09.06.2021 Aufrufe

architektur FACHMAGAZIN Ausgabe 4 2021

Schulen, Bibliotheken, Theater, Konzerthallen, Kulturzentren usw. sind Einrichtungen, die der jeweiligen Bevölkerung einen hohen gesellschaftlichen und sozialen Wert bieten sollen. Entsprechend vielfältig sind die Aufgaben an die Architektur, diesen Funktionen den entsprechenden baulichen Rahmen zu bieten.

Schulen, Bibliotheken, Theater, Konzerthallen, Kulturzentren usw. sind Einrichtungen, die der jeweiligen Bevölkerung einen hohen gesellschaftlichen und sozialen Wert bieten sollen. Entsprechend vielfältig sind die Aufgaben an die Architektur, diesen Funktionen den entsprechenden baulichen Rahmen zu bieten.

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<strong>architektur</strong> <strong>FACHMAGAZIN</strong><br />

32<br />

Bau & Recht<br />

Tiny Houses<br />

im risikobehafteten<br />

Graubereich<br />

Flexibilität wird in einer sich stetig wandelnden Welt immer wichtiger. Durch<br />

steigende Miet- und Immobilienpreise gilt dies insbesondere auch beim Thema<br />

Wohnen. Im Jahr 2020 lag die durchschnittliche Wohnfläche pro Wohnung in<br />

Österreich bei 99,9 m 2 (1) . EUR 8,27 (2) betrug die Miete inklusive Betriebskosten pro<br />

Quadratmeter im Durchschnitt. Immer mehr Menschen wollen diesen Trend der<br />

stetigen Vergrößerung und der sich laufend erhöhenden Mietpreise nicht mehr<br />

mittragen. In sogenannten Tiny Houses sehen sie eine Alternative.<br />

Text: Mag. Theresa Stachowitz und Mag. Matthias Nödl<br />

Ob als Hauptwohnsitz oder Wochenendhaus,<br />

weniger Raum bedeutet für viele Menschen<br />

eine größere (finanzielle) Freiheit.<br />

Die gegenwärtige Tendenz zu Tiny Houses<br />

(zu Deutsch „sehr kleine/winzige Häuser“)<br />

geht auf ein Tiny House Movement zurück,<br />

das sich vor ca. 15 Jahren in den USA entwickelt<br />

hat. In letzter Zeit werden die winzigen<br />

Häuser auch in Europa immer beliebter.<br />

Tiny Houses sind am Markt mittlerweile in<br />

den unterschiedlichsten Größen und Preisklassen<br />

erhältlich. Die Minihäuser können<br />

auch als mobile Variante erworben werden<br />

– gleich einem Wohnwagen ist so die örtliche<br />

Veränderung problemlos möglich. Zwar<br />

gibt es keine einheitliche Definition, unter<br />

welchen Umständen ein Tiny House als<br />

solches gilt, als Richtwert kann jedoch eine<br />

Nutzflächengröße zwischen 15 und 45 m 2<br />

herangezogen werden.<br />

Bedeutet dieses Wohnkonzept für Interessenten<br />

die Freiheit, das Eigenheim einfach<br />

„mitzunehmen“, birgt es auf rechtlicher<br />

Ebene bei näherer Betrachtung diverse Tücken.<br />

Angefangen mit der Rechtsfrage, ob<br />

ein Tiny House überhaupt als Gebäude zu<br />

qualifizieren ist, ergeben sich sowohl aus<br />

dem Blickwinkel des Privatrechts als auch<br />

nach Maßgabe des öffentlichen (Bau-)<br />

Rechts Problemstellungen, die im Folgenden<br />

beleuchtet werden.<br />

Um eine rechtliche Einordnung der Tiny<br />

Houses treffen zu können, lohnt sich zunächst<br />

ein Blick auf den Begriff und das<br />

Wesen eines Gebäudes. Terminologisch<br />

stammt der Begriff „Häuser und andere<br />

Gebäude“ aus der Urmasse des ABGB. Ein<br />

Gebäude (Bauwerk) ist nach der Rechtsprechung<br />

alles, was auf Grund gebaut und<br />

mit diesem fest verbunden, somit „grundfest<br />

errichtet“ ist. Für die Beurteilung der<br />

Frage, ob ein Bauwerk vorliegt, kommt es<br />

auch auf die nach der Verkehrsauffassung<br />

zu beurteilende Qualifizierung als Bauwerk<br />

an. So fallen zum Beispiel Fertigteilhäuser,<br />

Fertigteilschwimmbecken etc, auch wenn<br />

sie ohne wesentliche Beeinträchtigung ihrer<br />

Substanz abgetragen und an anderer<br />

Stelle wieder errichtet werden können, unter<br />

den Begriff des Gebäudes, weil sie in der<br />

Absicht errichtet werden, sie stets auf der<br />

Liegenschaft zu belassen.<br />

Bei Tiny Houses muss somit unterschieden<br />

werden, ob sie mit dem Erdboden verbunden<br />

oder mobil sind. Erstere sind wohl als<br />

Gebäude zu qualifizieren. Bei mobilen Tiny<br />

Houses ist weiter zu differenzieren, je nachdem<br />

ob das Tiny House in der Absicht errichtet<br />

wird, es stets auf der Liegenschaft<br />

zu belassen, oder nicht. Im Hinblick auf den<br />

Wunsch nach Flexibilität und insbesondere<br />

der Möglichkeit, das Eigenheim bei einem<br />

Umzug einfach „einzupacken und mitzunehmen“,<br />

wird eine derartige Belassungsabsicht<br />

meist nicht vorliegen.<br />

Zu beachten ist auch, dass das österreichische<br />

Liegenschaftsrecht vom römisch-rechtlichen<br />

Grundsatz „superficies<br />

solo cedit“ beherrscht ist. Demnach folgt<br />

das Eigentum am Gebäude dem Eigentum<br />

am Grundstück, weil das Gebäude grundsätzlich<br />

als unselbständiger Bestandteil<br />

des Grundstücks zu werten ist. Entscheidend<br />

dafür, ob ein Bauwerk durch seine Errichtung<br />

zum unselbständigen Bestandteil<br />

des Grundes und damit Eigentum des Liegenschaftseigentümers<br />

wird, ist die Belassungsabsicht<br />

des Erbauers spätestens im<br />

Zeitpunkt des Baubeginns.<br />

(1) Statistik Austria, durchschnittliche Wohnfläche pro Wohnung in m 2 , abgerufen unter:<br />

https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/wohnen/wohnsituation/081235.html<br />

(2) Statistik Austria, durchschnittliche Miete inkl Betriebskosten pro m 2 in Euro, abgerufen unter:<br />

https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/wohnen/wohnkosten/index.html

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