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sondern begehe tatsächlich eine Straftat. Der Paragraf

besagt nämlich, dass sexuelle Handlungen im

öffentlichen Raum bestraft werden können. Das

ist prinzipiell auch sehr wichtig, denn es schützt

Menschen vor und mit traumatischen Erfahrungen,

beispielsweise mit sexueller Gewalt. Das

Problem besteht aber darin, dass es vollkommen

normal und legal ist, wenn ein Mann ohne Shirt

herumläuft, bei weiblich gelesenen Personen gilt

das hingegen als sexualisierte Handlung, weil

weibliche Nippel im Gegensatz zu männlichen

als Geschlechtsmerkmal zählen. Unsere Körper

werden also per se als Sexualobjekt gesehen.

Interessanterweise gibt es ein ähnlich sexistisches

Gesetz auch in die andere Richtung:

Laut Paragraf 183 (StGB) können nur Männer

für exhibitionistische Handlungen belangt

werden.

Oh Mann, das reproduziert auch wieder total

veraltete und klischeehafte Rollenbilder! Konsequenterweise

sollten exhibitionistische Handlungen,

mit denen andere Menschen absichtlich und

gegen ihren Willen belästigt werden, natürlich für

alle Geschlechter strafbar sein.

Warum finden du und deine Mitstreiter*innen

es so wichtig, für eine gleiches Recht auf

Nacktheit zu kämpfen?

Wir sehen diese Thematik als eines von vielen

Symptomen der Diskriminierung und Sexualisierung

von Frauen und nicht-männlichen Personen.

Es ist eben ein konkretes Beispiel, an dem man

deutlich erkennt, dass eine Ungleichbehandlung

stattfindet. In unseren Reden und auf unseren

Bannern kam denke ich auch klar rüber, dass

unser Protest eben auch das große Ganze beinhaltet.

Es geht uns nicht nur darum, überall oben

ohne rumlaufen zu können und dann wären wir

gleichberechtigt und zufrieden. Aber wir haben

ganz bewusst dieses körperliche Thema als Kritikpunkt

und Ausdrucksform gewählt.

Wodurch ihr auch erfolgreich Aufmerksamkeit

generieren konntet.

Das ist einerseits natürlich super für uns, weil

unsere Themen so in der Öffentlichkeit mehr

Gehör finden, andererseits spiegelt es natürlich

auch das eigentliche Problem wider, wenn sich

plötzlich alle besonders für die Aktion interessieren,

weil dort halbnackte Frauen mitlaufen.

Hat es dich und deine Mitdemonstrant*innen

eigentlich Überwindung gekostet, so öffentlich

blank zu ziehen?

Selbstverständlich konnte jede frei entscheiden,

ob sie mit oder ohne Oberteil an der Demo

teilnimmt. Ich selbst hatte ein Shirt an, weil ich

als Organisatorin die Hauptansprechpartnerin für

die Presse vor Ort war. Die Teilnehmerinnen sind

ganz unterschiedlich damit umgegangen. Manche

musste man fast zurückhalten, dass sie sich

nicht schon ausziehen, bevor die Demo offiziell

eröffnet war (lacht). Andere meinten, sie fühlen

sich wohler, wenn sie mit Oberteil mitlaufen.

Tatsächlich habe ich aber während des Demozugs

gesehen, wie sich nach und nach immer mehr

Frauen ausgezogen haben. Viele kamen hinterher

zu mir und waren begeistert, wie befreiend und

gemeinschaftlich sich das angefühlt hat. Am

Schluss hatten die meisten gar keine Lust, sich

wieder anzuziehen.

Ein paar Männer sind aber auch mitgelaufen,

richtig?

Der Großteil waren Frauen, aber einige Männer

waren auch dabei. Das war mir auch wichtig,

sie nicht von der Aktion auszuschließen und

ihnen die Möglichkeit zu geben, die Problematik

zu verstehen und sich solidarisch zu zeigen. Das

einzige Kriterium für die Teilnahme der Männer

war allerdings, dass sie ihr Oberteil anlassen

sollten, um uns mehr Raum zu geben und einen

stärkeren Kontrast zu schaffen.

Welche Reaktionen habt ihr während der

Demo mitbekommen?

Insgesamt überwiegend positive. Von allen

Teilnehmer*innen habe ich durchwegs gutes

Feedback bekommen, das war mir das wichtigste.

Manche Passanten, an denen wir vorbeigelaufen

sind, haben sich nicht cool verhalten, haben

gegafft, gefilmt oder irgendwelche obszönen

Gesten gemacht und es gab auch solche, die uns

richtig angefeindet haben. Daneben gab es aber

auch zum Beispiel einige ältere Frauen, die von

unserer Demo extrem gerührt und stolz auf uns

waren, weil sie selbst ihr Leben lang für den Feminismus

gekämpft haben.

Nach diesem Erfolg habt ihr bestimmt schon

die nächste Aktion in der Pipeline, oder?

Wir werden auf jeden Fall weitermachen

und dieses Projekt vorwärtsbringen! Mich haben

schon so viele Leute gefragt, wann wir die nächste

Aktion starten, und ich denke, in unserem Kollektiv

steckt noch richtig viel Potenzial. Wir sind

auch total offen dafür, unseren Protest thematisch

noch mehr zu erweitern und neuen Input einzubringen.

Für unsere nächste Aktion ist noch kein

konkretes Datum geplant, aber da wird auf jeden

Fall was kommen. Schaut für weitere Infos gerne

auf unserem Instagram-Kanal @obenohnedemo

vorbei. (lina)

Foto: Inga Seiffert

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