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Quartier<br />
19<br />
versammelt er hin und wieder<br />
die Verwandtschaft zur geselligen<br />
Fondue-Runde? Wohnen tut er<br />
aber gerne allein mit seiner Katzendame.<br />
Der Innenarchitekt Jörg Boner<br />
Bekommt man hier einen Einblick<br />
in neue Arbeitsformen? Gibt<br />
es zu diesen Räumen noch einen<br />
Online-Shop dazu? Und was wird<br />
wohl mit der Folie im Schlafzimmer<br />
verpackt?<br />
Es scheint, als ob sich hier so etwas<br />
wie die Weiterentwicklung<br />
eines Homeoffice zeigt: zu Hause<br />
arbeiten, Handelsware verpacken<br />
und in die Welt versenden.<br />
Und das alles ohne Arbeitgeber.<br />
Was genau verpackt<br />
wird, erschliesst sich nicht. Vielleicht<br />
sind es Tiere aus eigener<br />
Zucht. Aber die könnten ja unter<br />
der transparenten Folie<br />
nicht mehr atmen. Hier wohnt<br />
und arbeitet ein Mann allein. Er<br />
verpackt und versendet und<br />
verdient damit sein Einkommen.<br />
Ob sein Wohnort zum Arbeitsort<br />
wurde oder sein Arbeitsort<br />
nebenbei auch noch als<br />
Wohnung dient, lässt sich nicht<br />
so genau sagen.<br />
Das Bad jedenfalls gleicht eher<br />
einem Labor in der Wildnis als<br />
einer Wellnessoase in einer teuren<br />
Zürcher Penthouse-Wohnung.<br />
Die Räume befinden sich<br />
wohl in der Agglomeration des<br />
Mittellandes. Grün ist hier drin<br />
nicht nur das Sofa und der Wandkalender.<br />
In diesem Haushalt<br />
dreht sich einiges um Natur,<br />
Landschaft und Tiere. Der Katzenbaum<br />
im Wohnzimmer und<br />
das Terrarium im Schlafzimmer<br />
sind nur der eine Teil der Geschichte.<br />
Diese Behälter und Ablagen<br />
dienen den domestizierten<br />
Tieren. Dem Bewohner scheint<br />
es aber um mehr zu gehen: um<br />
die heimische Fauna und Flora.<br />
Die Landschaft und die Natur<br />
sind bedeutend für ihn.<br />
Das Schlafzimmer: Hier wird experimentiert, Tag und Nacht. <br />
Das Regal neben der Türe hat er<br />
wohl selbst geschreinert. Wie ein<br />
moderner Neubau im Garten<br />
hängt es unvermittelt neben einem<br />
türlosen Bauernschrank.<br />
Der Heizkörper, die Tür, das Regal<br />
und der Schrank reihen sich<br />
wie vier Solitäre auf. Sie bilden<br />
das Panorama hinter dem Sofa,<br />
dem Katzenbaum und dem Abfallsack,<br />
der so gross geraten ist,<br />
dass man ihn zwei Wochen lang<br />
nie entsorgen muss.<br />
Das Sofa hat kein Geringerer als<br />
Le Corbusier gezeichnet. Es hat<br />
inzwischen etwas Patina erhalten,<br />
die Füllung der Kissen gehorcht<br />
der Schwerkraft. Der<br />
Grandezza des Stücks tut das keinen<br />
Abbruch. Breit und selbstbewusst<br />
steht es da, wie wenn es<br />
grad in einem der vielen Wohnheftchen<br />
posieren müsste.<br />
Das weisse Salontischchen auf<br />
dem roten Teppich und das Fischgratparkett<br />
bilden den Vordergrund<br />
der Szenerie. Trotz der<br />
Klasse einzelner Stücke würde<br />
hier wohl kaum die Redaktion einer<br />
Zeitschrift, die sich dem schöneren<br />
Wohnen widmet, klingeln<br />
und die nächste Homestory schreiben<br />
wollen.<br />
Fotos: Daniel Winkler Fotografie<br />
Dieses Wohnzimmer gleicht eher<br />
einer raffiniert gestalteten Theaterbühne.<br />
Keinem Innenarchitekten<br />
würde eine solche Inszenierung<br />
gelingen. Aber mancher<br />
Marthaler würde diese Wohnung<br />
als sein Vorbild wählen. Wer hier<br />
drin wohl spielen wird?<br />
Gudrun Sachse Die Psychologin: «Im etwas verblichenen Sofa sitzt es sich gut.»