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architektur FACHMAGAZIN People 2022

Bereits zum fünften Mal erscheint diese Sonderausgabe von architektur Fachmagazin, bei der wir vorrangig die Architekten selbst zu Wort kommen lassen. Haben wir uns die letzten vier Ausgaben bei der Auswahl der Gesprächspartner und Fragen jeweils auf ein klares Leitthema konzentriert, sind wir die Sache diesmal etwas anders angegangen. Ziel war es, ein möglichst abwechslungsreiches und inspirierendes Sonderheft zu produzieren. Dazu haben wir uns bemüht, unsere Interviewpartner:innen in ihren jeweiligen Kernkompetenzen abzuholen, ihre individuellen Lösungsansätze für diese herausfordernde Zeit aufzuzeigen, ihnen diesmal aber auch mehr Raum für Persönliches zu lassen. Gemeinsame Basis dieser bunten Mischung aus unterhaltsamen, aber nicht weniger informativen Interviews sind der Enthusiasmus und die Leidenschaft unserer Gesprächspartner:innen für Architektur.

Bereits zum fünften Mal erscheint diese Sonderausgabe von architektur Fachmagazin, bei der wir vorrangig die Architekten selbst zu Wort kommen lassen. Haben wir uns die letzten vier Ausgaben bei der Auswahl der Gesprächspartner und Fragen jeweils auf ein klares Leitthema konzentriert, sind wir die Sache diesmal etwas anders angegangen. Ziel war es, ein möglichst abwechslungsreiches und inspirierendes Sonderheft zu produzieren. Dazu haben wir uns bemüht, unsere Interviewpartner:innen in ihren jeweiligen Kernkompetenzen abzuholen, ihre individuellen Lösungsansätze für diese herausfordernde Zeit aufzuzeigen, ihnen diesmal aber auch mehr Raum für Persönliches zu lassen. Gemeinsame Basis dieser bunten Mischung aus unterhaltsamen, aber nicht weniger informativen Interviews sind der Enthusiasmus und die Leidenschaft unserer Gesprächspartner:innen für Architektur.

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<strong>FACHMAGAZIN</strong><br />

WISSEN, BILDUNG, INFORMATION FÜR DIE BAUWIRTSCHAFT<br />

Erscheinungsort Vösendorf, Verlagspostamt 2331 Vösendorf. P.b.b. 02Z033056; ISSN: 1606-4550<br />

PEOPLE<br />

#5


se:air<br />

Leicht wie eine Brise<br />

Transparent, atmungsaktiv und luftdurchlässig –<br />

se:air ist der neue Drehstuhl im leichten Design.<br />

Ergonomisch und automatisch passt er<br />

sich dem Nutzer an.<br />

(bestellbar ab ORGATEC <strong>2022</strong>)<br />

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KÖLN 25.–29. OKTOBER<br />

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Sedus Östereich GmbH, Herklotzgasse 26 H1, 1150 Wien<br />

www.homeoffice-shop.at | sedus.com


www.<strong>architektur</strong>-online.com<br />

3<br />

Intro<br />

PEOPLE die Fünfte<br />

Bereits zum fünften Mal erscheint diese Sonderausgabe von <strong>architektur</strong> Fachmagazin,<br />

bei der wir vorrangig die Architekten selbst zu Wort kommen lassen. Haben<br />

wir uns die letzten vier Ausgaben bei der Auswahl der Gesprächspartner und<br />

Fragen jeweils auf ein klares Leitthema konzentriert, sind wir die Sache diesmal<br />

etwas anders angegangen. Ziel war es, ein möglichst abwechslungsreiches und<br />

inspirierendes Sonderheft zu produzieren. Dazu haben wir uns bemüht, unsere<br />

Interviewpartner:innen in ihren jeweiligen Kernkompetenzen abzuholen, ihre<br />

individuellen Lösungsansätze für diese herausfordernde Zeit aufzuzeigen, ihnen<br />

diesmal aber auch mehr Raum für Persönliches zu lassen.<br />

Gemeinsame Basis dieser bunten Mischung<br />

aus unterhaltsamen, aber nicht weniger<br />

informativen Interviews sind der Enthusiasmus<br />

und die Leidenschaft unserer Gesprächspartner:innen<br />

für Architektur.<br />

Passenderweise eröffnen deshalb die Architekten<br />

von LOVE die aktuelle Reihe und<br />

geben uns einen Einblick, warum die Liebe<br />

zur Architektur bei ihnen Programm ist.<br />

Das Wiener Architekturbüro Franz&Sue<br />

erlaubt Einblicke in die Beziehungsarbeit,<br />

wenn zwei Büros zu einem „gemeinsamen<br />

Haushalt“ finden. Partner Michael Anhammer<br />

stand uns darüber hinaus bei den Themen<br />

Bildungsbau, Quartiersentwicklung und<br />

Architekturwettbewerbe Rede und Antwort.<br />

Die Zusammenarbeit mit lokalen Handwerker:innen<br />

und deren Wissen um lokale Materialen<br />

stehen ganz im Fokus von Armin und<br />

Alexander Pedevilla. Mit Liebe zur Region<br />

und viel Bezug zu deren Traditionen sind<br />

die Südtiroler ein perfektes Beispiel, warum<br />

international anerkannte Architektur keine<br />

Dependancen rund um den Globus braucht.<br />

Juri Troy beschäftigt sich als Architekt seit<br />

vielen Jahren mit den Themen klimagerechtes<br />

und ressourceneffizientes Bauen und<br />

gibt dieses Wissen auch als Lehrender an<br />

Studierende weiter. Im Interview spricht der<br />

gebürtige Vorarlberger über das Potenzial<br />

ganzheitlicher Planungsansätze und deren<br />

individuelle Aspekte und Herausforderungen.<br />

Für mehr Nachhaltigkeit in der Architektur<br />

und der Bauwirtschaft bedarf es seines<br />

Erachtens auch eines Umdenkens auf<br />

politischer und gesellschaftlicher Ebene.<br />

Das Architekturbüro Schuberth und Schuberth<br />

widmet sich vorrangig dem Entwurf<br />

von Wohn- und Bürogebäuden. Im Interview<br />

mit Architektin Johanna Schuberth<br />

wird der Stellenwert von Architektur im<br />

Rahmen der aktuellen Herausforderungen<br />

thematisiert, unter anderem mit dem Ziel,<br />

Architektur mit geeigneten Maßnahmen<br />

zukunftsfähiger zu machen.<br />

Wesentlich dafür ist es für Architekt Jakob<br />

Dunkl von querkraft, „den Menschen Raum<br />

zu geben“. Gemäß diesem Motto stellt das<br />

Wiener Architekturbüro stets die Nutzer:innen<br />

in den Mittelpunkt seiner Planung.<br />

Einen Einblick in die oftmals vernachlässigte<br />

Vielfalt an Wechselbeziehungen zwischen<br />

der Architektur und den Menschen,<br />

die mit dieser interagieren, erhielten wir im<br />

Gespräch mit der Architekturpsychologin<br />

Alexandra Abel. Sie ist Lehrbeauftragte an<br />

der Bauhaus-Universität Weimar und gibt<br />

uns eine Einführung in ihr spannendes<br />

Fachgebiet.<br />

Architekt Christoph Pichler von Pichler<br />

& Traupmann übernahm im Zuge seiner<br />

Schaffenslaufbahn Bauaufgaben unterschiedlicher<br />

Typologien. Er gibt Einblick in<br />

sein Schaffen und erklärt warum nie auf das<br />

eigentliche Ziel einer zukunftsweisenden<br />

Architektur vergessen werden darf: das Vermitteln<br />

von Lebensfreude und Hoffnung.<br />

Der Entwicklung von lebenswerten Räumen<br />

haben sich Sandra Gnigler und Gunar Wilhelm<br />

mit ihrem Büro mia2 Architektur verschrieben.<br />

Im Interview erzählen die beiden,<br />

wie sie anhand eines wertschätzenden Umgangs<br />

mit Ressourcen versuchen, den Spagat<br />

zwischen Wirtschaftlichkeit und Qualität<br />

zu schaffen und gleichzeitig zur Weiterentwicklung<br />

der Baukultur beizutragen.<br />

Architektur geht auch für Barbara Poberschnigg<br />

von STUDIO LOIS weit über die<br />

Grenzen der Funktionalität hinaus. Im Interview<br />

spricht die Tirolerin über die Wichtigkeit<br />

von Emotion und Atmosphäre in der<br />

Architektur und warum diese oft vernachlässigt<br />

werden.<br />

Zum Abschluss lassen wir mit dem Salzburger<br />

Trio dunkelschwarz ein recht junges<br />

Büro zu Wort kommen, das nicht zuletzt mit<br />

seiner Liebe zum Werkstoff Holz auffällt.<br />

Die drei Planer erzählen, was sie an dem<br />

Material schätzen, wo für sie die Herausforderungen<br />

liegen und warum sie Holz trotzdem<br />

nicht als Generallösung erachten. Architektur<br />

hat eben auch in Hinblick auf die<br />

Materialwahl nicht nur eine einzelne Antwort<br />

auf die vielfältigen Herausforderungen<br />

unserer Zeit.<br />

An dieser Stelle möchte ich mich bei unseren<br />

vielen Leser:innen und Werbepartner:innen<br />

bedanken, die uns ermöglichen,<br />

mit dieser und vielen weiteren Ausgaben<br />

zum Diskurs über Architektur beizutragen.<br />

Andreas Laser<br />

MEDIENINHABER UND HERAUSGEBER Laser Verlag GmbH; Ortsstraße 212/2/5, 2331 Vösendorf, Österreich<br />

CHEFREDAKTION Andreas Laser(andreas.laser@laserverlag.at) REDAKTION Linda Pezzei, Edina Obermoser, Dolores Stuttner LEKTORAT Heidrun Schwinger<br />

GESCHÄFTSLEITUNG Silvia Laser (silvia.laser@laserverlag.at) MEDIASERVICE Nicolas Paga (nicolas.paga@laserverlag.at) Tel.: +43-1-869 5829-14, Manuel Katsikopoulos (manuel.k@laserverlag.at)<br />

GRAFISCHE GESTALTUNG Andreas Laser DRUCK Bauer Medien & Handels GmbH


<strong>architektur</strong> PEOPLE<br />

4<br />

Inhalt<br />

PEOPLE<br />

Der Name ist Programm<br />

Interview mit Bernhard Schönherr,<br />

Mark Jenewein und Herwig Kleinhapl<br />

LOVE architecture and urbanism<br />

Architektur von Menschen für Menschen<br />

Interview mit Michael Anhammer<br />

Franz&Sue<br />

Frei von Überfluss<br />

Interview mit Armin und Alexander Pedevilla<br />

PEDEVILLA ARCHITEKTEN<br />

Zurückfinden zu einer<br />

ganzheitlichen Planung<br />

Interview mit Architekt Juri Troy<br />

juri troy architects<br />

Architektur bedarf eines<br />

guten Teamworks<br />

Interview mit Architektin Johanna Schuberth<br />

Schuberth und Schuberth<br />

Den Menschen Raum geben<br />

Interview mit Architekt Jakob Dunkl<br />

querkraft<br />

Menschliche Bedürfnisse<br />

erkennen und nutzen<br />

Interview mit Architekturpsychologin Alexandra Abel<br />

Architektur sollte uns<br />

zutiefst berühren<br />

Interview mit Architekt Christoph Pichler<br />

Pichler & Traupmann<br />

Wertschätzender Umgang<br />

mit Bestandsstrukturen<br />

Interview mit Architektin Sandra Gnigler<br />

und Architekt Gunar Wilhelm<br />

mia2 Architektur<br />

Architektur als positive<br />

Befriedigung der Sinne<br />

Interview mit Architektin Barbara Poberschnigg<br />

STUDIO LOIS<br />

Pure Konstruktionen<br />

und Materialehrlichkeit<br />

Interview mit den Architekten Michael Höcketstaller,<br />

Erhard Steiner und Hannes Sampl<br />

dunkelschwarz<br />

6<br />

10<br />

14<br />

20<br />

24<br />

28<br />

32<br />

36<br />

40<br />

44<br />

48


EINE NEUE ART VON BADEZIMMER.<br />

ERFRISCHEND FÜR KÖRPER UND GEIST.


<strong>architektur</strong> PEOPLE<br />

6<br />

LOVE<br />

Der Name<br />

ist Programm<br />

Interview mit LOVE<br />

Interview: Linda Pezzei<br />

Unter dem Namen LOVE architecture and urbanism<br />

vereinen Bernhard Schönherr, Mark Jenewein und<br />

Herwig Kleinhapl die Bereiche Architektur, Städtebau<br />

und Interior design unter einem Dach. Bei allem Tun<br />

steht immer die Passion für die Architektur im Vordergrund,<br />

getrieben von der Herausforderung, punktgenaue<br />

Lösungen für die spezielle Aufgabe zu finden.<br />

© Tamara Frisch


www.<strong>architektur</strong>-online.com<br />

7<br />

LOVE<br />

Als LOVE architecture and urbanism<br />

1998 von Bernhard Schönherr, Mark<br />

Jenewein und Herwig Kleinhapl in<br />

Graz gegründet wurde, taten drei<br />

Freunde einfach das, was sie extrem<br />

gerne tun. Daran hat sich bis heute<br />

nichts geändert. Der Name ist nach<br />

wie vor Programm. Dabei schließen<br />

sich eine präzise, pragmatische und<br />

sachliche Herangehensweise und<br />

Enthusiasmus, gepaart mit Leidenschaft<br />

für die gestellte Aufgabe,<br />

keinesfalls aus. So erwachsen Orte,<br />

entstehen begehbare Formen, entwickelt<br />

sich Atmosphäre. Wie das gelingen<br />

kann, verraten die Köpfe von<br />

LOVE im Interview.<br />

LOVE – die Liebe zur Architektur<br />

und zum Tun: unabdingbar in der<br />

heutigen Zeit?<br />

… nicht nur in der heutigen Zeit, sondern<br />

eigentlich zu jeder Zeit und an<br />

jedem Ort! Ohne die Liebe zum Tun<br />

und ein tiefes Bekenntnis zur Tätigkeit<br />

wird wohl nicht viel gehen!<br />

Hat sich die Architekturbranche in<br />

Ihren Augen in den vergangenen<br />

Jahren gewandelt und wenn ja: wohin<br />

geht die Reise?<br />

Architektur ist natürlich eine tief in<br />

alle gesellschaftlichen, technischen,<br />

ökonomischen und ökologischen<br />

Trends und Rahmenbedingungen<br />

eingebundene Zunft. Damit wandelt<br />

sich auch unsere Branche ständig.<br />

Wir lieben den Umgang mit diesem<br />

Wandel, denn sich ständig ändernde<br />

Kontexte, Beziehungsgeflechte und<br />

Komplexitäten bilden das Rohmaterial<br />

einer kreativen inhaltlichen wie<br />

formalen Auseinandersetzung mit<br />

einem der Fragestellung entsprechenden<br />

Resultat.<br />

Wohin dabei die Reise geht, ist schwer<br />

zu beantworten. Da gibt es natürlich<br />

die Megathemen wie zum Beispiel<br />

CO 2 -neutrales Bauen, leistbares Wohnen,<br />

New Work oder auch technologiegetriebene<br />

Trends wie beispielsweise<br />

BIM. Diese werden uns mit Sicherheit<br />

die nächsten Jahre begleiten.<br />

Aber wie zum Beispiel die Pandemie<br />

oder der Ukrainekrieg jüngst zeigten,<br />

gibt es da auch viel Unvorhergesehenes<br />

und Unvorhersehbares, welches<br />

Wandel rasant einfordert.<br />

Sie realisieren Projekte rund um die<br />

Welt: Wie wichtig ist dabei der jeweilige<br />

Kontext?<br />

Projekt nfw!: Unter dem Motto „Together but Separate!“ vereinten LOVE für einen Eigentümer<br />

zwei Headquarters unterschiedlicher Firmen in einem Gebäude. Yin und Yang im Dialog.<br />

Kontext ist immer King! Denn ohne<br />

den intelligenten Umgang mit den<br />

jeweiligen Rahmenbedingungen entsteht<br />

keine intelligente Architektur.<br />

Arbeiten Sie interdisziplinär mit verschiedenen<br />

(externen) Partnern zusammen<br />

oder sind Sie in-house spezialisiert?<br />

Wir arbeiten sehr gerne und intensiv<br />

mit Partner:innen und Freund:innen<br />

unterschiedlicher Disziplinen zusammen.<br />

Dies bereichert uns und führt<br />

im besten Fall zu Lösungen, die auch<br />

uns selbst überraschen.<br />

Gleichzeitig versuchen wir, möglichst<br />

viele Kompetenzbereiche auch im<br />

eigenen Haus abzudecken. Hierzu<br />

bilden wir einzelne Mitarbeiter:innen<br />

zu ausgesuchten Fachthemen aus,<br />

um eine gewisse Basiskompetenz in<br />

dieser jeweiligen Disziplin im eigenen<br />

Haus zu haben. Idealerweise ist das<br />

entsprechende Team-Mitglied sogar<br />

Treiber einer solchen Vertiefung –<br />

denn hohes Eigeninteresse, Engagement<br />

und Motivation sind die beste<br />

Basis für Enthusiasmus. Allerdings<br />

sind wir einerseits als Büro zu klein,<br />

andererseits ist fachspezifisches Wissen<br />

so komplex, dass wir diese Kompetenz<br />

nicht bis in die Tiefe abdecken<br />

können und wollen.<br />

Wie kreiert man Atmosphäre?<br />

Die schwierigste Frage überhaupt!<br />

Man weiß es nicht!<br />

Wir glauben, am Anfang braucht man<br />

einen mutigen, speziellen und konsequenten<br />

Ansatz, dann muss man immer<br />

wieder neu überzeugen, um die<br />

Reise zu einer unverfälschten Rea-<br />

lisierung durchzustehen. Man muss<br />

auch das Glück haben, dass diese Ideen<br />

einem Reality-Check standhalten.<br />

Außerdem muss das Konzept natürlich<br />

auch andere anstecken können.<br />

Am Ende ist es gelungen, wenn diese<br />

ganz spezielle Art der Zusammenstellung<br />

der Dinge genau in dieser<br />

Umgebung zu einer bezaubernden<br />

Aura führt. … aber wie man das genau<br />

macht … ???<br />

u<br />

© Tamara Frisch<br />

Der „Steg am Wasser“ bereichert den Wasserlandschaftsraum<br />

Dahme in Berlin um ein Wohnhaus, das durch eine großformatige,<br />

acht Meter tiefe, vorgelagerte Steganlage definiert ist.<br />

© Jasmin Schuller


<strong>architektur</strong> PEOPLE<br />

8<br />

LOVE<br />

© Jasmin Schuller<br />

Das Projekt Ragnitzstraße 36 in Graz ist<br />

als Antwort auf die drängende Frage im<br />

Wohnungsbau zu verstehen, relativ günstige,<br />

kleine aber qualitativ hochwertige<br />

Wohnungen zu schaffen.<br />

GARDEN FRAMES: Auf den ehemaligen Siemensgründen in Wien Penzing entstehen qualitativ<br />

hochwertige Wohnungen, umgeben von großzügigen und individuell gestaltbaren Freiräumen.<br />

Kommt der Mensch derzeit bei der Planung<br />

von neuen Projekten oft zu kurz?<br />

Das hängt stark von der Art des jeweiligen<br />

Projekts ab. Grundsätzlich<br />

kann man jedoch sagen, dass in den<br />

letzten Jahren des Baubooms die<br />

menschliche Komponente eher stiefmütterlich<br />

behandelt werden konnte,<br />

da unabhängig vom Preis ein Verkauf<br />

letztlich kein Problem darstellte.<br />

Perfekte Rahmenbedingungen für<br />

viel actio und wenig ratio.<br />

Daher waren die letzten Jahre sicherlich<br />

gut für den Geldbeutel<br />

(auch für unseren eigenen), aber<br />

eher weniger gut für die Architektur<br />

oder den Städtebau an sich.<br />

Die Chancen, dass sich dies nun wieder<br />

ändert, stehen allerdings zum<br />

Glück recht gut.<br />

Ein Projekt, das Ihre Herzen im<br />

Sturm erobert hat?<br />

Wir sind ein großes Team und daher<br />

gibt es auch sehr viele solcher<br />

Sturm-Projekte. Zentral aber ist, dass<br />

solche Projekte nicht nur im Hier und<br />

Jetzt zu suchen beziehungsweise zu<br />

finden sind. Historisch phantastisch<br />

zum Beispiel sind Abu Simbel, Ankor<br />

Vat, Palmyra, San Antimo oder auch<br />

Sanaa – da findet sich ganz vieles bis<br />

heute. Besonders interessant aber<br />

finden wir immer Architektur, welche<br />

© Hans Georg Esch<br />

zum Ausdruck einer bestimmten (gesellschaftlichen)<br />

Aufbruchstimmung<br />

wurde. Architektur als Repräsentant<br />

für beispielsweise gesellschaftlichen,<br />

politischen oder technologischen<br />

Wandel. Nicht jedes dieser Modelle<br />

überlebte seine Zeit, manche dieser<br />

einstig gefeierten „Aufbruchssymbole“<br />

werden auch aus heutiger Sicht<br />

als fatale Fehlentwicklung beurteilt<br />

– man nehme nur Le Corbusiers Gedanken<br />

zur autogerechten Stadt „Ville<br />

Contemporaine“. Interessant und<br />

voller Kraft ist allerdings die Schärfe,<br />

Innovationskraft, Konsequenz, Stringenz<br />

und vor allem der mitreißende<br />

Optimismus derjenigen, welche fest<br />

an ihre Zukunft glauben. Und ums<br />

„Dran Glauben“ geht es schlussendlich<br />

– glauben wir.<br />

Ein zukünftiges (Wunsch-)Projekt, in<br />

das Sie sich Hals über Kopf verlieben<br />

möchten?<br />

Am liebsten würden wir uns dauernd<br />

und immer wieder Hals über Kopf<br />

verlieben!<br />

Geprägt von sich überlagernden<br />

Strukturen in Form von Geschossebenen,<br />

netzartigem Außentragwerk und<br />

innenliegenden Kernen gestalteten<br />

LOVE eine flexible Bürolandschaft für<br />

den Netzbetreiber 50hertz in Berlin.


www.<strong>architektur</strong>-online.com<br />

9<br />

Smartvoll<br />

grenzen<br />

los<br />

planen.<br />

Individuelle Steine nach Ihren Ideen.<br />

PARTNER FÜR OBJEKTGESTALTER<br />

Mit dem umfassenden Standardsortiment und individuellen Sonderproduktionen bei Farben und Formaten eröffnen Friedl Steinwerke neue Möglichkeiten<br />

in der Gestaltung von Dachterrassen, Balkonen und Plätzen. Wir stehen für Beratung und Bemusterung gerne bereit: anfrage@steinwerke.at<br />

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© liv.at / Fotograf: nunofoto.com<br />

Projekt Liv an der Alten Donau<br />

Terrassenplatte LIV29 nebel<br />

© Dimitar Gamizov


<strong>architektur</strong> <strong>FACHMAGAZIN</strong><br />

10<br />

Franz&Sue<br />

Architektur von<br />

Menschen für Menschen<br />

Interview mit Michael Anhammer von Franz&Sue<br />

Interview: Linda Pezzei<br />

Michael Anhammer, geschäftsführender<br />

Gesellschafter und Partner des<br />

Wiener Architekturbüros Franz&Sue,<br />

spricht im Interview darüber, wie wichtig<br />

es ist, die Bauherr:innen auf die gemeinsame<br />

Reise mitzunehmen, welche<br />

Vorteile und Herausforderungen ein<br />

internationales Team mit sich bringt<br />

und welches Potenzial der Bildungsbau<br />

in Österreich noch zu bieten hat.<br />

Franz&Sue stehen für eine Architektur<br />

für die Nutzer:innen, die Veränderung<br />

aushalten kann und Adaptionsfähigkeit<br />

zeigen muss.<br />

© Franz&Sue/Paul Bauer<br />

Bevor „Franz“ und „Sue“ 2017 in<br />

fester Liaison zusammenfanden,<br />

kannten sich die fünf Gründer<br />

Christian Ambos, Michael Anhammer,<br />

Robert Diem, Harald Höller und<br />

Erwin Stättner bereits aus dem Architekturstudium<br />

an der TU Wien.<br />

Die Quintessenz ihrer legendären<br />

Fight-Club-Diskussionen gipfelte<br />

in der Erkenntnis, dass die beiden<br />

bis dato eigenständigen Unternehmen<br />

nicht nur deren architektonische<br />

Her angehensweise verbindet,<br />

sondern auch ihr Engagement für<br />

Baukultur. Seit 2018 arbeitet das internationale<br />

Team gemeinsam mit<br />

anderen Kreativen im selbst entwickelten,<br />

finanzierten, geplanten und<br />

errichteten „Stadtelefanten“ – einem<br />

Bürogebäude gleich neben dem Wiener<br />

Hauptbahnhof. Die Architektur<br />

von Franz&Sue ist dabei klar, radikal<br />

und nachhaltig. Im Blickpunkt liegt<br />

die Relevanz abseits der Mode – gebaut<br />

wird für den Menschen, nicht<br />

für Prestige oder Trends.


www.<strong>architektur</strong>-online.com<br />

11<br />

Franz&Sue<br />

Was sind für Sie essenzielle Fragen,<br />

die Sie jeder Bauherrin und jedem<br />

Bauherren stellen, bevor Sie eine Kooperation<br />

starten – und warum?<br />

Bevor wir eine Kooperation eingehen,<br />

eröffnen wir den Dialog mit den<br />

Auftraggeber:innen, freuen uns über<br />

deren starke Meinungen und ein gedankliches<br />

Ping-Pong-Spiel – denn<br />

Kommunikation ist keine Einbahnstraße.<br />

Wir haben gelernt, dass ein<br />

genaues Zuhören wichtig ist und<br />

sind davon überzeugt, dass Architektur<br />

nur dann wirklich gut werden<br />

kann, wenn etwas Gemeinsames<br />

entsteht. Dieser interaktive Prozess<br />

auf Augenhöhe braucht Zeit, ist aber<br />

notwendig, denn wir sind nicht nur<br />

Dienstleister. Am Anfang bitten wir<br />

die Auftraggeber:innen, uns in eigenen<br />

Worten das Projekt zu erzählen<br />

und uns zu verraten, was ihnen<br />

wichtig ist. Dabei erfahren wir die<br />

wesentlichen Aspekte, die Bedürfnisse<br />

der Nutzerinnen und Nutzer<br />

– abseits des Raumprogramms und<br />

gesetzlicher Vorgaben. In schwierigen<br />

Phasen kann ich meine Notizen<br />

hervorholen, mich auf das Gespräch<br />

zurückbesinnen und mich wieder auf<br />

das Wesentliche konzentrieren.<br />

Schon lange miteinander bekannt,<br />

sind Franz und Sue erst seit 2017 fest<br />

liiert – welche Herausforderungen<br />

und Chancen lagen/liegen in Ihrem<br />

Bürokonzept?<br />

Wenn zwei Unternehmen zusammenwachsen<br />

ist das so, wie wenn ein<br />

Pärchen zwei Haushalte zusammenlegt.<br />

Zwei Identitäten treffen aufeinander,<br />

zwei Herangehensweisen.<br />

So sehr wir uns auch in den Unter-<br />

Stadtelefant: Das Bürogebäude und Kreativcluster im Wiener Sonnwendviertel ist ein Pionierprojekt<br />

und Arbeits-, Denk- und Vernetzungsort inmitten der Stadt.<br />

nehmenswerten geähnelt haben, so<br />

unterschiedlich waren teils doch unsere<br />

Arbeitsroutinen und Lösungsstrategien.<br />

Wir haben voneinander<br />

gelernt und uns auf vielen Ebenen<br />

weiterentwickelt. Ein Erfolgsfaktor<br />

unseres Bürokonzepts ist bis heute<br />

diese Vielfältigkeit. In den vergangenen<br />

Jahren haben wir uns mehr als<br />

verdoppelt, es sind viele Leute aus<br />

unterschiedlichen Berufsfeldern wie<br />

Grafik, Controlling oder Projektmanagement<br />

hinzugekommen. Knapp<br />

100 Personen aus 18 Nationen arbeiten<br />

jetzt bei Franz&Sue. Da prallen<br />

auch unterschiedliche Backgrounds<br />

und Kulturen aufeinander. Dieses<br />

Wachstum schafft Komplexität und<br />

bedeutet, Gewohntes hinter sich zu<br />

lassen, die Komfortzone zu verlassen.<br />

Da geht es gar nicht anders, als uns<br />

täglich diesen Herausforderungen<br />

zu stellen, neue Herangehensweisen<br />

zuzulassen und bewusst nicht nur im<br />

eigenen Saft zu schmoren.<br />

Inwieweit hat der von Ihnen konzipierte<br />

„Stadtelefant“ als Quartiershaus<br />

und Architekturcluster Leuchtturmcharakter<br />

und welche konkreten Synergien<br />

entstehen im Alltag?<br />

Wir sind sehr stolz darauf, dass sich<br />

das Lokal im Erdgeschoss, „Mimi im<br />

Stadtelefant“, zu einem Magnet im<br />

Sonnwendviertel entwickelt hat. Auf<br />

unserem Vorplatz ist den ganzen<br />

Tag was los – Vorträge und Veranstaltungen,<br />

Konzerte und Kabaretts.<br />

Am Abend trifft man sich mit Kolleg-<br />

Innen aus anderen Büros, die gerade<br />

in der Nachbarschaft zugezogen<br />

sind. Diese Öffentlichkeit ist unser<br />

Beitrag fürs Quartier und war uns bei<br />

der Planung wichtig. Es macht sehr<br />

viel Freude, dass auch das Konzept<br />

des Architekturclusters so aufgegangen<br />

ist. Wir können mal schnell bei<br />

Brandschutzplaner:in oder Statiker:in<br />

vorbeischauen, uns mit A-NULL über<br />

BIM austauschen – eine sehr inspirierende<br />

Arbeitsatmosphäre. u<br />

© Franz&Sue/Andreas Buchberger<br />

© Franz&Sue/Louai Abdul Fattah<br />

Stadtelefant


<strong>architektur</strong> PEOPLE<br />

12<br />

Franz&Sue<br />

© Franz&Sue/Hertha Hurnaus © Franz&Sue/Hertha Hurnaus<br />

Volksschule und Neue Mittelschule Leoben: Dank eines intensiven Partizipationsprozesses mit allen Beteiligten wurde aus einem dunklen, nicht mehr<br />

zeitgemäßen Schulzentrum ein heller, freundlicher Ort der Begegnung, des gemeinsamen, selbstbestimmten und flexiblen Lehrens und Lernens.<br />

Sie nehmen oft und gerne an Architekturwettbewerben<br />

teil – wo sehen<br />

Sie hier strukturell noch Optimierungspotenzial<br />

und kann sich das<br />

jedes Büro leisten?<br />

Für Architekturwettbewerbe ist ein<br />

ganz eigenes Know-how gefragt, das<br />

kann man innerhalb einer großen<br />

Struktur besser weiterentwickeln.<br />

Seit der Hochzeit vor fünf Jahren<br />

konnten wir ein breit aufgestelltes<br />

Team von 15 Personen aufbauen,<br />

das ausschließlich an den Wettbewerbsaufgaben<br />

tüftelt. Uns diese<br />

Struktur zu leisten, ist eine bewusste<br />

Entscheidung. Die Wettbewerbsabteilung<br />

steht bei uns im Zentrum<br />

des Büros und ist keine Randerscheinung.<br />

An unserem zweiten<br />

Standort im Sonnwendviertel, dem<br />

Franz&Sue-Studio, können wir auch<br />

in unserer Werkstatt besser an Modellen<br />

arbeiten und uns gegenseitig<br />

challengen. Das kann man wie einen<br />

internen Fight Club verstehen, in<br />

dem wir halbfertige Projekte diskutieren<br />

und unterschiedliche Ideen in<br />

Konkurrenz stehen. Nach so vielen<br />

Wettbewerbsteilnahmen hat sich<br />

aber auch eine gewisse Routine eingestellt,<br />

die gilt es immer wieder bewusst<br />

zu durchbrechen. Wir suchen<br />

jetzt die Vielfalt, neue Gebäudetypen,<br />

bei denen wir noch nicht so routiniert<br />

sind, wie Kultur- oder Gesundheitsbauten.<br />

Ein Weg, der uns frisch<br />

hält. Vor Kurzem haben wir etwa<br />

unseren ersten Krankenhausneubau<br />

gewonnen, das war eine echte Freude<br />

und wird in der Planung eine neue<br />

schöne Herausforderung.<br />

Volksschule Angedair in Landeck<br />

Neben Wohnen, Interior und öffentlichen<br />

Gebäuden liegt ein Schwerpunkt<br />

Ihrer Planungsarbeit auf Bildungsbauten<br />

– wie kam es dazu und<br />

was macht dieses Feld so spannend<br />

und wichtig für Architekt:innen?<br />

In Österreich sind Bildungsbauten ein<br />

großes Aufgabenfeld, das auch sehr<br />

ernst genommen wird – es gibt ambitionierte<br />

Auslobungen mit fairen Auftragsversprechungen<br />

und hochkarätigen<br />

Jurys, nicht nur von der BIG,<br />

sondern auch von kleineren Gemeinden.<br />

Das gab uns die Möglichkeit,<br />

Haltung zu entwickeln, zu wachsen<br />

und zu zeigen, was wir können. Über<br />

Bildungsbauten haben wir uns etabliert,<br />

sie geben uns jetzt die Möglichkeit,<br />

an größeren Bewerbungsverfahren<br />

teilzunehmen. Was so spannend<br />

an Bildungsbauten ist? Sie sind Orte<br />

der wirklichen, realen Begegnung,<br />

gebaut für die nächsten Generationen.<br />

Diese Orte müssen gut funktionieren<br />

und angstfreie Lernlandschaften<br />

ermöglichen. Da unseren kleinen<br />

gesellschaftspolitischen Beitrag zu<br />

leisten, ist uns ein Anliegen.<br />

Wird Ihrer Meinung nach in Österreich<br />

genug für den Raum für Bildung<br />

getan oder fühlen Sie sich als<br />

Architekten eher alleingelassen?<br />

In den vergangenen Jahren hat sich<br />

ein spannender Diskurs entwickelt,<br />

Planer:innen haben gute Antworten<br />

geliefert, die auch gebaut worden<br />

sind. Hier sind wir zum Beispiel weiter<br />

als in Deutschland, wenn wir etwa<br />

an die Vielfalt an Clusterschulen denken.<br />

Wertschätzung ist vorhanden,<br />

auch das Budget für den Bau. Was in<br />

Österreich immer wieder fehlt, ist das<br />

Budget für den laufenden Betrieb.<br />

Für pädagogische Konzepte ist kaum<br />

Geld vorhanden, auch kein Sach-<br />

© Franz&Sue/Lukas Schaller


www.<strong>architektur</strong>-online.com<br />

13<br />

Franz&Sue<br />

budget. Wir bauen zukunftsweisende<br />

Schulen und dann kann sich das<br />

Personal oft nicht mal eine Kaffeemaschine<br />

leisten – das System erzeugt<br />

gute Schulen, die quasi brachliegen.<br />

Hier müsste man österreichweit investieren,<br />

ins Personal und ins Sachbudget,<br />

in Ganztageskonzepte für<br />

Kindergärten und Elementarschulen.<br />

Davon hängt gesellschaftlich wahnsinnig<br />

viel ab.<br />

Welches räumliche Potenzial schlummert<br />

noch in unseren bestehenden<br />

Bildungsbauten oder muss es immer<br />

der Neubau sein und welchen Einfluss<br />

kann die Architektur in Ihren Augen in<br />

Bezug auf die Motivation, Lernfähigkeit<br />

und Stressresistenz von Jugendlichen<br />

und Kindern haben?<br />

Ein großes Thema ist das Bauen im<br />

Bestand, das Weiterentwickeln von<br />

Kasernen zu Orten des offenen Lernens.<br />

Es ist nachhaltiger, bereits gebaute<br />

Substanz weiterzuverwenden.<br />

Auch stehen die Schulen meist schon<br />

am richtigen Ort, wo sie benötigt werden.<br />

Oft braucht es gar nicht so viel,<br />

um neue Bereiche zu schaffen. Typisch<br />

für alte Häuser ist zum Beispiel,<br />

dass sie keine gemeinsame Mitte haben<br />

– die klassische Gangschule hat<br />

keinen Ort, wo sich die Schule als Gemeinschaft<br />

wahrnimmt oder finden<br />

kann. Beim Bildungszentrum Leoben<br />

konnten wir durch eine zentrale Stiege<br />

einen hellen Ort der Begegnung<br />

generieren. Dazu gilt es, die Hermetik<br />

der Klassenräume aufzubrechen,<br />

Sichtbeziehungen zu schaffen sowie<br />

uneinsichtige Orte und den Rest von<br />

schwarzer Pädagogik zu verbannen.<br />

Genau dieses Konzept verfolgen wir<br />

auch beim ehemaligen Orthopädischen<br />

Spital Gersthof, das wir gerade<br />

in eine Schule umbauen. Wenn die Architektur<br />

die Kinder wertschätzend<br />

behandelt, macht das was mit ihnen<br />

– das Klima wird entspannter, achtsamer,<br />

sie sind stolz auf ihre Schule und<br />

fühlen sich gut aufgehoben. Gute Bildungsorte<br />

sind hell, offen und geben<br />

auch Raum fürs Toben und Laut-Sein.<br />

Ein spannendes Projekt, das Sie<br />

gerade beschäftigt oder ein „Problem“,<br />

das Sie vor Kurzem erfolgreich<br />

lösen konnten?<br />

Gemeinsam mit ARGE-Partner Schenker Salvi Weber realisieren<br />

Franz&Sue den Neubau der Berliner Stadtreinigung am Südkreuz.<br />

Wir sind gerade an zwei ganz unterschiedlichen<br />

Orten mit spannenden<br />

Aufgaben beschäftigt. So setzen wir<br />

an einem Berliner Verkehrsknotenpunkt,<br />

dem Südkreuz, einen Schlussstein<br />

eines Stadtteilzentrums. Gemeinsam<br />

mit Schenker Salvi Weber<br />

entwickeln wir den Neubau der Berliner<br />

Stadtreinigung, ein sehr inspirierendes<br />

Projekt. Deutschland hat<br />

zwar fast dieselbe Sprache, aber im<br />

Detail doch ein anderes Planungsprozedere<br />

als wir – eine Herausforderung,<br />

der wir uns gerne stellen.<br />

Außerdem sitzen wir gerade an unserem<br />

ersten Krankenhausneubau.<br />

Viele Fragestellungen sind da ähnlich<br />

zu denen, die wir aus dem Schulbau<br />

kennen. Wir freuen uns, unsere Expertise<br />

auf dem Gebiet der „Healing<br />

Architecture“ weiterzuentwickeln. •<br />

www.franzundsue.at<br />

© Franz&Sue & Schenker Salvi Weber<br />

© Franz&Sue & Schenker Salvi Weber


<strong>architektur</strong> PEOPLE<br />

14<br />

PEDEVILLA ARCHITEKTEN<br />

Frei von<br />

Überfluss<br />

Interview mit Armin und Alexander Pedevilla<br />

Interview: Linda Pezzei Fotos: Gustav Willeit<br />

„Wir bauen mit lokalen Materialien, mit lokalen Handwerker:innen<br />

und den Charakteren der Menschen, die hier leben.<br />

Es ist keine intellektuelle, sondern eine emotionale Angelegenheit:<br />

Wir wollen unseren Projekten die Möglichkeit geben,<br />

in Würde zu altern.“ Für pedevilla architekten bedeutet das<br />

Bauen einen bewussten Umgang mit sozialen, kulturellen,<br />

ökonomischen und ökologischen Komponenten des alltäglichen<br />

Lebens. Dabei spielt die Einbindung eines Gebäudes in<br />

vorhandene örtliche Strukturen eine ebenso große Rolle, wie<br />

das Eingehen auf die jeweiligen Temperatur- und Klimaeinflüsse.<br />

In diesem Zusammenhang wird das Thema der Konsistenz<br />

zum wichtigen Faktor bei planerischen Entscheidungen.


www.<strong>architektur</strong>-online.com<br />

15<br />

PEDEVILLA ARCHITEKTEN<br />

„Uns geht es um die Kreisläufe der<br />

verwendeten Materialien, deren Haltbarkeit<br />

und Lebensdauer, aber auch<br />

um überlieferte Methoden der traditionellen<br />

Handwerkskunst, um verloren<br />

geglaubtes Wissen; vor allem aber<br />

darum, dass Materialien leben.“ Armin<br />

und Alexander Pedevilla betreiben<br />

ein international ausgerichtetes Architekturbüro<br />

in einem Ansitz aus<br />

dem 15. Jahrhundert im Zentrum der<br />

Stadt Bruneck. Mit ihrem Schaffen<br />

verfolgen die Architekten das Prinzip<br />

der Konsistenz, das auf der Wertbeständigkeit<br />

und -erhaltung von vorhandenen<br />

Strukturen oder lokalen<br />

Gegebenheiten beruht. Die daraus resultierenden<br />

Entwürfe stehen jeweils<br />

für sich und werden zurecht regelmäßig<br />

mit international anerkannten Architekturpreisen<br />

ausgezeichnet.<br />

Haben Sie schon immer gewusst,<br />

dass Sie Architekten sein wollen<br />

bzw. wann und wie wurde der Beruf<br />

zur Berufung?<br />

Alexander Pedevilla: Tatsächlich<br />

hatte ich schon als Kind die fixe Idee,<br />

Architekt zu werden, obwohl ich keine<br />

Ahnung hatte, was ein Architekt<br />

ist. Während meiner Schulzeit entwickelte<br />

sich diese anfängliche Idee zu<br />

der festen Überzeugung, Architektur<br />

zu studieren. Vor allem während meiner<br />

Pflichtschulzeit hatten wir Lehrer,<br />

die meinen Enthusiasmus und<br />

meine Begeisterung für das Bauen<br />

bestärkt haben.<br />

Armin Pedevilla: Ich komme ja eigentlich<br />

aus dem Maschinenbau. Als Alex<br />

dann Architektur in Graz studierte, hat<br />

mich das schlussendlich dazu inspiriert,<br />

denselben Weg einzuschlagen.<br />

Sie haben nach Ihrem Studium in<br />

Graz eigene Büros in Österreich<br />

eröffnet – was hat den Ausschlag<br />

gegeben, in der Heimat Südtirol gemeinsame<br />

Sache zu machen?<br />

Armin Pedevilla: 2004, während eines<br />

Urlaubs in der Heimat, hatten<br />

Alex und ich die Chance, an einem<br />

öffentlichen Wettbewerb teilzunehmen<br />

– den wir dann auch gewinnen<br />

konnten. Das war der Beginn unserer<br />

gemeinsamen Reise. Vielleicht war es<br />

vorherbestimmt, genau zu dieser Zeit<br />

am selben Ort zu sein und die Gelegenheit<br />

zu ergreifen, gemeinsam an<br />

diesem Wettbewerb zu arbeiten. Oder<br />

vielleicht haben wir, ohne es zu wissen,<br />

einfach nur das Potenzial gespürt, das<br />

wir als Team haben, und uns auf diese<br />

besondere Reise begeben.<br />

Alexander Pedevilla: Ich würde auch<br />

sagen, dass die Zeit einfach reif war,<br />

es gemeinsam zu versuchen.<br />

Sie bauen bevorzugt mit lokalen Materialien<br />

und lokalen Handwerksbetrieben<br />

– welche Herausforderungen<br />

und Chancen bringt das mit sich?<br />

Armin Pedevilla: Ein Haus ist das<br />

Ergebnis von Teamarbeit, eines Prozesses,<br />

in den viel Fachwissen, Motivation,<br />

Hingabe und Stolz aller im<br />

Prozess involvierten Menschen mit<br />

einfließt. Da die Handwerker:innen<br />

einen wichtigen Teil der Südtiroler<br />

Gesellschaft ausmachen, drückt ihre<br />

Arbeit ein Stück weit jene regionalen<br />

Werte und die Kultur aus, die für die<br />

Bevölkerung auch identitätsstiftend<br />

sind. Es sind die lokalen Charaktere,<br />

die das Bauen prägen, aber für uns<br />

als Architekturbüro sind es auch<br />

die lokalen Charaktere, die ein Bild<br />

von vertrauten Räumen, Materialien,<br />

Oberflächen, Motiven oder Ausdrücken<br />

haben. Es bietet sich die Chance,<br />

diese tiefen Bilder und oft unbewussten<br />

Erinnerungen zum Leben<br />

zu erwecken. „Bauen mit Einheimischen“<br />

bedeutet also, nicht nur physisch<br />

zusammenzuarbeiten, sondern<br />

auf einer Metaebene zu denken und<br />

Kultur mit dem physisch Greifbaren<br />

zu verbinden. Soziale Akzeptanz und<br />

der Drang, das Gebäude am Ende zu<br />

pflegen, werden durch einen emotionalen<br />

Zugang über Materialität und<br />

Atmosphären geschaffen.<br />

Alexander Pedevilla: Wir arbeiten<br />

genau dort, wo sich der deutsche und<br />

der italienische Kulturraum treffen<br />

und überschneiden. Pedevilla ist ein<br />

rätoromanischer Name, unsere Muttersprache<br />

ist Deutsch. Unsere Mentalität<br />

verbindet kulturell gesehen<br />

das Tirolerische und das Italienische.<br />

Das manifestiert sich gewissermaßen<br />

in der Südtiroler Architekturszene:<br />

Sie hat eine eigensinnige und eigenständige<br />

Komponente – auch wenn<br />

sie nicht mit dem Selbstverständnis<br />

der Schweizer zum Beispiel vergleichbar<br />

ist. Wirtschaftlich gesehen<br />

hat die Alpenregion einen Boom im<br />

Bergtourismus und in der Gastronomie<br />

erlebt. In Verbindung mit dem<br />

großen Unternehmergeist der Bevölkerung<br />

hat dies zur Entwicklung<br />

des gesamten Gebiets beigetragen.<br />

Es hat eine Region, die bis vor fünfzig<br />

Jahren sehr arm war, in eine an<br />

Möglichkeiten reiche Region verwandelt.<br />

Hier wird viel mehr gebaut als in<br />

anderen Teilen Italiens. In den Alpen<br />

gibt es wunderschöne Dörfer und<br />

Schlösser, aber die architektonische<br />

Tradition ist nicht so reichhaltig wie<br />

im übrigen Italien. Allerdings gibt es<br />

eine unglaublich alte Tradition des<br />

Handwerks. In vielen Tälern hat man<br />

sich auf bestimmte Gewerke spezialisiert<br />

und das Wissen über Jahrhunderte<br />

hinweg weitergegeben und<br />

entwickelt. Das macht sie zu Experten<br />

im Bauen und Herstellen. Diese<br />

Situation macht uns experimentierfreudig<br />

und motiviert uns gleichzeitig,<br />

neue Architektur zu schaffen, bei<br />

der wir wissen, dass es einige sehr<br />

erfahrene und motivierte Teams gibt,<br />

die sie bauen können, auch wenn sie<br />

ein Stück weit Pionierarbeit bedeutet.<br />

Armin Pedevilla: Für unsere Art, Architektur<br />

zu schaffen, sind das Material<br />

und seine Ausstrahlung sehr<br />

wichtig. Für jedes Projekt versuchen<br />

wir herauszufinden, welches das ideale<br />

Material ist, das zum Ort, zur Aufgabe<br />

und auch zum Charakter des<br />

Bauherren passt. Wir versuchen, mit<br />

Materialien nach ihren konstruktiven<br />

Regeln zu arbeiten, um das Beste aus<br />

ihnen herauszuholen und sie zu verstärken,<br />

wobei wir immer darauf achten,<br />

wie sich die Materialien im Laufe<br />

der Zeit verhalten.<br />

u<br />

Haus G


<strong>architektur</strong> PEOPLE<br />

16<br />

PEDEVILLA ARCHITEKTEN<br />

Chalet La Pedevilla<br />

Bad Schöngau<br />

Zu welchem Zeitpunkt kommt das<br />

Thema Konsistenz im Planungsprozess<br />

zum Tragen?<br />

Armin Pedevilla: Die Konsistenz als<br />

die Freiheit von Widersprüchen, also<br />

im Grunde auch die Konsequenz,<br />

begleitet uns als Planungsziel von<br />

Anfang an. Wir wollen, dass unsere<br />

Bauten im Einklang mit sich selbst,<br />

seinen Nutzer:innen, der Kultur und<br />

den regionalen Werten, mit der Natur,<br />

aber auch mit der Geschichte stehen.<br />

Alexander Pedevilla: Gleichzeitig gilt<br />

es, technologische Errungenschaften<br />

vernünftig zu nutzen. Dann sehen<br />

wir dahinter ein sehr großes Potenzial,<br />

wirklich nachhaltig zu bauen.<br />

Wenn Technologien intelligent genutzt<br />

werden, können sie viele Vorteile<br />

haben. Wenn nicht, dann bringen<br />

sie mitunter auch viele Nachteile<br />

mit sich.<br />

Armin Pedevilla: Die Tradition lehrt<br />

es uns zum Beispiel, dass insbesondere<br />

Steinhäuser ein wunderbar<br />

konstantes und natürliches Raumklima<br />

haben – energetisch gesehen<br />

musste den Bauten dabei meist ein<br />

mangelhaftes Zeugnis ausgestellt<br />

werden. Durch die technologische<br />

Entwicklung von Materialien wie<br />

Dämmbeton haben wir nun allerdings<br />

die Möglichkeit, wieder ein<br />

Haus aus Stein zu bauen, dessen<br />

große Speichermasse zu aktivieren<br />

und es währenddessen trotzdem zu<br />

dämmen – energetisch auf dem allerneuesten<br />

Stand – und das mit nur<br />

einem Material, ohne viele Schichten<br />

oder komplizierte Anschlüsse. Noch<br />

so ein Beispiel wäre die Sache mit<br />

den Verglasungen: Waren Fenster<br />

früher energetische Schwachstellen,<br />

über die man Wärme verloren hat<br />

und die man daher möglichst klein<br />

hielt, so haben wir durch die technologische<br />

Entwicklung die Möglichkeit<br />

bekommen, Fenster heute als etwas<br />

ganz anderes zu verstehen und<br />

zu nutzen. Wir können heute größere<br />

Öffnungen setzen, die das Außen<br />

und das Innen viel besser miteinander<br />

kommunizieren lassen, viel mehr<br />

Licht ins Haus bringen und darüber<br />

hinaus noch für einen solaren Wärmeeintrag<br />

sorgen – vorausgesetzt,<br />

im Inneren ist ausreichend Speichermasse<br />

für diese Wärme vorhanden<br />

und das Verhältnis zwischen Wand<br />

und Öffnung stimmt.<br />

Alexander Pedevilla: Am Ende geht<br />

es ja auch darum, sich vom Überfluss<br />

zu befreien, das Einfache herauszuholen<br />

und das Wertvolle zu präsentieren.<br />

Es ist die Suche nach einer<br />

Art von Reinheit. Die Konzepte und<br />

Themen über das gesamte Projekt<br />

nur mehr zu verfeinern, aber nicht<br />

zu verwässern. Vielleicht kann man<br />

am Ende auch den abgedroschenen<br />

Begriff der Nachhaltigkeit als so etwas<br />

wie die Konsistenz im Planungsprozess<br />

betrachten. Immerhin begleitet<br />

er uns als eines der obersten<br />

Projektziele von Anfang bis Ende.<br />

Für uns bedeutet Nachhaltigkeit allerdings<br />

nicht primär, physikalisch<br />

berechnete Kennwerte einzuhalten,<br />

sondern vielmehr Gebäude zu schaffen,<br />

die über lange Zeiträume hinweg<br />

erhalten und gepflegt werden.<br />

Unsere Philosophie ist es, Bauwerke<br />

zu schaffen, die emotional berühren.<br />

Denn Wertschätzung bedeutet<br />

schlussendlich Werterhaltung.<br />

Das ist auch gar nicht neu, sondern<br />

entspricht einer uralten bäuerlichen<br />

Tradition, die man in Südtirol und an<br />

vielen anderen Orten in den Alpen<br />

seit Jahrhunderten kennt. Von jeher<br />

wurden Häuser für lange Zeiträume<br />

entwickelt, von den nachfolgenden<br />

Generationen gepflegt und – sofern<br />

nötig – angepasst.<br />

Mit alternden Materialien zu bauen<br />

erfordert einiges an Erfahrung und<br />

Know-how – woraus ziehen Sie Ihr<br />

Wissen bzw. arbeiten Sie generell<br />

disziplinübergreifend?<br />

Alexander Pedevilla: Wir müssen<br />

Traditionen verstehen, sie hinterfragen<br />

und schauen, ob die Nachteile<br />

historischer Bauweisen schon positive<br />

Entwicklungen zur Folge hatten,<br />

welche die Baukultur der Gegenwart<br />

langfristig beeinflussen könnten. Das<br />

gilt es zu verstehen. Dinge, die immer<br />

schon gut funktioniert haben und<br />

genauso noch funktionieren, sollten


www.<strong>architektur</strong>-online.com<br />

17<br />

PEDEVILLA ARCHITEKTEN<br />

erhalten bleiben und nicht zwanghaft<br />

mit Industrieprodukten oder<br />

beschichteten Oberflächen ersetzt<br />

werden. Das tötet die Materialien ab.<br />

Aus kultureller Sicht war ja die Bedeutung<br />

der Erhaltung der Landschaft in<br />

den Alpen schon immer sehr präsent.<br />

Unser Gebiet besteht nicht aus großen<br />

städtischen Zentren, sondern<br />

aus kleinen Städten und Dörfern, die<br />

von der Natur umgeben sind. Dies<br />

führt glücklicherweise dazu, dass die<br />

Bevölkerung ein großes Gefühl der<br />

Verbundenheit und Verantwortung<br />

für ihr Gebiet empfindet. Das lässt<br />

der Tradition genügend Raum. Der<br />

Reichtum an Naturmaterialien und<br />

die Tradition des Handwerks stehen<br />

doch in einer singulären Beziehung<br />

zueinander, sodass wir Architekten<br />

auch vom Material-Know-how und<br />

der Erfahrung alteingesessener Betriebe<br />

profitieren können. Die Handwerker:innen<br />

sind wie gesagt oft<br />

unglaublich innovativ. Das wirkt sich<br />

sicherlich positiv auf die Qualität der<br />

architektonischen Produktion der<br />

Region aus.<br />

Armin Pedevilla: Nicht zuletzt konnten<br />

wir in der langjährigen Praxis<br />

auch selbst beobachten, welche Materialien<br />

in welchem Kontext am besten<br />

funktionieren. Vor allem die Regeln<br />

des materialgerechten Bauens<br />

sind uns bei unseren prototypischen<br />

Konstruktionen ein guter Freund. Worauf<br />

wir uns verlassen können, sind<br />

Logiken und Regeln in Bezug auf das<br />

Konstruieren mit Naturmaterialien<br />

am jeweiligen Ort. Diese Grundsätze<br />

basieren auf Erfahrung und sind oft<br />

viele Jahrhunderte alt. Man pflegt sie<br />

wie eine Sprache mit riesigem Wortschatz.<br />

Die Industrie hingegen bietet<br />

zunehmend Produkte an – seien es<br />

Beschichtungen oder vermeintlich<br />

einfachere Konstruktionen –, die<br />

nach neuen Regeln spielen, die global<br />

beliebig anwendbar werden. Dadurch<br />

geht jedoch viel regionales Wissen –<br />

und damit ein wichtiges Stück Baukultur<br />

– verloren.<br />

pedevilla architekten: das beste Beispiel,<br />

dass herausragende und international<br />

anerkannte Architektur<br />

keine Dependancen rund um den<br />

Globus braucht?<br />

Armin Pedevilla: Interessant ist, dass<br />

die meisten Studierenden, die vom<br />

Ciasa<br />

Land kommen, nach ihrem Studium<br />

die großen Büros in der Stadt suchen,<br />

weil ein gewisser Drang nach Veränderung<br />

da ist. Der Bedarf und viele<br />

Potenziale liegen aber unumstritten<br />

in der Region, am Land. Kultur und<br />

Herkunft nehmen immer mehr an<br />

Bedeutung zu. Durch die Globalisierung<br />

geht schließlich ein Teil unserer<br />

ländlichen Kultur verloren. Dort gezielt<br />

einzugreifen und unsere Wurzeln<br />

weiterleben zu lassen, erfordert<br />

erheblichen Einsatz und bietet viele<br />

Möglichkeiten. Wir wollen im Lokalen<br />

unserer Arbeit nachgehen, die<br />

Menschen vor Ort verstehen, ihre<br />

Vergangenheit studieren und ihre<br />

Zukunft neu denken. Dass uns das<br />

immer wieder gelingt, zeigen uns die<br />

vielen Auszeichnungen und Anerkennungen,<br />

die wir für unsere Arbeit<br />

erhalten dürfen. Das ehrt uns sehr<br />

und ermutigt gleichzeitig, mit unserer<br />

Haltung weiterzumachen. Wir<br />

sind sehr dankbar dafür, diese Erfahrungen<br />

machen zu dürfen.<br />

Alexander Pedevilla: Verglichen mit<br />

einem Marathonlauf kann man sagen:<br />

Die Kunst eines guten Laufs besteht<br />

darin, auch auf den letzten Kilometern<br />

top zu sein. Wir bringen genau<br />

dieses Durchhaltevermögen mit. Wir<br />

arbeiten so, dass wir auch noch kurz<br />

vor der Fertigstellung eines Projekts<br />

genügend Energie haben, um Materialien<br />

weiterzuentwickeln. Wir nehmen<br />

uns auch am Ende noch viel Zeit<br />

für die feinen Details – Zeit, die man<br />

sich in großen Büros vielleicht gar<br />

nicht nehmen kann.<br />

Armin Pedevilla: Lokal denken und<br />

lokal handeln, dabei immer selbst<br />

ganz vorne im Prozess dabei sein zu<br />

können, das sehen wir als Mehrwert<br />

und gewissermaßen auch als Luxus,<br />

den wir uns mit unserem 10-köpfigen<br />

Team gönnen – um ganz spezielle<br />

Projekte entstehen lassen zu können.<br />

u


<strong>architektur</strong> PEOPLE<br />

18<br />

PEDEVILLA ARCHITEKTEN<br />

Feuerwehr Vierschach<br />

Ein Thema, das Sie im Moment beschäftigt?<br />

Und worum geht es dabei<br />

im Kern?<br />

Armin Pedevilla: Der Holzbau.<br />

Trends sind für uns immer sehr fraglich,<br />

da sie meistens vergänglich sind.<br />

Die Frage beispielsweise, ob eine<br />

Bauweise oder Lösung an der jeweiligen<br />

Stelle überhaupt Sinn macht,<br />

gerät in so mancher Trendwelle in<br />

den Hintergrund oder geht ganz verloren.<br />

Man bekommt eine Baukultur,<br />

in der Dinge vor allem deswegen<br />

zur Ausführung kommen, weil der<br />

Markt es so will. Das führt inhaltlich<br />

oftmals zu falschen Ansätzen. Wir<br />

versuchen nicht blind den Trends zu<br />

folgen, sondern immer wieder nach<br />

der Sinnhaftigkeit zu fragen. Stehen<br />

verschiedene Argumente dafür, darf<br />

es auch ein Holzbau sein – sonst<br />

eben ein Ziegel- oder Betonbau. Jedes<br />

Material hat seine Eigenschaften<br />

und Qualitäten, deshalb müssen die<br />

Materialien so eingesetzt werden,<br />

dass sie ihren Charakteristiken entsprechend<br />

maximal sinnvoll genutzt<br />

werden. Das ist dann Effizienz.<br />

Ein Projekt, das Sie unbedingt in<br />

Bruneck verwirklichen möchten?<br />

Armin Pedevilla: Die Stadt neu planen<br />

und ordnen, um sie lebenswerter<br />

zu machen. Das ist leider nur ein theoretisches<br />

Projekt.<br />

Alexander Pedevilla: Brixen beispielsweise<br />

hat einen Masterplan, nach dem<br />

bestimmte Entscheidungen getroffen<br />

werden, um die Stadt langfristig lebenswert<br />

zu gestalten – ein Konzept,<br />

das offensichtlich aufgeht. Entwicklungen<br />

und Energieflüsse können so<br />

langfristig geplant werden und die<br />

Stadt kann gesund wachsen. •<br />

www.pedevilla.info<br />

Frastanz Hofen Bildungszentrum


www.<strong>architektur</strong>-online.com<br />

19<br />

PEDEVILLA ARCHITEKTEN<br />

Vom Trend keinem Trend zu folgen<br />

Die Berker Designlinien Serie 1930, Glas und R.classic erhalten Sie ab sofort mit einem einzigartigen<br />

Highlight: der ersten integrierbaren Drehschalter-Beleuchtung auf dem Markt. Das Beleuchtungsmodul<br />

kann optional in nahezu jeden neuen Drehschalter-Einsatz eingesteckt werden. Ideal für gehobene<br />

Wohnbauten, Hotels oder historische Gebäude. Darüber wurde das Innenleben der Drehschalter<br />

vollständig überarbeitet, um Ihnen die Montage noch leichter zu machen.


<strong>architektur</strong> PEOPLE<br />

20<br />

Juri Troy<br />

Zurückfinden zu einer<br />

ganzheitlichen Planung<br />

Interview mit Architekt Juri Troy<br />

Interview: Edina Obermoser<br />

Juri Troy beschäftigt sich als Architekt<br />

seit Jahren mit den Themen klimagerechtes<br />

und ressourceneffizientes<br />

Bauen und gibt dieses Wissen als<br />

Lehrender auch an Studierende weiter.<br />

Mit seinem Büro juri troy architects<br />

– mit Sitz in Wien – widmet sich der gelernte<br />

Steinmetz der Entwicklung von<br />

nachhaltigen Gebäudekonzepten und<br />

der Verwendung von nachwachsenden<br />

Rohstoffen wie heimischem Holz.<br />

Im Interview spricht der gebürtige<br />

Vorarlberger über das Potenzial ganzheitlicher<br />

Planungsansätze und deren<br />

individuelle Aspekte und Herausforderungen.<br />

Für mehr Nachhaltigkeit in<br />

der Architektur und der Bauwirtschaft<br />

bedarf es seines Erachtens auch eines<br />

Umdenkens auf politischer und gesellschaftlicher<br />

Ebene.<br />

© Wolfgang Schmidhuber-Tindle


www.<strong>architektur</strong>-online.com<br />

21<br />

Juri Troy<br />

Auf Ihrer Website ist die Rede von<br />

„nachhaltigen Gebäudekonzepten“<br />

– was verstehen Sie darunter genau?<br />

Um den ökologischen Fußabdruck eines<br />

Gebäudes zu reduzieren, wirken<br />

viele Aspekte zusammen: Es geht<br />

sowohl um Herkunft und Menge der<br />

eingesetzten Ressourcen als auch um<br />

eine optimierte Planung. Neben flexibler<br />

Nutzungskonzepte spielen auch<br />

Faktoren wie Standort, Orientierung<br />

und Energiequellen eine Rolle. Für ein<br />

nachhaltiges Gebäudekonzept gilt es<br />

eine Reihe von Entscheidungen zu<br />

treffen. Während man es vor etwa 100<br />

Jahren noch als selbstverständlich<br />

erachtete, alle Aspekte des Planens<br />

und Bauens mitzuberücksichtigen,<br />

geriet dieser Ansatz leider sukzessive<br />

in Vergessenheit und führte zu<br />

einer immer einseitigeren Denkweise.<br />

Nachhaltigkeit lässt sich aber nicht<br />

an einer einzigen Komponente wie<br />

beispielsweise dem Heizwärmebedarf<br />

messen. Deshalb geht es mir in<br />

erster Linie darum, wieder eine ganzheitliche<br />

Betrachtung von Projekten<br />

zurückzuerlangen.<br />

Wenn es um nachhaltige Gebäudeplanung<br />

geht – wo liegen Ihrer Meinung<br />

nach die größten Herausforderungen?<br />

Bei all diesen Entscheidungen einen<br />

Fokus zu finden, ist bestimmt<br />

die größte Herausforderung – und<br />

diesen dann auch zu kommunizieren.<br />

Bei einzelnen Komponenten wie<br />

etwa der Betriebsenergie stellt sich<br />

das noch relativ einfach dar, sobald<br />

es aber um die Klassifizierung eines<br />

ganzen Gebäudes geht, wird es oftmals<br />

komplex und schwieriger einzuordnen.<br />

Für eine ganzheitlichere<br />

Einschätzung – auch von Investorenseite<br />

– fehlen hier schlichtweg<br />

die Instrumente und damit auch<br />

das Bewusstsein. Dass beim Thema<br />

Nachhaltigkeit viele verschiedene<br />

Kriterien wichtig sind, wäre auch der<br />

Politik klarzumachen.<br />

Wie entwirft man einen nachhaltigen<br />

Bau für zukünftige Generationen, der<br />

nicht in ein paar Jahrzehnten ausgedient<br />

hat?<br />

Früher arbeitete man viel mehr nach<br />

der Trial-and-Error-Methode. Bauweisen,<br />

die im Zuge natürlicher evolutionärer<br />

Prozesse entstanden sind,<br />

Beim Haus am Berg minimieren Holzmassivbauweise und regionales Holz den CO 2 -Konsum. Das<br />

gesamtheitliche Energiekonzept des „Aktivhauses“ beruht auf Fernwärme aus dem örtlichen Biomasseheizwerk<br />

sowie Photovoltaikmodulen auf dem Dach.<br />

modifizierte man langsam. Was nicht<br />

funktionierte, entwickelte man weiter.<br />

In den letzten 70 Jahren arbeitete<br />

man eher umgekehrt und jedes Projekt<br />

wurde zu einem eigenen Prototyp.<br />

Bis man Schwachstellen identifizierte,<br />

hatte man schon zig weitere<br />

Bauten mit noch mehr Defiziten errichtet.<br />

Das merkt man häufig bei<br />

Umbauprojekten mit einem gründerzeitlichen<br />

Bestand, der in den 60erbzw.<br />

70er-Jahren erweitert wurde:<br />

Während der Gründerzeitbau seine<br />

Qualitäten bewahrte, müssen die Ergänzungen<br />

aufgrund fehlerhafter Planung<br />

oft abgerissen werden. In meinen<br />

Augen geht es darum, zu dieser<br />

ganzheitlichen Denkweise zurückzufinden<br />

– und damit meine ich nicht,<br />

genau wie vor 100 Jahren zu bauen,<br />

sondern eben auch clevere Innovationen<br />

wieder sinnvoll einzusetzen.<br />

Kann man sich nachhaltiges Bauen –<br />

insbesondere in Zeiten der Teuerung<br />

– überhaupt noch leisten?<br />

Ich denke die Frage muss andersherum<br />

gestellt werden: Können wir<br />

es uns in Zukunft noch leisten, nicht<br />

so zu bauen? Momentan wird die<br />

Verantwortung auf jeden einzelnen<br />

Bauherrn abgewälzt. Aufgrund von<br />

wirtschaftlichen und politischen<br />

Rahmenbedingungen ist das umweltschädlichste<br />

Bauen auch das<br />

günstigste. Anstatt Anreize für nachhaltige<br />

Rohstoffe zu schaffen, achtet<br />

man auf den Profit, subventioniert<br />

Erdölprodukte und Beton weiter<br />

und hinterlässt dabei einen kaputten<br />

Planeten. Das stellt einen vor<br />

die Entscheidung, entweder günstig<br />

oder nachhaltig zu bauen. Um das<br />

zu ändern, müssen ökologisch nicht<br />

verträgliche Bauweisen teurer und<br />

deren Folgekosten miteinkalkuliert<br />

werden. Kurioserweise scheint das<br />

Verursacherprinzip in der Bauindustrie<br />

nicht zu gelten – hier wird der für<br />

den Schaden Verantwortliche, nicht<br />

mit den Folgen konfrontiert.<br />

Was macht einen Baustoff für<br />

Sie nachhaltig? Was muss er<br />

leisten können?<br />

Eigentlich ziemlich viel – glücklicherweise<br />

wachsen genau diese Baustoffe<br />

aber bei uns. Diese Relation ist<br />

auch global betrachtet interessant:<br />

Die natürlich vorkommenden Materialien<br />

eignen sich im jeweiligen Klima<br />

meist am besten zum Bauen, sei<br />

es Tropenholz, Fichte oder Stein. Es<br />

gibt keinen Baustoff, der per se überall<br />

auf der Welt der nachhaltigste<br />

ist. Bei uns in Österreich stellt Holz<br />

sicherlich einen der cleversten Baustoffe<br />

für die Zukunft dar. Es gibt<br />

auch eine ganze Palette an nachwachsenden<br />

Dämmstoffen, denen<br />

noch zu wenig Beachtung geschenkt<br />

wird. Zu einer ganzheitlichen Betrachtung<br />

gehört natürlich ebenso<br />

ein gezielter Einsatz von anderen<br />

Materialien wie Glas und Blech, um<br />

die Naturwerkstoffe zu schützen und<br />

ihre Haltbarkeit zu verlängern. Auch<br />

hier gilt es, anstelle von neuen Erfindungen<br />

wieder mehr unserer seit<br />

Jahrhunderten entwickelten – und<br />

auch beherrschten – Logik des Konstruierens<br />

und Bauens zu folgen. u<br />

© Studio 22


<strong>architektur</strong> PEOPLE<br />

22<br />

Juri Troy<br />

© Juri Troy<br />

Der Passivhauskindergarten Deutsch-Wagram setzt auf nachwachsende Baustoffe wie heimisches Fichtenholz. Während die Photovoltaikpaneele den<br />

Energiebedarf nahezu decken, regulieren eine Wärmepumpe mit Tiefenbohrungen und eine Lüftungsanlage mit Wärmetauscher das Raumklima.<br />

Sind Nachhaltigkeit und Funktionalität<br />

beim Thema Material bzw. Baustoff<br />

immer vereinbar?<br />

Ich denke, das ist in der Regel gut<br />

vereinbar. Das Material gibt immer<br />

eine eigene Logik vor und hat Auswirkungen<br />

auf die Konstruktion. Ich<br />

sehe das aber nicht als Einschränkung,<br />

sondern als Grundlage für die<br />

jeweilige Architektursprache, die uns<br />

auch unsere Baukultur mitgibt. Im<br />

letzten Jahrhundert führten neuartige<br />

Materialien plötzlich zu einer völlig<br />

neuen Architektursprache – und<br />

mit ihr kam es zu jeder Menge Übersetzungsproblemen.<br />

Bei der Betrachtung<br />

vieler Gebäude hat man das Gefühl,<br />

dass manche dieser Sprache bis<br />

heute nicht mächtig sind.<br />

Gibt es (technologisch) für Sie besonders<br />

interessante Trends, sei es<br />

hinsichtlich Materialien, Gebäudetechnik<br />

o.ä.?<br />

Im Materialsektor gibt es viele Entwicklungen,<br />

aber generell erscheint<br />

mir die Bauwirtschaft sehr träge.<br />

Für die heute eingesetzten Produkte<br />

gibt es genaue Verarbeitungsrichtlinien<br />

und Verfügbarkeiten – das bestimmt<br />

den Markt, bei neuen oder<br />

alternativen Materialien gerät man<br />

hingegen schnell an seine Grenzen.<br />

Ein gutes Beispiel ist Lehm: Will man<br />

bei uns mit Lehm bauen, erweist sich<br />

das vermeintlich simple, intelligente<br />

Material aufgrund des Arbeitsaufwands<br />

schnell als Luxusbaustoff.<br />

Gebäudetechnisch habe ich den Eindruck,<br />

der Trend geht wieder mehr<br />

in Richtung Low-Tech. Viele Dinge<br />

haben sich über die Jahre in ihrer<br />

Wirkungsweise relativiert – Stichwort<br />

Komfortlüftung. Gebäudetechnikanlagen<br />

beinhalten selbst graue<br />

Energie und die Einsparungen wiegen<br />

das unterm Strich nicht immer<br />

auf. Auch das Passivhaus ist, denke<br />

ich, nicht das Maß aller Dinge, welches<br />

überall die sinnvollste Lösung<br />

darstellt. Stattdessen sollte man<br />

Energiestandards projektspezifisch<br />

betrachten – was uns wiederum zur<br />

Ganzheitlichkeit zurückführt.<br />

Was wäre Ihr Wunsch für die Architekturszene<br />

in Österreich? In welche<br />

Richtung sollte es gehen?<br />

Weniger Neubauten, mehr Bauen im<br />

Bestand. Man sollte künftig viel genauer<br />

abwägen, wofür es sich noch<br />

rentiert, neues Material einzusetzen.<br />

Allein die Tatsache, dass wir<br />

ohne entsprechende Regelungen<br />

und Novellen in der Bauordnung aus<br />

Profitgier jedes Gründerzeitgebäude<br />

abreißen und durch einen verdichteten<br />

Stahlbetonbau ersetzen würden,<br />

sagt einiges aus. Momentan produzieren<br />

wir Unmengen an Abfall, die<br />

dann auf einer Deponie landen, nur<br />

um noch mehr Gewinn zu generieren.<br />

Da geht es um Grundsatzfragen<br />

in der Bauwirtschaft und unserer gesamten<br />

Gesellschaft. Wie sich das in<br />

der Architektur äußert, ist, denke ich,<br />

dann nur eine Reaktion darauf.<br />

Wie ließe sich diese nötige Transformation<br />

in der Architektur bzw. Bauwirtschaft<br />

erzielen?<br />

Ich habe mir als Gedankenexperiment<br />

schon öfter die Frage gestellt,<br />

was passieren würde, wenn von heute<br />

auf morgen keine neuen Ressourcen<br />

mehr für den Bausektor zur Verfügung<br />

stünden. Von diesem Zeitpunkt<br />

an müsste man entweder mit dem<br />

Bestand umgehen oder dürfte nur<br />

noch so bauen, dass der ökologische<br />

Fußabdruck in Summe gleich bleibt.<br />

Nach einem anfänglichen Entsetzen<br />

würde es, glaube ich, zu einer Neubewertung<br />

der Situation kommen.<br />

Bestand wäre auf einmal viel mehr<br />

Wert und es gäbe weniger ungenutzte<br />

und leerstehende Gebäude. Letztendlich<br />

käme es zu einer völlig neuen<br />

Ausrichtung des Themas Bauen und<br />

Planen. Und genau das bräuchten wir,<br />

denke ich – solange wir weitermachen<br />

wie bisher, werden wir die Kurve<br />

nicht kratzen können.<br />

•<br />

www.juritroy.com<br />

Haus 3B in Bottenwil<br />

© Jürg Zimmermann


www.<strong>architektur</strong>-online.com<br />

23<br />

Juri Troy<br />

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<strong>architektur</strong> PEOPLE<br />

24<br />

Schuberth und Schuberth<br />

Beweglich, ohne die<br />

Identität zu verlieren<br />

Interview mit Architektin Johanna Schuberth<br />

Gemeinsam mit Gregor Schuberth leitet Architektin<br />

Johanna Schuberth das Architekturbüro Schuberth und<br />

Schuberth ZT-KG. Mit ihrem Team widmet sie sich vorrangig<br />

dem Entwurf von Wohn- und Bürogebäuden. Des Weiteren<br />

spezialisierte sich die Planerin auf die Gastronomie und<br />

Ausstellungen. Projekte werden stets unter der Berücksichtigung<br />

des Stadtbildes realisiert, um in dessen Kontext<br />

Harmonie zu gewährleisten. Architektur und Innen<strong>architektur</strong><br />

sind für die Expertin extrem verflochten. In diesem<br />

Interview spricht sie über ihre Wege zur Bauplanung und<br />

ihre Ansichten zur Disziplin.<br />

© Michael Dürr


www.<strong>architektur</strong>-online.com<br />

25<br />

Schuberth und Schuberth<br />

Buwog Bürogebäude<br />

© Christoph Panzer<br />

Wie sind Sie persönlich zur Architektur<br />

gekommen – was genau fasziniert<br />

Sie an der Disziplin?<br />

Als Kind musste ich in der Schule<br />

ein Selbstporträt in meinem Traumberuf<br />

zeichnen. Ich stellte mich an<br />

einem Schreibtisch voller Plänen<br />

sitzend dar. Mein Pullover war übrigens<br />

Grün-Dunkelviolett gestreift.<br />

Es stand für mich nie außer Frage,<br />

dass ich einmal einen Beruf im Gestaltungsbereich<br />

machen werde, die<br />

Frage war nur, in welchem Maßstab.<br />

Welches Projekt stellte Sie vor besondere<br />

Herausforderungen und wie<br />

haben Sie diese gemeistert?<br />

Jedes Projekt hat immer irgendeine<br />

Herausforderung, da es sich bei Architektur<br />

ja fast immer auch um Prototypen<br />

handelt. Herausforderungen<br />

können sehr unterschiedlich sein, zu<br />

wenig Platz, zu wenig Möglichkeiten<br />

in Bezug auf die Bauvorschriften,<br />

zu wenig Budget… Aber wenn man<br />

es gewissenhaft durchsteht, dann<br />

führen alle diese Reibungspunkte<br />

schlussendlich zu einem unerwarteten<br />

und sonderbaren Ergebnis. Und<br />

das ist gut.<br />

Welchen Stellenwert hat für Sie die<br />

Architektur im Rahmen der aktuellen<br />

Herausforderungen (der vermehrten<br />

Landflucht, dem Klimawandel etc.)?<br />

Die Architektur alleine wird diese<br />

Probleme nicht lösen können, da es<br />

hier um eine komplexe Verwebung<br />

von seit Langem gewachsenen Missständen<br />

geht. Aber wie es uns gewisse<br />

Baudekaden davor auch schon<br />

gezeigt haben, wird es vermehrt um<br />

eine Haltbarkeit und Langlebigkeit<br />

von Gebäuden durch Flexibilität und<br />

Anpassbarkeit gehen. Dass Gebäude<br />

und deren Nutzung nur mehr für<br />

einige Jahrzehnte, und nicht mehr<br />

Jahrhunderte, gedacht werden, halte<br />

ich für eine große Verfehlung.<br />

Welche Wege wollen Sie in der Architektur<br />

in Zukunft einschlagen –<br />

gibt es Bereiche, die Sie besonders<br />

berücksichtigen werden/als wichtig<br />

empfinden?<br />

Unser Büro hat sich in den letzten<br />

Jahren parallel zur „klassischen“, gebauten<br />

Architektur mit Themen wie<br />

Szenografie, Ausstellungsgestaltung,<br />

Gesamtwahrnehmung von Räumen<br />

und visueller Kommunikation beschäftigt.<br />

Diese Bereiche werden wir<br />

zukünftig noch stärker bearbeiten.<br />

Wie sieht für Sie intelligente Stadtplanung<br />

aus – gibt es diesbezüglich<br />

ein Musterprojekt, das Sie als Vorbild<br />

ansehen?<br />

Das Sonnwendviertel in Wien finde ich<br />

sehr gelungen. Stadtplanung lebt von<br />

Sichtachsen, Begrünung, Gebäudehöhen<br />

und dem Umgang mit Plätzen.<br />

Vielfalt in einem vorgegeben Maß sollte<br />

möglich sein, aber nicht zu gestalterisch<br />

auseinanderfallenden Gebäuden<br />

ohne Bezug zueinander führen.<br />

Was verstehen Sie persönlich unter<br />

zukunftsfähiger Architektur?<br />

In ihrer Funktion, Gestaltung und<br />

technischen Ausstattung anpassbare<br />

Gebäude. Und leistbare Architektur<br />

mit einfachen, analogen Lösungen. u


<strong>architektur</strong> PEOPLE<br />

26<br />

Schuberth und Schuberth<br />

Welche Aspekte müssen Architekten<br />

aktuell in der Bauplanung besonders<br />

berücksichtigen, um den Bedürfnissen<br />

und Anforderungen der heutigen<br />

Zeit gerecht zu werden?<br />

Wenn es um die Anforderungen der<br />

heutigen Zeit geht: Baukosten und<br />

Zeitpläne.<br />

Welche Anforderungen müssen Architekturprojekte,<br />

und mit Ihnen die<br />

Architektur allgemein, in der heutigen<br />

Zeit erfüllen?<br />

Sie sollten gut gemacht sein, gerade<br />

handwerklich, wie man das auch<br />

von anderen Handwerksberufen<br />

erwartet. Die Architektur war in der<br />

griechischen Welt eine technê, also<br />

ein Kunstfertigkeit oder Kompetenz,<br />

genauso wie die Webkunst oder die<br />

Pferdezucht und der Schiffsbau. Darin<br />

war auch die Tätigkeit des Künstlers<br />

umfasst genauso wie die des<br />

Schmiedes. Die Architektur ist damit<br />

gut beschrieben, finden wir, mit einem<br />

ganz speziellen, und gleichzeitig<br />

überlappenden Kompetenzbereich.<br />

In welchen Bereichen haben Architektur<br />

und Raumplanung noch Aufholbedarf?<br />

Wie bleiben wir in Veränderung und<br />

behalten doch den Kern an architektonischer<br />

Qualität und Eigensinn?<br />

Da passt die alte Flussmetapher<br />

gut, flüssig sein, beweglich, ohne die<br />

Identität zu verlieren. Aber das beschäftigt<br />

ja nicht nur die Architektur.<br />

Aufholbedarf klingt vielleicht auch<br />

ein wenig zu sportlich, und gerade<br />

dieses sportliche Übertreffen und<br />

Fortschreiten – als Fortschritt – sehen<br />

wir ja heute kritischer. Was sicher<br />

spannend wird in den nächsten<br />

Jahren: Wie wir die Kompetenzen der<br />

einzelnen Spezialisierung zusammenbringen<br />

– aus Digitalisierung,<br />

Technik, Kunst um damit auf die Herausforderungen<br />

der Zeit zu reagieren.<br />

Da werden neue Muster entstehen<br />

und auch neue Einteilungen, was<br />

die Professionen betrifft. Auch hier<br />

passt das Im-Fluss-Sein-Bild gut, neben<br />

dem Irritierenden hat es ja auch<br />

etwas Beruhigendes an sich. •<br />

© Christoph Panzer<br />

Buwog Bürogebäude<br />

© Christoph Panzer


THE<br />

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SATTLER SUN-TEX


<strong>architektur</strong> PEOPLE<br />

28<br />

querkraft<br />

Den Menschen<br />

Raum geben<br />

Interview mit Architekt Jakob Dunkl von querkraft<br />

Interview: Linda Pezzei<br />

Unter dem Motto „den Menschen Raum geben“ streben Jakob Dunkl, Gerd<br />

Erhartt, Peter Sapp und ihr Team unter dem Namen querkraft seit 1998<br />

von Wien aus nach Großzügigkeit in der räumlichen Gestaltung sowie nach<br />

Freiheit zur Entfaltung für die Nutzer:innen. Zu ihrem Repertoire zählen unter<br />

anderem Büro- und Museumsbauten oder Projekte im öffentlichen Raum.<br />

© querkraft - Alvarez


www.<strong>architektur</strong>-online.com<br />

29<br />

querkraft<br />

© querkraft - heausler<br />

Der gute Nachbar – IKEA geht mit dem urbanen, autofreien Einrichtungshaus mit Hostel und öffentlicher Dachterrasse neue Wege.<br />

Freundschaft, Respekt und Freude an<br />

der Arbeit sind das Credo für Jakob<br />

Dunkl, Gerd Erhartt und Peter Sapp aka<br />

querkraft. Seit 1998 ersinnt das Team<br />

mit Sitz in Wien immer wieder wegweisende<br />

und überraschende Lösungen,<br />

die „den Menschen Raum geben“ sollen.<br />

Im Mittelpunkt dieser Philosophie<br />

des poetischen Pragmatismus stehen<br />

dabei stets die Nutzer:innen. Diverse<br />

Nachhaltigkeitspreise – unter anderem<br />

für den ersten autofreien IKEA in<br />

Wien und den Österreich-Pavillon der<br />

Weltausstellung in Dubai – honorieren<br />

den umfassenden Architekturansatz<br />

der Architekten.<br />

für den Aufbau reichte. Es war kein<br />

Geld mehr vorhanden, um die langen<br />

Planen wieder abbauen zu lassen.<br />

Orange Overalls konnten wir uns<br />

noch leisten und wir bauten somit<br />

in dieser optisch gut dazu passenden<br />

Montur die gesamte In stallation<br />

selbst ab. Dazu gab es eine Party<br />

mit Fackeln, die wir auf die Hunderten<br />

Holzpfosten montierten, die<br />

nach Entfernung der Planen noch im<br />

Vorplatz steckten. Die Aktion hieß<br />

„NICHT LANGE FACKELN“ und war<br />

ein ziemlicher Spaß für alle Beteiligten<br />

und Freund:innen der frisch gegründeten<br />

querkraft.<br />

u<br />

MUSEUM LIAUNIG<br />

Das Architekturerlebnis des Museums gründet in der Konzentration auf das<br />

Wesentliche und die konsequente Reduktion, die der Kunst ihren Raum lässt.<br />

© querkraft - Lisa Rastl<br />

Wenn Sie sich heute an Ihr erstes gemeinsames<br />

Projekt erinnern – welche<br />

Assoziationen löst das bei Ihnen aus?<br />

Ein wirklich besonderes Erstprojekt<br />

war – neben ein paar Umbauten und<br />

ersten Einfamilienhäusern – der gewonnene<br />

Wettbewerb für eine temporäre<br />

Gestaltung der Außenfassade<br />

der historischen Hofstallungen<br />

während der Umbauphase zum MQ.<br />

Wir haben quer gedacht, die Aufgabe<br />

anders interpretiert und den riesigen<br />

Vorbereich mit orangen Netzplanen<br />

bespannt. Wir bekamen ein Budget<br />

für die Gestaltung, welches aber nur


<strong>architektur</strong> PEOPLE<br />

30<br />

querkraft<br />

Hat sich Ihr Verständnis von Architektur<br />

im Laufe der Jahre gewandelt<br />

und wenn ja inwiefern?<br />

Wir hatten von Beginn an das Ziel,<br />

Menschen in den Mittelpunkt zu<br />

stellen. In der Zusammenarbeit und<br />

beim Ergebnis, der Architektur. Das<br />

Ziel haben wir nie in Frage gestellt,<br />

sondern eher gestärkt. Was nun<br />

hinzukommt ist das viel intensivere<br />

Nachdenken über Nachhaltigkeit in<br />

all ihren Aspekten. Das kann bis zum<br />

Ablehnen von Aufträgen führen.<br />

© querkraft - Schnepp Renou<br />

WOHNHOCHHÄUSER ZAC CLICHY BATIGNOLLES<br />

Wohnhochhaus, Arbeiterwohnheim und Kinderbetreuungseinrichtung bilden ein identitätsstiftendes<br />

Ensemble, im nach ökologisch effizienten Kriterien geplanten Stadtentwicklungsgebiet<br />

Clichy-Batignolles, auf dem Areal eines ehemaligen Güterbahnhofs.<br />

HOLZWOHNBAU ASPERN<br />

Die Qualität des in Zusammenarbeit mit Berger+Parkkinen entstandenen Sozialen Wohnbaus in der<br />

Seestadt Aspern, basiert auf abwechslungsreichen Erschließungswegen und dem konsequenten<br />

Einsatz des Baustoffes Holz.<br />

© querkraft - Hertha Hurnaus<br />

War in der Architektur früher<br />

alles besser?<br />

Architektur ist ein Spiegel der Gesellschaft.<br />

Wer glaubt, früher war alles<br />

besser, der täuscht sich gewaltig. So<br />

arbeiteten unsere Eltern als Architektinnen<br />

und Architekten beispielsweise<br />

am Samstag. Das machen wir<br />

nicht. Wir selbst kratzten noch kurz<br />

nach dem Studium mit der Rasierklinge<br />

auf Transparentpapierplänen<br />

unsere Fehler aus. Das war reinstes<br />

Mittelalter. Heute gibt es coole Entwicklungen<br />

in der Architektur. Dafür<br />

gab es früher andere Dinge, die toll<br />

waren. Alles ist im Fluss.<br />

Im Mittelpunkt Ihrer Architektur<br />

steht immer der Mensch – wie beeinflusst<br />

das Ihren Schaffensprozess?<br />

Wir beginnen bei uns selbst. Wir akzeptieren<br />

im Büro nur die Hierarchie<br />

der Argumente. Bei uns hat nicht automatisch<br />

der Chef oder die Projektleitung<br />

recht. So freuen wir uns mehr<br />

über eine gute Idee einer Praktikantin<br />

oder eines Praktikanten, als wenn<br />

wir sie selbst haben. Weil wir dann<br />

spüren, dass die Menschen gerne<br />

bei uns arbeiten. Zweitens nehmen<br />

wir unsere Auftraggeber und Auftraggeberinnen<br />

ernst. Nie sagen wir,<br />

dass etwas keine gute Idee ist, das<br />

von dieser Seite kommt. Und selbst<br />

wenn wir es denken, dann überprüfen<br />

wir den Vorschlag dennoch und<br />

sind oft über unsere anfängliche Abneigung<br />

überrascht, weil manchmal<br />

ein Stein ins Rollen kommt, der das<br />

Projekt nochmals verbessert. Und<br />

ganz wichtig: Am Ende fragen wir die<br />

Nutzer, wie es ihnen geht. Wir sind<br />

ernsthaft am Feedback interessiert.


www.<strong>architektur</strong>-online.com<br />

31<br />

querkraft<br />

© EXPO-2020 - Dany Eid<br />

EXPO 2020<br />

Ein Netzwerk aus 38 miteinander verschnittenen Kegeln markiert den österreichischen<br />

Pavillon auf der EXPO in Dubai und schafft eine Hülle, deren Kern sich mit der Frage nach<br />

dem achtsamen und respektvollen Umgang mit unseren irdischen Ressourcen befasst.<br />

Sie legen großen Wert darauf, Strukturen<br />

langlebig, flexibel und adaptierter<br />

zu gestalten – welche Herausforderungen<br />

bringt das mit sich?<br />

Man muss sich mehr anstrengen,<br />

die unterschiedlichen zukünftigen<br />

Nutzungsmöglichkeiten in der Konstruktion<br />

zu berücksichtigen. Das<br />

ist ein intellektueller Aufwand. Am<br />

einfachsten klappt dies, wenn man<br />

sich vorstellt, was man in einigen<br />

Jahrzehnten stehen lässt, wenn sich<br />

die Nutzung total verändert. Ein klar<br />

konzipierter Rohbau ist die Folge.<br />

schutz gestellt. Wir werden jedes<br />

Mal zur alljährlichen Saisoneröffnung<br />

eingeladen, von der Familie Liaunig<br />

hoch gelobt und bekommen von den<br />

dort ausgestellten Künstler:innen<br />

sowie von Besucher:innen sehr viel<br />

Lob. Was wollen wir mehr?<br />

Ein Projekt, das Sie unbedingt noch<br />

verwirklichen möchten?<br />

Etwas Sinnstiftendes, das für<br />

Mensch und Umwelt positive Effekte<br />

hat. Und groß darf es auch sein, denn<br />

wir lieben Herausforderungen. •<br />

KIVIK ART CENTRE KUNSTINSTALLATION<br />

Ein begehbarer, skulpturaler Regenbogen für ein Kunstzentrum im schwedischen<br />

Kivik, das sich an der Schnittstelle zwischen Skulptur, Architektur und Natur bewegt.<br />

Die größte Herausforderung beim<br />

Bauen in der heutigen Zeit und Zukunft?<br />

Nachhaltigkeit. Unser Planet. Wir<br />

haben alle viel zu lange nachlässig<br />

agiert, dass muss sich sofort ändern.<br />

Ein Projekt, das Sie schon lange begleitet<br />

oder das Sie nachhaltig beeindruckt<br />

hat und an das Sie häufig<br />

zurückdenken?<br />

Unser Museum Liaunig in Kärnten.<br />

Die erste Bauphase liegt lang zurück<br />

– das war 2008. Dann folgten<br />

zwei Erweiterungsstufen und unsere<br />

Architektur wurde unter Denkmal-<br />

© querkraft - Lisa Rastl


<strong>architektur</strong> PEOPLE<br />

32<br />

Alexandra Abel<br />

Menschliche<br />

Bedürfnisse erkennen<br />

und nutzen<br />

Interview mit Architekturpsychologin Alexandra Abel<br />

Interview: Edina Obermoser<br />

Alexandra Abel ist Lehrbeauftragte<br />

für Architekturpsychologie an der<br />

Bauhaus-Universität Weimar. Ihre<br />

Schwerpunkte sind Architekturwahrnehmung,<br />

Architekturvermittlung,<br />

Architektur und Gesundheit sowie<br />

bedürfnisorientierte Architektur. Im<br />

Interview erläutert die promovierte<br />

Diplom-Psychologin, welches Potenzial<br />

in der Auseinandersetzung mit den<br />

menschlichen Bedürfnissen steckt und<br />

wie diese Auseinandersetzung zu einer<br />

möglichst demokratischen Wertung<br />

und Gestaltung von Architektur führen<br />

kann. Anhand von Beispielen macht sie<br />

außerdem klar, dass es sich dabei nicht<br />

nur um eine theoretische Diskussion<br />

handelt, sondern um einen Ansatz, der<br />

auch in der Praxis besteht.<br />

© Stephan Ernst


www.<strong>architektur</strong>-online.com<br />

33<br />

Alexandra Abel<br />

Wie beschreiben Sie Ihren Beruf jemandem,<br />

der noch nie von Architekturpsychologie<br />

gehört hat?<br />

Ein Studierender stellte mir einmal<br />

dieselbe Frage und wollte wissen,<br />

ob man in der Architekturpsychologie<br />

Häuser therapiert. Es geht aber<br />

natürlich nicht um krumme Häuser,<br />

die auf der Freud’schen Liege psychoanalytisch<br />

betreut werden. Als<br />

Architekturpsycholog:in beschäftigt<br />

man sich mit der Mensch-Umwelt-Interaktion<br />

– sowohl unter dem Fokus<br />

der gebauten als auch der vom Menschen<br />

beeinflussten Umwelt. Diese<br />

Unterscheidung ist deshalb wichtig,<br />

weil sich gebaute Umwelt auf<br />

Bauprozesse beschränkt. Tatsächlich<br />

widmet man sich aber auch der<br />

menschlichen Einflussnahme auf die<br />

Umgebung. Meiner Meinung nach<br />

bedarf es in der Architekturpsychologie<br />

stets einer Intention. Sie besteht<br />

für mich in der Optimierung<br />

dieser Interaktion zwischen Mensch<br />

und Umwelt, die im Wesentlichen<br />

dazu dient, das menschliche Wohlbefinden<br />

und das des gesamten<br />

Ökosystems zu fördern.<br />

Woher kommt Ihr Interesse für die<br />

Architektur – warum haben Sie sich<br />

für diesen Bereich der Psychologie<br />

entschieden?<br />

Mein Kontakt mit der Architektur ist<br />

ein lebenslänglicher. Da mein Vater<br />

selbstständiger Architekt war, wuchs<br />

ich mit dem Geruch von Modellen<br />

auf und lernte unter einem Eiermann-Schreibtisch<br />

das Stehen. Bei<br />

Wanderungen half ich beim Sammeln<br />

von Modellbaumaterial und hatte<br />

bereits als Kleinkind unzählige Baudenkmäler<br />

besucht. Was mich dabei<br />

sehr prägte, war die reale Ebene der<br />

Architektur – der Kontakt meines<br />

Vaters mit Auftraggeber:innen und<br />

Handwerker:innen. Von Anfang an<br />

hatte ich das Gefühl, dass diese Kommunikation<br />

zwischen Architekt:innen<br />

und Nicht-Architekt:innen manchmal<br />

schwierig ist. Dadurch erkannte ich<br />

jenseits von Ästhetik, Stilkunde und<br />

Konstruktion eine Ebene, die sich mit<br />

unserem Erleben und Verhalten beschäftigt<br />

und die ich als Psychologin<br />

zur Architektur beitragen kann.<br />

© Stephan Ernst<br />

Wie wollen wir leben? Die bedürfnisorientierte Architektur beschäftigt sich mit Grundbedürfnissen,<br />

die für unser Wohlbefinden und unsere Lebensqualität essenziell sind.<br />

Welches Wissen vermitteln Sie künftigen<br />

Architekt:innen im Zuge Ihrer<br />

Lehrtätigkeit?<br />

Architekturpsychologie ließe sich<br />

im Kontext der Umweltpsychologie<br />

auch bei den Psycholog:innen lehren,<br />

ich lehre sie aber bei den Architekt:Innen<br />

und Gestalter:innen. Eine<br />

– wie ich finde sehr demokratische<br />

– Hauptannäherung an die Qualität<br />

von Architektur stellt dabei die<br />

Wahrnehmung dar. Sie unterscheidet<br />

beim Versuch, die Architektur zu<br />

verstehen, zu beurteilen und letztlich<br />

auch zu werten, weniger zwischen<br />

den (künftigen) Expert:innen und<br />

den Nicht-Expert:innen. Neben der<br />

Architekturwahrnehmung bilden die<br />

Themen Architektur und Gesundheit,<br />

sowie die bedürfnisorientierte<br />

Architektur weitere Schwerpunkte<br />

meiner Arbeit.<br />

Was verstehen Sie unter „bedürfnisorientierter<br />

Architektur“ genau?<br />

Ich finde die Annäherung über die<br />

menschlichen Bedürfnisse an die<br />

Architektur sehr relevant und denke,<br />

dass es sich dabei um eine zentrale<br />

Debatte in unserer Gesellschaft<br />

handelt. Am Anfang dieser Diskussion<br />

muss eine Sensibilisierung für<br />

jene Bedürfnisse stehen, die für<br />

unser Wohlbefinden und unsere Lebensqualität<br />

essenziell sind – und<br />

für jene, auf die wir verzichten können.<br />

Diese Unterscheidung ist auch<br />

im Kontext von Nachhaltigkeit, Klimaneutralität<br />

oder generell unserem<br />

qualitativen Fortbestehen als<br />

Menschheit wichtig.<br />

Fehlt das Bewusstsein für diese Bedürfnisse<br />

bzw. wird der Fokus oft<br />

falsch gesetzt?<br />

Ich kann das nicht allgemein beurteilen,<br />

meine aber, tendenziell ja.<br />

Besonders spannend ist, dass Menschen<br />

Lebensqualität oft von sich<br />

aus über diese wesentlichen Bedürfnisse<br />

definieren, anstatt über Luxus,<br />

Prestige oder Erfolg. So zeichnet es<br />

sich beispielsweise in einer Studie<br />

über Lebensqualität und Architektur<br />

ab, die ich gerade zusammen mit einem<br />

kleinen Team auswerte. Daher<br />

denke ich: In einer gesellschaftlichen<br />

Debatte würden wir feststellen, dass<br />

mit Lebensqualität verbundene Bedürfnisse<br />

jene sind, die wir uns auch<br />

in der Zukunft erlauben können.<br />

Ein Punkt ist mir an dieser Stelle noch<br />

sehr wichtig: Bedürfnisse lassen sich<br />

meines Erachtens sehr gut an vulnerablen<br />

Gruppen aufzeigen, da diese<br />

meist nicht im Stande sind, unerfüllte<br />

Bedürfnisse zu kompensieren. In<br />

diesem Zusammenhang geht es darum,<br />

einen Blick dafür zu entwickeln,<br />

wie aneignungsoffen und inklusiv<br />

Architektur ist bzw. inwiefern sie die<br />

Heterogenität der Menschen berücksichtigt.<br />

Bereite ich z.B. den Stadtraum<br />

für Menschen mit Demenz vor,<br />

können diese auch an ihm teilhaben.<br />

Tue ich das nicht, werde ich sie dort<br />

auch nicht sehen. Das gleiche gilt für<br />

jede Gruppe mit besonderen Bedürfnissen.<br />

Gestaltung, Urbanistik und<br />

Architektur haben ebenfalls große<br />

Relevanz im Kontext von sozioökonomischer<br />

Ungerechtigkeit und verlangen<br />

deshalb dort ein besonderes<br />

Bewusstsein der Gestalter:innen. u


<strong>architektur</strong> PEOPLE<br />

34<br />

Alexandra Abel<br />

Gibt es Maßnahmen, die sich allgemein<br />

positiv auf die Wahrnehmung<br />

von Bauten auswirken?<br />

Ja, aber es werden nie allgemeine<br />

kochbuchartige Empfehlungen sein.<br />

Diese werden der Architekturpsychologie<br />

nicht gerecht und sind auch<br />

mit der Kreativität im Planungsprozess<br />

nicht kompatibel. Als Architekturpsycholog:innen<br />

können wir<br />

allerdings die Bedürfnisse der Menschen<br />

und deren Ursprung und Auswirkungen<br />

erklären. Viele unserer<br />

Bedürfnisse fußen beispielsweise auf<br />

unserer evolutionären Herkunft. Ein<br />

Beispiel dafür ist die Prospect-Refuge-Theorie<br />

(Appleton, 1984), welche<br />

besagt, dass Menschen bis heute ein<br />

Bedürfnis nach Schutz und Überblick<br />

haben – Dinge, die einst essenziell<br />

für unser Überleben waren. Mit<br />

diesem Wissen lässt sich begründen,<br />

warum viele Menschen in Cafés und<br />

Restaurants am liebsten mit dem<br />

Rücken zur Wand oder in Nischen<br />

sitzen. Dieses Phänomen hängt<br />

gleichzeitig mit unserem Bedürfnis<br />

nach Dosierung sozialer Interaktion<br />

zusammen. Wir sind nicht nur gerne<br />

vollständig privat oder öffentlich,<br />

sondern schätzen insbesondere<br />

semi-private bzw. semi-öffentliche<br />

Situationen. Beispiele wie dieses zeigen,<br />

wie die Architekturpsychologie<br />

für Bedürfnisse sensibilisieren kann<br />

und sollte. Die Umsetzung dieser Erkenntnis<br />

in gebaute Vorschläge liegt<br />

dann bei den Architekt:innen und<br />

Gestalter:innen.<br />

Wahrnehmung ist etwas Subjektives,<br />

kann man überhaupt objektiv planen?<br />

Wahrnehmung ist zwar sehr subjektiv,<br />

unsere Grundbedürfnisse sind<br />

es aber nicht. Jeder hat – bedingt<br />

durch verschiedene Faktoren – in<br />

bestimmten Situationen spezifische<br />

Bedürfnisse, grundsätzlich bleiben<br />

es trotzdem die gleichen. Schaffe ich<br />

eine Architektur, die diese Bedürfnisse<br />

abdeckt, tut sie das für alle Menschen,<br />

über individuelle Unterschiede<br />

hinweg. Ein Bau, der unser Bedürfnis<br />

nach Rückzug, Privatheit, semi-privaten<br />

Orten für positive soziale Interaktionen<br />

etc. berücksichtig, ist auf die<br />

persönlichen Befindlichkeiten aller<br />

Nutzer:innen vorbereitet.<br />

Stichwort Healing Architecture – welche<br />

Aspekte gilt es speziell bei Gesundheitsbauten<br />

zu berücksichtigen?<br />

Sehr interessant ist, dass man in diesem<br />

Kontext häufig nicht mehr von<br />

Krankenhaus-Architektur, sondern<br />

von Gesundheitsbauten spricht.<br />

Krankheit und Gesundheit werden<br />

unterschiedlich definiert und die Begriffe<br />

geben auch einen anderen Anspruch<br />

vor. In dem Zusammenhang<br />

schätze ich die Definition der WHO<br />

sehr, die seit der Gründung 1946 nie<br />

geändert wurde: „Die Gesundheit<br />

ist ein Zustand des vollständigen<br />

körperlichen, geistigen und sozialen<br />

Wohlergehens und nicht nur das<br />

Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“<br />

Dabei handelt es sich natürlich<br />

um eine Vision, die aber wiederum<br />

eine Richtung vorgeben kann.<br />

Architektur und Gestaltung haben<br />

die Möglichkeit, Patient:innen Wertschätzung<br />

zu vermitteln und sich um<br />

die geistige, körperliche und soziale<br />

Gesundheit zu kümmern. Das bedeutet<br />

z.B. sozialen Rückhalt in Form<br />

von Begleitpersonen vorzusehen –<br />

nicht nur bei Kindern, sondern auch<br />

im Kontext von erwachsenen Patient:innen.<br />

In den Maggie’s Centres<br />

schafft man bewusst einen Ort der<br />

entspannten Begegnung und fördert<br />

so den Kontakt der Patient:innen<br />

untereinander. Gebauter Raum kann<br />

menschliches Erleben und Verhalten<br />

ermöglichen oder aber auch erschweren<br />

bzw. verhindern.<br />

Denken Sie generell, dass dem<br />

Thema genug Beachtung geschenkt<br />

wird? Wo sehen Sie Verbesserungspotenzial?<br />

Ich denke, wir sollten uns mehr mit<br />

den menschlichen Grundbedürfnissen,<br />

unserem Verhalten und unserer<br />

Wahrnehmung auseinandersetzen.<br />

Mittlerweile gibt es bei vielen Planungsprozessen<br />

– insbesondere im<br />

Kontext der Gesundheits<strong>architektur</strong><br />

– interdisziplinäre Vorphasen, die<br />

auch partizipative Elemente miteinbeziehen.<br />

Beispiele dafür sind das<br />

Prinses Maxima Centrum für Pädiatrische<br />

Onkologie in Utrecht (LIAG<br />

architekten + baumanagement) mit<br />

der von Kopvol architecture & psychology<br />

(Gemma Koppen & Prof. Dr.<br />

Tanja C. Vollmer) entwickelten neuen<br />

Typologie für Eltern-Kind-Zimmer.<br />

Oder die Soteria im St. Hedwig Krankenhaus<br />

in Berlin: Die Station für junge<br />

Menschen mit einer Erkrankung<br />

aus dem schizophrenen Formenkreis<br />

wurde vom Psychiater Dr. Martin Voss<br />

und dem Architekten Jason Danziger<br />

(thinkbuild architecture) gemeinsam<br />

entworfen – auf der Basis von vielen<br />

Vorgesprächen mit den späteren Nutzer:innen.<br />

Projekte dieser Art würde<br />

ich mir mehr wünschen.<br />

www.<strong>architektur</strong>psychologie.online<br />

•<br />

© Stephan Ernst<br />

Rückzug und Bühne: Die Piazza del Campo<br />

in Siena befriedigt unser Bedürfnis nach<br />

Schutz und Überblick.


AXOR ONE — THE ESSENCE OF SIMPLICITY<br />

DESIGNED BY BARBER OSGERBY


<strong>architektur</strong> PEOPLE<br />

36<br />

Pichler & Traupmann<br />

Architektur sollte<br />

uns zutiefst berühren<br />

Interview mit Architekt Christoph Pichler<br />

Interview: Dolores Stuttner<br />

Architekt Christoph Pichler studierte<br />

Architektur an der Hochschule für<br />

Angewandte Kunst in Wien und an der<br />

Harvard University in den USA. 1992<br />

gründete er gemeinsam mit Johann<br />

Traupmann das Architekturbüro<br />

„Pichler & Traupmann“. Der Experte<br />

übernahm im Zuge seiner Schaffenslaufbahn<br />

Bauaufgaben unterschiedlicher<br />

Typologien. Auch wurden viele<br />

Aufgaben von Pichler & Traupmann<br />

mit Fachpreisen ausgezeichnet. Im Interview<br />

spricht Christoph Pichler über<br />

seine Ansichten zur Architektur.<br />

© Oskar Schmidt<br />

© Caramel Architektur


www.<strong>architektur</strong>-online.com<br />

37<br />

Pichler & Traupmann<br />

Wie sind Sie persönlich zur Architektur<br />

gekommen – was genau motiviert<br />

Sie an der Bauplanung?<br />

Ich habe schon in meiner Gymnasialzeit<br />

in Hall in Tirol begonnen, architektonische<br />

Entwürfe – Einfamilienhäuser,<br />

eine Kirche, ein Museum – zu<br />

entwickeln und als Kartonmodelle<br />

im Maßstab 1:100 zu bauen. Gleichzeitig<br />

übten Baustellen neuerer Architektur<br />

einen unglaublichen Reiz<br />

auf mich aus, wo ich durch unzählige<br />

Rohbauten „stieg“. Es faszinierte<br />

mich das unglaubliche Potenzial der<br />

Architektur: Ideen, „Ausgedachtes“,<br />

Wirklichkeit werden zu lassen und<br />

Raum zu schaffen, der auf den Menschen<br />

zurückwirkt und einen selbst<br />

umfasst. Während des Studiums kam<br />

noch die Erkenntnis hinzu, dass Architektur<br />

Ausdruck ihrer Zeit ist.<br />

Diese Motivation und Begeisterung<br />

ist eigentlich bis heute ungebrochen.<br />

Wie waren für Sie die ersten Jahre<br />

als Architekt? In welchen Bereichen<br />

haben sich Ihre Ansichten als erfahrener<br />

Bauplaner geändert?<br />

Die ersten Jahre waren gekennzeichnet<br />

vom intensiven Dialog – weniger<br />

einem verbalen, als vielmehr einem<br />

von Ideen und Entwurfsansätzen.<br />

Dies geschah in Zusammenarbeit<br />

mit Hannes Traupmann, mit dem ich<br />

gemeinsam auf der Angewandten<br />

studierte. In ihm loderte ein ähnliches<br />

Feuer, um es metaphorisch auszudrücken.<br />

Allerdings waren die ersten Jahre,<br />

abseits von durchaus beachteten<br />

Anfangserfolgen, dennoch geprägt<br />

von der Erkenntnis, wie steinig und<br />

hart dieser Weg sein wird. Wir waren<br />

doch verwöhnt von der Aufbruchsstimmung<br />

an der Angewandten und,<br />

in meinem Fall, ebenso an der Graduate<br />

School of Design an der Harvard<br />

University. An den Einrichtungen hat<br />

uns das zum Glück niemand gesagt.<br />

Wo sich meine Ansichten geändert<br />

haben? Wie wichtig und ungeheuer<br />

komplex die Zusammenarbeit mit einer<br />

Vielzahl von Beteiligten an einem<br />

Projekt ist – und zwar von der ersten<br />

Idee bis hin zur Fertigstellung – war<br />

mir zu Beginn nicht bewusst. Dennoch<br />

sind die Architektinnen und<br />

Architekten oft die Einzigen, die tatsächlich<br />

den Gesamtüberblick haben<br />

– sie müssen in entscheidenden Momenten<br />

die Richtung vorgeben und<br />

das Steuerrad fest in der Hand halten.<br />

Welches Projekt haben Sie besonders<br />

positiv in Erinnerung? Gibt es in<br />

Ihrer Laufbahn Konzepte, die Sie als<br />

sehr fortschrittlich ansehen.<br />

Wir lieben alle unsere Projekte. Aber<br />

ein besonders erinnerungswürdiges<br />

Beispiel ist die ÖAMTC-Zentrale.<br />

Hier ist uns wirklich etwas Außergewöhnliches<br />

gelungen. Und zwar entwickelten<br />

wir aus der puren, freien<br />

Funktionserfüllung ein extrem ausdrucksstarkes<br />

Bauwerk, das die Werte<br />

der Auftraggeber zeigt. Das große<br />

Atrium wird von ihnen in einer Art<br />

und Weise gemeinschaftsstärkend<br />

benützt, wie wir uns das gar nicht<br />

vorstellen konnten. Fortschrittliche<br />

Räume sind also solche, die sogar<br />

mehr zulassen, als ihnen ursprünglich<br />

eingeschrieben wurde. Als zukunftsweisend<br />

empfinde ich dort<br />

auch die fingerförmigen Büroflügel<br />

ohne jegliche Barrieren, die so ausgerundet<br />

sind, dass Abteilungen oder<br />

Gruppen wachsen, schrumpfen oder<br />

sich verschieben können – und das,<br />

ohne durch bauliche Elemente, wie<br />

beispielsweise Gebäudetrakte oder<br />

Stiegenhäuser, eingeengt zu sein.<br />

Mehrmals haben wir schon versucht,<br />

diese neue Typologie bei weiteren<br />

Wettbewerben ins Ziel zu bringen,<br />

waren jedoch darin nicht mehr erfolgreich.<br />

Denn klassisch gedachter Städtebau<br />

mit Blockrandbebauung wird<br />

leider meistens als Maßstab gesehen.<br />

u<br />

ÖAMTC-Zentrale<br />

© Toni Rappersberger


<strong>architektur</strong> PEOPLE<br />

38<br />

Pichler & Traupmann<br />

Wir wollen den Weg konsequent weitergehen,<br />

für jede Aufgabe eine passende<br />

und manchmal über die Fragestellung<br />

hinausgehende Antwort<br />

zu finden. Denn wir wissen nicht,<br />

welche Herausforderungen die Zukunft<br />

bereithält. Was mich zusätzlich<br />

interessieren würde, wäre ein Tool,<br />

das mir während des frühen Entwicklungsprozesses<br />

eines Projekts sagt,<br />

welche Material- und Konstruktionswahl<br />

zur gegebenen Ausgangslage<br />

die nachhaltigste ist. Derzeit postulieren<br />

und proklamieren wir alle, aber<br />

Nachweise gibt es kaum.<br />

ÖAMTC-Zentrale<br />

Welchen Stellenwert haben für Sie<br />

Architektur und Raumplanung im<br />

Rahmen der aktuellen Herausforderungen<br />

– darunter vor allem der<br />

vermehrten Landflucht und dem Klimawandel?<br />

Ich würde hier noch die Landschafts<strong>architektur</strong><br />

anfügen. Diese drei Disziplinen<br />

haben den höchsten Impact,<br />

da sie von den Grundsatzentscheidungen<br />

bis zur konkreten Gestaltung<br />

in allen Detailgraden unsere<br />

gesamte, von uns gestaltete Umwelt<br />

umfassen. In Summe können diese<br />

Disziplinen sehr viel bewegen: Weg<br />

vom Ressourcen- und Energieverbrauch<br />

und hin zu erneuerbaren<br />

Energien und einer nachhaltigen<br />

Kreislaufwirtschaft.<br />

Es sind sich nur nicht alle einig und<br />

die beauftragten Projekte sollen die<br />

gesteckten Ziele leider oft auch nur<br />

am Rande verfolgen. So gehen aus<br />

dieser theoretisch geballten Macht<br />

zugunsten der Rettung des Planeten<br />

nach wie vor nur einige Pilotprojekte<br />

hervor, aber viele behübschte Konzepte.<br />

Dennoch zählt jede Bemühung<br />

– die Frage ist, wann eine kritische<br />

Masse erreicht wird.<br />

Erderwärmung zu verlangsamen und<br />

gegebenenfalls zu stoppen – gleichzeitig<br />

wollen Architekten die Folgen<br />

des Klimawandels möglichst erträglich<br />

machen.<br />

Leider hört allerdings heute vielfach<br />

die Betrachtung der Bauplanung damit<br />

auf. Sollte es nicht schon State<br />

of the Art sein, so zu bauen? Sowohl<br />

die technischen Universitäten sowie<br />

die Bauwirtschaft sind hier gefragt<br />

– sie sollten uns schon längst die<br />

Mittel und Methoden bereitgestellt<br />

haben. Die Architektur könnte sich<br />

wieder ihrer eigentlichen Aufgabe,<br />

und zwar der Schaffung von lebenswertem<br />

und zugleich inspirierendem<br />

Raum, widmen!<br />

Welche Wege wollen Sie als Architekt<br />

in Zukunft einschlagen – gibt es<br />

Bereiche und Entwicklungen, die Sie<br />

besonders berücksichtigen werden/<br />

als wichtig empfinden?<br />

ÖAMTC-Zentrale<br />

© Toni Rappersberger<br />

In welchen Bereichen haben Architektur<br />

und Raumplanung noch Aufholbedarf<br />

– was sind Ihrer Meinung<br />

nach problematische Entwicklungen?<br />

Ich sehe keinen Aufholbedarf beispielsweise<br />

bei der Raumplanung,<br />

aber einen enormen bei der Politik,<br />

die deren Planungen umsetzen bzw.<br />

deren Empfehlungen folgen müsste.<br />

Wir haben einen enormen Bodenverbrauch,<br />

enorme Versiegelungsraten,<br />

Verhüttelung, Speckgürtel und verwaiste<br />

Ortskerne. Diese Probleme<br />

sind, wie der Klimawandel, seit Jahrzehnten<br />

bekannt – aber was wird unternommen?<br />

Was ist für Sie die „Architektur<br />

der Zukunft“?<br />

Architektur ist per se immer in die Zukunft<br />

gerichtet. Ich würde mir daher<br />

wünschen, dass dies trotz der Zeit der<br />

Krise, mehr spür- und sichtbar wird.<br />

Vielfach sehe ich jedoch eine resignative<br />

Tristesse rückwärtsgewandter<br />

Ansätze. Ja, Architektur sollte Hoffnung<br />

und Lebensfreude anregen und<br />

uns zugleich zutiefst berühren. •<br />

Welche Anforderungen müssen laut<br />

Ihnen Architekturprojekte, und mit<br />

Ihnen die Architektur allgemein, in<br />

der heutigen Zeit erfüllen?<br />

In Bezug auf die Lebensdauer eines<br />

Hauses gilt es, den Materialeinsatz<br />

zu minimieren. Auch bedarf es einer<br />

Reduzierung des Energieverbrauchs<br />

zur Herstellung und zum Betrieb des<br />

Gebäudes. Es soll dazu beitragen, die<br />

© Toni Rappersberger


www.<strong>architektur</strong>-online.com<br />

39<br />

das Organisations- und Führungstool<br />

der Architekten und Ingenieure<br />

Pichler & Traupmann<br />

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Foto: unsplash (samuel-zeller)<br />

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<strong>architektur</strong> PEOPLE<br />

40<br />

mia2 Architektur<br />

Wertschätzender<br />

Umgang mit<br />

Bestandsstrukturen<br />

Interview mit Architektin Sandra Gnigler und Architekt Gunar Wilhelm<br />

Interview: Edina Obermoser<br />

Mit ihrem Büro mia2 Architektur haben<br />

sich Sandra Gnigler und Gunar Wilhelm<br />

der Entwicklung von lebenswerten<br />

Räumen verschrieben. Gemeinsam<br />

entwirft und baut das Linzer Planerduo<br />

Projekte mit Fokus auf Funktionalität,<br />

Ökonomie und Atmosphäre<br />

und beschäftigt sich außerdem viel mit<br />

Bestandsstrukturen. Die Nutzung des<br />

Bestands birgt für sie großes Potenzial,<br />

aber auch jede Menge Handlungsbedarf.<br />

Sie selbst sehen sich dabei nicht<br />

nur Auftraggeber:innen, sondern der<br />

Gesellschaft gegenüber in der Pflicht.<br />

Im Interview erzählen die beiden, wie<br />

sie anhand eines wertschätzenden<br />

Umgangs mit Ressourcen versuchen,<br />

den Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit<br />

und Qualität zu schaffen und<br />

gleichzeitig zur Weiterentwicklung der<br />

Baukultur beizutragen.<br />

© Fabienne Roth


www.<strong>architektur</strong>-online.com<br />

41<br />

mia2 Architektur<br />

Auf Ihrer Website ist die Rede von<br />

„Weiterentwicklung von Baukultur“ –<br />

was verstehen Sie darunter genau?<br />

Dafür gilt es zunächst den Begriff<br />

der Baukultur zu definieren: Unter<br />

Baukultur verstehen wir grundlegende<br />

Dinge, die das Alltägliche prägen.<br />

Bedingt durch räumliche und klimatische<br />

Bedingungen haben jeder Ort<br />

und jede Gesellschaft ihre eigene<br />

historische Entwicklung und unterschiedliche<br />

Ausprägungen. Anstatt<br />

übertriebener Inszenierung geht es<br />

für uns in der Architektur deshalb<br />

um eine grundsätzliche Auseinandersetzung<br />

mit dem Thema Leben<br />

und Wohnen und ein Bewusstsein für<br />

die damit verbundenen Bedürfnisse.<br />

Diesen Parametern entsprechend<br />

gilt es dann, angemessene, gestalterische<br />

Lösungen zu finden und<br />

die Baukultur so weiterzuentwickeln.<br />

Hier sind Planer:innen mehr gefordert<br />

denn je: Industrialisierung und<br />

Technologisierung bieten ein immer<br />

breiteres Spektrum an Möglichkeiten<br />

und verleiten dazu, in eine Art „Unkultur“<br />

zu verfallen. Dieses Phänomen<br />

ist oft bei Neubauten zu beobachten,<br />

die neben ihrer einheitlichen<br />

Erscheinung auch eine Auseinandersetzung<br />

mit dem Kontext vermissen<br />

lassen. Häufig kommt es dabei zugunsten<br />

der Quantität zu Einbußen<br />

bei der Qualität – diese Tendenz der<br />

Maßlosigkeit ist in unserer Gesellschaft<br />

stark spürbar.<br />

Sie realisieren viele Projekte zum<br />

Thema „Bauen im Bestand“ – sehen<br />

Sie das als Architekt:innen als Ihre<br />

Verantwortung?<br />

Wir sind da nicht dogmatisch. Generell<br />

betrachten wir den Bestand<br />

als Grundsatzthema in der Bauwelt<br />

– leider wird dabei allzu oft<br />

der Kostenfaktor als maßgebender<br />

Maßstab herangezogen. Umbauten<br />

erweisen sich in der Regel als lohnintensiver,<br />

wohingegen ein Neubau<br />

deutlich mehr Material und Energie<br />

erfordert. Wir sehen in bestehenden<br />

Strukturen viel Potenzial und legen<br />

deshalb gern unseren Fokus darauf<br />

– was aber nicht bedeutet, dass wir<br />

keine Neubauten realisieren. Bevor<br />

wir Zeit und Ressourcen in ein Bestandsprojekt<br />

stecken, überprüfen<br />

wir die Substanz zunächst auf ihren<br />

Zustand. Nur wenn sie dem Vergleich<br />

zwischen Wirtschaftlichkeit<br />

Ein Stadthaus in Linz wurde sanft saniert und erweitert. Während sich im Erdgeschoss das Büro von<br />

mia2 Architektur befindet, entstand im oberen Teil ein Holzaufbau mit 2.5 Stockwerken.<br />

und Qualität standhält, lohnt sich<br />

der Einsatz auch.<br />

Wird dem Thema Bestand genügend<br />

Beachtung geschenkt?<br />

Die Thematik kommt zunehmend in<br />

den Diskurs, aber nicht in der Breite.<br />

Solange sich an den Rahmenbedingungen<br />

nichts ändert – das<br />

heißt, die Lohnbesteuerung so hoch<br />

und die Ressourcenbesteuerung so<br />

niedrig ist – wird auch kein Umdenken<br />

passieren. Macht man die Rechnung,<br />

erweisen sich ein Abriss und<br />

anschließender Neubau eben oft als<br />

günstiger. Selbst Gründerzeitbauten<br />

werden immer mehr abgetragen und<br />

durch raue Mengen an Wohnbauten<br />

mit niedriger Lebensqualität ersetzt.<br />

Da verwundert es wenig, dass viele<br />

weiterhin vom Einfamilienhaus mit<br />

Pool träumen. Leider geht auf diese<br />

Weise das Bewusstsein für gewachsene<br />

Strukturen und deren Qualitäten<br />

sukzessive verloren und mit ihm<br />

auch ein Stück unserer Baukultur.<br />

Wie geht man mit bestehender/alter<br />

Bausubstanz richtig um?<br />

Das hängt vom jeweiligen Projekt ab.<br />

Primär geht es für uns stets um die<br />

richtige Fragestellung und um das<br />

Erkennen von Problemen und Qualitäten.<br />

Im zweiten Schritt versuchen<br />

wir dann, die positiven Eigenschaften<br />

zu fördern und die Schwachstellen<br />

in Stärken umzuwandeln. Wichtig<br />

ist uns generell, die Bausubstanz<br />

nicht nur zu überdecken, sondern sie<br />

neu ertüchtigt und weiterentwickelt<br />

zum Verweis ihrer individuellen Geschichte<br />

zu machen.<br />

u<br />

© Kurt Hörbst


<strong>architektur</strong> PEOPLE<br />

42<br />

mia2 Architektur<br />

Bei der Sanierung dieses Hauses verbindet eine neue große<br />

Freitreppe das bestehende Erdgeschoss mit dem Garten.<br />

Wo werden dabei Ihrer Meinung nach<br />

die meisten Fehler begangen?<br />

Einen häufig vernachlässigten Punkt<br />

stellt, denken wir, die Raumatmosphäre<br />

dar – allerdings nicht nur<br />

beim Bauen im Bestand, sondern<br />

auch bei Neubauprojekten. Die Architektur<br />

wurde im Sinne der Bautechnik,<br />

Wirtschaftlichkeit und Funktionalität<br />

immer weiter rationalisiert<br />

und dabei leider zunehmend auf<br />

andere Aspekte vergessen, die zum<br />

Teil völlig kostenunabhängig sind.<br />

Oftmals geht es nicht um Punkte<br />

© Kurt Hörbst<br />

wie die Wahl des Materials, sondern<br />

vielmehr um dessen Einsatz und<br />

Kombination. Dieses Bewusstsein ist<br />

sehr wichtig, denn nur damit kann es<br />

gelingen, aus einem Haus auch ein<br />

Zuhause zu machen. Letztendlich<br />

sehnt sich schließlich jeder nach Geborgenheit<br />

und Gemütlichkeit.<br />

Worin stecken beim Umgang<br />

mit dem Bestand die größten<br />

Herausforderungen?<br />

Die größte Herausforderung steckt<br />

wahrscheinlich in der Überzeu-<br />

gungsarbeit selbst. Altbestand hat<br />

häufig eine negative, problembehaftete<br />

Konnotation – obwohl es<br />

vorwiegend lediglich darum ginge,<br />

diese potenziellen Nachteile mit den<br />

richtigen Maßnahmen ins Positive<br />

umzukehren. Speziell bei „Problembestand“<br />

tendieren viele dazu, sich<br />

abschrecken zu lassen. Gerade diese<br />

Projekte erweisen sich aber oft<br />

als die spannendsten, weil sie mehr<br />

Auseinandersetzung und neue Lösungen<br />

erfordern.<br />

Sehen wir Potenzial in einer Substanz,<br />

ermuntern wir Bauherr:innen dieses<br />

zu erkennen. Hier gilt es unserer<br />

Meinung nach, wieder ein Grundbewusstsein<br />

und mehr Wertschätzung<br />

zu schaffen. Da sich der tatsächliche<br />

Aufwand bei Bestandssanierungen<br />

meist nur schwer abschätzen lässt,<br />

sind auch Punkte wie Budgetkalkulation<br />

besonders fordernd. Das wollen<br />

wir nicht romantisieren.<br />

Lassen sich die Themen Bestand<br />

und Innovation vereinen?<br />

Das hängt sehr von Projekt und Auftraggeber:in<br />

ab. Wir konnten beispielsweise<br />

mit dem Stadthaus in Linz<br />

an unserer eigenen Sanierung arbei-<br />

Im Inneren des<br />

Stadthauses<br />

harmonieren<br />

neue Einbauten<br />

mit den alten<br />

Strukturen.<br />

Aus überlegter<br />

Materialwahl<br />

und Liebe zum<br />

Detail ergibt sich<br />

ein stimmiges<br />

Gesamtbild.<br />

© Kurt Hörbst


www.<strong>architektur</strong>-online.com<br />

43<br />

mia2 Architektur<br />

ten. Dieses Bestandsprojekt diente<br />

uns als persönliches Experimentierfeld<br />

für innovative Sanierungsmethoden,<br />

bei dem wir viel Erfahrung<br />

sammeln konnten. Neben – aus dem<br />

Aushub gefertigten – Stampflehmwänden<br />

im Erdgeschoss, die nun<br />

Teile des Firsts tragen, setzten wir<br />

recycelte Geländer aus einem anderen<br />

Projekt ein und adaptierten sie in<br />

Zusammenarbeit mit einem befreundeten<br />

Schlosser. Vorhaben dieser Art<br />

halten dem ökonomischen Vergleich<br />

zwar häufig nicht stand, wo sie möglich<br />

sind, verhelfen sie jedoch zu einer<br />

viel stärkeren Identifikation mit dem<br />

Projekt und schaffen Mehrwert.<br />

Inwiefern spielen zirkuläre Architektur<br />

und Cradle-to-cradle-Ansätze<br />

beim Bauen im Bestand eine Rolle?<br />

Das demonstrierte uns in vielerlei<br />

Hinsicht auch das Stadthaus, wo wir<br />

die Möglichkeit hatten, bestehendes<br />

Material weiterzuverwenden. Im innerstädtischen<br />

Kontext steht man<br />

dabei oftmals beim Thema Logistik<br />

vor besonderen Herausforderungen,<br />

da Flächen zum temporären Deponieren<br />

und Lagern fehlen. So war es<br />

für uns schön zu sehen, dass selbst<br />

unsere alte Dachdeckung auf einem<br />

Stadl in Oberösterreich eine neue<br />

Verwendung fand. Das zeigt auch<br />

das enorme materialtechnische Potenzial,<br />

das selbst in nicht erhaltenswerten<br />

Bestandsstrukturen steckt.<br />

Beim Abbruch gilt es, sich die Zeit zu<br />

nehmen und – wo möglich – den Lebenszyklus<br />

von Ressourcen zu verlängern,<br />

anstatt alles wegzuwerfen.<br />

Wie entwirft man heute etwas, das<br />

morgen baukulturell wertvoll ist?<br />

Am wichtigsten ist es unseres Erachtens,<br />

sich mit dem Kontext und den<br />

Nutzer:innen auseinanderzusetzen<br />

und so – sich auch verändernde – Bedürfnisse<br />

und Anforderungen zu identifizieren.<br />

Dieser Entwicklungsprozess<br />

stellt ebenfalls einen Teil unserer<br />

Baukultur dar. Grundsätzlich lassen<br />

sich hier zwei Punkte definieren: Zum<br />

einen gilt es, einen Wert zu schaffen<br />

– sei es durch Wirkung im Umfeld,<br />

qualitative Raumgefüge oder andere<br />

Maßnahmen. Der andere Fokus liegt<br />

auf der Nutzbarkeit und mit ihr wiederum<br />

auf einer strukturellen Flexibilität,<br />

welche die Grundlage für spätere<br />

Umnutzungen des Bestands bildet.<br />

Während die Tendenz immer stärker<br />

zu starren, vordefinierten Strukturen<br />

geht, vergisst man auf Langlebigkeit.<br />

Dass sich Zeiten ändern und auch die<br />

Architektur schnelllebiger wird, kann<br />

man durchaus akzeptieren. Man muss<br />

aber auch darauf reagieren – und um<br />

eine Beständigkeit der Baukultur zu<br />

garantieren, braucht es eine bessere<br />

Wandelbarkeit der Gebäude.<br />

Was liegt Ihnen zusätzlich zum Bauen<br />

im Bestand besonders am Herzen?<br />

Neben dem Thema Bestand ist unsere<br />

oberste Prämisse, Lebensraum zu<br />

schaffen. Als Planer:in läuft man oft<br />

Gefahr, Architekturikonen kreieren<br />

zu wollen und den eigentlichen Fokus<br />

aus den Augen zu verlieren. Das Ergebnis<br />

dieser Egoismen ist aber keine<br />

Baukultur, sondern bezugslose Architektur.<br />

Im Mittelpunkt jedes Projekts<br />

sollte die Auseinandersetzung mit<br />

dem Kontext und die Reaktion auf ihn<br />

stehen. Individuelle Bedürfnisse und<br />

örtliche Bedingungen führen nicht<br />

nur zu einer Identifikation mit dem<br />

Ort, sondern auch zu mehr Lebensqualität.<br />

Und so schließt sich für uns<br />

wieder der Kreis zur Baukultur. •<br />

www.mia2.at<br />

Unter dem Titel RUNDHERUM erweitert ein umlaufender Holzbau<br />

ein Ferienhaus aus den 70er-Jahren im Mühlviertel. Die Kombination<br />

aus dem massiven Bestandskern und der neuen Ergänzung<br />

soll zwei architektonische Zeitschichten spürbar machen.<br />

© Kurt Hörbst


<strong>architektur</strong> PEOPLE<br />

44<br />

STUDIO LOIS<br />

Architektur als positive<br />

Befriedigung der Sinne<br />

Interview mit Architektin Barbara Poberschnigg<br />

Interview: Edina Obermoser<br />

Architektur geht für Barbara Poberschnigg weit<br />

über die Grenzen der Funktionalität hinaus. Für<br />

die Architektin stehen die Menschen im Mittelpunkt.<br />

Seit 2015 fokussiert sie sich mit ihrem<br />

Büro STUDIO LOIS deshalb darauf, Projekte mit<br />

atmosphärischem und emotionalem Mehrwert zu<br />

entwickeln. Die Liebe zum Detail ist dabei nicht<br />

nur in den Bauten selbst, sondern bereits in den<br />

Projektbeschreibungen spürbar, die mit Witz<br />

und Schmäh Lust auf mehr machen. Im Interview<br />

spricht die Tirolerin über die Wichtigkeit von Emotion<br />

und Atmosphäre in der Architektur und warum<br />

diese oft vernachlässigt werden. Außerdem<br />

gibt sie Einblicke in ihre eigene Herangehensweise<br />

und erzählt, wie sie mit ihrem Team versucht, individuelle<br />

Räume mit Qualität zu schaffen.<br />

© Thomas Nikolaus Schrott


www.<strong>architektur</strong>-online.com<br />

45<br />

STUDIO LOIS<br />

Die Individualität und Liebe zum Detail<br />

schwingt bei all Ihren Projekten<br />

mit – wie hat sich der Schwerpunkt<br />

Ihres Büros entwickelt?<br />

Der Schwerpunkt des Büros spiegelt<br />

uns selbst wider. Diese Richtung war<br />

keine bewusste Entscheidung, sondern<br />

ein Ausdruck meiner Auffassung<br />

von Architektur. Und genau dafür<br />

steht auch STUDIO LOIS. Der Name<br />

Lois erinnert mich nicht nur an starke<br />

Personen in meiner Familie, sondern<br />

soll unterschwellig sein und die Distanz<br />

zum Gegenüber abbauen. Uns ist<br />

es wichtig, keine Grenzen zuzulassen<br />

– weder im Denken noch zwischen<br />

uns und denen, für die wir Architektur<br />

machen wollen und dürfen.<br />

Warum sind Ihnen Emotion und Atmosphäre<br />

in der Architektur so wichtig?<br />

Weil das Leben eines jeden Menschen<br />

bzw. lebenden Individuums<br />

zu einem großen Teil von Emotionen<br />

und Stimmungen geprägt wird. Unser<br />

Wohlbefinden beeinflusst nicht<br />

nur unseren Alltag, sondern auch unsere<br />

Interaktion mit anderen. Die Architektur<br />

gibt uns Instrumente, um in<br />

Räumen eine bestimmte Atmosphäre<br />

zu schaffen und somit die Nutzer:innen<br />

(positiv) zu beeinflussen. In der<br />

Bildungs<strong>architektur</strong> bildet sich das<br />

Raumgefühl beispielsweise in der<br />

Produktivität und im Umgang zwischen<br />

Kindern und Pädagog:innen<br />

ab. Das gleiche gilt für jeden anderen<br />

Raum und deshalb spielen Emotionen<br />

in all unseren Projekten eine<br />

große Rolle – vom Lager und der Garage<br />

bis hin zum Schlafzimmer und<br />

der Schule.<br />

Wird in der Architektur genug über<br />

Themen wie Emotion und Atmosphäre<br />

gesprochen?<br />

Das Bewusstsein dafür ist oft nicht<br />

vorhanden. Ich glaube aber nicht,<br />

dass es sich dabei um einen vorsätzlichen<br />

Verzicht handelt, sondern<br />

vielmehr um eine fehlende<br />

Auseinandersetzung mit dem Thema.<br />

Der Aufgabenbereich von uns<br />

Architekt:innen ist breit gefächert<br />

und erfordert eine allumfassende<br />

Arbeitsweise. Insbesondere in Zeiten<br />

© Schreyer David<br />

© Schreyer David<br />

An der bayrisch-tirolerischen Grenze realisierte STUDIO LOIS mit den japanischen Kengo Kuma<br />

Associates ein Meditationshaus. Das Ergebnis ist ein mehrfach preisgekrönter, ruhiger Ort in dem nun –<br />

umgeben von ca. 1.600 Tannenbrettern – mitten im Wald und umgeben von Natur meditiert wird.<br />

von Teuerung, Lieferengpässen und<br />

anderen ökonomischen Faktoren<br />

bleibt häufig wenig Zeit für andere<br />

wichtige Kernthemen in der Planung<br />

– und das geht dann zulasten von<br />

nicht greifbaren Elementen wie Atmosphäre<br />

und Emotion.<br />

Wie vereint man Emotion und Atmosphäre<br />

mit Funktion in einem Entwurf?<br />

Liest man sich Raumprogramme<br />

durch, bemerkt man sofort die Tendenz<br />

von uns Menschen zur Organisation<br />

und auch zur Separation. Das<br />

beginnt beim Einfamilienhaus, in dem<br />

wir bestimmten Räumen jeweils eine<br />

einzige Funktion zuordnen wollen.<br />

Sobald wir aber anfangen uns von<br />

diesen fixen Ideen und Grenzen zu<br />

lösen, erkennen wir die wahren Qualitäten<br />

des Raums. Mit neuen, individuellen<br />

Anforderungen erhalten Schlafzimmer<br />

und Küche plötzlich neues<br />

Potenzial. Die Nutzung erweitert sich<br />

– und mit ihr die Atmosphäre. Dieser<br />

Effekt lässt sich nicht nur über die<br />

Funktion allein generieren, dazu gehören<br />

auch Faktoren wie etwa der<br />

Kontext und die damit verbundene<br />

Orientierung eines Hauses, Ausblicke<br />

und mehr. Sie alle spielen in die Atmosphäre<br />

eines Projektes hinein und<br />

verleihen ihm seinen Mehrwert. u


<strong>architektur</strong> PEOPLE<br />

46<br />

STUDIO LOIS<br />

Welche gestalterischen Maßnahmen<br />

tragen zu einem positiven Raumempfinden<br />

bei?<br />

Man kann leider nicht einfach wie<br />

bei einer Checkliste einzelne Punkte<br />

abhaken, die sich auf jedes Projekt<br />

anwenden lassen. Grundsätzlich ist<br />

es, denke ich, wichtig, sämtliche Sinne<br />

gleichermaßen anzusprechen. Die<br />

Architektur beschränkt sich oft auf<br />

das Auge, dabei spielen das Hören<br />

und Fühlen eine mindestens genau<br />

so große Rolle wie das Sehen. Oberflächen<br />

und Materialien mit ansprechender<br />

Haptik lösen etwas in uns<br />

aus. Herrscht in einem Raum eine angenehme<br />

Akustik, schafft das ein gewisses<br />

Grundvertrauen. Somit stellt<br />

Gestaltung eigentlich eine Kombination<br />

des positiven Anreizens und<br />

der Befriedigung unserer Sinne dar.<br />

Meiner Meinung nach gilt es bei dem<br />

Thema eher, sich anstatt der „Does“<br />

auf die „Don’ts“ zu konzentrieren.<br />

Das bedeutet zum Beispiel, Licht<br />

oder Aussichtspunkte bewusst zu<br />

platzieren und keine lauten oder mit<br />

Farbe und Materialien überfrachteten<br />

Räume zu planen. Während einzelne,<br />

wohl dosierte Akzente ein positives<br />

Gefühl erzeugen, überfordern<br />

uns zu viele Elemente schnell und<br />

führen zu Unbehagen.<br />

Wie schafft man es, trotz externen<br />

Faktoren nicht in Monotonie zu verfallen<br />

und individuelle Räume zu entwerfen?<br />

Auch hier gibt es, denke ich, kein<br />

Geheimrezept. Der Vorsatz besteht<br />

nicht darin, individuelle Räume zu<br />

schaffen, die es so noch nie gab. Bei<br />

uns im Büro entstehen spezifische<br />

Lösungen wie im Pingpong-Spiel im<br />

Team. Im Mittelpunkt stehen dabei<br />

stets die gemeinschaftliche Auseinandersetzung<br />

mit der jeweiligen<br />

Aufgabe und die Diskussion – untereinander<br />

und auch mit Bauherr:innen.<br />

Teil dieser kollektiven Arbeit<br />

sind sowohl gemütliche als auch<br />

fordernde Gespräche, die wiederum<br />

zu neuen Ideen führen. Zu diesem<br />

Prozess gehört auch, die Perspektive<br />

immer wieder zu wechseln, die<br />

eigenen Überzeugungen sukzessive<br />

zu hinterfragen und den Entwurf so<br />

anhand unterschiedlicher Faktoren<br />

zu überprüfen – und das bis in die<br />

Realisierungsphase hinein.<br />

Worin liegt hinsichtlich der Thematik<br />

die größte Herausforderung bei Bestandsprojekten?<br />

Zum Teil liegt sie darin, dass es bereits<br />

Emotionen und Atmosphäre<br />

gibt – und diese in heruntergekommenen<br />

Bestandsbauten oft negativ<br />

behaftet sind. Auch das Thema<br />

Respekt spielt beim Umgang mit<br />

Bestand eine große Rolle. Wenn bei<br />

einer alten Bausubstanz ein talentierter<br />

Mensch am Werk war, merkt<br />

man ihr das an. Anstatt als erstes an<br />

einen Abriss zu denken, gilt es dann<br />

– sofern es die Struktur zulässt – diese<br />

Qualitäten respektvoll wieder zum<br />

Vorschein zu bringen. Diese Achtung<br />

hat jedes Gebäude verdient. Selbst<br />

in Bauten mit vielen Schwachstellen,<br />

steckt meist Potenzial, mit dem<br />

es sich auseinanderzusetzen gilt.<br />

In dieser Hinsicht sollte generell<br />

wieder ein größeres Bewusstsein<br />

„Mut zur Lücke“ lautete das Motto bei diesem Doppelhaus: An die Bauvorschriften adaptiert, fügt es sich zwischen seine Nachbarn ein.<br />

Beim Innenausbau legten die Besitzer selbst Hand an. Nun prägen die Räume unverkleidete Massivholz- und Betonoberflächen.<br />

© Schreyer David


www.<strong>architektur</strong>-online.com<br />

47<br />

STUDIO LOIS<br />

© Schreyer David<br />

Mit dem Umbau der Schulen Kettenbrücke passte STUDIO LOIS das mehrfach erweiterte Bildungsensemble an heutig Maßstäbe an.<br />

Anstelle eines Sammelsuriums an Ansichten und Gebäudehöhen rücken einheitliche Putz- und Polycarbonatfassaden.<br />

geschaffen werden. Sanierungsprojekte<br />

sind natürlich nicht immer die<br />

ökonomischste Option und oft auch<br />

schwieriger zu kommunizieren. Deshalb<br />

bedarf es in diesem Bereich viel<br />

mehr Überzeugungsarbeit, die aber<br />

für mich zu einem sorgsamen Umgang<br />

mit unserem Planeten und seinen<br />

Ressourcen gehört. Das sehe ich<br />

als Architektin auch als eine meiner<br />

Hauptverantwortungen.<br />

Welche Faktoren haben – abgesehen<br />

von der emotionellen Komponente<br />

– den größten Einfluss auf<br />

Ihre Projekte?<br />

Die Freude am Tun ist für uns der<br />

wichtigste Maßstab. Diese Freude<br />

multipliziert sich auch durch das Gegenüber.<br />

Gibt es Mitspieler:innen, die<br />

genauso für ein Vorhaben brennen,<br />

spürt man das. Das sind meist auch<br />

jene Projekte, die man am Ende gar<br />

nicht aus der Hand geben möchte, weil<br />

sie einem so am Herzen liegen. Eines<br />

meiner Lieblingsbeispiele dafür ist die<br />

„HERberge“, eines der Anfangsprojekte<br />

von STUDIO LOIS. Es demonstriert<br />

für mich, dass Räume tatsächlich die<br />

Kommunikation ermöglichen und Integration<br />

und Zusammenleben fördern<br />

können – und es sich bei diesem<br />

Ansatz um weit mehr als eine romantische<br />

Idee handelt.<br />

Worin liegt für Sie das größte Potenzial<br />

in der Architektur?<br />

Das größte Potenzial liegt, denke ich,<br />

darin, dass sie uns lehrt, aus wenig<br />

ganz viel entstehen zu lassen. Anstatt<br />

überladener „Oligarchen<strong>architektur</strong>“<br />

bringt oft das Reduzieren auf<br />

das Minimum das Maximum hervor.<br />

Und genau das kann die Architektur<br />

den Menschen zeigen.<br />

•<br />

www.studiolois.io<br />

Natürliche Oberflächen, helle Akustikpaneele und Farbakzente schaffen nicht nur in der Schule (links), sondern auch in der Innsbrucker<br />

Kinderkrippe EDI (rechts) atmosphärische, kindgerechte Innenräume und legen den Grundstein für eine integrative Kinderbetreuung.<br />

© Schreyer David © Schreyer David


<strong>architektur</strong> PEOPLE<br />

48<br />

dunkelschwarz<br />

Pure Konstruktionen<br />

und Materialehrlichkeit<br />

Interview mit den Architekten Michael Höcketstaller,<br />

Erhard Steiner und Hannes Sampl<br />

Interview: Edina Obermoser<br />

Nach anfänglichen Soloprojekten<br />

bündelten die drei Architekten Michael<br />

Höcketstaller, Erhard Steiner und<br />

Hannes Sampl 2019 ihre Ideen und<br />

gründeten das Büro dunkelschwarz.<br />

Unter diesem Namen realisiert das<br />

Salzburger Trio nun gemeinsam Projekte<br />

unterschiedlicher Maßstäbe und<br />

Typologien und setzte sich jüngst mit<br />

seinem Entwurf für die „S-Link-Haltestelle“<br />

am Mirabellplatz in Salzburg<br />

durch. Neben der Liebe zum Detail fällt<br />

dabei vor allem ein wiederkehrendes<br />

Thema auf: der Werkstoff Holz. Die<br />

drei Planer erzählen, was sie an dem<br />

Material schätzen, wo für sie die Herausforderungen<br />

liegen und warum sie<br />

Holz trotzdem nicht als Generallösung<br />

erachten.<br />

© Carina Brunnauer


www.<strong>architektur</strong>-online.com<br />

49<br />

dunkelschwarz<br />

© Albrecht Schnabel<br />

Den Kindergarten in Wals-Grünau erweiterte dunkelschwarz um einen Anbau mit vier weiteren Gruppen.<br />

Als Massivholzkonstruktion führt der Neubau Typus, Maßstab und Geschossigkeit des Bestands fort und<br />

nimmt mit seiner Raumkonfiguration gleichzeitig Rücksicht auf die Kinder.<br />

Die Projekte auf Ihrer Website wirken<br />

alles andere als dunkel oder schwarz –<br />

woher kommt der Name Ihres Büros?<br />

Wir wollten nicht einfach unsere<br />

drei Nachnamen aneinanderreihen,<br />

sondern etwas Neues schaffen. Der<br />

Name unseres Büros baut auf dem<br />

Klischee auf, dass alle Architekt:innen<br />

gerne Schwarz tragen und stellt<br />

so einen Bezug zur Architektur her<br />

– er ist natürlich mit einem gewissen<br />

Augenzwinkern zu verstehen. Da<br />

es dunkelschwarz als Farbe ja nicht<br />

gibt, soll der Büroname zum Synonym<br />

werden, zu einem neuen Namen,<br />

der sich mit neuen Bedeutungen aufladen<br />

lässt und der alles sein kann.<br />

Aus Ihren Projekten und Auszeichnungen<br />

lässt sich eine gewisse Tendenz<br />

für den Holzbau ablesen – wie<br />

entstand dieser Fokus?<br />

Er kommt sicher aus einer gewissen<br />

Haltung zur Architektur heraus. Vor<br />

der Gründung von dunkelschwarz<br />

haben wir uns alle drei unabhängig<br />

voneinander selbstständig gemacht<br />

und die Liebe zum Holz war bei uns<br />

allen schon vorher da. Das heißt<br />

aber nicht, dass wir ausschließlich<br />

mit diesem Baustoff arbeiten möchten.<br />

Vielmehr geht es für uns beim<br />

Thema Holzbau um konstruktive<br />

Kriterien. Holz setzt voraus, dass<br />

man gut konstruiert. Anders als bei<br />

einer Schalung, in die man den Beton<br />

hineingießt und alle gewünschten<br />

Formen kreiert, muss man sich beim<br />

Bauen mit Holz zuerst die Konstruktion<br />

überlegen. Das führt meist automatisch<br />

zu einer gewissen architektonischen<br />

Ausdrucksweise.<br />

Was ist für Sie das Spannendste am<br />

Thema Holzbau?<br />

Grundsätzlich finden wir das Pure<br />

in der Architektur sehr spannend –<br />

das ist materialunabhängig unsere<br />

Grundhaltung. Wir schätzen es, wenn<br />

konstruktive Elemente und Werkstoffe<br />

sichtbar bleiben, anstatt hinter<br />

diversen Schichten versteckt zu werden.<br />

Wir streben bei allen unseren<br />

Projekten nach puren Konstruktionen<br />

und einer gewissen Ehrlichkeit<br />

des Materials. Das symbolisiert für<br />

uns auch einen Nachhaltigkeitsgedanken<br />

und einen wertschätzenden,<br />

sparsamen Umgang mit Ressourcen.<br />

Beim Holz ist das besonders interessant,<br />

weil es in dieser Hinsicht wohl<br />

am dankbarsten ist und das Material<br />

allein dem Raum sehr viel gibt.<br />

Wenn wir uns bei einem Projekt für<br />

Holz entscheiden, schwingen dann<br />

natürlich die diversen Vorteile des<br />

Baustoffs mit, aber nicht nur – im<br />

Vordergrund stehen für uns die atmosphärischen<br />

Qualitäten.<br />

Auf welche besonderen Herausforderungen<br />

stößt man beim Bauen mit<br />

Holz Ihrer Meinung nach?<br />

Im Prinzip steckt in der größten Qualität<br />

des Baustoffs auch die größte<br />

Challenge: Er setzt einen hohen<br />

Detaillierungsgrad und eine präzise<br />

Planung voraus. Wenn man pur und<br />

unverkleidet arbeiten will, muss aufgrund<br />

der werkseitigen Fertigung<br />

von der Konstruktion bis hin zu<br />

Steckdose und Lichtschalter alles<br />

exakt positioniert sein. Dadurch beschäftigt<br />

man sich im Vorfeld sehr<br />

genau mit jedem Projekt. Das resultiert<br />

wiederum in einer höheren Qualität<br />

in der Ausführung.<br />

Eine weitere Herausforderung steckt<br />

auch in der Überzeugungsarbeit, die<br />

es oft zu leisten gilt und die wohl ein<br />

gesellschaftliches Phänomen darstellt.<br />

Während die Unperfektheit<br />

und der Charakter des Materials in<br />

alten Gebäuden meist geschätzt<br />

werden, wünschen sich Bauherr:innen<br />

heute wartungsarme Baustoffe,<br />

die in 10 Jahren noch immer gleich<br />

aussehen. Ein Holz altert aber, es<br />

bekommt eine Patina und verändert<br />

sich. Hier bemerken wir oft ein<br />

gewisses Missverständnis des Naturwerkstoffs<br />

– insbesondere bei<br />

Themen wie Brandschutz und Witterungsbeständigkeit<br />

wird das Holz<br />

gern unterschätzt.<br />

u


<strong>architektur</strong> PEOPLE<br />

50<br />

dunkelschwarz<br />

© dunkelschwarz<br />

der dritte ist wiederum nur sporadisch<br />

dabei – und behält dadurch besser<br />

den Überblick. Den Detailanspruch<br />

haben wir aber bei jedem Maßstab.<br />

Wobei die Herausforderung darin<br />

steckt, sich bei größeren Projekten<br />

auf das Gesamtbild zu konzentrieren<br />

und sich nicht in kleinen Details zu<br />

verlieren. Diesen Umgang mit Maßstabssprüngen<br />

dürfen wir gerade selbst<br />

lernen und versuchen deren Potenzial<br />

bestmöglich zu nutzen.<br />

Umbau der Ceconi<br />

Villa in Salzburg<br />

mit Architekt Georg<br />

Huber im Zuge des<br />

Wohnbauprojektes<br />

Rauchmühle<br />

Ist Holz allein genug für<br />

nachhaltige Architektur?<br />

Was braucht es sonst noch?<br />

Das kann man so pauschal nicht sagen.<br />

Nachhaltigkeit ist für uns keinesfalls<br />

materialspezifisch und Holz<br />

keine Generallösung. Bei uns in Österreich<br />

stellt Holz als nachwachsender<br />

Baustoff häufig eine nachhaltige<br />

Wahl dar, aber selbst hier kommt<br />

das Naturmaterial nicht immer aus<br />

Österreich, weil es als Industrieprodukt<br />

möglichst billig eingekauft<br />

wird. In einer Region, in der kein Holz<br />

wächst, ist ein Holzhaus per se aber<br />

nicht nachhaltig. Unseres Erachtens<br />

geht es vorrangig darum, für jedes<br />

Projekt die dem Ort entsprechende<br />

Herangehensweise und Konstruktion<br />

zu finden. Ein Gebäude ist dann<br />

nachhaltig, wenn es möglichst lang<br />

genutzt wird. Die oberste Prämisse<br />

sollte bei einem Neubau daher sein,<br />

ihn möglichst lang- und weitsichtig<br />

zu planen – das heißt, ihn nutzungsneutral<br />

oder adaptierbar zu gestalten<br />

– und die Nutzer:innen zufriedenzustellen.<br />

Nach diesen übergeordneten<br />

Themen geht es dann um sekundäre<br />

Fragen wie Materialwahl und Energiekonzept.<br />

Wenn es eine erhaltenswerte<br />

Bestandsstruktur gibt, ist es<br />

natürlich am sinnvollsten, mit dieser<br />

grauen Energie weiterzuarbeiten<br />

– daraus ergeben sich dann auch<br />

spannende, neue Lösungen.<br />

te man sich hier oft ein Scheibchen<br />

abschneiden. Moderne Wohnbauten<br />

lassen sich hingegen häufig nur<br />

schwer adaptieren. Im Sinne der<br />

Nachhaltigkeit sollte man bei Neubauten<br />

mehr über Nutzungsflexibilität<br />

sprechen – und neutrale Grundrisse<br />

einem „Maßanzug“ vorziehen.<br />

Denken wir an Bauen im Bestand,<br />

so bieten bestehende Strukturen<br />

unserer Meinung nach attraktive<br />

Denkansätze für neue Projekte. Bestandsbauten<br />

geben einen Rahmen<br />

vor, mit dem man sich auseinandersetzen<br />

muss und den es in eine neue<br />

Lösung zu integrieren gilt. Und genau<br />

diese Herausforderung macht<br />

es so interessant.<br />

Wie stellen Sie bei größeren Projekten<br />

– wie jetzt dem Infrastrukturprojekt<br />

in Salzburg – sicher, die Liebe<br />

zum Detail nicht zu verlieren?<br />

Bei all unseren Projekten – ob groß<br />

oder klein – steht für uns das Miteinander<br />

im Mittelpunkt. Wir entwerfen<br />

aber keinesfalls immer zu dritt nebeneinander,<br />

sondern eher auf verschiedenen<br />

Ebenen bzw. Tiefen, die sich<br />

ergänzen. Das bedeutet, dass einer<br />

unmittelbar am Projekt arbeitet, der<br />

zweite hat etwas mehr Abstand und<br />

Was sind Ihre Anforderungen an sich<br />

selbst und was darf man in Zukunft<br />

erwarten?<br />

Uns ist wichtig, komplexe Fragestellungen<br />

herunterzubrechen und<br />

darauf einfache Antworten zu finden.<br />

Je kniffliger die Aufgabe, desto<br />

spannender ist es, eine klare Position<br />

zu beziehen und diese dann auch zu<br />

verfolgen. Die schönsten Projekte<br />

sind meist jene, bei denen wir eine<br />

klare Idee vor Augen haben bzw. es<br />

uns gelingt, eine gewisse Haltung<br />

einzunehmen – der Fokus variiert<br />

dabei natürlich abhängig von der<br />

Bauaufgabe und muss keinesfalls jedes<br />

Mal der gleiche sein. Besonderen<br />

Wert legen wir darauf, individuelle<br />

Antworten zu finden und an unseren<br />

Projekten zu wachsen. Wir möchten<br />

uns mit jedem von ihnen weiterentwickeln<br />

und uns stets neu hinterfragen<br />

– wenn man das in ein paar<br />

Jahren an unseren Projekten ablesen<br />

kann, wären wir schon stolz. Unser<br />

Aufgabenspektrum ist glücklicherweise<br />

breit gefächert – sowohl hinsichtlich<br />

des Maßstabs als auch der<br />

Typologie – deshalb stoßen wir stets<br />

auf neue Fragen, die neue Antworten<br />

erfordern. Das wollen wir auch in Zukunft<br />

so weiterführen.<br />

•<br />

www.dunkelschwarz.com<br />

Wenn wir beim Thema Bestandsbauten<br />

bleiben – was kann man von traditionellen<br />

Typologien lernen?<br />

Das sieht man am besten bei Gründerzeitbauten,<br />

die dank Grundrissen<br />

mit quadratischen Räumen und<br />

Durchgangszimmern flexible Nutzungen<br />

zulassen – sei es zum Wohnen<br />

oder Arbeiten. Auch in Sachen<br />

Akustik und Energieeffizienz könn-<br />

Visualisierung der neuen Schafbergbahn Talstation in St. Wolfgang<br />

© dunkelschwarz


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Andreas Jäger<br />

Klimaexperte

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