DER BIEBRICHER, Nr. 356, Juli 2021
Stadtteilmagazin für Wiesbaden-Biebrich
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Wer schon einmal die Marktkirche<br />
besucht hat, kennt die eindrucksvolle<br />
Skulpturengruppe<br />
im Altarraum – Jesus und die<br />
vier Evangelisten. Ebenso ist der<br />
Sarkophag der jungen Herzogin<br />
Elisabeth in der Griechischen<br />
Kapelle ein bekanntes<br />
und identitätsstiftendes<br />
Wiesbadener Kunstwerk.<br />
Geschaffen hat<br />
diese Marmorstatuen,<br />
die glücklicherweise von<br />
den Zerstörungen des Zweiten<br />
Weltkriegs verschont geblieben<br />
sind, der Bildhauer Emil<br />
Alexander Hopfgarten. Er wurde<br />
vor 200 Jahren, 1821, in Berlin<br />
geboren und arbeitete lange in<br />
Wiesbaden-Biebrich, wo er 1856<br />
verstarb und auf dem Friedhof<br />
beigesetzt wurde. Zum 200. Geburtstag<br />
hat sich die Kunsthistorikerin<br />
Felicitas Reusch des „Hofbildhauers“<br />
Herzog Adolphs zu<br />
Nassau angenommen und nicht<br />
nur ein ausführliches Buch zu<br />
Leben und Werk veröffentlicht,<br />
sondern auch eine sehenswerte<br />
Ausstellung in der „Kunstarche“<br />
organisiert. Die „Kunstarche“<br />
ist ein Verein, der sich speziell<br />
Wiesbadener Kunstschaffenden<br />
widmet und in den Räumen des<br />
Stadtarchivs (Im Rad 42) regelmäßig<br />
Ausstellungen organisiert.<br />
Die Hopfgarten-Ausstellung wurde<br />
Ende Juni eröffnet und soll<br />
bis in den Herbst zu sehen sein.<br />
ANJA BAUMGART-PEITSCH<br />
Emil Alexander Hopfgarten –<br />
der „Hofbildhauer“ Herzog<br />
Adolphs zu Nassau<br />
8 <strong>DER</strong> <strong>BIEBRICHER</strong> / JULI <strong>2021</strong><br />
Ausstellung<br />
zum 200.<br />
Geburtstag<br />
Aktuelle Informationen, auch zu<br />
Führungen, Öffnungszeiten und<br />
anderen Veranstaltungen, sind<br />
immer über die Homepage der<br />
„Kunstarche“, www.kunstarchewiesbaden.org,<br />
zu finden oder<br />
über Felicitas Reusch, Telefon<br />
(0611) 525391, zu erfahren.<br />
Emil Alexander Hopfgarten<br />
war der Sohn eines<br />
Berliner Künstlers, er besuchte<br />
ebenfalls die Kunstakademie<br />
und stellte bereits in<br />
jungen Jahren an der Akademie<br />
der Künste aus. Mit 19 Jahren<br />
reiste er nach Rom und ließ sich<br />
dort sowohl künstlerisch inspirieren<br />
wie auch in der Arbeit mit<br />
Marmor unterweisen. 1844 kehrte<br />
er nach Berlin zurück und arbeitete<br />
erfolgreich als Bildhauer.<br />
Seine Merkur-Figur wurde vom<br />
preußischen König angekauft.<br />
Ihr Verbleib war nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg unklar – Felicitas<br />
Reusch, die intensiv für das Ausstellungs-<br />
und Buchprojekt recherchiert<br />
hat, gelang es, sie in<br />
einem regionalen Kunstmuseum<br />
in der russischen Stadt Tula ausfindig<br />
zu machen. Hopfgarten<br />
heiratete und wurde vielfacher<br />
Vater. Seine Marmorbüsten waren<br />
äußerst gefragt, aber auch<br />
andere Skulpturen schuf er im<br />
Auftrag Adliger. Wie genau<br />
Herzog Adolph von Nassau auf<br />
Die Kunsthistorikerin Felicitas Reusch vor Fotos des von Hopfgarten<br />
geschaffenen Sarkophags der jungen Herzogin Elisabeth in der<br />
Griechischen Kapelle.<br />
Emil Alexander Hopfgarten<br />
Hopfgarten aufmerksam wurde,<br />
sei nicht genau überliefert, so<br />
Felicitas Reusch. Jedenfalls begleitete<br />
er seine kranke Frau zur<br />
Kur nach Wiesbaden, porträtierte<br />
den nassauischen Medizinalrat<br />
August Vogler und war ab 1848<br />
in Biebrich tätig. Er wurde dort<br />
später Hofbildhauer am nassauischen<br />
Hof. Als Atelier bekam er<br />
die Mosburg, die er später als<br />
seinen „Marmorbruch“ bezeichnete.<br />
Dort arbeitete er im regen<br />
Austausch mit den Auftraggebern<br />
an Adolphs Hof. In der Griechischen<br />
Kapelle stammt nicht<br />
nur der Sarkophag der Herzogin<br />
von ihm, sondern auch zahlreiche<br />
andere Werke. Ausgemalt hat die<br />
Kapelle übrigens sein Vetter August<br />
Ferdinand Hopfgarten. In der<br />
russischen Presse löste die prunkvolle<br />
Kirche ein großes Echo aus.<br />
Hopfgarten erhielt – wie auch der<br />
Architekt Philipp Hoffmann – von<br />
Zar Alexander den Orden des<br />
Heiligen Stanislaus.<br />
Hopfgarten reiste noch einmal<br />
nach Italien, um Marmor auszusuchen.<br />
1853 erhielt er von Herzog<br />
Adolph den Auftrag für die „zu<br />
erbauende evangelische Hauptkirche“<br />
eine Skulpturengruppe<br />
zu schaffen. Diese beschreibt<br />
Margot Klee in dem Buch zur<br />
Ausstellung sehr ausführlich. Es<br />
gibt noch weitere wichtige Werke,<br />
zum Beispiel eine schöne Venus-Figur,<br />
die von König Wilhelm<br />
I von Württemberg in Auftrag<br />
gegeben wurde; sie steht in der<br />
Stuttgarter Staatsgalerie. Zahlreiche<br />
weitere Porträts, Reliefs und<br />
Statuetten werden in der Ausstellung<br />
als Fotografien gezeigt.<br />
Hopfgarten stirbt 1856 in Biebrich.<br />
Seine Witwe musste 1874<br />
das Atelier in der Mosburg räumen.<br />
Erhalten sind in Wiesbaden<br />
auch zahlreiche Arbeiten seiner<br />
Schüler Josef Leonhard, Franz<br />
Grünthaler, Carl Keil und Hermann<br />
Schies, beispielsweise als<br />
Grabmäler auf dem Nordfriedhof.<br />
Das Buch kann als vollständiger<br />
Werkkatalog gelten, aber auch<br />
als Biografie und Einordnung in<br />
die Kunstgeschichte. Es wurde<br />
vom Hessischen Ministerium für<br />
Wissenschaft und Kunst und vom<br />
Kulturamt Wiesbaden gefördert<br />
und ist im renommierten Verlag<br />
Dr. Ludwig Reichert, Wiesbaden,<br />
erschienen.<br />
(art)<br />
ZEICHNUNG VON MICHAEL STOHL