Kulturfenster Nr. 04|2021 - August 2021
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ewegt<br />
der aufgegriffen und eingebaut, können sie<br />
sich viel besser mit dem Ergebnis identifizieren<br />
und werden gleichzeitig noch in ihrem<br />
Selbstwertgefühl gestärkt.<br />
KF: Wie könnte dies konkret funktionieren?<br />
Profanter: Ein kleines Beispiel, wie ein gemeinsames<br />
Erarbeiten stattfinden könnte:<br />
Man teilt die Jugendkapelle in mehrere<br />
Kleingruppen; zum Einstieg zeigt der Stabführer<br />
einzelne geometrische Formen (z.B.<br />
Kreis, Spirale, Dreieck, Linien nebeneinander,<br />
Zickzack-Muster) und die Teilgruppen<br />
sollen die gezeigte Form nachstellen. Die<br />
Gruppen arbeiten gleichzeitig und haben<br />
so lange Zeit, bis eine Gruppe fertig ist und<br />
„Stopp“ ruft. Sie können auch die verschiedenen<br />
Raumebenen miteinbeziehen (stehend,<br />
sitzend, liegend….). Als nächsten<br />
Schritt sollen sie versuchen, sich aus der<br />
„normalen“ Marschformation in die eine<br />
Form und dann in eine nächste Form usw.<br />
zu bewegen.<br />
KF: Besteht die Gefahr, die Kinder und Jugendlichen<br />
dabei zu überfordern?<br />
Profanter: Es ist wichtig, den Kindern Rahmenbedingungen<br />
und bestimmte Regeln<br />
vorzugeben, denn zu viel Freiheit kann<br />
auch im Chaos enden. Kleine Aufgabenstellungen,<br />
bei denen sie ihrer Fantasie<br />
freien Lauf lassen können, können zu vielen<br />
kreativen Bausteinen führen, welche der<br />
Stabführer dann in die Gesamtchoreografie<br />
einbauen kann. Kinder sind sehr kreativ,<br />
deshalb muss man sie einfach „mal tun lassen“.<br />
Natürlich braucht ein solcher Prozess<br />
mehr Zeit als eine vorgefertigte Choreografie,<br />
die den Kindern präsentiert und mit ihnen<br />
eingeübt wird. Deshalb sollte der Stabführer<br />
Geduld haben, fl exibel sein, keine<br />
Angst vor Neuem haben und versuchen,<br />
Gewohnheiten aufzubrechen.<br />
KF: Apropos Gewohnheiten aufbrechen –<br />
was wäre in der Musik in Bewegung noch<br />
möglich?<br />
Profanter: Man könnte auch neue Wege gehen<br />
– also weg von der klassischen „Marschmusik“.<br />
Der Musikstil kann variiert werden<br />
– also Pop, Rock, Filmmusik usw. Natürlich<br />
können oder müssen dazu auch die<br />
Bewegungen angepasst werden. So könnte<br />
eine Choreografie auch szenische Darstellungen<br />
enthalten, d.h. die Kinder versetzen<br />
sich in das Verhalten eines Charakters,<br />
einer Figur, eines Tieres und können<br />
ihre Gestik, Mimik und ganzkörperliche Bewegungen<br />
einsetzen. Vorstellbar ist dabei<br />
auch das Arbeiten mit Kostümen. Es wäre<br />
auch möglich, Gesang in die Choreografi<br />
e miteinzubauen. Effektvoll ist es, wenn<br />
mit Variationen der Gruppengröße gearbeitet<br />
wird, z.B. bewegt sich am Anfang die<br />
ganze Gruppe, dann treten aus der Gruppe<br />
plötzlich Kleingruppen heraus, die Gruppe<br />
formiert sich in einer anderen Figur, es tritt<br />
ein Solist aus der Gruppe usw.<br />
KF: Was ist aus deiner Sicht die größte Herausforderung<br />
beim Erlernen von Choreographien?<br />
Profanter: Der musikalische Faktor ist nicht<br />
zu unterschätzen: die Kombination von<br />
Spielen und Bewegung ist für die Kinder<br />
eine große Herausforderung. Einmal sollte<br />
das Musikstück nicht zu schwierig sein –<br />
vor allem vier-bis fünfstimmige Sätze eig-<br />
nen sich bei Jugendkapellen gut, denn<br />
so sind die Stimmen in mehreren Instrumenten<br />
vertreten. Idealerweise beherrschen<br />
die Musikanten das Stück auswendig,<br />
denn beim Musizieren ohne Noten ist<br />
man viel freier, man empfindet die Musik<br />
intensiver und kann sich mehr darauf fokussieren,<br />
WIE man etwas spielt. Außerdem<br />
kann man die Aufmerksamkeit viel<br />
besser auf die Choreografi e und auf die<br />
anderen Musikanten lenken. Vorstellbar<br />
ist es aber auch, dass eine Teilgruppe am<br />
Platz stehend musizieren und eine andere<br />
Teilgruppe die Bewegungen ausführt (mit<br />
fließendem Wechsel), um die Komplexität<br />
zu vereinfachen.<br />
KF: Was sollte der Stabführer beim Arbeiten<br />
mit Kindern beachten?<br />
Profanter: Die Persönlichkeit und Ausstrahlung<br />
des Stabführers hat wesentlichen Einfluss<br />
auf die Motivation der Kinder und Jugendlichen<br />
– so sollte sich ein Stabführer in<br />
der Rolle des Animators, des Helfers, des<br />
Mitspielers und Freundes sehen. Er sollte<br />
die Kinder dort abholen, wo sie sich befinden<br />
und viel Geduld mit ihnen haben. Das<br />
Lernen bei Kindern geschieht überwiegend<br />
durch die Imitation – deshalb ist es das Beste,<br />
wenn er selbst für die Sache brennt,<br />
dann schwappen die Begeisterung und<br />
Freude ganz von allein auf die Kinder über.<br />
Interview:<br />
Hannes Schrötter & Klaus Fischnaller<br />
Zur Person<br />
Sonya Profanter wohnt in Villnöß: Abschluss des Wissenschaftlichen Lyzeums in<br />
Brixen, Studium IGP Klarinette am Tiroler Landeskonservatorium, Absolvierung des<br />
Lehrgangs „Elementare Musik- und Bewegungserziehung“ am Tiroler Landeskonservatorium;<br />
Abschluss des Psychologiestudiums an der Leopold-Franzens-Universität<br />
Innsbruck, Abschluss des VSM-Kapellmeisterkurses. Sie war Jugendleiterin der Musikkapelle<br />
Villnöß (2003-2015), Bezirksjugendleiterin im VSM-Bezirk Brixen (2010-<br />
2016) und VSM-Verbandsjugendleiter-Stellvertreterin (2010-2016).<br />
Berufliche Tätigkeit am Institut für Musikerziehung in den Fächern Elementare Musikpädagogik/Singen<br />
und Klarinette; 2009-2011 Lehrtätigkeit für Didaktik und Lehrpraxis<br />
im Bereich Elementare Musikpädagogik (EMP) am Tiroler Landeskonservatorium,<br />
seit 2014 Lehrtätigkeit an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Brixen<br />
für das Fach „Singen mit Kindern“, Referentin bei Workshops von Musikkapellen,<br />
Referentin für Eltern-Kind-Musizieren.<br />
KulturFenster<br />
12 04/<strong>August</strong> <strong>2021</strong>