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Prima Magazin - Ausgabe September 2021

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Foto © VGT.at<br />

Eine gesetzliche Änderung der<br />

Haltung der Mastschweine fordert<br />

VGT-Obmann DDr. Martin Balluch,<br />

denn „Österreich ist bei der Haltung<br />

unter dem EU-Mindeststandard.“<br />

Die Haltung auf Vollspaltenböden,<br />

kein Stroh, niemals Sonne,<br />

eingesperrt in Käfige – das ist die<br />

Haltung der Mastschweine<br />

in Österreich<br />

„Brutstätten der Misshandlung“<br />

Die Bilder sind schwer auszuhalten. Doch sie zeigen ein System, das in Österreich Standard ist:<br />

Der Verein gegen Tierfabriken (VGT) veröffentlicht Anfang Juli ein Video, das die Haltung der<br />

Schweine in einem burgenländischen Mastbetrieb zeigen soll (prima! hat online berichtet). Wieder<br />

einmal legt der VGT den Finger in die Wunde, die entstanden ist, weil die Politik versagt und<br />

die Medien ihrer Verpflichtung, Missstände aufzudecken, zu wenig bis gar nicht nachkommen.<br />

prima! im Gespräch mit VGT-Obmann Martin Balluch über den Begriff, „regional“, unzureichende<br />

Kontrollen in den Zuchtbetrieben, über Tierethik und warum der Mensch sein Mitgefühl dem Tier<br />

gegenüber verloren hat. Nicole Mühl<br />

Herr Balluch, am 6. Juli <strong>2021</strong> hat der<br />

VGT ein Video veröffentlicht, das einen<br />

verstörenden Einblick in die Haltung von<br />

Zuchtschweinen in einem burgenländischen<br />

Schweinezuchtbetrieb gibt.<br />

Martin Balluch: Das Video (www.vgt.at,<br />

Rubrik Video) zeigt einige hundert Mutterschweine,<br />

die in einen Kastenstand<br />

gesperrt sind, also in einen Käfig, der die<br />

Größe ihres Körpers hat. Seit 2012 ist diese<br />

dauerhafte Haltung EU-weit verboten. Für<br />

diese Mutterschweine heißt das, sie stoßen<br />

überall an die Metallstäbe. Sie können sich<br />

nicht einmal ordentlich hinlegen und wenn<br />

sie flachliegen, ragen sie in den Käfig des<br />

anderen Muttertieres. In den ersten sieben<br />

Tagen werden die männlichen Tiere kastriert,<br />

indem man ihnen die Hoden rausschneidet<br />

ohne Betäubung, was ein furchtbarer<br />

Schmerz ist. Sechs Euro würde es pro<br />

Ferkel kosten, wenn das ein Tierarzt oder<br />

eine Tierärztin machen würde. Das sind die<br />

Betriebe aber nicht bereit zu zahlen.<br />

4 SEPTEMBER <strong>2021</strong><br />

Die Tiere werden auf Vollspaltenböden gehalten<br />

auf einer Fläche von 0,55 m 2 pro 85<br />

Kilo-Schwein. Sie haben blutige Hufe, geschwollene<br />

Gelenke, Schwielen wegen der<br />

Kanten und sie werden nie ausgemistet. Die<br />

Tiere sind völlig neurotisch und beißen sich<br />

gegenseitig. Deshalb schneidet man ihnen<br />

die Schwänze ab. Das ist EU-widrig. Man<br />

darf den Schweinen nicht routinemäßig die<br />

Schwänze abschneiden. Aber in Österreich<br />

geschieht das in 95 Prozent der Fälle.<br />

Unter diesen Bedingungen bekommen<br />

die Tiere – wie wir aus Untersuchungen<br />

wissen – zu 43 Prozent Lungenentzündung,<br />

Leberschäden, Spulwürmer in der Leber.<br />

Gelenkschäden, Verletzungen an den Körpern.<br />

Sie beißen und kratzen sich. Man hat<br />

auch viele Tiere mit einem Nabelbruch und<br />

einem Darmvorfall gesehen.<br />

Das AMA-Gütesiegel wird gerade<br />

weiterentwickelt – unter anderem<br />

gemeinsam mit dem Landwirtschaftsministerium.<br />

Bis 2032 sollen Schweinemastbetriebe<br />

mit AMA Gütesiegel keine<br />

Haltung auf Vollspaltenböden mehr<br />

führen. Reicht das?<br />

Martin Balluch: Nein, das reicht nicht!<br />

Zum einen sind nur 40 Prozent der<br />

Schweine AMA Gütesiegel-Schweine.<br />

Die wesentliche Botschaft ist aber: Ein<br />

Verbot der Vollspaltenböden ist zu wenig,<br />

denn es heißt nicht, dass die Tiere Stroh<br />

bekommen. Aber das brauchen sie, um beispielsweise<br />

nicht Schwielen zu bekommen.<br />

Die Tiere brauchen auch mehr Platz, denn<br />

dann hätten sie einen Liegebereich mit<br />

Stroh, den sie sauber halten. Schweine tun<br />

dies nämlich. Und im entfernteren Eck, wo<br />

ein Spaltenboden ist, könnten sie koten. Sie<br />

könnten hin und her gehen. Das wäre ein<br />

Minimum an Lebensqualität.Wir brauchen<br />

deshalb unbedingt eine gesetzliche Änderung.<br />

Und es braucht bessere Förderungen<br />

für die Betriebe, diesen Umbau durchzuführen.<br />

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