und Männern in den letzten Jahren
in Westdeutschland um einiges verkleinert. Auch
im Hinblick auf das im Westen bevorzugte Modell
der „Alleinernährer“, bei dem Haushalt und Kindererziehung
von Frauen erledigt werden, ließ sich der
Westen auf das östliche Modell ein. Dort wird die
Erziehung nämlich partnerschaftlich übernommen,
dadurch sind Frauen häufig berufstätig. Selbstverständlich
sind Ost und West in bestimmter Hinsicht
immer noch unterschiedlich, aber die Statistiken der
letzten Jahre zeigen eine eindeutige Annäherung
und Anpassung von beiden Seiten.
Meinungsunterschiede?
Das Aufholen der Rückstände und das Näherkommen
in Bezug auf gewisse Unstimmigkeiten sind also
im Gange und werden sich allmählich einpendeln.
Doch wie empfinden die Deutschen die Situation in
Bezug auf Ost und West? Sind sie sich einig?
Laut einer Umfrage der Bundesregierung fühlen sich
Ost- und Westdeutsche zwar mehrheitlich als Deutsche,
jedoch scheinen sich Ostdeutsche noch nicht
ganz in das geeinte Deutschland eingelebt zu haben.
36 Prozent von ihnen fühlen sich noch als „Ostdeutsche“
(während sich in Westdeutschland nur 20
Prozent als „Westdeutsche“ bezeichnen). Außerdem
finden 62 Prozent der Ostdeutschen, dass die niedrigeren
Löhne das größte Übel seien. Westdeutsche
hingegen sehen das etwas anders: Nur etwa 32 Prozent
teilen diese Meinung. Allerdings sind sich Ostund
Westdeutsche in einem Punkt einig: Die Wiedervereinigung
sei gelungen, so 9 von 10 Deutsche.
© Pixabay, betexion
Des Weiteren hat sich die Arbeitslosenquote in den
Neuen Ländern, wie der Osten heute genannt wird,
leicht verbessert und nähert sich langsam der Diagramm-Kurve
des Westens an.
Der Drang nach Freiheit
argus
50
Deutschland
Deutschland
©Emilie Sophie Ploner
Das Brandenburger Tor in Berlin: Symbol der Einheit
Alles gut?
Tatsächlich sind es nicht etwa wirtschaftliche Faktoren
oder unterschiedliche Meinungen bezüglich der
Wiedervereinigung, die Kritiker stutzen lassen. Störend
sind in ihren Augen vor allem Vorurteile gegenüber
der anderen Seite, die noch immer bestehen.
Vor allem Klischees über Ostdeutsche sind weit verbreitet.
Sie waren damals, im Jahr 1990, die neuen
und ungewöhnlichen Einwanderer, die traditionell kritisch
beäugt werden.
Noch heute werden Ostdeutsche, vielleicht auch unbewusst,
mitunter abschätzend betrachtet und als
Ärmere und Jammerer, ja manchmal sogar als Nazis,
gesehen. Die Wochenzeitung „DIE ZEIT“ interviewte
im Oktober 2020 einen Jugendlichen aus Westdeutschland,
welcher erzählte, dass „aus seiner Sicht
ignorant über den Osten hinweggegangen wird“. Er
nennt dabei ein Beispiel, in dem einer seiner Verwandten
in einem Restaurant in Ostdeutschland die
Kellnerin auf das ungenießbare Essen hinwies. Als
diese darauf „Das kann nicht sein“ antwortete, behauptete
der westdeutsche Verwandte: „Jaja, dieses
Verleugnen, dieses ‚Das kann nicht sein‘, das kennt
man ja aus der DDR.“
Harte, direkte Worte, die uns zeigen, wie präsent die
Vorurteile noch immer sind. Es wäre naiv zu denken,
dieser Fall sei ein Einzelfall. Viele Vorurteile wurden
von Eltern an ihren Nachwuchs weitergegeben und
wurden daher im Kindesalter verankert. So existieren
sie im Unterbewusstsein vieler Deutscher weiter.
Geeint - auch in den Köpfen Ö
Trotz allem gibt es Hoffnung. Kinder und Jugendliche
von heute haben die Geschichte nicht so erlebt wie
ihre Eltern und Großeltern. Für sie gibt es nicht mehr
Ost und West, Grenzen und Ungleichheiten. Sie kennen
nur ein geeintes Deutschland, ein Land mit Zusammenhalt.
Wenn sich die Wirtschaft also weiterhin
angleicht und die Jugendlichen die Stereotype, die
ihre Eltern noch haben, hinterfragen und stattdessen
mit geeinten Gedanken weitergehen, kann es nicht
mehr allzu lang dauern, bis Deutschland rundum vereint
ist.
Das Ereignis der Wiedervereinigung
sollte jedoch immer im Bewusstsein
verankert bleiben und
nicht verdrängt werden, da
Verdrängung keine Probleme
löst und keine Ungereimtheiten
eint, sondern
sie nur auf einen
späteren Zeitpunkt aufschiebt.
Emilie S. Ploner, 4aS
Schau genau!
Statistik 30 Jahre
Deutsche Einheit:
www.destatis.de/DE/Themen/
Querschnitt/Deutsche-Einheit/
Downloads/dossier-30-jahre-deutsche-einheit.pdf?__
blob=publicationFile
argus
51
Gegensätze
Saubere Länder, vermüllte Meere
Die Verschmutzung der Meere ist ein großes Thema, das mir fast ständig im Kopf herumspukt.
Man könnte mich schon fast getrost eine Ökotante oder einen Umweltfreak
nennen. Warum gelangt der größte Teil des Mülls, den wir produzieren, am Ende im Wasser?
Wenn man überlegt, warum immer mehr Müll in die
Meere gelangt, hilft ein Vergleich: Es ist wie beim
Fleischkonsum. Man sieht die (meist zusammengepferchten)
Tiere nicht vor seinen Augen und isst
sorglos ihr Fleisch, indem man solche „schlimmen“
Gedanken gerne auszublenden versucht. Dasselbe
Prinzip gilt für Müll und Plastik: Sieht man den Müll
nicht, denkt man auch weniger an ihn und ignoriert
ihn geflissentlich, denn er ist ja kein Teil des persönlichen
Lebens. Man „muss sich ja nicht darum kümmern“,
das schwirrt einem vielleicht unterbewusst im
Kopf herum. So beschweren sich die Leute weniger
über den Müll und das Gift an Land und das Problem
ist „aus dem Weg geschafft“.
Und: Es ist schwerer, geheime, illegale Ablagestellen
für Erdöl, Gifte und Müll im Meer ausfindig zu
machen als an Land. Im Meer kann man Müll & Co.
theoretisch überall entsorgen. Kein Mensch kann
heimlich zusehen und das Verbrechen melden. Es
gibt auf der Erde außerdem viel mehr Fläche, die mit
Wasser bedeckt ist als mit Land – folglich sind die
Gewässer den Menschen viel unbekannter und es ist
schwieriger, Reisen von illegalen Müllschiffen nachzuvollziehen.
Lange Rede, kurzer Sinn: Das Verhältnis von Müll auf
dem Land zu Müll im Meer beträgt ungefähr 1:100!
Ein Grund für diesen Unterschied besteht darin, dass
Müll aus Europa gern in andere Länder geschickt
wird, sodass wir ihn los sind: Dort ist er aber immer
noch da und landet oft im Meer anstatt in Recyclinganlagen
– denn die sind seltener, als man meinen
möchte. Die Zahlen des Mülls, der jährlich ins Meer
gekippt wird, steigen rasant: Vor drei Jahrzehnten
waren es 4,8 Millionen Tonnen, heute sind es schon
12,7 Millionen Tonnen. Das ist jede Minute ein ganzer
Lastwagen!
Du kaufst die Erdbeeren in Plastik – naja, du isst sie
so gerne. Plastik. Im Chemie-Unterricht muss man
sich die Hände vor ätzenden Chemikalien schützen
– Plastikhandschuhe sind die einzige Option, hmm.
Plastik. Doch nicht nur der Endverbraucher und dessen
persönlicher Müll, sondern auch die Hersteller
spielen eine zentrale Rolle bei der Vermüllung unseres
Planeten: Viele Sachen werden unnötigerweise
zig Mal eingepackt. Gerade für Transporte per Schiff
oder Flugzeug werden viele Sachen in noch mehr
Plastik eingepackt. Plastik, Plastik, Plastik. Müll, der
wegwerfen wird. Einfall: Die Altkleidung, die sonst
nicht mehr verwertet werden kann, könnte als Polsterung
gebraucht werden, um die Sachen einzupacken.
Man muss sie nicht einmal herstellen, es gibt
sie ja zuhauf.
Neben dem Müll gehört auch der Fleischkonsum zu
den Ursachen der zunehmenden Wasserverschmut-
© Pixabay, sergeitokmakov
Selbst die schönsten Paradiese werden nicht verschont
argus
52
„
Wenn die Meere
sterben, sterben
wir.
„
Paul Watson
neingeschüttetes Erdöl und Pestizide aber sterben
sie ab. Erdöl verklebt den Möwen die Flügel, sodass
sie nicht mehr fliegen können. Fische fressen Mikroplastik
(denn das Plastik zersetzt sich im Meer), dann
essen wir diese Fische und das Mikroplastik ist in
uns, es machen sich Begleiterscheinungen bemerkbar.
Delfine und Robben sterben in weggeworfenen
Fischernetzen, Wale durch zu viel Plastik im Bauch.
Vögel ersticken am Müll. Schildkröten verwechseln
durchsichtige Plastiktüten mit Quallen, denken, es
sei Futter und sterben, weil sie sich durch Plastik im
Magen gesättigt fühlen. Die Artenvielfalt wird extrem
eingeschränkt. Der meiste Müll, der nicht in Tieren
landet, sammelt sich am Meeresboden an, das heißt,
© Unsplash, martijnbaudoin
Umwelt
Aus der Sicht eines Fisches
zung. 90 Prozent der weltweiten Ackerflächen werden
für die Viehfutter-Herstellung verwendet. Dazu
zählen vor allem Mais und Soja für Rinder und
Schweine. Diese Ackerfelder werden in der Regel mit
viel Gülle und vielen Pestiziden (gegen Insektenfeinde)
bespritzt. Der Regen spült die Pestizide in das
Grundwasser, das gelangt in der Folge in die Flüsse
und schließlich ins Meer. Riesige Todeszonen können
dadurch entstehen. Es gibt gewaltige Gebiete in
den Ozeanen, wo kein Sauerstoff mehr im Wasser
und dadurch auch kein Leben möglich ist. Beispiel
Ostsee: In den oberen Bereichen ist noch Leben zu
finden. Aber wenn man tiefer geht, ist fast alles tot –
durch Ammoniak- und Nitritverseuchung.
Bei den Futtermassen, die angebaut werden, kommt
nur sehr wenig Menschennahrung (Fleisch) heraus.
Für 1 Kilogramm Rindfleisch werden beispielsweise
15.000 Liter Wasser verbraucht. Ressourcenverschwendung
ist das einzige Wort, das zu diesem
Geschehen noch passt. Äßen wir Menschen mehr
dieser angebauten Pflanzen und verfütterten wir
sie weniger an die Tiere, bräuchten wir viel weniger
Ackerfläche und weniger Menschen auf der Erde
müssten Hunger leiden.
Wir brauchen das Meer und machen es gleichzeitig
gefährlich: 70 Prozent des Sauerstoffs auf der Erde
werden von den Algen im Meer produziert. Durch hidas,
was wir als Müllteppiche kennen, ist nur die kleine
Spitze des Plastik-Eisbergs an Abfällen im Meer.
Geschätzt liegen 80 Millionen Tonnen Müll auf dem
Meeresboden. Das Blöde: Man kann ihn von dort nur
sehr schwer wieder herausholen.
Obwohl man an dieser Stelle also nicht sehr viel
unternehmen kann, kann man doch viele andere
Sachen tun: Man sollte Müll meiden und Abfälle einsammeln
(es gibt sogar einen Sport, der Müllsammeln
und Jogging kombiniert). Man kann „Upcycling“
betreiben, also Dingen eine neue Verwendung geben.
Regierung, Unternehmen und Konsumenten:
Alle müssen mitmachen und zusammenarbeiten.
Das heißt jetzt nicht, dass alle nur mehr Fairtradeund
Öko-Klamotten kaufen sollen (wenn, dann ist es
natürlich besser), sondern dass man die Sachen, die
man ohnehin schon besitzt, oft tragen und nicht sofort
gegen neue „fast fashion“ eintauschen soll. Das
nur als Tipp. Alternativen in anderen Bereichen: ein
Rasierhobel statt Einwegrasierer (ist auch weniger
kostspielig), Menstruationstasse statt Binden, typischer
„Jutebeutel“ statt Plastiksackerl – alles keine
großen Einschränkungen, aber sie helfen mehr, als
man denkt! Wer noch mehr Einsatz zeigen möchte,
dem kann ich Organisationen wie „Ocean Care“ oder
„Ocean Knights“ empfehlen. Leute, die denken, den
Klimawandel gäbe es nicht, kann man entgegnen:
Das Plastik sieht man und fühlt man. Es verpestet
den Planeten und seine Gewässer, ohne welche wir
nicht überleben könnten. Die Devise lautet also: Sorgen
wir vor, bevor es keine Tiere im Meer mehr gibt.
Barbara Kofler, 3bR
argus
53
Gegensätze
Made in Italy: 100% Müll
Doris Raffeiner arbeitet mit dem Müll, den andere wegwerfen: Im Upcycling-Laden „WiaNui“ verkauft sie
Lampenschirme, Taschen und Schmuck und gibt Frauen in Not und Geflüchteten eine Arbeit
Zwischen den Taschen und den Kleidern sitzt die 53-jährige
Doris Raffeiner und erzählt von ihrer Kindheit. Von ihrer
Oma hat sie jedes Jahr zu Weihnachten für ihren Bären
„a selbogemochts Kleidl odo a Gewandl krieg“. Die Kleider
habe die Schneiderin aus Stoffresten genäht. Raffeiners
dunkle Augen strahlen bei der Erinnerung, ihre Hände
sind ständig in Bewegung, die Beine elegant überkreuzt.
Die heimelige Atmosphäre des Geschäfts wird von ruhiger
Jazzmusik unterstrichen. Die Musik ertönt aus einem
kleinen Radio im hinteren Bereich des länglichen Ladens.
So wie ihre Großmutter verwendet auch Doris Raffeiner
alte Materialien. Sie macht mit ihren Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern Neues daraus. Mit ihrem Upcycling-
Laden „WiaNui“ – „Wie neu” im Südtiroler Dialekt – war
sie eine der Ersten in Südtirol, die gebrauchte Materialien
wiederverwendete und weiterverkaufte.
Hinter dem Konzept des Upcyclings steckt eine einfache
Idee: Aus Alt mach Neu. Aus scheinbar Wertlosem entstehen
so Lieblingsstücke, denen ein neues zweites Leben
geschenkt wurde. Ein altes Sakko wird in eine Tasche verwandelt,
eine Werbeplane in einen Liegestuhl, Altpapier
in einen Engel. Das Ziel ist, Müll zu reduzieren und bereits
vorhandene Rohstoffe zu verwenden. Im Jahr 2019 wurden
in Südtirol pro Kopf 421 Kilogramm Müll produziert,
unter anderem mit Restmüll, Papier, Glas, Kunststoffen.
2015 eröffnete Doris Raffeiner mit zwei Mitgründerinnen
den Laden in der Brixner Stadelgasse, neben dem Bio- und
Weltladen. Die Eröffnung war eine Reaktion auf die Ausstellung
„reuse-design“ in Brixen 2012, bei der Künstler
aus der ganzen Welt ihre upgecycelten Werke ausstellten.
Weil die Kunstausstellung trotz der großen Begeisterung
vonseiten der Bürgerinnen und Bürger nur temporär war,
wollten Doris Raffeiner und ihre Freundinnen etwas Bleibendes
schaffen.
Als junge Kunstgeschichtestudentin schon durchstöberte
Doris Raffeiner Flohmärkte. Das Alte habe sein Leben gelebt
und erzähle eine Geschichte, sagt sie. Es müsse nicht
immer alles zwingend neu sein, davon ist die umweltbewusste
Eisacktalerin überzeugt. Auf Flugreisen und lange
Autofahrten verzichten sie und ihre Familie. Doris fährt
jeden Tag mit einem olivgrünen Rad zum Laden, auf dem
Gepäckträger klemmt eine handgemachte WiaNui-Fahrradtasche.
Eingekauft wird im Haushalt der sechsköpfigen
Familie weitgehend plastikfrei und regional. Teil der Familie
war für viele Jahre auch ein rumänisches Waisenkind,
das über eine Hilfsorganisation nach Südtirol kam.
Das soziale Engagement spiegelt sich auch im „WiaNui“
wider, organisiert als Sozialgenossenschaft. Diese wirtschaftliche
Form gibt besonders Schwächeren die Chance,
Arbeitserfahrung zu sammeln. WiaNui ist bisher der
einzige Upcycling-Laden mit diesem Konzept in Südtirol.
Die Sozialgenossenschaft arbeitet mit mehreren sozialen
Einrichtungen zusammen. Die Praktikantinnen und
Praktikanten leben im Brixner Frauenhaus, im Südtiroler
Kinderdorf oder in der „Schenoni“-Kaserne, einer Einrichtung
für Asylbewerber. Ausgestellt und verkauft werden
auch Arbeiten aus geschützten Werkstätten und von
Künstlern aus Südtirol. „Frau Doris behandelt uns nicht
wie Angestellte, sondern wie Familienmitglieder“, sagt
© Veronika Erlacher
© Pixabay, sergeitokmakov
Doris Raffeiner
argus
54
Mit ihrer Reportage „Made
in Italy: 100% Müll“ haben
Veronika Erlacher und
Christine Unterhofer aus
der Klasse 4aR am Gabriel-
Grüner-Schülerwettbewerb
teilgenommen. Ihr Beitrag
nun auch in unserem Heft!
Suzanna*, eine Praktikantin
aus Tschechien, die im
Frauenhaus lebt. Suzanna
näht währenddessen
konzentriert aus schwarzem
Stoff Masken und
erklärt eifrig jeden Arbeitsschritt.
Die hellblaue
Schildkappe hat sie tief ins
Gesicht gezogen, um ihr Gesicht
zu verdecken.
Durch die geregelten Arbeitszeiten
von 9 bis 12 Uhr morgens an fünf Tagen die
Woche haben die Praktikantinnen und Praktikanten einen
geregelten Tagesablauf. Während des zwei bis vier Monate
langen Praktikums erhalten sie 400 Euro pro 300 Stunden
vom Land. Es mag wenig sein, es hilft aber trotzdem.
Suzanna sucht Arbeit und eine eigene Wohnung, bei Wia-
Nui kann sie zumindest schon mal ein Taschengeld verdienen
und ihrem Hobby nachgehen: dem Nähen. Das hat
sie sich mithilfe von YouTube-Videos selbst beigebracht.
Doris Raffeiner verdient kein Geld an der Sozialgenossenschaft.
Sie arbeitet ehrenamtlich und ist inzwischen alleinige
Inhaberin. Die Einnahmen vom Verkauf decken die
Fixkosten. Was übrig bleibt, gehört der Genossenschaft.
Mietbeihilfe bekomme man die ersten drei Jahre, danach
sei Schluss, sagt Doris bitter. Drei freiwillige Mitarbeiterinnen
unterstützen sie beim Verkauf, die Verwaltungsarbeit
erledigt sie selbst. Der Hauptverdiener der sechsköpfigen
Familie ist ihr Mann.
Um das Upcycling auch der jüngeren Generation näherzubringen,
werden Schulworkshops und im Sommer ein
dreiwöchiger Workshop „Müllzauberatelier“ für Kinder
angeboten. Die Zusammenarbeit mit Kindern ist Doris
Raffeiner wichtig. Es geht darum, die Kreativität und das
eigenständige Arbeiten zu fördern. Die Kinder sollen erkennen,
dass Selbstgebasteltes eine ganz besondere Bedeutung
hat.
Drei Tage vor Heiligabend ist das Geschäft festlich geschmückt.
Lichterketten werfen ein weiches Licht auf
Stoffsäckchen für Weinflaschen, Papierengel und Kerzen.
Die Eingangstür öffnet sich, kalte Luft strömt in den Laden.
Doris empfängt eine Kundin so herzlich wie eine alte
Freundin. Leidenschaftlich erläutert sie das Konzept des
Stores. Sie kennt von jedem Einzelstück die Geschichte
der Herstellung, die verwendeten Materialien.
Eine Theke mit glänzenden Kettchen, Ohrringen und Ringen
aus recyceltem Aluminium steht an der Wand. Gegenüber
eine Kleiderstange mit bunten Blusen, Lederröcken
und eleganten Hosen. Sie wurden in der Nähe von
Verona aus Stoffresten von Luxusmarken von der Sozialgenossenschaft
„Progetto Quid“ gefertigt. In liebevoller
Detailarbeit werden dort die Einzelstücke vor allem von
Frauen in schwierigen Lebenssituationen zusammengenäht.
Lessina Jiane, gelernter Schneider aus Mali, hat das
Praktikum bei WiaNui schon vor
längerer Zeit abgeschlossen und arbeitet
immer noch mit Doris Raffeiner zusammen.
Sie hatte ihn und sein Talent bei einer Lebensmittelspende
in der Schenoni-Kaserne entdeckt.
Der 39-Jährige näht Taschen für Fahrräder oder zum
Umhängen, Griffelschachteln und Einlagen für Liegestühle
aus Werbeplanen. Bezahlt wird er für seine Arbeit
durch einen Projektvertrag, der bei jeder Bestellung gemacht
wird. Eine feste Anstellung wäre zu teuer. Im Herbst
arbeitet er zusätzlich als Apfelpflücker. Die Passion zum
Nähen kann der Schneider nur bei WiaNui ausleben. Jede
seiner Taschen ist ein Unikat in Größe, Farbe und Muster.
Konsum
Die Werbeplanen werden vom Stadtmarketing oder von
Veranstaltern abgegeben, andere Materialien und Stoffe
auch von Privatpersonen, die sie nicht mehr brauchen.
Jemand habe einmal eine Schachtel voll mit Seidenkrawatten
gebracht. Daraus entstanden Krawattentaschen:
praktische Umhängetaschen mit aufgenähten Krawatten.
„Ach, willsch des schun mochn?“, so zitiert Doris ihre
Zweifler von vor fünf Jahren. Jetzt kann sie darüber lachen.
Mittlerweile kommen Kunden aus allen Alters- und
Interessensgruppen im Laden vorbei. Vor allem Touristen
aber fehlen in letzter Zeit, die Corona-Krise traf auch Wia-
Nui hart. Es wurde eine Zeit lang nichts produziert und
verkauft, die Fixkosten Strom und Miete mussten trotzdem
bezahlt werden. Im Laufe der Jahre hat sich WiaNui
eine Stammkundschaft im In- und Ausland aufgebaut.
Aufgrund dieser konnten sie bis jetzt immer kostendeckend
arbeiten. Seit Kurzem können auch einzelne Produkte
im neu eingerichteten Onlineshop bestellt werden.
Das Angebot von WiaNui passt sich immer den Fähigkeiten
und Ideen der Praktikantinnen und Praktikanten an.
Faith, 25 aus Nigeria, kann nicht nähen. In ihrer Heimat
musste sie ihr Studium abbrechen. Sie kam als Flüchtling
nach Italien und bastelt nun Weihnachtsengel aus Papier.
Vor dem ersten Lockdown im März 2020 konnte sie als
Friseurgehilfin in Bozen arbeiten. Nun lebt sie in Brixen
im Kinderdorf Südtirol. Während sie das Papier faltet und
klebt, ist die wortkarge Frau auf ihr Smartphone konzentriert.
Sie lacht. Ihr Lächeln richtet sich aber nicht auf uns,
sondern auf ihre Familie, mit der sie per Facetime redet.
Ihre zwei Kinder sind in Südtirol, der Rest der Familie in
Nigeria. Von der ruhigen Jazzmusik im Laden bekommt sie
wenig mit.
Zufrieden lehnt sich Doris auf dem geblümten Sofa zurück
und betrachtet stolz ihren Laden. Ihr ebenfalls geblümtes
Kleid hebt sich vom Sofabezug kaum ab. Mit ihren rot lackierten
Fingern nimmt sie die durch die Maske beschlagene
Brille ab: „Jedn Tog, wenn i do einer gea, bin i glücklich.“
* Name von der Redaktion geändert
Veronika Erlacher und Christine Unterhofer, 4aR
argus
55
Auch wenn es schwer vorstellbar ist: Selbst Lehrer waren einmal Schüler und haben
sich durch die Schulzeit gekämpft. Wie es ausgesehen hat, als die Großen noch klein
waren, zeigen wir euch hier. Versucht zu erraten, welche Lehrperson aus unserer Schule
sich hinter welchem Bild versteckt!
Cusanus-Gymnasium
Kinder, wie die Zeit vergeht
Hatte dieses Mädchen schon
immer vor, Chemie- und Naturkundelehrerin
zu werden? Wir
wissen es nicht. Jedenfalls hat
sie wohl schon in jungen Jahren
fleißig gelernt und dabei ein munteres
Lächeln auf den Lippen gehabt.
Dieses ist jedenfalls nicht
verschwunden und so steckt sie
auch noch heute mit Freude und
Begeisterung für Chemie und Naturwissenschaften
ihre Schüler
an.
Heutzutage trifft man diese Lehrperson
im Grunde immer nur gut
gelaunt an. Aber wenn man unvorbereitet
zum Opfer ihrer Fragerunden
wird, dann möchte man fast
mit ihr als Kind auf diesem Kinderfoto
weinen. Keep calm, drink tea
and keep on studying!
Bis heute hat diese „professoressa“
ihr Lächeln und ihr Modebewusstsein
beibehalten. Ob
sie wohl damals schon so eine
„grande passione“ für Bücher und
Filme zeigte? Heute jedenfalls
kann sie den Schülern ihre große
Begeisterung dafür vermitteln.
Die Auflösung, wer hinter welchem
Bild steckt, findet ihr auf
unserer Homepage.
Fotos: © privat
Auch damals sah dieser Lehrer rockig
aus, mit seiner – wie wir heute sagen
würden – Bandana um den Hals. Ob
er auch damals an Fotografie interessiert
war?
Er schaut jedenfalls so interessiert in
die Linse, wie er heute den Schülern
das richtige Filmen beibringt.
argus
56
Nachgeschaut
Dieser „professore“ ist auch heute noch so freundlich und pfiffig
wie er auf dem Foto von damals wirkt. Neben seiner Muttersprache
Italienisch spricht er auch noch Deutsch, Spanisch
und Englisch.
Auf diesem Bild ist diese Lehrperson
ausnahmsweise einmal nicht in Bewegung
– das würde ihr so bei ihren
Schülern gar nicht gefallen. Ganz brav
lächelt sie mit ihren beiden Zöpfchen
in die Kamera. Beim Volleyballspielen
hingegen ist sie raffiniert und unberechenbar.
Den Glanz in den Augen und das
breite Lächeln hat diese Lehrperson
über all die Jahre bewahrt.
Ein exzellenter Modegeschmack
und scheinbar unendliches Wissen
über Tempel und antike Kunst sind
dazugekommen.
Seit diesem Kinderfoto ist
dieser Lehrer richtig in die
Höhe geschossen. Heute
könnte er genau erklären, was
beim Wachstumsvorgang biologisch
so alles vor sich geht.
Alles, was Biologie anbelangt,
interessiert ihn nämlich sehr,
anders als die „neue“ Rechtschreibung:
Mit ihr steht er
noch immer auf Kriegsfuß.
57
Cusanus-Gymnasium
Wir zitieren
Maria Neuhausers liebster Gruß beim Betreten der
Klasse: „We need some air!“
Gisela Nocker:
„Klammer zu … und
jetzt machen wir
Latein!“
Schülerin soll geprüft werden, hat
aber Kopfschmerzen.
Wolfgang Griessmair: „Dann werde
ich dich nicht prüfen, weil du heute
ja ein bisschen beschädigt bist.“
Reihum treten Schüler während der Stunde aus.
Peter Gasser: „Habt ihr draußen Zitat eine Schnapsflasche stehen?“
Auch Maria Fenti wundert sich über die „Wallfahrt zum Klo“.
Claudia Ferrari
tadelt zart:
„Du Schlingele!“
Nicht in die Leihbücher
schreiben, oder wie
Maria Neuhauser sagt:
„On a post-it, please!“
argus
58
Federn der Schule
Neben den Redaktionsmitgliedern
des ARGUS
haben auch andere Schüler
im Laufe der vergangenen
Monate Gedanken
und Gefühle zu Papier gebracht.
Ausgewählte Stücke
„Aus den Federn der
Schule“.
Nächster Halt: der rechte
Weg
„Wie kann ich glücklich sein“ – eine Frage beantwortet
mit dem Faust
Es irrt der Mensch, solang er strebt.
Wir Menschen wissen nicht, warum wir unser, vielleicht
unbedeutendes, Leben führen. Schon von Beginn an
hinterfragen wir unsere Existenz und suchen nach dem
Grund unseres Seins. Sollten wir große Werke vollbringen
oder unser Leben einem höhergestellten Wesen widmen,
um unserem Leben einen Sinn zu geben? Wir wissen es
einfach nicht. Aber eines weiß der Mensch ganz genau:
Man will glücklich sein, koste es, was es wolle. Aber geht
das denn so einfach?
Dr. Heinrich Faust ist wohl eine der berühmtesten Figuren
der deutschen Literatur. Wir lernen ihn als gelehrten
und überaus intelligenten Mann kennen. Er hätte alle
Fähigkeiten, ein reicher und glücklicher Mensch zu
sein, doch trotz seines immensen Wissens verfällt er in
eine Depression. So spiegelt Faust in diesem Gefühl der
Lebensmüdigkeit die westliche Gesellschaft wider. Der
Bildungsstandard ist dort höher als jemals zuvor.
Nur unglücklicherweise wächst, wie wenn man Blumen
düngt, die Depressionsrate wie Unkraut mit. Aber wie
kann es sein, dass intelligentere Menschen eher dazu
tendieren, traurig zu sein? Das liegt wahrscheinlich daran,
dass, je mehr man weiß, man auch öfters über sich selbst
nachdenkt und man dadurch auch unzufriedener mit sich
selbst ist. Diese Unzufriedenheit kann in extremen Fällen
sogar zum Selbstmord führen. Auch Goethes Faust fühlt
sich so verloren in dieser Welt, dass er versucht,
mittels Gift aus diesem Leben zu scheiden. Der
Becher berührt schon seine Lippen, als die Osterglocken
erklingen und diese dadurch Faust einen neuen Ansporn
für sein Leben geben. So wird Faust von etwas gerettet,
was in unserer Zeit immer mehr Follower verliert: der
Religion. Dadurch, dass sich immer mehr Menschen
von der Religion lossagen und ohne allmächtigen Hirten
durch die Welt gehen, hat man nicht mehr das Gefühl,
zum großen Ganzen zu gehören. Denn wenn man an Gott
und somit auch an seinen göttlichen Plan glaubt, kann
man unbeschwerter durchs Leben gehen, da man sich
im Notfall immer wieder auf den bärtigen Riesen berufen
kann.
Aber nicht nur Religion kann Glücksgefühle auslösen.
Spiel, Spaß und Alkohol tun auch ihren Zweck. So versucht
Mephisto zunächst mit Faust atemlos durch die Stadt zu
ziehen, bis ein neuer Tag erwacht. Doch auch wenn sich
Faust für eine kurze Zeit amüsiert, scheitert der Höllenfürst
in seinem Vorhaben. Nicht mal der Blocksberg mit seinen
lasziven Verführungen kann da Abhilfe schaffen. Sex sells?
Nicht bei Faust. Denn damals wie heute kann man als
Mensch nicht von Glücksspiel, körperlicher Befriedigung
und Alkoholkonsum glücklich werden. Das mag zwar
für kurze Zeit so wirken, doch sobald die Endorphine
nachlassen, fühlt man sich schlechter als zuvor.
Mephistopheles spielt jedoch den Joker aus: Er will Faust
durch Liebe ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Und so gerät
Gretchen ins Fadenkreuz. Die unschuldige Margarethe
wird von Luzifer instrumentalisiert, um Faust glücklich zu
machen. Doch was Mephisto nicht bedacht hat, ist, dass
ein Verzweifelter, nach Glück Suchender, wie Faust einer
ist, seine innere Leere nicht mit Liebe und Zuneigung
stopfen kann, sondern diese, ähnlich wie beim Alkohol,
nur als Rausch erlebt. Doch im Unterschied zu Drogen, bei
denen man immer größere Dosen nehmen kann, bleibt
die Menge an Liebe, welche man von außen bekommt,
irgendwann gleich. Was zur Folge hat, dass ein Süchtiger
daran das Interesse verliert.
So muss ein nach Glück Suchender erst mit sich selbst im
Reinen sein, um das wahre Glück zu erleben. Ansonsten
stürzt er nicht nur sich selbst, sondern alle, mit denen
er verkehrt, ins Unheil. Nur wer gerne er/sie selbst ist,
kann glücklich sein. Erst dann kann man zum Augenblicke
sagen: Verweile doch! Du bist so schön.
Lukas Mayr, 4bS, Schuljahr 2019/2020
argus
59
Cusanus-Gymnasium
waer ich doch ein baum
tief verwurzelt im boden
zur freude der kinder
die an meinen wurzeln
höhlen bauen
waer ich doch ein vogel
ein bunter
im geaest des baumes
mein nest bauend
alles waer ich gern
nur kein mensch
waer ich nur ein baer im eis
waer ich nur ein schmetterling
waer ich nur eine biene im gifttod
waer ich nur
ein berg
alles
nur kein mensch
wenn ich ein wind waer
ein feiner leichter rauschender
kaem ich zu euch
& saeuselte euch ins ohr
den schrei der welt
auf dass ihr aufwacht
& sie schreien hört
Norbert C. Kaser
Alexander Kronbichler, 4aR, 2020/2021
© Richard Kammerer
ich duenge & bewaessere
das beet
mit viel geduld
mit ausdauernder sorgfalt
mit aufmerksamkeit
verfolge ich
mein gedeihen
ich zupfe
ewig wucherndes unkraut
ein sueßer teufelskreis
ist mein beet
& spärlich die
ernte
aber zarte wurzeln
wachsen langsam
Emma Kastlunger, 4aR, 2020/2021
argus
60
Woyzeck reloaded
Woyzeck-Figur: Hamza Khosa
Beruf: Imbissverkäufer in einem Dönerladen im
Familienbesitz
Sozialer Status: Einwanderer aus Pakistan, kein
Schulabschluss, untere Einkommensschicht, spricht
eher gebrochenes Deutsch, kein Schutz durch das
Arbeitsgesetz (macht zu viele Stunden)
Hauptmann-Figur: Peter „Peato“ Kofler
Beruf: Inhaber eines erfolgreichen Hydrauliker-
Unternehmens
Sozialer Status: Einheimischer, gebürtiger Südtiroler
(Familie aus Südtirol), Einkommen Mittelschicht/
hohe Mittelschicht, Hochschulabschluss
Nebenfigur: Armin Unteregelsbacher, gebürtiger
Südtiroler, Angestellter des Unternehmens
(Hydrauliker)
Hamzas Dönerladen (Südtirol), ca. 12:00, Donnerstag
wenige Personen, ein/zwei Stehtische besetzt, sonst
niemand an der Theke
Hamza steht hinter der Theke, arbeitet,
Peter und Armin kommen herein, haben gerade
Mittagspause (kommen öfters, kennen Hamza),
unterhalten sich beim Warten
Hamza: Hallo, Peter! Hallo, Armin! Alles gut? Familie?
Peter: Hoi, hoi Hamza! Ba dir a olls guit?
(geht Richtung Kassa)
Mochschmo heint an Kebab, an ordntlichn! Wos
nimmschen du, Armin?
Armin: Mochschmo is Gleiche.
Hamza: Oook, perfekt, zweimal Kebab.
Peter: Viel zi orbatn heint? Des hop sischt jo olbm
Leit do. Ba ins isch grott a Casino, se sogido, Hamza.
Olla wellnse die Bädo richtn grott. Owwo jojo, heint
isch jo Donnostog, isch nimma longe zin Wochnende,
ha, Armin?
Armin (zustimmend): Se wo, jo
Peter: Jojo, du, amo a Ruhe muss sein. I moch des
Wochnende mit meino Frau an Ausflug, nimm die
Kindo ah mit…. Wos tuschen du des Wochnende,
Hamza?
Hamza: Wochenende? Ich immer arbeiten (lacht),
immer arbeiten.
Peter: (lacht) Du wo, du brauchasch amo Ferien!
Gesch amo a Wochnende
afn Berg, fohrsch amo weg,
amol in die Natur! Konnsch wo et in
gonzn Tog du drinne voschimpl!
Hamza: Ja, Leben ist hart! (lacht)
Peter: (lacht) Itz honnimo amo gidenkt,
woasch, is Lebn isch et la Orbat, et, Armin?
Armin: Jo!
Peter: Man muss a amo et af die Orbat denkn,
woasch, es gib a Wichtigas… Man muss a amo is Lebn
genießn, kafschdo vielleicht a Motorradl, fohrsch
awin die Runde, trinksch amo a Bier ... Woasch, Geld,
Geld, se isch et is Wichtigste af do Welt! Hauptsoche,
es gehtdo guit, die Frau isch gsund. Wie geahtsen
deino Frau, Hamza?
Hamza: Frau geht gut, alle gut.
Peter: Jojo, woasch wo, de Weibo… sann wo Drochn,
ha? (lacht)
Armin: (lacht)
Peter: Owwo semm hosch du‘s wo feina, Hamza, ba
enk terfn de jo olla nix sogn, et?
(zu Armin) Woasch wo, ba de Pakis do, semm tut do
Monn orbatn und die Frau huckt dohoame und köcht
und schaug af die Kindo.
(zu Hamza) Wieviel Kindo hosche nomo, Hamza? A
sa gonzis Packl woscheinlich, wie die Hosn! (lacht,
wartet nicht auf Antwort)
(Armin lacht)
Hamza: Habe zwei Kinder, Bub und Mädchen, klein!
Peter: (zu Armin, hört nicht recht zu) Woasch wo,
de mit de Tiacho, do ente… tusch et viel außo Kindo
mochn… wos welln de wo sischt in gonzn Tog tian.
De Frau konn woscheinlich ka Deitsch, wos tuschen
semm orbatn? Und lesn werrn de ah net olla kenn, jo
noa isch po fertig! (lacht)
Hamza: Kebab ist fertig, 5,20!
Peter: (sucht nach Geld in der Tasche) Nana Hamza,
du bisch schun a Echto, an echto Orbita! Et wie apoor
ondra va enk, do. In gonzn Tog la die Runde sitzn und
noa is Geld van Stoot innemm… Du bisch schun an
Ordntlicho!
Hamza: Danke, danke, weiß schon (lacht)
(alle lachen, Peter klopft Hamza auf die Schulter)
Peter/Armin: Vogelt’sgott, noa bis zin nechstn mo,
Hamza!
Hamza: Tschüss!
Federn der Schule
Bianca Scalzini, 4bS, 2019/2020
argus
61
Cusanus-Gymnasium
Tempora mutantur nos et mutamur in
illis
oder
Wie meine Oberschulzeit mich prägte Ä
Als ich in der ersten Klasse noch ganz neu an der
Schule war, stellte ich – zu meinem jetzigen Erstaunen
– gar keine so beachtlichen Unterschiede zur Mittelschule
fest. Sicher, man musste mehr lernen, um
gute Noten zu bekommen und hatte weniger Freizeit,
doch darauf hatte ich mich schon gefasst gemacht. In
einem späteren Moment wurde mir jedoch klar, dass
sich die Oberschule (was meine Erfahrungen betrifft)
durchaus von der Mittelschule unterscheidet, besonders
in einem Punkt, und zwar der Toleranz.
mein kater / edles fell
kaiser von konstantinopel
erhabenheit im schlaf
und ernst
herr deines herren / wartend
du sanftes wesen der nacht
sehen kann ich nicht
nur hören
ein kater / ohne trinken
und bist du nicht willig so brauch ich gewalt
ich verliere immer
… Anstand
Adrian Lanz, 4aR, 2020/2021
Grey
meine katze / tiger von cianacëi
mäusejäger / himmlischer schlafender
auf dem bett meines zimmers, müde
& faul
Grey Du schlafender / teppichzerstörer
mein freund / auf meinen unterlagen sitzend
nur streichelt ihn nicht zu lang
… bissig
nur eine katze / schlafender begleiter
& müder der müden besitzerin
& wenn die schläft, schläfst auch Du
mäusetöter
Hanna Pescoller, 4aR, 2020/2021
Mit der Zeit haben sich die Charaktere meiner Mitschüler
(und natürlich auch mein Charakter) gefestigt,
und dabei formten sich die verschiedensten Persönlichkeiten.
Doch so verschieden wir alle auch sein
mögen, jeder wird bedingungslos so akzeptiert, wie
er ist. Wie Ovid schon sagte: tempora mutantur nos
et mutamur in illis.
Weiters habe ich in der Schule gelernt, meine eigene
Meinung auszudrücken, aber auch die Meinungen
der anderen Schüler zu akzeptieren. Auch wenn ich
in einer Klasse mit nur elf Mitschülern war, kam es
doch relativ häufig zu Meinungsverschiedenheiten.
Ich persönlich konnte mich im Laufe der fünf Jahre
immer mehr für Diskussionen jeglicher Art begeistern.
Ich fand es immer interessant, die Standpunkte
meiner Mitschüler zu hören, tat aber auch immer
gerne meine Meinung kund, und stand bereitwillig
für meine Werte und Überzeugungen ein, ganz unter
dem Motto: qui tacet, consentire videtur. Damit
solche Diskussionen stattfinden können, ist es eine
conditio sine qua non, dass sich alle Schüler immer
mit gegenseitiger Achtung gegenübertreten, dies war
in unserer Klasse immer der Fall.
Was ich auch immer sehr angenehm fand, war das
Verhältnis zwischen Professoren und Schülern. Ich
hatte das Gefühl, dass sich beide Seiten stets mit
Respekt begegnet sind und eine gewisse Gleichberechtigung
da war. Selbstverständlich haben die Professoren
eine andere Stellung als die Schüler, doch
ich hatte immer das Gefühl, dass einem zugehört
wurde, und dass man ernst genommen wurde, wenn
man etwas anzumerken hatte. Wenn ich meine Eltern
über ihre Schulzeit berichten höre, dann scheint
sich die Beziehung zwischen Professor und Schüler
argus
62
mehr auf das Motto quod licet Iovi non licet bovi beschränkt
zu haben.
Ich kann mit Freude sagen, dass ich zu jenen Schülern
gehöre, die absolut die richtige Schulwahl getroffen
haben. Für die meisten Fächer konnte ich mich
begeistern, ich hatte nicht das Gefühl, nur für die Noten
zu lernen, sondern lernte oft um meines eigenen
Interesses Willen. Wie heißt es im Lateinischen so
schön? Non scholae sed vitae discimus, wir lernen
nicht für die Schule, sondern fürs Leben. Auch wenn
ich die meiste Zeit gerne lernte, hatte auch ich meine
Schwierigkeiten, mich für bestimmte Fächer zu begeistern.
Nolens volens musste ich doch immer, mit
viel Mühe, für die Leistungsüberprüfungen dieser Fächer
lernen, und ich stellte fest, dass selbst dieses
widerwillige Lernen durchaus seinen Sinn hatte. Dadurch
lernte ich eine ganz wichtige Fähigkeit: Disziplin.
Im Leben wird einem nie alles gefallen und man
wird wahrscheinlich im Studium auch nicht an allem
Freude finden. Genau in diesen Zeiten, in denen die
Motivation fehlt, ist es besonders wichtig, dass man
diszipliniert ist und weitermacht.
Freunde hätte oder wie
es wäre, wenn man ernsthaft
krank wäre. Dennoch – oder vor
allem deshalb – blicke ich mit Zuversicht
in die Zukunft und bin gespannt, was
das Leben noch mit sich bringt.
Federn der Schule
Annalena Rogger, 5aR, 2019/2020
Ich empfinde sogar etwas Wehmut, wenn ich daran
denke, dass diese Zeit nun ein Ende hat. Sicher bin
ich auch froh darüber und gespannt, was die Zukunft
mit sich bringen wird, aber ich fand vor allem
das Ende des heurigen Schuljahres sehr traurig. Der
letzte Schultag war auf einmal da und niemandem
war es bewusst. Es war ein gewöhnlicher Donnerstag
und keiner von uns dachte daran, dass das Corona-Virus
wahrhaftig dafür sorgen wird, dass wir uns
für mehrere Monate nicht mehr sehen. Der Gedanke
daran, dass ich nie wieder mit diesen Leuten in einer
Klasse sitzen werde, und wir uns viribus unitis durch
verschiedene Prüfungen schlagen werden, macht
mich fast schon nostalgisch.
Dennoch muss ich sagen, dass die Corona-Krise
auch positive Auswirkungen auf mich hat. Ich lerne
viel mehr zu schätzen, was ich habe. Plötzlich ist
es nicht mehr selbstverständlich, dass man seine
Freunde immer sehen kann; es ist nicht mehr selbstverständlich,
dass man gesund ist; es ist nicht mehr
selbstverständlich, dass die Eltern ein fixes Einkommen
haben und es ist auch nicht selbstverständlich,
dass man einen Sommerjob hat. Das mag jetzt alles
etwas überspitzt klingen, doch ich muss ehrlich zugeben,
dass all diese Dinge für mich sehr wohl selbstverständlich
waren. Ich habe mir nie einen ernsthaften
Gedanken darüber gemacht, wie es wäre, wenn
man arbeitslos wäre, wie es wäre wenn man keine
© Richard Kammerer
Wissensspeicher
63
argus
© geralt, Pixabay
Maximilian Komar hat das Schuljahr
2019/20 im „Helix Gymnasiet“ im schwedischen
Borlänge verbracht. In der letzten Ausgabe
unserer Schülerzeitung hat er über das Schulsystem
seines Gastlandes berichtet. Teil 2 beleuchtet die
Bereiche Digitalisierung, Umweltbewusstsein und
Weltoffenheit
Cusanus-Gymnasium
Digitalisierung in Schweden
Die Digitalisierung in der Schule ist nur ein Beispiel für die
im Allgemeinen sehr hohe Digitalisierung in der schwedischen
Gesellschaft. Schon früh begann Schweden mit der
Digitalisierungsoffensive, die sich augenscheinlich gelohnt
hat. Schweden ist unter den Top 5-Ländern im Bereich Digitalisierung
nach OECD-Studien und Platz zwei in einer
europäischen Studie; das einzige Problem laut OECD ist
die starke Autonomie der Gemeinden, die zu erschwertem
Zusammenarbeiten führt.
Der schwedische Alltag ist gespickt mit digitalen Hilfen
und Techniken. Anstelle eines Besuchs beim Doktor kann
zum Beispiel zuerst mit Hilfe einer App mit einem Arzt per
Videoanruf Kontakt aufgenommen werden. Oft wird dann
doch empfohlen, beim Arzt vorbeizuschauen, der dann
noch einmal alles genau kontrolliert, um die bestmöglichste
Diagnose zu geben. Später erhält man das Rezept
dann digital. Wenn man zum Beispiel regelmäßig ein Medikament
nehmen muss, erhält man das aufgefrischte Rezept
automatisch wieder, wenn die Medikamente, die mit
dem vorherigen Rezept gekauft worden sind, zur Neige
gehen.
Schweden: Das verheißene Land?
Auch in Arbeitswelt und Schule wird von Möglichkeiten
wie Clouds, Gruppenarbeiten und Videokonferenzen Gebrauch
gemacht, gleichzeitig werden aber auch die Risiken
ernst genommen und bekämpft. Beim Einkaufen kann
man, noch während man im Supermarkt herumspaziert,
eigenhändig die Waren scannen, sodass man, wenn man
alles gefunden hat, was man einkaufen möchte, einfach
zur Kasse gehen, seinen Scanner wieder abgeben und an
der unbemannten Kasse bezahlen kann. Der Bezahlvorgang
selbst ist eigentlich fast immer digital, da Schweden
mittlerweile ein fast bargeldloses Land ist; sogar bei einigen
Flohmärkten kann man mit Karte zahlen. Meist wird
aber bei nicht offiziellen Bezahlgelegenheiten auf die App
„Swish“ vertraut. Wenn man ein schwedisches Konto besitzt,
ist diese App ein Muss. Damit kann man problemlos
Geld überweisen: dem Freund, dem man etwas schuldig
ist, dem netten Preiselbeeren-Verkäufer am Straßenrand,
aber auch der Bar, in der man gerade eine köstliche „Fika“
(schwedische Kaffeepause mit Kanelbullar und Zimtschnecken)
hatte.
Durch das Einführen von digitalen Registern und der Ideologie,
dass Einkommen und ähnliche Informationen eigentlich
frei zugänglich sein sollten, verfügt jeder schwedische
Bürger über die wahrscheinlich am leichtesten zugänglichen
Personendaten der Welt. Daten wie Geburtstag,
Alter, Wohnort mit Adresse und Arbeitsstelle sind schon
noch einer kurzen Google-Suche verfügbar. Alles, was
man wissen muss, ist der Name und der ungefähre Wohnort
der Person, über die man etwas erfahren möchte. Das
ist der gruseligste Teil der schwedischen Digitalisierung
und er ist wirklich angsteinflößend.
Eine schönere Seite der Digitalisierung ist die Bekanntheit
und Qualität der schwedischen Entwicklerstudios wie
DICE, Spotify und Skype. Der Ausbau der schwedischen
Mobilfunknetze ist laut einer Studie von Opensignal genauso
gut wie das Niveau der Entwicklerstudios. Die Abdeckung
des LTE-Netzes beträgt 87,31 Prozent und die
© Richard Kammerer
Datenfluss
argus
64
durchschnittliche Downloadgeschwindigkeit 27,64 Mb/s.
Für ein so großes und waldbedecktes Land wie Schweden
ist so ein Ergebnis beeindruckend. Zum Vergleich: In
Italien beträgt die Abdeckung 69,66 Prozent mit einer Geschwindigkeit
von 25,49 Mb/s.
Die Schweden und das Klima
Schweden ist bekannt für seine Klimapolitik und für das
generelle Klimabewusstsein der Bevölkerung. Die große
Bekanntheit der Klimaaktivistin Greta Thunberg hat diese
Auffassung nur weiter verstärkt. Doch stimmt es wirklich,
dass die schwedische Bevölkerung außergewöhnlich klimabewusst
ist?
Bei dieser Frage ist es sehr wichtig, zwischen Stadt- und
Landbevölkerung zu differenzieren, da sie sich stark in
ihrer Einstellung zur Klimapolitik unterscheiden. Nach
den Zahlen der letzten Volkszählung leben im Dunstkreis
der Großstädte Stockholm, Uppsala, Malmö, Göteborg
und Lund 3.981.813 Menschen – das entspricht rund vier
Zehntel der schwedischen Bevölkerung.
Auf dem Land
Auf dem Land wird zwar beim Einkauf auf die Frage:
„Möchten Sie eine Tasche haben?“ mit Sätzen wie: „Ja,
aber bitte eine Papiertüte, die ist besser für die Umwelt“
geantwortet, die Umweltaspekte stehen dort aber nicht im
Vordergrund. Wenn niemand fragt, greift man doch lieber
zur Plastiktasche, auch wenn sie in einigen schwedischen
Supermärkten mittlerweile teurer als das polyethylfreie
Gegenstück ist. Eine anderer Trend, der stark darauf hinweist,
dass die Klimaveränderung im Alltagsleben auf
dem Land keine zentrale Rolle spielt, ist die sehr starke
Autoszene dort; speziell unter Jugendlichen spielen das
amerikanische Auto aus den 70-ern (mit möglichst großem
Motor) oder der Volvo aus den 80-ern eine extrem wichtige
Rolle.
Diese Reaktion habe ich
auch bei meinem Gastvater
beobachtet. Als er sich jedoch
aus Arbeitsgründen ein neues Auto aussuchen
musste, kam er wegen der Gesetzeslage
nicht an einem Elektroauto vorbei und
verabredete deshalb eine Probefahrt mit einem
Plug-in-Hybriden von Mercedes. Als er bei der Probefahrt
die direkte Kraft des Elektromotors kennenlernen
durfte, änderte er seine Meinung und war überzeugt von
dem Auto – allerdings nur hinter vorgehaltener Hand. Jedes
Mal, wenn er seinen Freunden von seinem neuen Auto
erzählte, fügte er am Ende ein Argument der Zweifler ein.
Unterwegs
Zur Verteidigung Schwedens muss man sagen, dass das
Auto in dieser Kultur schon lange eine sehr wichtige Rolle
spielt, da die sehr großen Distanzen zwischen den einzelnen
Städten und die vielen kleinen 100-Seelen-Dörfer
zwischen ihnen die Wirkung des öffentlichen Nahverkehrs
verschlechtern und den Nutzen des Autos stark erhöhen.
Ein weiteres Beispiel für die nicht sehr klimafreundliche
oder klimabewusste Lebensweise der Landbevölkerung
ist der extrem hohe Fleischkonsum. Gerichte ohne Fleisch
sind für die schwedische Küche, außer an Donnerstagen,
an denen es traditionell immer Omelette mit Suppe gibt,
eine Ausnahme. Alle Gerichte basieren auf Fleisch, das
mit Kartoffeln, Nudeln oder Reis als Beilage meist auch
noch von etwas Grünem (Funfact: Gemüse und Salat sind
© Maximilian Komar
Nahezu jeder männliche Erwachsene kann ohne Probleme
stundenlang über eines seiner Lieblingsthemen, das
Auto, sprechen. Beim Begriff „Elektroautos“ beginnen bei
vielen jedoch die Alarmglocken zu läuten. Missstände in
der Produktion und Technik – wie die Kinderarbeit beim
Kobaltabbau, das Verdunsten von Grundwasser in Wüstengebieten
aufgrund der Gewinnung von Lithium oder
das nicht saubere Fahren, da ja bei der Stromproduktion
CO2 entsteht (auch wenn in Schweden nur 1,1 Prozent
des Stroms aus fossilen Brennstoffen gewonnen wird) –
werden so schnell in die Waagschale geworfen, als fühle
man sich vom Gegenstand Elektroauto persönlich angegriffen.
Über Missstände in der Produktion von konventionellen
Verbrennern wie die Produktion von Kobalt, benötigt
zur Härtung des Motors oder zum Entschwefeln von
Diesel, oder der hohe Verbrauch von Platin, Palladium und
Cer, die unter inhumanen Bedingungen abgebaut werden,
wird nicht gesprochen.
Schmackhaft
in Schweden unter dem Namen „Grönsaker“, zu Deutsch
„Grünzeug“, bekannt) Gesellschaft bekommt.
Abgesehen von den gesundheitlichen Problemen, die
ein so hoher Konsum von Fleisch verursacht, ist dieser
auch für eine Menge an Treibhausgasen und das Risiko
antibiotikaresistenter Keime verantwortlich. Zwar sorgen
schwedische Gesetze und ein moralisches Denken der
schwedischen Bauern für die geringste Antibiotikaanwendung
in der EU, aber das hat seinen Preis, den der
schwedische Bürger meist nicht zu zahlen bereit ist, weshalb
oft auf billige Importprodukte aus Deutschland und
argus
65
Dänemark zurückgegriffen wird. Wie
selbstverständlich der Fleischkonsum in
Schweden ist, zeigte sich mir, als ich meiner
Gastmutter einmal verkündete, ein Gemüse-Risotto
für die Familie kochen zu wollen und sie mich
verwundert fragte, welches Fleisch ich dazu wählen
würde. Bereitet sie selber einmal ein vegetarisches Gericht
zu (das nicht aus Omelette besteht), ruft sie voller
Stolz ihre vegetarisch lebende Tochter (meine Ko-Autorin)
an, um ihr davon zu berichten.
Cusanus-Gymnasium
In der Stadt
Große Firmen vermarkten ihre Bemühungen, den Ausstoß
von CO2 zu minimieren, medienwirksam. Die Brotmarke
„Polarbröd“ verweist auf ihren biologisch abbaubaren
Plastik-Verpackungen voller Stolz auf die Vorzüge ihrer
Produkte: „Mit 100% eigener Windkraft gebacken“ und
„Klimaneutral und frisch per Zug von Norrland“ (Norrland
ist die nördlichste Region Schwedens). Ikea informiert regelmäßig
über die Bemühungen, durch mehr Windkraftanlagen
klimaneutral zu werden. Um den Ausstoß von
Treibhausgasen zu minimieren, rüsten alle Gemeinden
auf Elektrohybrid-Busse um (die übrigens mit USB-Steckern
und W-LAN ausgestattet sind). Die schwedische
Fastfood-Kette „Max“ wirbt mit ihrem großen Sortiment
an vegetarischen und veganen Burgern, die sich bei den
Geschmackstests durch meine Ko-Autorin als sehr lecker
erwiesen. Auch die schwedische Outdoor-Marke „Fjällräven“
ist berühmt für ihre Ansprüche an die Haltbarkeit ihrer
Produkte und den Schutz des Klimas.
Die urbane Bevölkerung stellt die Haupt-Wählerschaft der
vielen ökologischen Parteien Schwedens – ja, richtig gehört,
der vielen ökologischen Parteien Schwedens. Vergleicht
man die schwedischen Parteien mit den deutschen,
sieht man, dass es mehrere Parteien gibt, die in etwa dieselben
klimapolitischen Ziele verfolgen wie die „Grünen“
in Deutschland. Darunter sind die Sozialdemokraten,
die Umweltpartei, die Linken und auch die Zentrumspartei
Schwedens, wobei sich letztere auf eine nachhaltige
Landwirtschaft konzentriert. So viel Konkurrenz ist auch
die Erklärung, warum die schwedischen Umweltparteien
bei der Europawahl 2019 schlecht abgeschnitten haben.
Damals holte die Umweltpartei 11,52 Prozent, was für
sich alleine betrachtet für das Umweltland Schweden sehr
wenig klingt. Rechnet man allerdings die Zentrumspartei
dazu, die 10,78 Prozent der Wählerstimmen bekommen
hat, ist man schnell auf einem Wert, der dem Ruf Schwedens
gerechter wird.
Klimaneutraler Markt?
Auch das riesige Geschäft mit schwedischem Holz (kleine
Erinnerung: Schwedens Fläche ist zu 75 Prozent mit Wald
bedeckt) ist reguliert, um nachhaltig zu sein. Für jeden
Baum, der gefällt wird, müssen laut Gesetz mindestens
zwei neue Bäume gepflanzt werden. Auf diese Weise soll
das enorme Kapital, das aus dem Wald geschöpft wird,
erhalten bleiben, ohne dabei die Natur und Umwelt zu
zerstören. Wenn auch langfristig nachhaltig, so wird der
Wald doch auch sehr aggressiv abholzt: Flächen von bis
zu 25 Hektar werden gerodet und als Lichtungen zurückgelassen,
die (auch wenn neu bepflanzt) ein sehr kapitalistisches,
ressourcenhungriges und nicht sehr umweltfreundliches
Bild ergeben. Ein anderes Argument für die
Klimafreundlichkeit der Schweden ist die Art und Weise,
wie die großen Supermarkt-Ketten an das Problem der
Nachhaltigkeit herangehen. Schon vor einigen Jahren begann
„Coop Schweden“ damit, mehr Werbung für saisonales
Essen zu machen und altes Gemüse als „Fulgrönsaker“,
also „hässliches Gemüse“, zu billigeren Preisen zu
verkaufen, anstatt es wegzuschmeißen. Mittlerweile ist es
in Schweden auch gesetzlich Pflicht, auf Milchprodukte
nach dem bekannten „Mindestens haltbar bis“ den Zusatz
„Oft auch noch später genießbar“ beizufügen. Das ohnehin
schon üppige ökologische Sortiment in den Supermärkten
ist in den letzten Jahren weiter gewachsen, sodass es jetzt
doch sehr einfach ist, ökologisch einzukaufen – meist zu
einem nur gering höheren Preis.
Die schwedischen Schulen, vor allem in der Umgebung
der Städte, haben ein hohes Angebot an ökologischem
und vegetarischem Essen und versuchen durch die Positionierung
des vegetarischen Essens an erster Stelle in
der Mensa, die vorherrschende kulturabhängige Ablehnung
von vegetarischen Essen zu verringern. Ein weiteres
klimafreundliches Phänomen in Schweden ist der weit
ausgebaute und gut funktionierende Second-Hand-Markt.
In fast jeder Stadt gibt es eine oder sogar mehrere Second-Hand-Boutiquen,
die Waren aller Art anbieten, die
sie als Spende erhalten.
Das Sortiment reicht von Kleidern über Möbeln bis hin zu
Schallplatten, Spielsachen und Büchern – alles zu einem
erschwinglichen ökologisch und ökonomischen Preis.
Das Image dieser Geschäfte, die früher einmal Orte für
Menschen der untersten Einkommensschichten waren,
wurde von vielen schwedischen Prominenten aufgebessert,
die auf die Klimafreundlichkeit solcher Unternehmen
hinwiesen. Ein weiterer Pluspunkt solcher Second-Hand-
Boutiquen ist ihr Widerstand gegen den kapitalistischen
Konsumwahn, in dem wir leben, gegen den auch die erstarkenden
Car-Sharing-Bewegung und im relativ handwerklich
und Do-it-yourself orientierten Schweden auch
Tool-Sharing-Bewegung ankämpfen.
Offenes Schweden
Nach dem Blick auf die Digitalisierung und Klimafreundlichkeit
der Schweden fehlt die Analyse der viel gepriesenen
Weltoffenheit des Landes. Schweden ist ein sehr guter
Platz für Homosexuelle und Anhänger der LGBTQIA+-
Gesellschaft, da diese in Schweden nicht nur geduldet,
argus
66
sondern akzeptiert werden. Anders als das Klimaschutz-
Phänomen ist diese Akzeptanz nicht einem starken Stadt-
Land-Gefälle ausgesetzt, sondern ist überall in Schweden
in etwa gleich stark anzutreffen. Eine kleine, lustige Geschichte,
die von den LGBTQIA+-Rechten in Schweden
© Maximilian Komar
Besseres zu sein, was ihn zu
etwas Schlechterem macht.
Ein wahrlich kompliziertes Gedankenkonstrukt.
Unterwegs
In Sachen Frauenrechten war und ist Schweden
ein Pionier. Man könnte sagen, dass Schweden das
erste Land der Erde ist, in dem Frauen wählen durften,
nämlich in der „Freiheitszeit“ von 1718 bis 1772. Auch wenn
damals noch nicht alle Frauen in allen Gemeinden wählen
durften, gab es doch ein für die Zeit sehr fortschrittliches
Frauenwahlrecht. Nach 1772 wurde der Reichstag, der
seit 1718 sehr viel Macht gehabt hatte, stark geschwächt
und das Frauenwahlrecht abgeschafft, das in der Folge
erst im Jahr 1919 wieder eingeführt wurde (wobei Frauen
de facto 1921 zum zweiten „ersten“ Mal wählen durften).
Auch heute noch ist Schweden eines der Länder, in denen
Frauen und Männer am gleichgestelltesten sind. Speziell
die Möglichkeit, Karriere zu machen und gleichzeitig eine
Familie zu gründen, ist ein großes Anliegen der schwedischen
Regierung, in der 12 der 23 Minister (einschließlich
Ministerpräsident) weiblich sind, was zeigt, dass auch
die Führungspositionen gerecht zwischen Mann und Frau
verteilt werden.
Bargeldlos
handelt, ist folgende: 1979 wurde die Homosexualität in
Schweden noch als Krankheit klassifiziert, doch nachdem
einige Organisationen auf diese Absurdität aufmerksam
gemacht hatten, fingen etliche Bürger Schwedens an, sich
krank zu melden. Ihre Begründung: Sie fühlten sich „etwas
schwul“. Schon nach wenigen Wochen verschwand
der Eintrag Homosexualität von der Liste der anerkannten
Krankheiten.
Einer der Gründe für die Offenheit, die man den Schweden
nachsagt, ist wahrscheinlich die alte Mentalität des „Jantelagen“,
das Gesetz der fiktiven Stadt Jante. Dieses Gesetz
sieht vor, sich im Vergleich mit anderen nicht für etwas
Besseres zu halten. Diese Mentalität führt zu einem Akzeptieren
von Anderen, da man ja nicht besser ist, und erst
recht nicht besser sein will, als sie. Einzige Ausnahme: Das
„Jantelagen“-Prinzip funktioniert nicht, wenn es jemand zu
Ruhm und Reichtum geschafft hat. Solange dieser Ruhm
und Reichtum nicht für ganz Schweden gilt, fühlt sich jeder
andere Schwede als etwas Besseres im Vergleich zu
dem, der den Ruhm erlangt hat, da dieser ja meint, etwas
Aber nicht nur in der Politik, sondern auch in den Führungsriegen
der Firmen findet man eine Vielzahl an Frauen.
Ebenso ist der Anteil von Frauen in traditionellen
„Männerberufen“ wie dem Baugewerbe hoch. Das zeigt,
dass sich Frauen in Schweden zu einem höheren Anteil
als in anderen europäischen Ländern frei für eine Karriere
entscheiden können und in allen unterschiedlichen
Arbeitsbereichen ihrer Passion nachgehen können. Auch
im Haushalt und in der Gesellschaft sind die traditionellen
Geschlechterrollen in Schweden stark zurückgedrängt.
Dort teilt man sich die Hausarbeiten viel öfter als in Italien
zwischen Mann und Frau auf und auch ansonsten ist das
Frauenbild ein viel emanzipierteres als in Italien oder Österreich.
Bleibt zu hoffen, dass sich das Miteinander der
Geschlechter auch hierzulande durch das Heranwachsen
der neuen Generationen verändern wird.
Stolzes Silber
So manche Imagebilder über Schweden entsprechen
der Wahrheit, speziell jene in Bezug auf Digitalisierung
und Weltoffenheit. Auch das Klimabewusstsein, das den
Schweden nachgesagt wird, ist häufig anzutreffen.
Alles in allem ist Schweden ein modernes und zukunftsorientiertes
Land, das viele Dinge sehr gut, aber nicht perfekt
macht. Schweden mag mit all seinem Glanz viele dazu
verleiten, das Leben im Land für Gold zu halten. Stolzes
Silber ist es allemal.
Maximilian Komar, 5eR
mit Hilfe seiner Gasteltern
Victoria Hedström & Jonas Holmberg
argus
67
Cusanus-Gymnasium
Vermessen: der Asteroid „Bruneck“
Wie du vielleicht weißt, hat die Astrogruppe
„Astrocusanus“ seit etwas mehr als
einem Jahr ein neues, leistungsstärkeres Teleskop.
Aber erst im Herbst 2020 kam es zum ersten
richtigen Einsatz, da es vorher noch einmal nachgebessert
werden musste
In der langen Zeit, in der wir gespannt auf das neue
Teleskop warteten, überlegten wir uns, wie wir das
Teleskop benutzen sollten und welche Projekte man
mit der gesteigerten Leistung umsetzen könnte. Ein
Projekt hat es uns ganz besonders angetan: Die Ermittlung
der Rotationsperiode von „1992 OJ8“, besser
bekannt als der „Asteroid 11538-Bruneck“ – benannt
nach der Rienzstadt.
© Astrogruppe 2020/21
Was ist eigentlich ein Asteroid?
Asteroiden sind Gesteinsbrocken, die auf einer Umlaufbahn
um die Sonne kreisen und dabei um ihre
eigene Achse rotieren, so ähnlich wie Planeten.
Meist sind sie unförmig und nicht rund. Genau diese
Tatsache gibt uns die Möglichkeit, die Dauer einer
Rotation relativ einfach zu bestimmen. Denn ein unförmiges
Objekt, das um seine eigene Achse rotiert,
zeigt uns einmal eine längere und dann wieder eine
kürzere Seite, also einmal eine große Fläche und
einmal eine kleine Fläche. Die uns zugewandte Fläche
ist es, die das Sonnenlicht reflektiert. Deshalb
ist ihre Größe ausschlaggebend für die Helligkeit des
Asteroiden. Es kommt zu einer periodischen Helligkeitsänderung,
die wir mit unserem Teleskop und
© Astrogruppe 2020/2021
einer Kamera messen können.
Die Größe von Asteroiden schwankt zwischen 1 Meter
und 100.000 Kilometer, wobei zum Beispiel der
Asteroid „Bruneck“ einen Durchmesser von etwa 3,4
Kilometer hat. Asteroiden bestehen aus den unterschiedlichsten
Gesteinen und Metallen, einige bestehen
fast ausschließlich aus Kohlenstoff, andere
wiederum sind Metallklumpen.
Unser Ziel
Durch die Messung der Helligkeitsänderung wollten
wir die Rotationsperiode des Asteroiden „Bruneck“
ermitteln. Bislang war die Rotationsperiode von
11538-Bruneck nicht bekannt, das heißt, wir konnten
die Ersten sein, die die Rotationsperiode messen.
Doch es gab noch ein Problem. Das Beobachten und
Messen der Rotationsperiode ist im Grunde fast nur
während einer Opposition möglich. Das heißt genau
dann, wenn Sonne-Erde-Asteroid eine Linie bilden,
denn dann ist uns der Asteroid am nächsten und
somit am hellsten – und deshalb am einfachsten zu
fotografieren. Wir hatten großes Glück, denn schon
Ende August 2020 sollte so eine Opposition stattfinden.
Und nicht nur das: Die 2020er-Opposition war
eine der fünf besten Oppositionen in den Jahren von
1995 bis 2050.
Die Beobachtung
Ende August, Anfang September sollten wir unser
Teleskop also auf „Bruneck“ richten. Doch schon bald
erkannten wir, dass wir unsere Beobachtungen wohl
nicht wie sonst in geselliger Runde im Observatorium
machen konnten: Die Covid-19 Pandemie machte
dies leider nicht möglich. Der Einmaligkeit der Opposition
bewusst, übernahm Professor Christof Wiedemair
die wichtige Aufgabe der Datensammlung und
verbrachte vom 5. September 2020 bis zum 18. September
2020 mehr als 26 Stunden damit, einsam im
kalten Observatorium zu sitzen und die automatische
Datensammlung des Teleskops zu betreuen.
Die Auswertung
Strichspur des Asteroiden „Bruneck“
Nach den Beobachtungen begann auch schon der
Schulstress und die Daten verstaubten auf den Festplatten.
Erst im Januar 2021, als Maximilian Komar
ein Praktikum im Planetarium Südtirol absolvierte,
argus
68
ergab sich die Möglichkeit zur Auswertung. Nicht nur
die Beobachtung eines Asteroiden war für uns Neuland,
sondern auch die Auswertung der Daten und
die Berechnung der Rotationskurve.
Das Planetarium und vor allem Mitarbeiter Luca Ciprari
organisierte für uns eine Videokonferenz mit
Lorenzo Franco, einem der führenden Asteroidenforscher
Europas, der uns unter die Arme griff und
uns so half, die Auswertung und Berechnung korrekt
durchzuführen.
Bei der Auswertung fiel uns ein zweiter bewegter
Punkt an einem unserer Beobachtungsabende auf.
Wir vermuteten, dass es sich um einen Asteroiden
handeln müsse und nach einigem Recherchieren
und Nachforschen konnten wir diesen leuchtenden
Punkt als „(116710) 2004 CF114“ identifizieren. Die
geringe Helligkeit von 19,8mag dieses Asteroiden
zum Zeitpunkt der Beobachtung überraschte uns
sehr – das neue Teleskop ist wirklich sehr leistungsfähig!Nachdem
wir nach zweiwöchiger Arbeit die
Rotationsperiode von „Bruneck“ berechnet hatten,
waren wir schon sehr
aufgeregt und wollten
unsere Entdeckung so
schnell wie möglich in einer Fachzeitschrift
publizieren, doch dann entdeckten
wir es: Die Rotationsperiode war
doch schon bekannt. In der wissenschaftlichen
Studie, in der sie berechnet worden war,
wurde die Rotationsperiode mit 9.47538 ± 0.00005
Stunden angegeben.
Entdeckt
Die Studie war erst im März 2020 erschienen, 10 Monate
bevor wir unsere Auswertung beendeten. Trotzdem
konnten wir uns freuen, unsere Berechnungen
stimmen mit 9.4866 ± 0.0025 Stunden mit der wissenschaftlichen
Studie überein.
Auch wenn wir nicht die erste Bestimmung der Rotationsperiode
gemacht hatten, konnten wir durch
die Bestätigung der Rotationsperiode trotzdem echte
Forschungsarbeit leisten. Und wer weiß, was wir
noch alles mit unserem neuen Teleskop erforschen
werden!
Zum Autor
Wissenschaft, vor allem
Physik und Astronomie,
haben mich schon in
der Mittelschule fasziniert.
Als ich dann in
meinem 2. Schuljahr
am Realgymnasium der
Astrogruppe beitrat, war
ich von der Professionalität
und dem Fokus auf
echte wissenschaftliche
Arbeit in der Gruppe
überrascht.
Sie ist nicht nur auf der
Jagd nach schönen Bildern
von unterschiedlichen,
malerischen
Himmelsobjekten wie
Planetarischen Nebeln,
Emissions- und Reflektionsnebeln
sowie Galaxien, sondern setzt ihr
respektables Astronomie-Equipment vor allem für
Forschung an variablen Sternen und für andere wissenschaftliche
Arbeiten ein. Durch die vielen Erfahrungen
hat sich meine Überzeugung gefestigt, dem
naturwissenschaftlichen Bereich treu zu bleiben und
© privat
Maximilian Komar
im nächsten Jahr mein Physikstudium in Wien zu beginnen
– nicht zuletzt dank der Astrogruppe.
Maximilian Komar, 5eR
argus
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Cusanus-Gymnasium
Was sagen die Sterne?
Ein Einblick in das Universum des Cusanus-Gymnasiums
von Schülern für Schüler
Steinbock (22. Dezember –
20. Jänner)
Freundschaft: Hast du nie
gelernt, dass man keine
Beziehung mit dem/r besten
Freund/in eingehen sollte?
Liebe: Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Glücksschulstunde: Mittwoch, 2. Stunde
Widder (21. März – 20. April)
Freundschaft: Erstehe endlich von den Toten
auf!
Liebe: Liebe ist für dich ein
Fremdwort.
Glücksschulstunde: Montag, 1.
Stunde
Wassermann (21. Januar –
19. Februar)
Freundschaft: Der Kosmos
hat dieses Jahr viel mit dir vor.
Liebe: Rationales Denken wird
überbewertet.
Glücksschulstunde: Mittwoch, 3. Stunde
Stier (21. April – 20. Mai)
Freundschaft: Die Vereinsamung aufgrund der
Corona-Pandemie scheint dir ganz gut getan zu
haben.
Liebe: Es ist besser, darüber zu
schweigen.
Glücksschulstunde: Donnerstag,
1. Stunde
Fische (20. Februar –
20. März)
Freundschaft: Ein Leben als
Einsiedler soll nicht mal so
schlecht sein.
Liebe: Dein Liebesleben ist genauso (un)
vorhersehbar wie die Corona-Situation.
Glücksschulstunde: Freitag, 8. Stunde
Zwillinge (21. Mai – 21. Juni)
Freundschaft: Manchmal ist es besser, die
Freundschaft der Liebe vorzuziehen.
Liebe: Einsam sterben ist auch eine
Option.
Glücksschulstunde: Dienstag, 3.
Stunde
argus
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Vorausgeschaut
Krebs (22. Juni – 22. Juli)
Freundschaft: Eine Überdosis an Kontakten
kann ähnliche Folgen haben wie eine Überdosis
an Drogen.
Liebe: Auf jeden Topf gehört ein
Deckel.
Glücksschulstunde: Dienstag, 5.
Stunde
Waage (24. September –
23. Oktober)
Freundschaft: Hast du
überhaupt Freunde?
Liebe: 2021 wird ein wilder Ritt.
Glücksschulstunde: Dienstag, 2. Stunde
Löwen (23. Juli – 23. August)
Freundschaft: Leg die Fußfesseln der
Einsamkeit ab.
Liebe: An dich wird diesmal keine Rose
vergeben.
Glücksschulstunde: Freitag, 6.
Stunde
Skorpion (24. Oktober –
22. November)
Freundschaft: Es ist
Zeit, deine Kontaktliste
auszumisten.
Liebe: Wenn du wirklich nicht mehr
weiter weißt, zieh Tinder zu Rate.
Glücksschulstunde: Montag, 5. Stunde
Jungfrau (24. August – 23. September)
Freundschaft: Dein Sozialleben gehört zu den
vielen Dingen, die totgeschwiegen werden
sollten.
Liebe: Eine Welle von Gefühlen wird
dir den Boden unter den Füßen
wegreißen.
Glücksschulstunde: Freitag, 5.
Stunde
Schütze (23. November –
21. Dezember)
Freundschaft: Soziale
Kontakte waren nie dein Ding.
Liebe: Man muss das Eisen
schmieden, solange es noch heiß ist. Verpass
deine Chance nicht!
Glücksschulstunde: Donnerstag, 4. Stunde
argus
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Bilder © Pixabay, TheDigitalArtist
Die Klasse 3cR hat sich
im Deutschunterricht mit
den Aphorismen der Aufklärer
beschäftigt und aus
diesem Anlass selbst einige
Aphorismen verfasst.
Das Ergebnis kann sich
sehen lassen. Offensichtlich
schlummert in unseren
Realschülern der ein
oder andere Poet.
„
Wer sich als Mensch selbst nicht kennt,
wird andere Menschen auch nicht verstehen
und kennen.
Schlechtes Handeln beruht nicht immer
auf schlechten Intentionen.
Der Verstand erhellt das Dunkel, in dem
wir leben.
Entweder du „kliebst” die Woche, oder
die Woche „kliebt” dich.
Menschen mit falschen Antworten sind
oft klüger als Menschen mit keinen Antworten.
Loslassen kostet weniger Kraft als festhalten.
Auch im Schatten gibt es Licht.
Angst beginnt im Kopf. Mut auch.
Wenn man versteht, was verstehen
heißt, ist man imstande, alles zu verstehen.
Nichts zu denken, ist nicht so leicht, wie
man denkt.
Hausaufgaben helfen, um zu lernen,
„
aber zuerst muss man lernen, Hausaufgaben
zu machen.
Eine Erfindung ist nur so gut wie die Idee
dahinter.
CUSANUS-Gymnasium