CHECK Bayern #2
das männer* Gesundheitsmagazin
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PSYCHOLOGIE<br />
Foto: Uta Kellermann<br />
Calum Anderson (44)<br />
ist gebürtiger Schotte, ist psychologischer Psychotherapeut<br />
und lebt in München. Seit 2012 leitet er eine Privatpraxis in der<br />
Sonnenstraße in München mit den Schwerpunkten Depression<br />
und LGBTIQ*. Außerdem ist er Co-Autor des englischsprachigen<br />
Podcasts „Different Kind of Gay“.<br />
einen solchen Test macht, zeigt allein damit<br />
ja schon, dass er sich zumindest unwohl in<br />
seiner Haut fühlt. So kann ein Selbsttest<br />
durchaus der Beginn eines Prozesses der<br />
Auseinandersetzung mit sich selbst und der<br />
Suche nach Belastungsfaktoren und Entwicklungswünschen<br />
sein.<br />
Was sind die Auslöser für eine Depression?<br />
Häufig sind es äußerliche Faktoren wie Lebensumstände<br />
oder schlimme Ereignisse, die<br />
einen Menschen belasten. Wer unverarbeitete<br />
traumatische Erlebnisse hatte, wie beispielsweise<br />
Trennung oder Tod, läuft eher Gefahr,<br />
depressiv zu werden. Doch hängt es immer<br />
sehr davon ab, wie eine Person ihre Situation<br />
wahrnimmt. Selbst, wer schwierigen Umständen<br />
ausgesetzt ist, muss nicht einer Depression<br />
verfallen. Wir Psychologen nennen das<br />
Resilienz oder psychische Widerstandskraft,<br />
das heißt zum Beispiel: Wer ein optimistischer<br />
Typ ist und in Krisen eine Chance sehen kann,<br />
ist nicht so leicht betroffen. Allerdings ist<br />
niemand unter schweren Lebensumständen<br />
vor einer Depression gefeit.<br />
Leiden Männer anders unter Depressionen als<br />
Frauen?<br />
Männer sind im Allgemeinen nicht so geschult,<br />
wenn es um ihre Selbstwahrnehmung geht,<br />
das kennt man ja aus der Medizin. Ein Mann<br />
wartet im Durchschnitt rund fünf bis sieben<br />
Mal länger, bevor er eine Psychotherapie aufsucht<br />
als eine Frau. Er ist auch, nicht zuletzt<br />
aufgrund des gesellschaftlichen Rollenklischees,<br />
darauf geeicht, seine psychischen<br />
Schwierigkeiten nicht so schnell als echtes<br />
Problem wahrzunehmen. Dementsprechend<br />
leidet er nicht so sehr darunter – scheinbar. In<br />
Wahrheit leiden sie nur später und vielleicht<br />
sogar mehr.<br />
Wie äußern sich Depressionen bei Männern?<br />
Phänomene wie Reizbarkeit und Aggression<br />
stehen häufiger bei ihnen im Vordergrund,<br />
etwas weniger die verletzlicheren Seiten wie<br />
Traurigkeit oder das Gefühl von Wertlosigkeit,<br />
was wir mehr bei Frauen beobachten. Frauen<br />
sind ohnehin stärker auf das Wohlbefinden<br />
von sich selbst und anderen orientiert und<br />
darauf, auf Menschen zu achten. Gerade wenn<br />
sie Kinder bekommen, schulen sie sich im<br />
empathischen Zugang zu anderen Menschen.<br />
Von einem Mann hingegen wird immer noch<br />
verlangt, Stärke zu zeigen, kontrolliert und<br />
machtbewusst zu sein. Wenn er diesem gesellschaftlichen<br />
Gebot nicht gerecht wird,<br />
löst das oft ein Gefühl von Scham aus. Das<br />
wiederum zeigt sich auch im männertypischen<br />
Konsum von Alkohol und Drogen: Aus meiner<br />
Sicht wird dadurch auch der soziale Druck<br />
kompensiert.<br />
Wie verbreitet ist Depression in der LGBTIQ*-<br />
Community?<br />
Aus meiner Sicht ist sie in der Community<br />
etwas stärker verbreitet als im Rest der Bevölkerung.<br />
Das hat zum einen etwas damit zu<br />
tun, dass diese Klientel mehr auf sich achtet<br />
und schneller bereit ist, Hilfe in Anspruch zu<br />
nehmen. Zum anderen sind sie durch ihre<br />
Biografie, ihre Coming-out-Geschichte und die<br />
generelle Situation von queeren Menschen in<br />
unserer Gesellschaft stärker vorbelastet.<br />
<strong>CHECK</strong> BAYERN <strong>#2</strong><br />
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