der-Bergische-Unternehmer_07:2021_Webversion
Das Wirtschaftsmagazin für das Bergische und den Kreis Mettmann
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TITEL INTERVIEW TRANSPORT UND LOGISTIK
tet Geld, was wir alle bezahlen müssen. Jeder Joghurtbecher,
jede Saftflasche wird teurer. Zumal
man der Realität ins Auge sehen muss: Im Moment
haben wir keinerlei Alternative zum Verbrennungsmotor.
Es gibt aktuell kein Fahrzeug auf Elektrobasis,
das die notwendige Reichweite hätte. Auch ist
die Ladeinfrastruktur ja noch gar nicht vorhanden.
Welche Möglichkeiten bietet der kombinierte
Verkehr aus Straße und Schiene? Ist das ein
klares Zukunftsthema?
Wenn wir den Status Quo betrachten, müssen wir
feststellen, dass aktuell über 70 Prozent der Güter
per LKW über die Straßen transportiert werden.
Der Anteil der Binnenschifffahrt liegt bei unter
zehn Prozent und über die Eisenbahn werden ca.
18 bis 19 Prozent der Transporte abgewickelt. Im
unteren einstelligen Bereich liegen Pipelines und
Luftfracht. Ein Frachtanteil von 70 Prozent kann
aber nicht in kurzer Zeit auf die viel „kleinere“
Bahn verlegt werden. Befürworter des kombinierten
Verkehrs vernachlässigen den Blick auf die
unterschiedlichen Gegebenheiten in Stadt und
Land. Wenn Sie als kleines Transportunternehmen
Waren aus dem Bergischen Land unter Einbeziehung
der Schiene nach Verona transportieren
wollen, werden Sie feststellen, dass Ihnen
dort der Nachlaufmarkt fehlt, um die Waren vom
Zielbahnhof zum Endkunden bringen zu können.
Noch ist es so, dass die großen Transportunternehmen
da mehr Möglichkeiten haben. Um hier
aber auch für die kleinen und mittleren Betriebe
Angebote zu machen, haben wir die Buchungsplattform
„Truck2Train“ gegründet, eben um die
Planung des Nachlaufs zu erleichtern und die Lieferpotenziale
der Bahn besser auszuschöpfen.
Ist der Antrieb durch Wasserstoff für Transportfahrzeuge
und schwere LKW eine realistische
Möglichkeit, um zur Klimaneutralität beizutragen?
Absolut, aber noch sind wir nicht so weit, als dass
das Thema konkret umzusetzen wäre. Aktuell wurde
der erste Serien-Wasserstoff-Lkw für 2027 angekündigt.
Außerdem muss es sich dabei um „grünen“
Wasserstoff (d.h. mit „grünem“ Strom erzeugt) handeln.
Mit der „Nationalen Plattform Zukunft der
Mobilität“ (NPM) gibt es ja ein Expertengremium,
das Konzepte für die Verkehrswende entwickelt. Wir
unterstützen hier selbst aktiv, aber beobachten auch
genau. Neben der technologischen Entwicklung
braucht es aber auch hier von der Politik klare Lenkungsbedingungen.
Wir werden erst zum Ende der
Dekade nennenswert andere Fahrzeugtechnologien
nutzen können. Damit ist zu sagen: Ohne den Brummifahrer
geht es nicht. Wenn Sie nämlich sehen,
dass Sie mit einem Lastenfahrrad im Mittel rund 150
Kilogramm transportieren können, ein Supermarkt
in Berlin aber täglich Waren von z.B. 15 Tonnen benötigt,
sehen Sie ganz schnell, dass dies hier und da
eine nette Nischenlösung ist, der große Wurf aber
nicht sein kann.
Wie gehen die deutschen Spediteure generell
mit dem Thema Nachhaltigkeit um. Gibt es
Konzepte, um etwa Verpackungsmaterial zu
reduzieren?
Wie schon gesagt: Die gesamte Branche steht den
Themen Umweltschutz und Klimawende sehr aufgeschlossen
gegenüber und ist seit Jahren bemüht,
Verpackungsmüll zu reduzieren. Dabei geht es
vor allem darum, intelligente Mehrwegsysteme
zu entwickeln und zu nutzen. Das wird im großen
Stil auch schon so gemacht.
Deutschland ist ein exportorientiertes Land, insofern
ist auch Ihre Branche auf ein funktionierendes
Europa angewiesen. Welche Verbesserungen
muss es aus Ihrer Sicht für einen europaweit reibungslos
verlaufenden Transportverkehr geben?
Wir brauchen einen freien europäischen Grenzverkehr.
Schau‘n Sie sich die Corona-Krise an: Es ist
unverständlich, dass es im vereinten Europa zu
Grenzschließungen kam. Dann gab es Testzentren
an den Grenzen, in denen die Fahrer im Pulk zusammenstanden,
um den erforderlichen Corona-
Test durchführen zu lassen. Welches Risiko, sich
genau dort mit dem Virus zu infizieren! Dies ist
nur ein Beispiel für nationale Alleingänge, von denen
es zu viele gibt. Da nimmt sich Deutschland
leider nicht aus. Man muss sagen, dass zu viele
Theoretiker am grünen Tisch entscheiden, die immer
nur Teilaspekte betrachten (können) und damit
die Auswirkungen ihrer Entscheidungen für
die gesamte Branche nicht richtig einschätzen.
Das Gespräch führte Stefanie Bona
Foto: BGL
24 www.bvg-menzel.de