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FINANZEN

DIE WELT DONNERSTAG, 29. OKTOBER 2020 SEITE 21 *

Wenn es Konstanten der

menschlichen Zivilisation

gibt, dann gehört das Bezahlen

mit Geld ohne Zweifel

dazu. In China gingen

die Menschen schon vor drei Jahrtausenden

von der Tausch- zur Geldwirtschaft über, und

in Europa sind spätestens seit dem Römischen

Reich Münzen allgegenwärtig. Im 19. Jahrhundert

kamen Banknoten und Konten dazu. Doch

wie viele andere Aspekte der menschlichen

Kultur, erfährt das Bezahlen gerade einen radikalen

Umbruch, eine technologische Revolution

mit weitreichenden Folgen, nicht nur

für Konsumenten, sondern auch für Sparer

und Anleger.

VON DANIEL ECKERT

Die Geldwirtschaft wird in der globalen

Ökonomie zwar immer wichtiger, doch zugleich

werden Zahlungsmittel immer virtueller:

Selbst bei den in Bargeld verliebten Deutschen

gewinnen elektronische und digitale

Zahlungsmittel immer größere Bedeutung. Die

Corona-Rezession, die schwerste Wirtschaftskrise

seit dem Zweiten Weltkrieg, beschleunigt

den Trend zum virtuellen Geld. Nicht nur

beim Einkaufen im Internet, auch beim Einkaufen

im Laden wird immer mehr per Karte

oder App bezahlt. Für die Finanzbranche bedeutet

das eine gewaltige Umwälzung – mit

Gewinnern und Verlierern.

Denn jetzt kommt es vor allem auf die Software

an, Technologie ist Trumpf. Althergebrachte

Kreditinstitute, die technologisch

nicht mithalten können, sehen ihre Geschäftsmodelle

erodieren. Neue Spieler, teils kaum älter

als zehn Jahre, etablieren sich dagegen als

Giganten auf dem Markt für Bezahldienstleistungen

(englisch Payment). Und die neue

Weltmacht China, wo schon vor 3000 Jahren

die Geldwirtschaft eingeführt wurde, sieht

sich wieder einmal an die Spitze. Das Reich der

Mitte macht genau in diesem Bereich gerade

einen Börsengang der Superlative. Ab nächster

Woche soll der Fintech-Konzern Ant Group,

bisher Teil des Amazon-Konkurrenten Alibaba

von Jack Ma, am Markt in Hongkong und

Shanghai gehandelt werden. Insgesamt will

der führende Zahlungsdienstleister Asiens

mehr als 34 Milliarden Dollar bei Anteilseignern

einsammeln. Es wäre die größte Platzierung

der Geschichte. Die Erstnotiz ist für den

5. November vorgesehen.

Der globale Payment-Markt ist schon jetzt

gigantisch und wächst weiter. Die Beratungsgesellschaft

Boston Consulting Group (BCG)

beziffert das Volumen auf 1,5 Billionen Dollar.

Ende des Jahrzehnts könnten die Anbieter

Umsätze jenseits von zwei Billionen Dollar erzielen.

Das Wachstum der Firmen, die eine

breite Palette von Dienstleistungen rund um

das Bezahlen anbieten, ist riesig. Der BCG zufolge

konnten die Unternehmen ihre Erlöse in

diesem Bereich in den zurückliegenden fünf

Jahren um mehr als sieben Prozent jährlich

steigern. Payment umfasst unter anderem Kreditkarten,

Bezahl-Apps, Kartenlesegeräte und

sonstige Infrastruktur sowie ebenso Abwicklung

und Analyse von Zahlungsströmen. Von

dem, was hinter den Kulissen passiert, bekommen

private Konsumenten nur einen Bruchteil

überhaupt mit, wenn sie zum Beispiel einen

Fernseher oder eine Spielekonsole per Karte

bezahlen.

Kurzfristig werden die meisten Akteure der

Payment-Industrie einen Rückgang ihrer

Wachstumszahlen erleben, räumen die BCG-

Experten ein. Denn letztlich hängen auch ihre

Umsätze an der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

Das könne auch die Erträge drücken.

„In der Covid-19-Pandemie konsumieren Verbraucher

weniger, und der internationale Handel

schwächt sich ab“, sagt Markus Ampenberger,

Payment-Experte bei der BCG. Doch

schon bald würden Erlöse und Erträge in dem

Sektor wieder zulegen. Im Fall einer schnellen

Erholung rechnet er mit einem Umsatzplus

von gut vier Prozent Prozent per annum. Sollte

der Aufschwung länger auf sich warten lassen,

dürften es immerhin knapp drei Prozent

sein. Das sind jedoch Durchschnittswerte, hinter

denen sich ein gewaltiger Umbruch vollzieht.

Während der traditionelle Zahlungsverkehr

stagniert, erlebt bargeldloses Bezahlen einen

Boom, und das sogar in Deutschland.

„Die deutschen Konsumenten und Händler

haben sich durch die Pandemie in den letzten

Monaten offener gegenüber der Nutzung elektronischer

Bezahlverfahren an der Ladenkasse

gezeigt“, sagt Ampenberger. Beziehe man das

anhaltende Wachstum im Internet-Handel

(E-Commerce) mit ein, sei davon auszugehen,

dass die Zahl bargeldloser Transaktionen bis

2024 Jahren um rund ein Fünftel zunehmen:

Das könnte bedeuten, dass dann pro Kopf und

Jahr 278 mal „unbar“ bezahlt wird, verglichen

mit durchschnittlich 227 Transaktionen im

Jahr 2019. Die BCG-Studie „Global Payments

2020: Fast Forward into the Future“ lag WELT

vorab vor.

Wie in anderen Zukunftsbranchen ist die

Bundesrepublik jedoch ein Nachzügler. Nachdem

sich der Zahlungsabwickler Wirecard als

Betrugsunternehmen erwiesen hat, verfügt

Europas größtes Volkswirtschaft über kein

nennenswertes Unternehmen in dem Bereich.

Außerhalb Asiens sind es die großen US-Plattformen,

die das Geschäft praktisch unter sich

aufteilen. Die größten auf dem Gebiet sind die

bekannten Kreditkartenmarken Visa und Mastercard.

Beide sind inzwischen Firmengiganten

mit einem Börsenwert von 350 und 280

Milliarden Euro. Allein Visa zählt mehr als

1,1 Milliarden ausgegebene Karten. Zwar spüren

auch die Kreditkartengesellschaften die

Corona-Delle, wie gerade die Nummer zwei,

Mastercard, einräumen musste. Deren Quartalszahlen

fielen schlechter aus als erwartet.

Insgesamt bleiben die Kartenanbieter jedoch

auf Wachstumskurs. „Visa und Mastercard

sind in den vergangenen Jahren zweistellig

gewachsen“, sagt Michael C. Jakob, Gründer

des Portals AlleAktien. Entsprechend war

auch die Börsenentwicklung. Während Banken

niedriger stehen als vor der Corona-Krise,

konnten die Gesellschaften ihr Kursniveau

Beinahe

immun gegen

Corona

Der Markt für Kreditkarten und Bezahl-Apps wird zum Billionengeschäft

und wächst kräftig. Daran ändert die Rezession wenig.

Konsumenten kommen immer mehr ohne Banken aus. Mit den richtigen

Aktien können Anleger von dem Megatrend profitieren

Bezahl-Apps gehen an der Börse ab

Paypal-Aktie in Dollar

200

180

160

140

120

100

80

verteidigen. Noch lukrativer waren für Anleger

allerdings die Anbieter neuer Bezahl-Apps

wie Paypal oder Square. Die Pandemie hat den

Anbietern den großen Durchbruch beschert.

„Wir reden hier von 40 Prozent oder mehr

Kundenzuwachs“, erklärt Jakob. Paypal hat

seit Herbst 2019 drei Viertel zugelegt. Nimmt

man die börsennotierten Anbieter von Bezahldienstleistungen

mit ihren diversen Geschäftsmodellen

zusammen, stehen die Notierungen

im Schnitt 36 Prozent höher als vor

einem Jahr. Zum Vergleich: Der Dax rangiert

sechs Prozent im Minus, Finanzwerte weltweit

sogar 20 Prozent.

Einziger Wermutstropfen: Auf nennenswerte

Dividenden dürfen Aktionäre von Payment-

Anbietern nicht hoffen, „Die Payment-Industrie

ist das perfekte Beispiel für eine Branche

mit hohem Wachstum, mit hohen Bewertungen,

niedrigen Ausschüttungen, aber beeindruckenden

Renditen in Form von Kapitalzuwachs“,

sagt Edoardo Fusco Femiano, Marktanalyst

bei der Investitionsplattform Etoro.

Auch Fusco Femiano sieht Newcomer wie Paypal

im Vorteil, da sie einen technologischen

Vorsprung hätten und außerdem weniger abhängig

vom Wirtschaftszyklus seien. „Visa und

Mastercard sind zyklischer, da sie bei einem

wirtschaftlichen Abschwung unter sinkendem

Konsum leiden.“

Künftig wird es womöglich aber noch zu einer

weiteren Revolution kommen, die sich

erst andeutet: Der Grund sind Kryptowerte

wie Bitcoin oder Libra. „Sie werden struktureller

Bestandteil des zukünftigen Payment-

Markts sein“, ist der Experte überzeugt. Dass

Paypal jüngst angekündigt hat, Bitcoin als

Zahlungsmittel zu akzeptieren, sei nur die

Spitze des Eisbergs: „Die Blockchain-Technologie

wird eine Schlüsselrolle in der Entwicklung

der globalen Zahlungsindustrie spielen.“

Auch Jakob ist davon überzeugt, dass die große

Revolution erst bevorsteht: „In Asien zahlt

man schon seit Jahren nicht mehr per Kreditkarte,

sondern per Handy und QR-Code.“ Die

Karten-Ära sei dort komplett übersprungen

worden. Der milliardenschwere Börsengang

von Ant Group ist so etwas wie der Sputnik-

Schock der Finanzindustrie.

200,43

60

2017 2018 2019 28.10.2020

Quelle: Bloomberg

Billionenmarkt trotzt Corona-Krise

Zwei Szenarien für Ertragswachstum

Erlöse

in Mrd. Dollar

durchschnittliches Schnelle Erholung Langsame Erholung

Wachstum p.a.

7,3% 4,4% 5,6% 2,7% 5,0%

2374

2127

1464

1810

1670

1031

2014 2019 2024 2029 2024 2029

Quelle: Boston Consulting Group

KOMPAKT

PAUSCHALREISE

Schnelle Erstattung

bei Stornierung

Bei einer stornierten Pauschalreise

haben Verbraucher das Recht auf

schnelle Erstattung des Reisepreises

innerhalb von 14 Tagen. Die

Veranstalter können sich auch nicht

auf Liquiditäts- oder Organisationsprobleme

in der aktuellen Corona-

Krise berufen, wie das Amtsgericht

Frankfurt in einem rechtskräftigen

Urteil (Az.: 32 C 2620/20) entschieden

hat. Geklagt hatte ein Kunde,

der knapp 2400 Euro für eine abgesagte

Spanienreise zunächst vergeblich

zurückverlangt hatte. Das Reiseunternehmen

bot dem Mann im

Sommer zunächst nur einen Gutschein

über die Summe an. Später

wollte es zwar den Reisepreis erstatten,

nicht aber die inzwischen

angefallenen vorgerichtlichen Anwaltskosten

und Verzugszinsen.

Das sah das Amtsgericht anders,

weil der Veranstalter 14 Tage nach

der Stornierung automatisch in

Verzug geraten sei.

MASTERCARD

Starker

Gewinnrückgang

Ein deutlicher Rückgang der Ausgaben

von Kreditkartenkunden hat

dem US-Finanzkonzern Mastercard

in der Corona-Krise die Bilanz vermasselt.

Im dritten Quartal fiel der

Gewinn gegenüber dem Vorjahreswert

um 28 Prozent auf 1,5 Milliarden

Dollar (umgerechnet 1,3 Milliarden

Euro), wie der Visa-Rivale mitteilte.

Die Erlöse gingen um 14 Prozent

auf 3,8 Milliarden Dollar

zurück. Mastercard leidet stark

darunter, dass die Pandemie den

Reiseverkehr lahmgelegt hat, weshalb

etwa lukrative Hotel- oder

Flugbuchungen wegfallen, die häufig

mit Kreditkarten bezahlt werden.

So gingen vor allem die Auslandszahlungen

erheblich zurück.

DWS

Fondsgesellschaft

erreicht Kostenziel

Die Deutsche-Bank-Tochter DWS

will ihr Kostenziel bereits dieses

Jahr erreichen und sich ab dem

kommenden Jahr auf Wachstum

konzentrieren. „Ein sehr gutes drittes

Quartal mit hohen Nettomittelzuflüssen

unterstreicht die Stärke

unseres diversifizierten Geschäftsmodells

auch in der Pandemie“,

sagte Vorstandschef Asoka Wöhrmann.

Zwischen Juni und September

warb die DWS netto 10,5 Milliarden

Euro an neuen Geldern ein.

Gleichzeitig drückte die Fondsgesellschaft

auf die Kostenbremse.

„Wir erwarten, dass wir unser beim

Börsengang ausgegebenes mittelfristiges

Ziel für die Aufwand-Ertrags-Relation

ein Jahr früher erreichen

werden“, sagte Wöhrmann.

WOHNUNGSWIRTSCHAFT

Büros besser

umbauen

Der Verband der norddeutschen

Wohnungsunternehmen (VNW)

empfiehlt den Umbau von Büros zu

Wohnungen. Infolge der Corona-

Pandemie, zunehmender Digitalisierung

und mobilen Arbeitens werde

der Bedarf an Gewerbeimmobilien

sinken, erklärte Verbandsdirektor

Andreas Breitner. Besonders Hotel-,

Handels- und Büroimmobilien würden

davon betroffen sein. Die Schaffung

bezahlbaren Wohnraums biete

auf viele Jahrzehnte hinaus eine

sichere Einnahmequelle. „Allerdings

müssten Immobilienfonds sich von

Renditefantasien verabschieden“,

meinte Breitner. Die Umwandlung

von Gewerbe- in Wohnimmobilien

sei aus seiner Sicht auch aus Gründen

des Klimaschutzes sinnvoll.

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