30.11.2022 Aufrufe

architektur FACHMAGAZIN People 2022

Bereits zum fünften Mal erscheint diese Sonderausgabe von architektur Fachmagazin, bei der wir vorrangig die Architekten selbst zu Wort kommen lassen. Haben wir uns die letzten vier Ausgaben bei der Auswahl der Gesprächspartner und Fragen jeweils auf ein klares Leitthema konzentriert, sind wir die Sache diesmal etwas anders angegangen. Ziel war es, ein möglichst abwechslungsreiches und inspirierendes Sonderheft zu produzieren. Dazu haben wir uns bemüht, unsere Interviewpartner:innen in ihren jeweiligen Kernkompetenzen abzuholen, ihre individuellen Lösungsansätze für diese herausfordernde Zeit aufzuzeigen, ihnen diesmal aber auch mehr Raum für Persönliches zu lassen. Gemeinsame Basis dieser bunten Mischung aus unterhaltsamen, aber nicht weniger informativen Interviews sind der Enthusiasmus und die Leidenschaft unserer Gesprächspartner:innen für Architektur.

Bereits zum fünften Mal erscheint diese Sonderausgabe von architektur Fachmagazin, bei der wir vorrangig die Architekten selbst zu Wort kommen lassen. Haben wir uns die letzten vier Ausgaben bei der Auswahl der Gesprächspartner und Fragen jeweils auf ein klares Leitthema konzentriert, sind wir die Sache diesmal etwas anders angegangen. Ziel war es, ein möglichst abwechslungsreiches und inspirierendes Sonderheft zu produzieren. Dazu haben wir uns bemüht, unsere Interviewpartner:innen in ihren jeweiligen Kernkompetenzen abzuholen, ihre individuellen Lösungsansätze für diese herausfordernde Zeit aufzuzeigen, ihnen diesmal aber auch mehr Raum für Persönliches zu lassen. Gemeinsame Basis dieser bunten Mischung aus unterhaltsamen, aber nicht weniger informativen Interviews sind der Enthusiasmus und die Leidenschaft unserer Gesprächspartner:innen für Architektur.

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<strong>architektur</strong> PEOPLE<br />

34<br />

Alexandra Abel<br />

Gibt es Maßnahmen, die sich allgemein<br />

positiv auf die Wahrnehmung<br />

von Bauten auswirken?<br />

Ja, aber es werden nie allgemeine<br />

kochbuchartige Empfehlungen sein.<br />

Diese werden der Architekturpsychologie<br />

nicht gerecht und sind auch<br />

mit der Kreativität im Planungsprozess<br />

nicht kompatibel. Als Architekturpsycholog:innen<br />

können wir<br />

allerdings die Bedürfnisse der Menschen<br />

und deren Ursprung und Auswirkungen<br />

erklären. Viele unserer<br />

Bedürfnisse fußen beispielsweise auf<br />

unserer evolutionären Herkunft. Ein<br />

Beispiel dafür ist die Prospect-Refuge-Theorie<br />

(Appleton, 1984), welche<br />

besagt, dass Menschen bis heute ein<br />

Bedürfnis nach Schutz und Überblick<br />

haben – Dinge, die einst essenziell<br />

für unser Überleben waren. Mit<br />

diesem Wissen lässt sich begründen,<br />

warum viele Menschen in Cafés und<br />

Restaurants am liebsten mit dem<br />

Rücken zur Wand oder in Nischen<br />

sitzen. Dieses Phänomen hängt<br />

gleichzeitig mit unserem Bedürfnis<br />

nach Dosierung sozialer Interaktion<br />

zusammen. Wir sind nicht nur gerne<br />

vollständig privat oder öffentlich,<br />

sondern schätzen insbesondere<br />

semi-private bzw. semi-öffentliche<br />

Situationen. Beispiele wie dieses zeigen,<br />

wie die Architekturpsychologie<br />

für Bedürfnisse sensibilisieren kann<br />

und sollte. Die Umsetzung dieser Erkenntnis<br />

in gebaute Vorschläge liegt<br />

dann bei den Architekt:innen und<br />

Gestalter:innen.<br />

Wahrnehmung ist etwas Subjektives,<br />

kann man überhaupt objektiv planen?<br />

Wahrnehmung ist zwar sehr subjektiv,<br />

unsere Grundbedürfnisse sind<br />

es aber nicht. Jeder hat – bedingt<br />

durch verschiedene Faktoren – in<br />

bestimmten Situationen spezifische<br />

Bedürfnisse, grundsätzlich bleiben<br />

es trotzdem die gleichen. Schaffe ich<br />

eine Architektur, die diese Bedürfnisse<br />

abdeckt, tut sie das für alle Menschen,<br />

über individuelle Unterschiede<br />

hinweg. Ein Bau, der unser Bedürfnis<br />

nach Rückzug, Privatheit, semi-privaten<br />

Orten für positive soziale Interaktionen<br />

etc. berücksichtig, ist auf die<br />

persönlichen Befindlichkeiten aller<br />

Nutzer:innen vorbereitet.<br />

Stichwort Healing Architecture – welche<br />

Aspekte gilt es speziell bei Gesundheitsbauten<br />

zu berücksichtigen?<br />

Sehr interessant ist, dass man in diesem<br />

Kontext häufig nicht mehr von<br />

Krankenhaus-Architektur, sondern<br />

von Gesundheitsbauten spricht.<br />

Krankheit und Gesundheit werden<br />

unterschiedlich definiert und die Begriffe<br />

geben auch einen anderen Anspruch<br />

vor. In dem Zusammenhang<br />

schätze ich die Definition der WHO<br />

sehr, die seit der Gründung 1946 nie<br />

geändert wurde: „Die Gesundheit<br />

ist ein Zustand des vollständigen<br />

körperlichen, geistigen und sozialen<br />

Wohlergehens und nicht nur das<br />

Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“<br />

Dabei handelt es sich natürlich<br />

um eine Vision, die aber wiederum<br />

eine Richtung vorgeben kann.<br />

Architektur und Gestaltung haben<br />

die Möglichkeit, Patient:innen Wertschätzung<br />

zu vermitteln und sich um<br />

die geistige, körperliche und soziale<br />

Gesundheit zu kümmern. Das bedeutet<br />

z.B. sozialen Rückhalt in Form<br />

von Begleitpersonen vorzusehen –<br />

nicht nur bei Kindern, sondern auch<br />

im Kontext von erwachsenen Patient:innen.<br />

In den Maggie’s Centres<br />

schafft man bewusst einen Ort der<br />

entspannten Begegnung und fördert<br />

so den Kontakt der Patient:innen<br />

untereinander. Gebauter Raum kann<br />

menschliches Erleben und Verhalten<br />

ermöglichen oder aber auch erschweren<br />

bzw. verhindern.<br />

Denken Sie generell, dass dem<br />

Thema genug Beachtung geschenkt<br />

wird? Wo sehen Sie Verbesserungspotenzial?<br />

Ich denke, wir sollten uns mehr mit<br />

den menschlichen Grundbedürfnissen,<br />

unserem Verhalten und unserer<br />

Wahrnehmung auseinandersetzen.<br />

Mittlerweile gibt es bei vielen Planungsprozessen<br />

– insbesondere im<br />

Kontext der Gesundheits<strong>architektur</strong><br />

– interdisziplinäre Vorphasen, die<br />

auch partizipative Elemente miteinbeziehen.<br />

Beispiele dafür sind das<br />

Prinses Maxima Centrum für Pädiatrische<br />

Onkologie in Utrecht (LIAG<br />

architekten + baumanagement) mit<br />

der von Kopvol architecture & psychology<br />

(Gemma Koppen & Prof. Dr.<br />

Tanja C. Vollmer) entwickelten neuen<br />

Typologie für Eltern-Kind-Zimmer.<br />

Oder die Soteria im St. Hedwig Krankenhaus<br />

in Berlin: Die Station für junge<br />

Menschen mit einer Erkrankung<br />

aus dem schizophrenen Formenkreis<br />

wurde vom Psychiater Dr. Martin Voss<br />

und dem Architekten Jason Danziger<br />

(thinkbuild architecture) gemeinsam<br />

entworfen – auf der Basis von vielen<br />

Vorgesprächen mit den späteren Nutzer:innen.<br />

Projekte dieser Art würde<br />

ich mir mehr wünschen.<br />

www.<strong>architektur</strong>psychologie.online<br />

•<br />

© Stephan Ernst<br />

Rückzug und Bühne: Die Piazza del Campo<br />

in Siena befriedigt unser Bedürfnis nach<br />

Schutz und Überblick.

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