CHECK Bayern #2
das männer* Gesundheitsmagazin
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PSYCHOLOGIE<br />
Treten in der LGBTIQ*-Community spezifische<br />
Formen von Depression auf?<br />
Es kommen sicherlich mehr Selbstmordgedanken<br />
auf, weil im Kreis der LGBTIQ* auch<br />
mehr Suizide geschehen. Grundsätzlich kann<br />
ich das aber nicht sagen, zumindest offensichtlich<br />
ist das nicht.<br />
Sind sie durch die Community nicht auch<br />
geschützt?<br />
Ja und nein. Auf der einen Seite findet man in<br />
dieser Szene ganz bestimmt Gleichgesinnte,<br />
verständnisvolle Ansprechpartner und Trostspender.<br />
Andererseits: Die Community ist auch<br />
ein harter Ort. Wo viele Schwule zusammenkommen,<br />
kann die psychische Gesundheit<br />
leiden.<br />
Warum leidet der schwule Mann in seiner<br />
eigenen Szene?<br />
Weil er dort oft über äußere Merkmale definiert<br />
wird, über Aussehen, Einkommen oder<br />
ein positives Auftreten. Das Bild vom Mann<br />
ist auch hier oft oberflächlich, unpersönlich<br />
und wertend. Hinzu kommt häufig ein<br />
Verhalten, das man als „The best little boy in<br />
the world-Syndrom“ bezeichnet, und das mit<br />
internalisiertem Selbsthass zu tun hat, dem<br />
wir auch im Jahr 2021 noch häufig begegnen:<br />
Wenn ich schon schwul bin, dann muss ich das<br />
kompensieren und ganz besonders zeigen, wie<br />
toll ich bin. In beiden Fällen steht der schwule<br />
Mann also unter hohem Druck. Interessant:<br />
Andere Minderheiten fühlen sich in ihren<br />
Communities meist sehr wohl, bei schwulen<br />
Männern ist das aus genannten Gründen<br />
häufig nicht der Fall, sie leiden stärker unter<br />
„minority stress“.<br />
Diese Mechanismen sind ja bekannt. Warum<br />
kann man sich nicht einfach darüber hinwegsetzen?<br />
Weil der Mensch nicht von Logik gesteuert ist,<br />
sondern zum Großteil von seiner Emotion. Bei<br />
zwischenmenschlichen oder sexuellen Themen<br />
haben wir es mit Bereichen des menschlichen<br />
Lebens zu tun, die man im Kopf nicht so<br />
leicht steuern kann. Dazu wäre ein enormes<br />
Maß an Disziplin im Kopf nötig.<br />
Wie kann man dem entgegenwirken?<br />
Foto: Alex Green_pexels.com<br />
Wer durch gute Selbstbeobachtung ein Bewusstsein<br />
über ein problematisches Muster<br />
hat, kann trotzdem Schwierigkeiten haben,<br />
dem tief erlernten alten Programm entgegenzusteuern.<br />
Es braucht einen weiteren<br />
Schritt: eine bewusste Neuorientierung. In der<br />
EDV-Sprache wäre das die Installierung eines<br />
Updates. Um das zu erreichen, kann man alternatives<br />
Verhalten planen, visualisieren und<br />
bewusst ausprobieren. Für solche Schritte ist<br />
es hilfreich, lösungsorientierte Coaches oder<br />
Psychotherapeuten an seiner Seite zu haben.<br />
Ich finde es besonders wichtig, zu erkennen,<br />
welche Schritte zur Veränderung der eigenen<br />
Muster nötig sind, sonst verfällt man bei<br />
„Rückfällen” zu leicht in Unzulänglichkeitsgefühlen,<br />
die Depressionen wiederum verstärken<br />
können.<br />
Wie finde ich den richtigen Therapeuten?<br />
Ich kann nur dazu ermutigen, verschiedene<br />
Therapeuten auszutesten und ihnen Fragen zu<br />
stellen, wie ihre Einstellung zu LGBTIQ* oder<br />
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