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<strong>15.</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2021</strong><br />
WER WOHNT DA?<br />
Was Experten von den Räumen<br />
eines Journalisten halten<br />
Die «Neue Zürcher Zeitung» hat<br />
BümplizWochen-Autor Marc de<br />
Roche im «NZZ-Folio»-Beitrag<br />
vom 3. Mai porträtiert. Dies auf<br />
eine spannende und charmante<br />
Weise: sie liessen eine Psychologin<br />
und einen Innenarchitekten<br />
anhand von Bildern von de Roches<br />
Wohnung Vermutungen anstellen,<br />
wer dort lebe. Lesen Sie<br />
hier den Nachdruck des Berichts<br />
mit freundlicher Genehmigung<br />
der «NZZ.»<br />
Die Psychologin Ingrid Feigl<br />
Ein Daheim zum Wohnen und Arbeiten,<br />
ein Forschungslabor und<br />
eine integrierte Katzenwohnung<br />
– mindestens zwei Wesen<br />
wohnen hier. Der Bewohner hat<br />
seiner Katze eine üppige Behausung<br />
neben das Sofa gestellt, umsichtig<br />
vor den Heizungsradiator,<br />
das Büsi mags warm.<br />
Der Katzenturm mutet wie überdimensionierte<br />
Zwirnspulen aus<br />
ZUR PERSON<br />
einer Industriehalle an. Das passt,<br />
da der Bewohner eine ausgeprägte<br />
handwerkliche Ader hat. Seine<br />
«Experimentierstation» hat er im<br />
Schlafzimmer grad vor dem Bett<br />
installiert, die Nachtruhe stört<br />
das vermutlich nicht.<br />
Was in diesem Glaskasten auf dem<br />
Tisch wirklich passiert, wozu er<br />
dient und was sich darin tummelt,<br />
erschliesst sich nicht so einfach. Ist<br />
das eine Art Insektentank, Keimstätte<br />
für Samen oder ein privater<br />
Hors-sol-Garten? Ein Heissluftföhn<br />
und ein Vakuumiergerät gehören<br />
zum Equipment dazu, vielleicht<br />
werden da biologische Proben verpackt?<br />
Allzeit bereit, müssen die<br />
Forschungsobjekte auch nachts beäugt<br />
und betreut werden. Work-<br />
Life-Balance scheint aber kein Problem<br />
zu sein: Privates und Arbeit<br />
sind nicht strikt getrennt. Ob es<br />
Hobby oder Beruf ist?<br />
Marc de Roche ist 77 Jahre alt, Vater und<br />
Grossvater, ehemaliger Informatiker, jetzt<br />
Rentner im Unruhestand. Er ist als Schmetterlingszüchter<br />
tätig. Die Schmetterlinge lässt er<br />
fliegen, auch an Hochzeiten, hält Vorträge<br />
und gibt Kurse in der GartenAkademie. Als<br />
Journalist schreibt er für die BümplizWoche.<br />
Der Bewohner lebt ordentlich, bescheiden<br />
und genügsam. Im inzwischen<br />
etwas verblichenen<br />
Sofa sitzt es sich gut, der Couchtisch<br />
ist praktisch, um Fachbücher<br />
darauf auszubreiten, das Bücherregal<br />
über dem Sofa ist vermutlich<br />
eine Eigenkreation. Die<br />
Bibliothek macht einen sortierten<br />
Eindruck, gekrönt von einer kleinen<br />
indischen Gottfigur. Macht er<br />
Forschungsexpeditionen in östliche<br />
Länder, hat er dort berufliche<br />
Aufgaben als Biologe, Naturkundler,<br />
Heilpraktiker, der sich für seltene<br />
Pflanzen oder Insekten interessiert?<br />
Erfahrung auf seinem Gebiet hat<br />
er wohl schon viele Jahre, er ist<br />
nicht mehr der Jüngste und gehört<br />
noch zur Generation, die sich<br />
einen Duden ins Bücherregal<br />
stellt. Sein Lebensstil ist ohne<br />
Schnickschnack. Das Bad, ein XLhoher<br />
Schlauchraum, ist eine perfekt<br />
ausgestattete Reinigungsstätte<br />
für einen aufrechten Mann.<br />
Ziemlich gross muss er gewachsen<br />
sein, an dem hochgehängten<br />
Spiegel käme Frau nicht mal mit<br />
dem Schemel ran. Liebevoll hängt<br />
hier ein schönes, altertümliches<br />
Leinenhandtuch. Auf dem Kleiderschrank<br />
im Schlafzimmer lagern<br />
diverse Caquelons, vielleicht<br />
Marc de Roche, früherer EDV-Spezialist und Raupenzüchter.<br />
Der Innenarchitekt: «Das Bad gleicht einem Labor in der Wildnis.»